„Neue Ostpolitik“ des Vatikans: Zerfällt Chinas Untergrundkirche? – Unrechtmäßige Weihe eines Untergrundbischofs


Papst Franziskus mit chinesischen Katholiken (5. Oktober 2016), die vom 2006 geweihten und von Rom und Peking anerkannten Bischof Xu Honggeng nach Rom begleitet wurden.
Papst Franziskus mit chinesischen Katholiken (5. Oktober 2016), die vom 2006 geweihten und von Rom und Peking anerkannten Bischof Xu Honggeng nach Rom begleitet wurden.

(Hong Kong) „Ver­zweif­lung“, das ist der häu­fig­ste Begriff, mit dem der­zeit Ken­ner die Stim­mung unter den Katho­li­ken der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che beschrei­ben. „Ver­zweif­lung“ herrscht wegen der „Neu­en Ost­po­li­tik“ des Vati­kans gegen­über dem kom­mu­ni­sti­schen Regime in Peking. Sie führt zu neu­en Brü­chen: Ein Unter­grund­prie­ster ließ sich aus Pro­test gegen die vati­ka­ni­sche Hal­tung unrecht­mä­ßig zum Unter­grund­bi­schof wei­hen, und er ist selbst zu wei­te­ren Bischofs­wei­hen ohne die Zustim­mung Roms bereit.

„Verzweiflung, Enttäuschung, Verbitterung“ über Rom

Anzei­ge

„Es herrscht eine ver­brei­te­te ‚Ver­zweif­lung‘, ‚Ent­täu­schung‘, ‚Ver­bit­te­rung‘, ja sogar ‚Zorn‘ unter den Gläu­bi­gen der katho­li­schen Unter­grund­kir­che in der Volks­re­pu­blik Chi­na“, so Asia­news, die Nach­rich­ten­sei­te des Päpst­li­chen Insti­tuts der Aus­lands­mis­sio­nen.

Am chi­ne­si­schen Fest­land herrscht seit 1949 eine kom­mu­ni­sti­sche Dik­ta­tur. Die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas (KPCh) bean­sprucht die völ­li­ge Hörig­keit der Kir­che gegen­über dem Staat und das Recht, alle inne­ren Ange­le­gen­hei­ten der Kir­che (Ernen­nung der Bischö­fe und ande­re Per­so­nal­ent­schei­dun­gen, Ver­kün­di­gung der Leh­re im Ein­klang mit der sozia­li­sti­schen Staats­ideo­lo­gie, usw.) zu regeln. In den ersten Jah­ren herrsch­te eine grau­sa­me Ver­fol­gung der Kir­che. Alle aus­län­di­schen Mis­sio­na­re wur­den aus­ge­wie­sen oder ver­haf­tet. Alle chi­ne­si­schen Bischö­fe und Prie­ster muß­ten flüch­ten oder wur­den inter­niert. Vie­le Bischö­fe und Prie­ster ver­brach­ten Jahr­zehn­te ihres Lebens im Gefäng­nis oder in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern. Zahl­rei­che sind dort ums Leben gekom­men. Alle Prie­ster­se­mi­na­re wur­den geschlossen.

Der lange Leidensweg der chinesischen Katholiken

1957 wur­de von den Kom­mu­ni­sten nach Ost­block­ma­nier die Chi­ne­si­sche Katho­lisch-Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung (CPCA) geschaf­fen, kurz Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung genannt, eine regi­me­hö­ri­ge Grup­pe, deren Auf­ga­be es ist, eine von Rom getrenn­te und von der KP abhän­gi­ge chi­ne­si­sche Natio­nal­kir­che zu schaf­fen. Dage­gen wehrt sich die rom­treue Untergrundkirche.

Untergrundkirche: Untergrundpriester segnet Untergrundkatholiken
Unter­grund­kir­che: Unter­grund­prie­ster seg­net Untergrundkatholiken

Noch 1957 exkom­mu­ni­zier­te Papst Pius XII. alle Bischö­fe, die sich der Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung anschlos­sen bzw. von die­ser ein­ge­setzt wur­den. Die­se Exkom­mu­ni­ka­ti­on wur­de zuletzt von Papst Bene­dikt XVI. bekräf­tigt. Sie gilt auch für alle Bischö­fe, die an einer uner­laub­ten Bischofs­wei­he teilnehmen.

1966 folg­te mit der „Kul­tur­evo­lu­ti­on“ eine neue „unbe­schreib­li­che“ Wel­le der Ver­fol­gung für die chi­ne­si­schen Katho­li­ken, so Asia­news. Zahl­rei­che Kir­chen wur­den zer­stört, die katho­li­sche Kir­che wur­de als „kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­re Orga­ni­sa­ti­on“ ver­bo­ten. Jeder Kon­takt zum Vati­kan galt als „sub­ver­si­ve Ver­bin­dung zu einer aus­län­di­schen Macht“ unter Stra­fe. Ein sicht­ba­res kirch­li­ches Leben gab es nicht mehr. Die Gefäng­nis­se und Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger waren der letz­te Ort, wo noch ein katho­li­scher Kle­rus exi­stier­te und wir­ken und mis­sio­nie­ren konnte.

Die „Ostpolitik“

1978 begann das Regime eine Reform­po­li­tik der „offe­nen Türen“. Eini­ge Bischö­fe wur­den aus der Haft ent­las­sen. Die „Ost­po­li­tik“ von Kar­di­nal Ago­sti­no Casaro­li wur­de auch auf die Volks­re­pu­blik Chi­na über­tra­gen. Der Vati­kan ver­folg­te eine Linie „der pri­vi­le­gier­ten Auf­merk­sam­keit“ für die rom­treue Unter­grund­kir­che, der das Recht ein­ge­räumt wur­de, auf­grund der Not­si­tua­ti­on und der erschwer­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten eigen­stän­dig Bischö­fe zu wei­hen. Gleich­zei­tig bemüh­te sich Rom um eine ver­söhn­li­che Hal­tung gegen­über der „offi­zi­el­len“, staat­lich aner­kann­ten Kir­che. Die Fol­ge die­ser vati­ka­ni­schen Poli­tik war ein „Viel­zahl“ von Bischö­fen. In man­chen Diö­ze­sen gab es zwei oder drei Bischö­fe. Den von Rom aner­kann­ten, aber für das Regime „ille­ga­len“ Unter­grund­bi­schof und den von Peking ernann­ten, „offi­zi­el­len“ Bischof. Die Über­gän­ge waren flie­ßend, wes­halb es auch drei Bischö­fe geben konn­te, weil ein von Rom aner­kann­ter Bischof sich zu einem bestimm­ten Moment dem kom­mu­ni­sti­schen Regime unter­warf, und ein neu­er Unter­grund­bi­schof geweiht wur­de, oder weil ein „offi­zi­el­ler“ Bischof sich mit Rom ver­söhn­te, und die Kom­mu­ni­sten einen neu­en „lega­len“ Bischof einsetzten.

Chinesische Katholiken
Chi­ne­si­sche Katholiken

Unter die­sen Bedin­gun­gen gestal­te­te es sich alles ande­re als leicht, die Zustän­dig­kei­ten der Bischö­fe aus­ein­an­der­zu­hal­ten und die not­wen­di­ge Seel­sor­ge für die Gläu­bi­gen sicher­zu­stel­len. Vor allem erfüll­ten kei­nes­wegs alle von der einen oder der ande­ren Sei­te ernann­ten Bischö­fe die für die­ses Amt erfor­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen. Das gilt vor allem für die von Peking ernann­ten Bischö­fe, deren theo­lo­gi­sche und mensch­li­che Qua­li­tä­ten zu wün­schen übrig las­sen. Auch in der Unter­grund­kir­che gab es man­chen Fehlgriff.

Mit den erhöh­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten und kur­zen Pha­sen stär­ke­rer „Öff­nung“ durch das Regime revi­dier­te Papst Bene­dikt XVI. 2007 das Pri­vi­leg für die Unter­grund­kir­che, ohne Zustim­mung Roms Bischö­fe wei­hen zu dür­fen. Man hoff­te auf ein Ent­ge­gen­kom­men Pekings, das Recht Roms zur frei­en Bischofs­er­nen­nung  anzu­er­ken­nen. Dazu kam es aber nicht. Nach einem ein kur­zen „Tau­wet­ter“ dreh­te das Regime wie­der an der Dau­men­schrau­be. Peking ernann­te eigen­mäch­tig neue Bischö­fe. Ein Schlag ins Gesicht für Rom. Bene­dikt XVI. reagier­te mit der Exkom­mu­ni­ka­ti­on der neu­ernann­ten Bischö­fe und aller Bischö­fe, die an den ille­ga­len Wei­hen mitwirkten.

Die „Neue Ostpolitik“

Unter Papst Fran­zis­kus begann der Vati­kan eine Neu­auf­la­ge der umstrit­te­nen „Ost­po­li­tik“: ein Dia­log mit dem kom­mu­ni­sti­schen Regime auf Kosten der ver­folg­ten Chri­sten, denn als Preis for­dert Peking, daß der Vati­kan die Unter­grund­kir­che opfert.

Seit Mona­ten geht die Rede von einem „Abkom­men“ zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und der Regie­rung. Am ver­gan­ge­nen 2. Febru­ar streu­te  Papst Fran­zis­kus den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern Blu­men in einem Inter­view mit einer regi­me­na­hen Zei­tung. Er lob­te die Regie­rung und erwähn­te mit kei­nem Wort die Fra­ge der Men­schen­rech­te. Er ging auch nicht auf die Unter­drückung der rom­treu­en Unter­grund­kir­che ein.

Wäh­rend Papst Fran­zis­kus dem Regime schmei­chel­te, schrieb der Chi­na-Mis­sio­nar Pater Gian­ni Cri­vel­ler PIME über die­sel­ben Machthaber:

„Sie haben eine Wüste geschaf­fen, die sie Ord­nung nennen.“

Er kri­ti­sier­te die „fal­sche Nach­gie­big­keit gegen­über dem Pekin­ger Regime zum Scha­den der chi­ne­si­schen Katholiken“.

Rom wünscht diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen mit Peking und eine „Nor­ma­li­sie­rung“ der Ver­hält­nis­se. Kurz vor sei­nem Tod 2006 sag­te der rom­treue Unter­grund­bi­schof Anton Li Duan von Xian: „Es besteht kei­ne Not­wen­dig­keit um jeden Preis diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen zwi­schen Regie­rung und Hei­li­gem Stuhl anzu­stre­ben. Erst wenn Peking die vol­le Reli­gi­ons­frei­heit garan­tiert, wer­den wir diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen her­stel­len. Bis dahin soll­ten wir uns dar­um sor­gen, die Kir­che auf­zu­bau­en und die chi­ne­si­sche Gesell­schaft zu evangelisieren.“

Bischof Li Duan bezahl­te sei­ne Treue zu Rom mit 19 Jah­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger. Als er Ende der 80er Jah­re reha­bi­li­tiert wur­de, herrsch­te gera­de ein der Tau­wet­ter-Pha­sen. Peking war mit sei­ner Ernen­nung zum Bischof ein­ver­stan­den. Zuerst aber hol­te er sich die Zustim­mung Roms. Bischofs­wei­hen ohne Zustim­mung Roms lehn­te er kate­go­risch ab.

Kardinal Zens Warnung: Rückkehr „in die Katakomben“

Kar­di­nal Joseph Zen, der eme­ri­tier­te Bischof von Hong Kong und „graue Emi­nenz“ der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che, schlug im ver­gan­ge­nen Juni Alarm. In einem Appell an die Katho­li­ken der Volks­re­pu­blik Chi­na warn­te er vor einem sol­che Abkom­men. Für den Fall, daß Rom das Abkom­men unter­zeich­nen soll­te, pro­phe­zei­te Kar­di­nal Zen eine neue Ver­fol­gungs­wel­le und die Rück­kehr „in die Kata­kom­ben“. Die Wor­te des ange­se­hen­sten Ver­tre­ters der chi­ne­si­schen Katho­li­ken wur­den im Vati­kan jedoch ignoriert.

Kardinal Zen demonstriert für die Religionsfreiheit in China
Kar­di­nal Zen demon­striert für die Reli­gi­ons­frei­heit in China

Die Ver­hand­lun­gen zwi­schen Rom und Peking fin­den unter Aus­schluß der Öffent­lich­keit statt. Die chi­ne­si­schen Katho­li­ken wer­den von Rom nicht ein­ge­bun­den. Kar­di­nal Zen sprach im ver­gan­ge­nen Som­mer von einem „fal­schen Weg“. Er tadel­te jene, die „auf der Sei­te der Regie­rung ste­hen“ und „die Oppor­tu­ni­sten in der Kir­che“. Er for­der­te die besorg­ten Unter­grund­ka­tho­li­ken auf, „Ruhe zu bewah­ren“ und sich „nicht ver­wir­ren zu las­sen“. Zugleich sag­te er aber auch, daß sie einem „fal­schen Abkom­men kei­nen Gehor­sam schulden“.

Wie dra­ma­tisch Kar­di­nal Zen die Lage ein­schätzt, geht aus dei­nen Wor­ten an die rom­treu­en Katho­li­ken Chi­nas hervor:

„In Zukunft ist zu befürch­ten, daß Ihr kei­nen öffent­li­chen Platz mehr für das Gebet haben wer­det, aber Ihr wer­det zu Hau­se beten kön­nen. Und selbst wenn es kei­ne Mög­lich­keit mehr geben soll­te, die Sakra­men­te zu emp­fan­gen, wird der Herr Jesus den­noch in Eure Her­zen kom­men; und wenn es nicht mehr mög­lich sein soll­te, das Prie­ster­tum aus­zu­üben, bedenkt: Der Prie­ster bleibt Prie­ster für immer.“

Im August wie­der­hol­te der Kar­di­nal sei­ne War­nun­gen vor der ange­streb­ten Annä­he­rung zwi­schen Rom und Peking.

Rom überläßt Bischofsernennungen der Kommunistischen Partei

Am 2. Sep­tem­ber schrieb der bekann­te Vati­ka­nist San­dro Magi­ster über die „Neue Ost­po­li­tik“: „Papst Fran­zis­kus ver­gibt auch Maos Chi­na“. Das neue vati­ka­ni­sche Mot­to lau­te: „Akzep­tie­ren, lächeln, vor­wärts­ge­hen“, so Magister.

In der Tat mach­te Papst Fran­zis­kus dem Regime so weit­ge­hen­de Zuge­ständ­nis­se, daß er die Ernen­nung von Bischö­fen de fac­to der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chi­nas über­tra­gen hat. Rom erkann­te das Ernen­nungs­recht durch die Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung und die eben­falls regi­me­hö­ri­ge Kon­fe­renz der katho­li­schen chi­ne­si­schen Bischö­fe an. Die­se sind aber kei­ne eigen­stän­di­gen, schis­ma­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen, son­dern ledig­lich Vor­feld­or­ga­ni­sa­tio­nen der KPCh. Wer also Bischof wird, bestim­men damit kom­mu­ni­sti­sche Parteigremien.

Da sich der Vati­kan selbst aus dem Ren­nen genom­men hat, haben die Unter­grund­bi­schö­fe kei­ne Mög­lich­keit mehr, auf Bischofs­er­nen­nun­gen ein­zu­wir­ken. Vor­schlä­ge nach Rom zu schicken, das auf Ernen­nun­gen ver­zich­tet, ist zweck­los. Eine Mit­wir­kung im Rah­men der regi­me­hö­ri­gen Orga­ni­sa­tio­nen ist undenk­bar. Selbst wenn die Unter­grund­bi­schö­fe in die Kon­fe­renz der katho­li­schen chi­ne­si­schen Bischö­fe ein­tre­ten wür­den, könn­ten sie ihre Befug­nis­se nicht aus­üben, da die­se Orga­ni­sa­tio­nen nur Fas­sa­den sind, wäh­rend die Ent­schei­dun­gen im zustän­di­gen Par­tei­bü­ro fallen.

„Vergewaltigung unserer Gewissen“

Da Rom ein Abkom­men mit Peking will, ist ein Preis dafür die Aner­ken­nung der regi­me­hö­ri­gen Ver­ei­ni­gun­gen durch die Unter­grund­kir­che. Die­se hat jahr­zehn­te­lang gegen die­se Ver­ei­ni­gun­gen aus­ge­harrt und dem staat­li­chen Druck getrotzt. Eine nun­meh­ri­ge Aner­ken­nung und Unter­wer­fung unter die Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung wird vom größ­ten Teil der Unter­grund­kir­che ent­schie­den abge­lehnt. Wenn Rom eine sol­che Aner­ken­nung ver­lan­ge, sei das „eine Ver­ge­wal­ti­gung unse­rer Gewis­sen“, zitier­te Asia­news Untergrundvertreter.

Das Lei­den der Unter­grund­chri­sten in Chi­na inter­es­siert jedoch im Westen kaum jemand. Wenn Rot­chi­na eine Rol­le spielt, dann in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht. Daher ist im Westen nur wenig bekannt über das Schick­sal der ver­folg­ten Chri­sten im kom­mu­ni­sti­schen Großreich.

Durch die neue Vatik­an­li­nie ver­brei­tet sich unter den Unter­grund­ka­tho­li­ken das Gefühl im Stich gelas­sen zu wer­den. In Tei­len der Unter­grund­kir­che ist die Ver­zweif­lung so groß gewor­den, daß zur „Not­hil­fe“ gegrif­fen wird. Die­se „Not­hil­fe“ droht die Lage noch ver­wor­re­ner zu machen, als sie es ohne­hin bereits ist.

Verworrene Lage: drei unterschiedliche Ebenen

Um die Lage der Katho­li­ken in der Volks­re­pu­blik Chi­na zu ver­ste­hen, gilt es sich vor Augen zu hal­ten, daß es drei ver­schie­de­ne Akteu­re und Ebe­nen gibt, die teil­wei­se inein­an­der fließen.

Christenverfolgung in der Provinz Zhejiang: Zerstörung christlicher Symbole und von Kirchen
Chri­sten­ver­fol­gung in der Pro­vinz Zhe­jiang: Zer­stö­rung christ­li­cher Sym­bo­le und von Kirchen

Es gibt auf der einen Sei­te die eigent­li­che rom­treue, römisch-katho­li­sche Kir­che, die sich seit bald 70 Jah­ren im Unter­grund befin­det und der stän­di­gen Ver­fol­gung aus­ge­setzt ist. Meh­re­re ihrer Bischö­fe befin­den sich im Gefäng­nis oder in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern (Arbeits- oder Umer­zie­hungs­la­ger genannt). Glei­ches gilt für Unter­grund­prie­ster. Die Bischö­fe und Prie­ster der Unter­grund­kir­che wur­den daher, auf­grund des erwähn­ten Pri­vi­legs, mit nach­träg­li­cher Zustim­mung des Vati­kans im Unter­grund geweiht.

Ihr Gegen­spie­ler ist die Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung, eine vom Regime ein­ge­setz­te regi­me­hö­ri­ge Orga­ni­sa­ti­on, der laut kom­mu­ni­sti­scher For­de­rung zwangs­wei­se alle chi­ne­si­schen Katho­li­ken ange­hö­ren soll­ten. Das Regime ernennt Bischö­fe ohne Zustim­mung Roms und läßt sie durch ande­re regi­me­hö­ri­ge Bischö­fe wei­hen, die ihrer­seits Prie­ster wei­hen. Der Vati­kan erkann­te die­se Wei­hen bis­her nicht an. Für den Staat ist die­se von Rom abge­lehn­te Orga­ni­sa­ti­on die offi­zi­el­le katho­li­sche Kir­che in China.

Dazwi­schen gibt es eine drit­te Ebe­ne, die auf ein erhoff­tes Tau­wet­ter, zuletzt unter Papst Bene­dikt XVI., zurück­geht. Es han­delt sich um von Peking und von Rom aner­kann­te Bischö­fe, die also nicht im Unter­grund wir­ken müssen.

Über allen lastet natür­lich die stän­di­ge Beob­ach­tung durch das Regime.

Spaltung der Untergrundkirche

Im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber kam noch eine vier­te Ebe­ne dazu. Am 11. Sep­tem­ber ließ sich der Unter­grund­prie­ster Dong Guan­hua aus Pro­test gegen die „Neue Ost­po­li­tik“ des Vati­kans, ohne Zustim­mung des Hei­li­gen Stuhls, zum Unter­grund­bi­schof wei­hen. Damit zer­fällt auch die Unter­grund­kir­che in recht­li­cher Hin­sicht in zwei Tei­le: in von Rom aner­kann­te und von Rom nicht aner­kann­te Unter­grund­bi­schö­fe. Die Bischofs­wei­he von Dong Guan­hua ist unrecht­mä­ßig erfolgt, aber gültig.

Er beruft sich auf einen „Not­stand“, weil der Vati­kan im Zuge der Annä­he­rung an Peking auf eigen­stän­di­ge Bischofs­er­nen­nun­gen ver­zich­tet und die Ernen­nun­gen dem Regime überläßt.

Vie­le Unter­grund­bi­schö­fe ver­ur­teil­ten die Ent­schei­dung Dong Guan­hu­as und spre­chen von einem „iso­lier­ten“ Fall. Sei­ne Bischofs­wei­he ist zugleich ein Sym­ptom für die Unru­he, die durch die „Neue Ost­po­li­tik“ des Vati­kans unter Chi­nas Katho­li­ken ent­stan­den ist.

Bischof Guan­hua ist ent­schlos­sen, sei­nen Weg „zum Schutz der chi­ne­si­schen Katho­li­ken“ fort­zu­set­zen. Er gab sei­ne Bereit­schaft bekannt, wei­te­re Unter­grund­prie­ster zu Bischö­fen zu wei­hen, um das „Aus­trock­nen der Kir­che Chri­sti in Chi­na und ihre Aus­lie­fe­rung“ an das kom­mu­ni­sti­sche Regime zu verhindern.

Exkommunikation

Der rom­treue Bischof Jia Zhi­guo von Zheng­ding gab zwei Tage nach der Bischofs­wei­he von Dong Guan­hua bekannt, daß Bischof Guan­hua und der ihn wei­hen­de Bischof gegen Canon 1382 des Kodex des Kir­chen­rech­tes ver­sto­ßen haben und daher latae sen­ten­tiae exkom­mu­ni­ziert sind.

Schreiben von Bischof Zhiguo: "Bischof Dong Guanhua ist exkommuniziert"
Schrei­ben von Bischof Zhi­guo: „Bischof Dong Guan­hua ist latae sen­ten­tiae exkommuniziert“.

Bischof Zhi­guo ver­si­cher­te zugleich Rom sei­ner Treue. „Selbst wenn Papst Fran­zis­kus sei­ne Stra­te­gie gegen­über der chi­ne­si­schen Regie­rung ändert, und selbst wenn die­se Ände­rung nicht zum Nut­zen der Unter­grund­ge­mein­schaft ist, wer­den die mei­sten Unter­grund­bi­schö­fe nicht sol­che absur­den und anma­ßen­den Hand­lun­gen set­zen“ wie Bischof Guan­hua, schrieb ein Unter­grund­prie­ster am 12. Sep­tem­ber, dem Tag nach der unrecht­mä­ßi­gen Bischofs­wei­he in einem Brief, der von Asia­news ver­öf­fent­licht wurde.

Die Lage der katho­li­schen Kir­che in der Volks­re­pu­blik Chi­na wird, wie die jüng­sten Ent­wick­lun­gen zei­gen, nicht leich­ter. Der seit den 80er Jah­ren erhoff­te Licht­blick läßt wei­ter­hin auf sich war­ten. Wäh­rend­des­sen geht die Chri­sten­ver­fol­gung in man­chen Pro­vin­zen, beson­ders in der Pro­vinz Zhe­jiang, wo die Chri­sten zah­len­mä­ßig beson­ders stark sind, mit unver­min­der­ter Här­te weiter.

Im ver­gan­ge­nen April fand seit 15 Jah­ren das rang­höch­ste Tref­fen kom­mu­ni­sti­scher Staats­ver­tre­ter zum The­ma Reli­gi­on statt. „Kein gutes Zei­chen“, wie es seit­her von katho­li­schen Ver­tre­tern in Hong Kong heißt. Dort geht man viel­mehr davon aus, daß Peking eine „zwei­te Kul­tur­re­vo­lu­ti­on“ zur Dezi­mie­rung der Reli­gi­on vorbereitet.

Staats- und Par­tei­chef Xi Jin­ping for­der­te in sei­ner Rede die „Sini­sie­rung der Reli­gio­nen“ und ihre kate­go­ri­sche Unter­ord­nung unter die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei, „um die Posi­ti­on der Par­tei zu stär­ken“. Er warn­te zugleich alle Parteimitglieder:

„Sie haben ihre Wer­te und ihren Glau­ben nicht in Reli­gio­nen zu suchen, son­dern haben mit Stand­haf­tig­keit mar­xi­sti­sche Athe­isten zu bleiben“.

Bereits zur Amts­ein­füh­rung von Xi Jin­ping im Jahr 2014 hat­te der Vor­sit­zen­de des Aus­schus­ses für eth­ni­sche und reli­giö­se Ange­le­gen­hei­ten des Natio­na­len Volks­kon­gres­ses, Zhu Wei­qun in der par­tei­kon­trol­lier­ten Tages­zei­tung Huán­qiú shà­bà geschrie­ben: Wenn die Mit­glie­der der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Chri­sten wer­den, „könn­ten wir uns nicht mehr Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas nen­nen. Alles wür­de zusam­men­bre­chen“. Wei­qun wie­der­hol­te sei­ne War­nung und rief in Erin­ne­rung, daß es Par­tei­mit­glie­der kate­go­risch ver­bo­ten ist, einer Reli­gi­on anzu­ge­hö­ren. Nament­lich nann­te er in sei­ner War­nung nur das Chri­sten­tum. Könn­ten Par­tei­mit­glie­der das Chri­sten­tum anneh­men, „wür­den alle Ideo­lo­gien, Theo­rien und Orga­ni­sa­tio­nen zusammenbrechen“.

Im Vati­kan hof­fen Papst und Staats­se­kre­ta­ri­at auf einen „Früh­ling“. In Hong Kong spricht Kar­di­nal Zen von einem bevor­ste­hen­den „Win­ter“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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1 Kommentar

  1. Für Fran­zis­kus gilt in Chi­na das­sel­be wie anders­wo: Die Kir­che unter­wirft sich dem Staat. Und die Gläu­bi­gen sind die­sem Unge­heu­er ausgeliefert.

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