„Neue Ökumene“: Der protestantische Freund des Papstes beim Osservatore Romano


Canal 21: Bibelgespräch von Erzbischof Bergoglio, Rabbi Skorka und Pastor Figuereo
Canal 21: Bibelgespräch von Erzbischof Bergoglio, Rabbi Skorka und Pastor Figuereo

(Rom) Seit Sep­tem­ber erscheint der vom Rot­stift bedroh­te Osser­va­to­re Roma­no mit einer eige­nen Aus­ga­be für Argen­ti­ni­en. Der Wunsch geht direkt auf Papst Fran­zis­kus zurück. Die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen wur­den im ver­gan­ge­nen Juni bei einem Tref­fen in San­ta Mar­ta getrof­fen. Redak­ti­ons­lei­ter wur­de, vom Papst hand­ver­le­sen, der argen­ti­ni­sche Pro­te­stant Mar­ce­lo Figueroa.

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„Seit eini­ger Zeit taucht mit immer grö­ße­rer Sicht­bar­keit ein Name im Osser­va­to­re Roma­no auf, auch auf der Titel­sei­te und als Kolum­nist“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Gemeint ist der erwähn­te Mar­ce­lo Figue­roa, der Pastor einer pres­by­te­ria­ni­schen Gemein­schaft in Argen­ti­ni­en ist. Im ver­gan­ge­nen Som­mer hieß es, durch sei­ne Beru­fung sol­le der „öku­me­ni­sche“ Cha­rak­ter gestärkt wer­den. Immer­hin geht es nicht um ein inter­re­li­giö­ses Gre­mi­um, son­dern um die „Tages­zei­tung des Papstes“.

Maß­geb­lich für die unge­wöhn­li­che Ernen­nung ist der Umstand, daß Figue­roa ein „lang­jäh­ri­ger, per­sön­li­cher Freund von Jor­ge Mario Berg­o­glio“ ist, so Magister.

Erzbischof Bergoglio und Pastor Figueroa
Erz­bi­schof Berg­o­glio und Pastor Figueroa

Bereits in der Ver­gan­gen­heit hat­te Papst Fran­zis­kus der Welt inter­re­li­giö­se Freun­de aus sei­ner argen­ti­ni­schen Hei­mat vor­ge­stellt, so einen jüdi­schen Freund, Rab­bi Abra­ham Skorka, und einen mus­li­mi­schen Freund, Imam Omar Abboud. Pastor Mar­ce­lo Figue­roa „ver­voll­stän­digt“ das Bild.

Ihn woll­te der Papst am 31. Okto­ber beim Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken per­sön­lich im schwe­di­schen Lund an sei­ner Sei­te haben. Die päpst­li­che Emp­feh­lung öff­ne­te Figue­roa inzwi­schen die Türen beim Osser­va­to­re Roma­no „bis in die Schalt­zen­tra­le“, so Magister.

Die interreligiösen, argentinischen Freunde

In Argen­ti­ni­en hat­ten Erz­bi­schof Berg­o­glio, Rab­bi Skorka und Pastor Figue­roa bei Canal 21, dem Fern­seh­sen­der des Erz­bis­tums Bue­nos Aires, eine gemein­sa­me Sen­dung. Aus den Nie­der­schrif­ten die­ser Sen­dun­gen ent­stand das Buch „Bibel­ge­sprä­che“ (Con­ver­sa­zio­ni sul­la Bibbia), das vom Vati­kan­ver­lag her­aus­ge­ge­ben wurde.

Die Sen­dung ende­te mit der 32. Fol­ge, weil Kar­di­nal Berg­o­glio zum Papst der katho­li­schen Kir­che gewählt wur­de. Die 33. Fol­ge soll­te die „Freund­schaft“ zum The­ma haben, wie Figue­roa nun im Osser­va­to­re Roma­no erzählte.

Marcelo Figueroa, erster protestantischer, verantwortlicher Redakteur des "Osservatore Romano"
Mar­ce­lo Figue­roa, erster pro­te­stan­ti­scher, ver­ant­wort­li­cher Redak­teur des „Osser­va­to­re Romano“

„Heu­te ist Figue­roa in San­ta Mar­ta zu Hau­se“, so Magi­ster. Im Früh­jahr 2015 muß­te er sich in Argen­ti­ni­en einem heik­len chir­ur­gi­schen Ein­griff unter­zie­hen. Fran­zis­kus stand ihm durch stän­di­ge Tele­fo­na­te nahe. Im Sep­tem­ber des­sel­ben Jah­res gewähr­te ihm der Papst ein lan­ges Inter­view für den argen­ti­ni­schen Radio­sen­der FM Mil­en­ni­um 106,7.

Ein Jahr spä­ter ist Figue­roa Redak­ti­ons­lei­ter der Argen­ti­ni­schen Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no und Kolum­nist der ita­lie­ni­schen Hauptausgabe.

Die „Inve­sti­tur“ in letz­te­rer Rol­le, so Magi­ster, erfolg­te durch einen „selt­sa­men“, vier­hän­dig ver­faß­ten Arti­kel. Ko-Autorin Figue­ro­as war Lucet­ta Sca­raf­fia, die Haupt­ko­lum­ni­stin und Lei­te­rin der umstrit­te­nen Frau­en­bei­la­ge des Osser­va­to­re Roma­no.

Der Arti­kel „Die latein­ame­ri­ka­ni­sche, öku­me­ni­sche Her­aus­for­de­rung“ erschien am 5. Novem­ber. Es han­delt sich um ein Gespräch zwi­schen Figue­roa und Sca­raf­fia, die eine Bilanz der Lund-Rei­se des Pap­stes zu zie­hen ver­su­chen. The­ma ist das Ver­hält­nis zwi­schen Katho­li­ken und Protestanten.

Scaraffias „ökumenische“ Leichtigkeit

„Weni­ge Tage zuvor, am 1. Novem­ber, hat­te Sca­raf­fia im Cor­rie­re del­la Sera zum sel­ben The­ma einen Arti­kel ver­öf­fent­licht, der auf katho­li­scher Sei­te Beun­ru­hi­gung aus­lö­ste“, so Magister.

Sca­raf­fia schrieb darin:

„Heu­te haben vie­le der tie­fen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten, die zur Tren­nung der Kir­che geführt haben, kei­ne Exi­stenz­be­rech­ti­gung mehr: Das Pro­blem des Heils – allein durch gött­li­che Gna­de, wie Luther sag­te, oder durch Wer­ke und die Ver­mitt­lung des Kle­rus, wie die katho­li­sche Kir­che woll­te – bewegt nie­mand mehr. Eben­so wie die Abläs­se aus unse­rem Hori­zont ver­schwun­den sind, und auch das Jen­seits scheint sich seit Jahr­zehn­ten ver­flüch­tigt zu haben. War­um also noch über das alles strei­ten? Und war­um noch strei­ten über den frei­en Zugang zu den hei­li­gen Schrif­ten, wenn heu­te auch die Katho­li­ken gewohnt sind, die Bibel in den von ihnen bevor­zug­ten Aus­ga­ben zu lesen, in Bibel­grup­pen und mit ange­reg­ten Kom­men­ta­ren von größ­ter Leben­dig­keit? Gewiß, es blei­ben offe­ne theo­lo­gi­sche Fra­ge wie die Sakra­men­te – von den Luthe­ra­ner an Zahl ver­rin­gert -, aber das sind zum Groß­teil Fra­gen, die vie­le Gläu­bi­ge nicht berühren.“

Radiointerview Figueroas mit Franziskus
Radio­in­ter­view Figue­ro­as mit Franziskus

Auf­merk­sa­me­re Katho­li­ken lasen Sca­raf­fi­as Zei­len „mit ver­ständ­li­cher Besorg­nis“, so Magi­ster, weil kei­ne neue „Säku­la­ri­sie­rungs­wel­le“ zen­tra­le Punk­te des christ­li­chen Glau­bens aus­höhl­te, son­dern die Haupt­ko­lum­ni­stin der „Tages­zei­tung des Pap­stes“ mit gro­ßer Leich­tig­keit die grund­le­gen­den, offe­nen Glau­bens­fra­ge, die Katho­li­ken und Pro­te­stan­ten tren­nen, entsorgte.

Weni­ge Tage spä­ter folg­te Sca­raf­fi­as Arti­kel mit Figue­roa über das umstrit­te­ne Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken des Pap­stes in Lund. Bei­de Autoren lie­ßen kei­nen Zwei­fel, daß sie den von Papst Fran­zis­kus gegen­über den Pro­te­stan­ten beschrit­te­nen Weg voll­in­halt­lich zustimmen.

Keine vergleichbaren Katholisierungstendenzen auf protestantischer Seite

Auf pro­te­stan­ti­scher Sei­te sind aller­dings kei­ne ver­gleich­ba­ren Reak­tio­nen bekannt, kei­ne Aus­sa­gen, daß die einst Luther bewe­gen­den Unter­schie­de zur katho­li­schen Leh­re heu­te Bedeu­tung und Gül­tig­keit ver­lo­ren hätten.

Ganz im Gegen­teil, so Magi­ster. Als Euge­nio Scal­fa­ri, der Athe­ist aus frei­mau­re­ri­schem Haus, vor Lund in La Repubbli­ca, der „ein­zi­gen“ Tages­zei­tung, die Fran­zis­kus regel­mä­ßig liest, mit­teil­te, der Papst habe ihn kon­tak­tiert, weil er mit ihm über die Refor­ma­ti­on spre­chen wol­le, erteil­te der bekann­te­ste Wal­den­ser­theo­lo­ge, Pao­lo Ric­ca, der „neu­en Öku­me­ne“ von Papst Fran­zis­kus durch aus­drück­li­che Beto­nung der pro­te­stan­ti­schen Distanz zur katho­li­schen Kir­che eine Absage.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Canal21/​Youtube (Screen­shot)

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