Bistum Chur: Konflikt um Nachfolge von Bischof Huonder entbrannt


Progressiver Aufstand im Bistum Chur
Progressiver Aufstand im Bistum Chur

(Bern) Pro­gres­si­ve Schwei­zer Katho­li­ken pro­ben wie­der ein­mal den Auf­stand. Meh­re­re Bewe­gun­gen haben eine Unter­schrif­ten­samm­lung für die Peti­ti­on „Es reicht!“ gestar­tet. Damit for­dern sie von Papst Fran­zis­kus die Ernen­nung eines Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tors für das Bis­tum Chur. Anfüh­rer des Auf­stan­des und Stich­wort­ge­ber ist der seit 2002 für die Urschweiz zustän­di­ge Regio­na­le Gene­ral­vi­kar Mar­tin Kopp.
Das Bis­tum Chur in der Schweiz ist eines der älte­sten und geschichts­träch­tig­sten Bis­tü­mer im deut­schen Sprach­raum. Es umfaßt auch die räto­ro­ma­ni­sche Schweiz und die ita­lie­ni­schen Täler Grau­bün­dens. Einst gehör­ten auch Tei­le von Tirol und Vor­arl­berg und Liech­ten­stein zum Bistum.

Progressiver Dauerkampf gegen Churer Bischöfe

Anzei­ge

Nicht nur Grau­bün­den unter­steht dem Bischof von Chur, son­dern auch ande­re Schwei­zer Kan­to­ne, näm­lich Schwyz, Nid­wal­den, Obwal­den, Uri, Gla­rus und der seit 500 Jah­ren refor­mier­te und seit 200 Jah­ren libe­ra­le Kan­ton Zürich. Das hat nicht wenig mit den seit Jahr­zehn­ten anhal­ten­den Angrif­fen pro­gres­si­ver Kir­chen­krei­se gegen die Chu­rer Bischö­fe zu tun.

Gegen den 1990 inthro­ni­sier­ten Bischof Wolf­gang Haas ent­fach­te sich ein sol­cher Wider­stand, daß ihn der Vati­kan abzog. Dafür wur­de das Für­sten­tum Liech­ten­stein von Chur getrennt und als eigen­stän­di­ges Bis­tum errich­tet. Um die Miß­bil­li­gung gegen das Vor­ge­hen der Schwei­zer Pro­gres­si­ven zum Aus­druck zu brin­gen, mach­te der Vati­kan aus Vaduz gleich ein Erz­bis­tum und Haas zum ersten Erzbischof.

Als Bischof von Chur folg­te ihm für zehn Jah­re der Ein­sied­ler Bene­dik­ti­ner Amé­dée Grab. Die Libe­ra­len, die er ein­zu­bin­den bemüht war, beru­hig­ten sich etwas, um dann aber mit umso grö­ße­rer Unduld­sam­keit gegen den seit 2007 amtie­ren­den Bischof Vitus Huon­der aufzubegehren.

Gestern: eigenes Bistum Zürich – Heute: kein Bischof

Anläs­se fin­den sich immer, wenn der Grund­kon­sens ver­wei­gert wird, weil längst eine „ande­re“ Kir­che gewünscht ist. Da es nicht gelang, Bischof Huon­der in die Knie zu zwin­gen, woll­te sich der Kan­ton Zürich abspal­ten und die Errich­tung als eigen­stän­di­ges Bis­tum errei­chen. 30 Pro­zent der Zür­cher beken­nen sich als Refor­mier­te, 27 Pro­zent als Katholiken.

Regionaler Generalvikar Martin Kopp, Stichwortgeber der Initiative "Es reicht!"
Regio­na­ler Gene­ral­vi­kar Mar­tin Kopp, Stich­wort­ge­ber der Initia­ti­ve „Es reicht!“

Bischof Huon­der wird am 21. April 2017 sein 75. Lebens­jahr voll­enden. In Chur rech­net nie­mand wirk­lich damit, daß Papst Fran­zis­kus sei­ne Amts­zeit ver­län­gern könnte.

Längst geht es um die Nach­fol­ge­re­ge­lung. Die pro­gres­si­ven Kir­chen­krei­se träu­men von einer rom­fer­nen, „refor­mier­ten“ Kir­che. In die­sem Bild stört beson­ders der Papst, auch wenn er Fran­zis­kus heißt, den die­sel­ben Krei­se der­zeit beson­ders hoch­le­ben las­sen. Aus die­sem Grund wur­de die For­de­rung nach einem eige­nen Bis­tum Zürich inzwi­schen fal­len­ge­las­sen. Chur ist ein altes Bis­tum, Zürich wäre ein neu­es Bis­tum und wür­de weit direk­ter der Auf­sicht und Kon­trol­le durch Rom unter­ste­hen. Das will man schon gar nicht.

Daher rührt der neue Vor­schlag von Bischofs­vi­kar Kopp, kei­nen Nach­fol­ger zu ernen­nen, son­dern einen Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tor ein­zu­set­zen. Die Pro­gres­si­ven wol­len einen zwei­ten Bischof Haas oder einen zwei­ten Bischof Huon­der ver­hin­dern und möch­ten von Rom mög­lichst unab­hän­gig ein, also am besten kei­nen Bischof haben.

„Ohne Neu­an­fang ist das Bis­tum Chur tot“, behaup­te­te Bischofs­vi­kar Mar­tin Kopp am 24. Okto­ber im Tages­an­zei­ger, der sich wie­der­holt für Angrif­fe gegen Bischof Huon­der und die katho­li­sche Kir­che zur Ver­fü­gung stell­te. „Es kann nicht so wei­ter­ge­hen wie bis­her“, so Kopp, der bereits in der Ver­gan­gen­heit den Streit mit dem Bischof und des­sen eng­sten Mit­ar­bei­tern such­te. Er ver­tei­dig­te „Homo-Seg­nun­gen“ und lit­ur­gi­schen Klamauk.

„Spannungen“ von Progressiven provoziert

Der glau­bens­treue Chu­rer Prie­st­er­kreis ant­wor­te­te am 26. Okto­ber, daß man zwar Kopps Auf­fas­sung tei­le, daß es „im Bis­tum Chur Span­nun­gen“ gebe. „Doch unab­hän­gig davon, ob das Bis­tum durch einen neu gewähl­ten Bischof oder einen Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tor gelei­tet wird, muss die­se Per­son den Auf­trag der Kir­che erfül­len, den jeder Bischof bei sei­ner Wei­he über­nimmt.“ Und wei­ter: „Um in der Diö­ze­se Chur einen Span­nungs­ab­bau zu bewir­ken, plä­diert der Chu­rer Prie­st­er­kreis für mehr Beson­nen­heit und Selbst­re­fle­xi­on, und zwar mit Hil­fe des Evan­ge­li­ums. Letz­te­res bewegt uns dazu, dem regio­na­len Gene­ral­vi­kar zu ent­geg­nen: Die Hoff­nung stirbt zuletzt und für das Bis­tum Chur gilt das Sprich­wort: Tot­ge­sag­te leben länger!“

Die „Span­nun­gen“ im Bis­tum Chur wer­den vor allem den öffent­lich-recht­li­chen Lan­des­kir­chen zuge­schrie­ben. Deren Exi­stenz ist einer Beson­der­heit der Schweiz, die mit der Refor­ma­ti­on und mit dem Sieg der Libe­ra­len 1847 zusam­men­hängt. Gegen­über dem Staat ist nicht der Bischof Ansprech­part­ner (Kir­chen­steu­er, Pfarr­be­set­zun­gen, Finan­zen, Jah­res­haus­halt, Ange­stell­te), son­dern je Kan­ton eine vom Staat aner­kann­te öffent­lich-recht­li­che Kör­per­schaft namens „Lan­des­kir­che“, die laut Gesetz demo­kra­tisch ver­faßt sein muß. Was auf Kan­tons­ebe­ne gilt, setzt sich in jeder Pfar­rei fort. Neben der kir­chen­recht­li­chen Struk­tur besteht par­al­lel auf allen Ebe­nen (Bund, Kan­to­ne, Gemein­den) eine staats­kir­chen­recht­li­che Struktur.

In den histo­risch katho­li­schen Kan­to­nen hat die Kir­che mehr Hand­lungs­spiel­raum. In den histo­risch refor­mier­ten Kan­to­nen, dar­un­ter Zürich, wur­de die pro­te­stan­ti­sche Kir­chen­ver­fas­sung auf die katho­li­sche Kir­che über­tra­gen. Den Ton gibt damit nicht die Diö­ze­se, son­dern die öffent­lich-recht­li­che Kör­per­schaft „Römisch-katho­li­sche Lan­des­kir­che“ an. Deren Gre­mi­en befin­den sich, das kennt man vom katho­li­schen Ver­bands­we­sen in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und in Öster­reich, stark in pro­gres­si­ver Hand. Und 500 Jah­re Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken scheint in Tei­len der katho­li­sche Kir­che neue Pro­te­stan­ti­sie­rungs­ge­lü­ste zu fördern.

Die pro­gres­si­ve Initia­ti­ve will die Unter­schrif­ten­samm­lung bis Ende des Jah­res fort­set­zen, dann soll die Peti­ti­on samt Unter­schrif­ten dem Apo­sto­li­schen Nun­ti­us und der Schwei­ze­ri­schen Bischofs­kon­fe­renz über­ge­ben werden.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Bis­tum Chur/​SMM (Screen­shots)

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