Kritik von Benedikt XVI.: Von wegen Vorbild, die deutsche Kirche ist ein schwarzes Loch


(Rom) „Von wegen gutes Bei­spiel für die Welt. Die deut­sche Kir­che ist ein schwar­zes Loch“, so das wenig schmei­chel­haf­te Urteil des Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster über die katho­li­sche Kir­che in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, deren höch­ste Reprä­sen­tanz die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz ist. Der Vati­ka­nist faß­te das ver­nich­ten­de Urteil von Bene­dikt XVI. über die deut­sche Kir­che zusam­men, das er im neu­en Gesprächs­buch mit Peter See­wald äußert.
In Deutsch­land gebe es eini­ge Per­so­nen, die ihn schon seit jeher ver­nich­ten woll­ten, so Bene­dikt XVI. Als Bei­spiel nennt das ehe­ma­li­ge Kir­chen­ober­haupt die gegen ihn von eini­gen Lands­leu­ten kon­stru­ier­te Anti­se­mi­tis­mus­lü­ge, als er das Kar­frei­tags­ge­bet für die Juden änderte.

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Das Gesprächs­buch, so Magi­ster, sei eine „Ankla­ge“ Bene­dikts XVI. gegen die deut­sche Kir­che. Er wirft ihr vor, zu ver­welt­licht zu sein. Gegen die Ver­welt­li­chung schleu­der­te er bereits am 25. Sep­tem­ber 2011 in Frei­burg im Breis­gau sei­nen Bann­strahl und for­der­te eine „Ent­welt­li­chung“. Obwohl damals alle ver­stan­den, was gemeint war, setz­te sich ein gan­zer Kir­chen­ap­pa­rat samt Höf­lin­gen und Günst­lin­gen in Bewe­gung, um zu behaup­ten, daß nicht gemeint gewe­sen sei, was gemeint war, und alles blei­be, wie es ist.

„Zu viele Katholiken als Kirchenangestellte mit Gewerkschaftsmentalität“

Die Ver­welt­li­chung ist eine Gefahr, die die Kir­che stän­dig beglei­tet. Wo sie zu weit getrie­ben wur­de, hat die Kir­che in ihrer Geschich­te schwe­ren Scha­den gelit­ten. Um in Deutsch­land zu blei­ben: Der Aus­bruch und mehr noch der Erfolg von Luthers „Reformations“-Revolution hat­te maß­geb­lich mit der Ver­welt­li­chung der Kir­che zu tun und nament­lich mit dem pfrün­de­ge­sät­tig­ten Fürst­erz­bi­schof von Mainz und zugleich Fürst­erz­bi­schof von Mag­de­burg, Kur­fürst, Erz­kanz­ler des Rei­ches und Pri­mas Ger­ma­niae in einer Per­son, Albrecht von Bran­den­burg (Haus Hohen­zol­lern). Nach heu­ti­gen Maß­stä­ben wäre er wohl Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz.

Joseph Kardinal Ratzinger
Joseph Kar­di­nal Ratzinger

In Frei­burg erwähn­te Bene­dikt XVI. 2011 das Kir­chen­steu­er­sy­stem nicht nament­lich. Im Gesprächs­buch tut er es, wohl um einer neu­er­li­chen „Umin­ter­pre­ta­ti­on“ sei­ner Wor­te vor­zu­beu­gen. Bene­dikt kri­ti­siert nicht die Abga­be an sich, da jeder Getauf­te nach sei­nen Mög­lich­kei­ten gehal­ten ist, zum Unter­halt des Kle­rus bei­zu­tra­gen und zur Bereit­stel­lung der Mit­tel, damit die Kir­che ihre apo­sto­li­schen und mild­tä­ti­gen Auf­ga­ben erfül­len kann. Bene­dikt kri­ti­siert jedoch die Kop­pe­lung der Kir­chen­steu­er mit der Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Das sei, so der ehe­ma­li­ge Papst, unhaltbar.

Die Fol­ge des Kir­chen­steu­er­sy­stems sei eine durch­or­ga­ni­sier­te Kir­che, in der aber – so die Kehr­sei­te – die Katho­li­ken häu­fig Ange­stell­te der Kir­che sind und eine „Gewerk­schafts­men­ta­li­tät“ herr­sche. Die Kir­che wer­de von ihnen nicht mehr aus der Dimen­si­on des Glau­bens her­aus wahr­ge­nom­men, son­dern nur mehr als Arbeit­ge­ber, der auch als sol­cher zu kri­ti­sie­ren sei. Es feh­le die Glau­bens­mo­ti­va­ti­on. Auch das sei ein Aus­druck der Ver­welt­li­chung des kirch­li­chen Lebens.

„Beeindruckender Kontrast zwischen Benedikts Kritik an deutscher Kirche und Franziskus‘ Gunst für die deutsche Kirche“

Die Kir­che in der Bun­des­re­pu­blik ist nach dem Staat der zweit­größ­te Arbeit­ge­ber. Der gigan­ti­sche Appa­rat habe die Kir­che zu einer „welt­li­chen Büro­kra­tie“ wer­den las­sen. Eine Situa­ti­on, die Bene­dikt XVI. trau­rig stim­me. Das vie­le Geld sei nicht gut für die Kir­che, denn am Ende sei es immer noch zu wenig und erzeu­ge in Intel­lek­tu­el­len­krei­sen nur Sarkasmus.

„Es beein­druckt der Kon­trast zwi­schen die­ser har­ten Kri­tik Bene­dikts XVI. und der Gunst, die die­sel­be deut­sche Kir­che heu­te durch Papst Fran­zis­kus genießt, als sei sie die Avant­gar­de der erhoff­ten Erneue­rung der Welt­chri­sten­heit im Zei­chen von Armut und Barm­her­zig­keit, wäh­rend in Wirk­lich­keit vor aller Augen sicht­bar ist, daß in Deutsch­land die Kir­che weder arm noch barm­her­zig ist, son­dern – wenn schon – von ihrem eige­nen Appa­rat erstickt wird und vor allem vor der Welt bei vie­len zen­tra­len The­men der Moral und der Dog­men auf den Knien liegt.“

Was Magi­ster nicht aus­drück­lich erwähnt: Der­zeit lie­gen deut­sche Bischö­fe und nach­ge­ord­ne­te Ver­tre­ter im „Luther-Fie­ber“ auf den Knien. Kar­di­nal Rein­hard Marx, Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, erklär­te Luther zur „bom­ba­sti­schen Gestalt“, wäh­rend Kar­di­nal Wal­ter Kas­per ver­kün­de­te: „Luther hat­te recht“.

Magi­ster erklärt das deut­sche Kir­chen­steu­er­sy­stem mit sei­nen Zwangs­zah­lun­gen, die bei Nicht­er­fül­lung die Exkom­mu­ni­ka­ti­on nach sich zie­hen. Der Vati­ka­nist ver­weist dar­auf, daß die Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz im ver­gan­ge­nen Jahr mehr als das Fünf­fa­che von dem ein­nahm, was die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz durch die frei­wil­li­ge Kir­chen­steu­er erhielt.

Moderner Ablaßhandel: Ungehorsam und Häresien spielen keine Rolle, Hauptsache man zahlt die Kirchensteuer

Wer in Deutsch­land die Kir­chen­steu­er nicht bezahlt, wird aus der Kir­che aus­ge­schlos­sen. Das haben die deut­schen Bischö­fe erst 2012 erneut ein­ge­schärft. Wer nicht zahlt, ist von den Sakra­men­ten ausgeschlossen.

Von „Barm­her­zig­keit“, so Magi­ster, sei da kei­ne Spur. In Deutsch­land ist ein beträcht­li­cher Teil der Kir­che unge­hor­sam gegen­über Leh­re und Ord­nung der Kir­che. Schis­ma­ti­sche und häre­ti­sche Ten­den­zen wer­den arg­los gedul­det. Die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen „gehen über­all unge­niert zur Kom­mu­ni­on, die homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen wer­den immer öfter auch kirch­lich geseg­net“. Von Exkom­mu­ni­ka­ti­on sei nir­gends die Rede, wie bunt es man­che auch trei­ben. „Aber wehe“, wenn jemand die Kir­chen­steu­er nicht zahlt. Man könn­te von einem neu­en „Ablaß­han­del“ spre­chen: Haupt­sa­che man zahlt, dann kann man es trei­ben, wie man will, die Dienst­lei­stun­gen der Kir­che ste­hen immer zur Ver­fü­gung. Zeit­geist­ge­schmei­dig herrscht ent­spre­chend weit­ge­hend Funk­stil­le zum The­ma Mas­sen­mord an unge­bo­re­nen Kin­dern durch Abtreibung.

Am ver­gan­ge­nen 17. Juli beklag­te auch Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein, der Sekre­tär von Bene­dikt XVI., die­sen Wider­spruch in einem Inter­view mit der Schwä­bi­schen Zei­tung.

Viel Geld: Einfluß auf viele arme Diözesen und auch auf Rom

„Vom Ein­fluß, den die deut­sche Kir­che auf vie­le arme Diö­ze­sen im Süden der Welt aus­übt, die sie finan­zi­ell unter­stützt, ganz zu schwei­gen“, so Magi­ster. Das gel­te auch für den Hei­li­gen Stuhl in Rom, der auch ein gro­ßer Nutz­nie­ßer der deut­schen Geld­strö­me sei.

Wie bereits 2011 reagier­te man in Deutsch­land ver­schnupft an der Ver­welt­li­chungs­kri­tik Bene­dikts XVI. Da er nicht mehr Papst ist, muß­ten nicht mehr alle Regi­ster zur Beschwich­ti­gung der öffent­li­chen Mei­nung gezo­gen wer­den. Die­sen Part über­nahm die­ses Mal der Jesu­it Andre­as Bat­logg, Schrift­lei­ter der Jesui­ten­zeit­schrift „Stim­men der Zeit“. Er mein­te, daß das Gesprächs­buch von Bene­dikt XVI. „nie erschei­nen hät­te sol­len“, und Kar­di­nal Marx gut dar­an tue, zur Kri­tik zu schweigen.

Die deut­sche Kir­che kennt, so der Ein­druck, nur einen Nerv, der weh­tut, wenn man Kri­tik an ihrem üppig flie­ßen­den Geld übt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​ACIprensa (Screen­shots)

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