„Schwarzer Papst“ mit „marxistischer“ Vergangenheit – Jesuiten haben neuen Ordensgeneral


Selfie von Pater Antonio Spadaro, Schriftleiter der "Civiltà  Cattolica" und Papst-Vertrauter, mit dem 31. Ordensgeneral der Jesuiten, Arturo Sosa, nach dessen Wahl durch das 36. Generalkapitel
Selfie von Pater Antonio Spadaro, Schriftleiter der "Civiltà  Cattolica" und Papst-Vertrauter, mit dem 31. Ordensgeneral der Jesuiten, Arturo Sosa, nach dessen Wahl durch das 36. Generalkapitel

(Rom) Der neue „Schwar­ze Papst“ ist ein Vene­zo­la­ner. Die Gesell­schaft Jesu (Socie­tas Jesu), bes­ser bekannt als Jesui­ten, wähl­te am ver­gan­ge­nen Frei­tag, dem 14. Okto­ber, Pater Arturo Mar­ce­li­no Sosa Abas­cal zum neu­en Ordens­ge­ne­ral, den die Jesui­ten offi­zi­ell Gene­ral­su­pe­ri­or nen­nen. Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster mach­te nach Bekannt­wer­den der Wahl auf die mar­xi­sti­sche Ver­gan­gen­heit des neu­en Ordens­ge­ne­rals aufmerksam.

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Arturo Sosa ist der 31. Ordens­ge­ne­ral seit 1541. Er bestimmt über welt­weit rund 16.500 Jesui­ten. 1965 hat­te der Orden mit 36.000 Ange­hö­ri­gen sei­nen histo­ri­schen Höchst­stand erreicht, auf den im ver­gan­ge­nen hal­ben Jahr­hun­dert ein schnel­ler Nie­der­gang folg­te. Der Orden wur­de 1773 auf­ge­ho­ben und erst 1814 wie­der welt­weit her­ge­stellt. Der heu­ti­ge Stand ent­spricht daher vor der Auf­he­bung jenem um 1630 und seit der Wie­der­her­stel­lung jenem um 1900. Der erste Ordens­obe­re war der hei­li­ge Igna­ti­us von Loyo­la, der den Orden von 1541–1556 leitete.

Die Jesui­ten ken­nen kein eige­nes Ordens­kleid. Für sie gilt daher die schwar­ze Sou­ta­ne des Welt­kle­rus als Ordens­tracht. Wegen der Bedeu­tung des Ordens und einem vier­ten Ordens­ge­lüb­de, mit dem sich die Jesui­ten aus­drück­lich zur Treue gegen­über dem regie­ren­den Papst ver­pflich­ten, und weil sie schwarz geklei­det sind, wäh­rend die Päp­ste weiß gewan­det sind, wird der Ordens­ge­ne­ral häu­fig der „Schwar­ze Papst“ genannt.

Ein Jesui­ten­ge­ne­ral wird auf Lebens­zeit gewählt und ver­fügt ordens­in­tern über unein­ge­schränk­te Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se. Die Neu­wahl war not­wen­dig gewor­den, weil der 30. Ordens­ge­ne­ral, der 2008 gewähl­te Spa­ni­er Adol­fo Nicolás Pachón, 2014 Papst Fran­zis­kus sei­nen Rück­tritt für 2016 ange­kün­digt hat­te. Das 36. Gene­ral­ka­pi­tel in der Geschich­te des Jesui­ten­or­dens wähl­te den am 12. Novem­ber 1948 in Cara­cas gebo­re­nen Sosa zum neu­en Ordens­ge­ne­ral auf Lebens­zeit.

„Marxistische Vermittlung“ des christlichen Glaubens „notwendig“

La media­ci­on mar­xi­sta de la Fe cri­stia­na“ (Die mar­xi­sti­sche Ver­mitt­lung des christ­li­chen Glau­bens“, lau­te­te der unge­wöhn­li­che Titel eines Auf­sat­zes, den der nun­meh­ri­ge Jesui­ten­ge­ne­ral, Arturo Sosa, in der Zeit­schrift SIC des Cen­tro Gum­il­la de Inve­sti­ga­ci­on y Acci­on Social ver­öf­fent­lich­te. Sowohl die Jesui­ten­zeit­schrift als auch das Jesui­ten­zen­trum Gum­il­la in Cara­cas wur­den von 1979–1996 von ihm gelei­tet, bevor er Rek­tor der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Táchi­ra wur­de. Tachi­ra ist einer der west­lich­sten Bun­des­staa­ten Vene­zue­las. Die Jesui­ten­uni­ver­si­tät wur­de 1962 in San Cri­sto­bal, der Haupt­stadt des Staa­tes gegrün­det. Gleich­zei­tig wur­de Pater Sosa 1996 Pro­vin­zi­al des Jesui­ten­or­dens für Vene­zue­la. Ein Amt, das er bis 2004 beklei­de­te, als er in die USA geschickt wurde.

Sosas Marxismus-Aufsatz von 1978
Sosas Mar­xis­mus-Auf­satz von 1978

„Was an die­sem Arti­kel kuri­os ist“, so Magi­ster: Er wur­de im Inter­net­ar­chiv der Zeit­schrift mit den Unter­strei­chun­gen und Anmer­kun­gen eines Mit­bru­ders von Pater Sosa ver­öf­fent­licht, der zu die­sem The­ma radi­kal ande­rer Ansicht war, als der nun­meh­ri­ge Ordensgeneral.

Der Arti­kel wur­de 1978 ver­öf­fent­licht. „Seit­her ist viel Was­ser“ den Tiber und auch den Orino­co her­un­ter­ge­flos­sen. „Es ist schwer zu sagen, wie­viel von den damals ver­tre­te­nen The­sen Pater Sosa heu­te noch unter­schrei­ben wür­de“, so Magi­ster. Die 70er und frü­hen 80er Jah­re waren sehr unru­hig. „Der Mar­xis­mus war Pflicht­spra­che der Rebel­len­be­we­gun­gen in der Drit­ten Welt, ein­schließ­lich der katho­li­schen“, so der Vatikanist.

Tat­sa­che ist, daß Pater Sosa damals eine „mar­xi­sti­sche Ver­mitt­lung des christ­li­chen Glau­bens“ nicht nur für „legi­tim“, son­dern für „not­wen­dig“ erklär­te. Der nun­meh­ri­ge Jesui­ten­ge­ne­ral ging so weit, auch den Athe­is­mus der mar­xi­sti­schen Kri­tik zu akzep­tie­ren, da die­ser – so Pater Sosa 1978 – nicht den „wah­ren Gott“ kri­ti­sie­re, son­dern nur einen fal­schen Gott, der vom kapi­ta­li­sti­schen Den­ken und der bür­ger­li­chen Gesell­schaft erzeugt und von die­sen ver­tre­ten werde.

Philomarxistische Dialektik vom „wahren“ und „falschen“ Gott

P. Arturo Sosa
P. Arturo Sosa

Sosas Spra­che ist jene der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gen. Die logi­sche Kon­se­quenz die­ses Den­kens brach­te der 2007 ver­stor­be­ne Schwei­zer Kapu­zi­ner Wal­bert Bühl­mann auf den Punkt, der noch kurz vor dem Zusam­men­bruch des kom­mu­ni­sti­schen Ost­blocks die Chri­sten­ver­fol­gung durch sozia­li­sti­sche Dik­ta­tu­ren Afri­kas ver­tei­dig­te. Ver­folgt wür­den, so Bühl­mann, „nur“ die „kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren“ Chri­sten, die gar kei­ne „wirk­li­chen“ Chri­sten waren, denn die „wah­ren“ Chri­sten, stün­den auf der Sei­te der „Revo­lu­ti­on“. Pater Sosas Spra­che von 1978 weißt in die­sel­be Richtung.

„In Latein­ame­ri­ka und in Vene­zue­la sind dann vie­le Din­ge gesche­hen“, so Magi­ster. „In sei­nem letz­ten, im Mai 2014 von SIC ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel ver­ur­teil­te Pater Sosa ohne Wenn und Aber die ‚eta­ti­sti­sche Revo­lu­ti­on‘ ver­ur­teilt, die sei­ner Hei­mat von Hugo Cha­vez und des­sen Nach­fol­ger auf­ge­zwun­gen wur­de.“ Sosa sprach 2014 von einer „tota­li­tä­ren Dik­ta­tur“, die durch eine Instru­men­ta­li­sie­rung von Ple­bis­zi­ten ver­su­che, eine „Tyran­nei der Mehr­heit“ als Demo­kra­tie auszugeben.

Neuer Ordensgeneral befaßte sich sein Leben lang „nur mit Politik und Sozialwissenschaften“

An der Wahl vom 14. Okto­ber 2016 erstaunt den­noch, daß „die Jesui­ten – da der erste Jesu­it der Geschich­te als Papst regiert – einen Mit­bru­der zum Gene­ral­su­pe­ri­or wähl­ten, der sein gan­zes Leben lang nur über Poli­tik und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten geschrie­ben und dis­ku­tiert hat“, so Magister.

Der neue Ordensgeneral (Mitte) mit Papst Franziskus und seinem Vorgänger Adolfo Nicolas (rechts)
Der neue Ordens­ge­ne­ral (Mit­te) mit Papst Fran­zis­kus und sei­nem Vor­gän­ger Adol­fo Nico­las (rechts)

Auf der Inter­net­sei­te des Cen­tro Gum­il­la kann ein Lebens­lauf von Pater Sosa auf­ge­ru­fen wer­den. In den 40 Zei­len fin­det sich gan­ze 19 Mal das Wort „Poli­tik“, wäh­rend das Wort „Theo­lo­gie“ nur ein ein­zi­ges Mal vor­kommt, und das nur im Zusam­men­hang mit sei­ner frü­he­sten aka­de­mi­schen Tätigkeit.

Die Poli­tik war auch immer Gegen­stand sei­ner Lehr­tä­tig­keit, sowohl an der George­town Uni­ver­si­tät in Washing­ton (Latein­ame­ri­ka­stu­di­en), wohin er 2004 beru­fen wur­de, als auch für den vene­zo­la­ni­schen Gene­ral­stab und an der Mili­tär­aka­de­mie der vene­zo­la­ni­schen Luft­streit­kräf­te (Coman­do y Estado Mayor und Escue­la Supe­ri­or de la Fuer­za Aérea Vene­zo­l­a­na), wo er von 1985–1994 unterrichtete.

Das Cen­tro Gum­il­la wur­de 1968 auf Initia­ti­ve des 28. Jesui­ten­ge­ne­rals Pedro Arru­pe (1965–1983, fak­tisch nur bis 1981) als erstes latein­ame­ri­ka­ni­sches Pro­jekt für poli­ti­sche und sozia­le Stu­di­en gegrün­det. Das Zen­trum über­nahm die Her­aus­ga­be der Zeit­schrift SIC, der älte­sten noch erschei­nen­den Publi­ka­ti­on Vene­zue­las, die sich mit poli­ti­schen und sozia­len Fra­gen befaßt. Zen­tra­le The­ma sind seit­her: Gewerk­schafts- und Genos­sen­schafts­we­sen, Befrei­ungs­theo­lo­gie und die Umset­zung der kirch­li­chen Sozi­al­leh­re in Latein­ame­ri­ka „im Zei­chen der sozia­len Gerechtigkeit“.

Pater Sosa war Ordens­pro­vin­zi­al wie Papst Fran­zis­kus. Ob von Papst Fran­zis­kus, dem ersten Jesui­ten auf dem Stuhl des Petrus, Ein­fluß auf die Wahl des Ordens­ge­ne­rals genom­men wur­de, ist nicht bekannt. Die Poli­ti­sie­rung des Ordens, die Pater Sosa ver­kör­pert, fügt sich jedoch in eine gene­rel­le Poli­ti­sie­rung der katho­li­schen Kir­che ein, die von Papst Fran­zis­kus 2013 ange­sto­ßen wur­de. Dabei han­delt es sich um eine Poli­ti­sie­rung mit stark links­la­sti­gem Einschlag.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Settimo Cielo/​Vprensa (Screen­shot)

 

 

 

 

 

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