Verschwundener Papst-Brief – „Einzig mögliche Interpretation von Amoris laetitia“?


Papst Franziskus: Haben die Bischöfe der Kirchenprovinz Buenos Aires "die einzig mögliche" Interpretation der umstrittenen Teile von Amoris laetitia erarbeitet?
Papst Franziskus: Haben die Bischöfe der Kirchenprovinz Buenos Aires "die einzig mögliche" Interpretation der umstrittenen Teile von Amoris laetitia erarbeitet?

(Bue­nos Aires)  Am 6. Sep­tem­ber ver­öf­fent­lich­te die spa­nisch­spra­chi­ge, katho­li­sche Inter­net-Tages­zei­tung Info­Ca­to­li­ca einen Bericht und zwei Doku­men­te von explo­si­vem Inhalt. Der Titel des Berich­tes lau­te­te: „Der Papst bestä­tigt eine Inter­pre­ta­ti­on der Bischö­fe von Bue­nos Aires von Amo­ris lae­ti­tia als ein­zig mög­li­che“. Das Kapi­tel VIII ist der umstrit­ten­ste Teil des am ver­gan­ge­nen 8. April ver­öf­fent­li­chen nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­bens. Wie lau­tet die Inter­pre­ta­ti­on, die Papst Fran­zis­kus für die „ein­zig mög­li­che“ bei der Anwen­dung des Kapi­tels VIII hält? Hat Papst Fran­zis­kus damit jene „authen­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on“ der umstrit­te­nen Stel­len von Amo­ris lae­ti­tia voll­zo­gen, um die er von ver­schie­de­ner Sei­te gebe­ten wur­de? Doch zwei Tage spä­ter, am 8. Sep­tem­ber, ersetz­te Info­Ca­to­li­ca plötz­lich den ursprüng­li­chen Arti­kel durch einen neu­en mit einer ganz ande­ren Aussage.

Gibt es bereits „Grundkriterien“ oder erarbeiten sie die Bischöfe erst?

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Der neue Arti­kel trägt den Titel: „Die Bischö­fe von Bue­nos Aires sind dabei, ‚Grund­kri­te­ri­en für die Anwen­dung des Kapi­tels VIII. von Amo­ris lae­ti­tia‘ auszuarbeiten“

Haben die Bischö­fe der Kir­chen­pro­vinz von Bue­nos Aires bereits „Grund­kri­te­ri­en“ erar­bei­tet oder sind sie erst dabei, sol­che zu erar­bei­ten? Was aber hat Papst Fran­zis­kus dann als „ein­zig mög­li­che“ Inter­pre­ta­ti­on bestä­tigt? Exi­stiert der Papst-Brief überhaupt?

Der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires kommt beson­de­re Auf­merk­sam­keit zu, da Fran­zis­kus vor sei­ner Wahl zum Papst Metro­po­lit die­ser Kir­chen­pro­vinz war. Bereits zwei Wochen nach sei­ner Wahl ernann­te er mit Mario Aure­lio Poli einen Mann sei­nes strik­ten Ver­trau­ens zum Nach­fol­ger und eini­ge Mona­te spä­ter zum Kardinal.

Es ist bekannt, daß Papst Fran­zis­kus nach wie vor sehr enge Kon­tak­te zu sei­ner Hei­mat­diö­ze­se unter­hält und über die dor­ti­ge Ent­wick­lung detail­liert infor­miert ist.

Amoris laetitia: Anhaltende Spannungen – Forderung nach „authentischer Interpretation“

Der erste Bericht vom 6. September: "Papst Franziskus bestätigt einzig mögliche Interpretation von Amoris laetitia"
Der erste Bericht vom 6. Sep­tem­ber: „Papst Fran­zis­kus bestä­tigt ein­zig mög­li­che Inter­pre­ta­ti­on von Amo­ris laetitia“

Mit dem nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia löste Papst Fran­zis­kus hef­ti­ge Span­nun­gen inner­halb der katho­li­schen Kir­che aus, die im Lau­fe der Mona­te kei­nes­wegs nach­ge­las­sen, son­dern durch immer neue kri­ti­sche Stel­lung­nah­men viel­mehr zuge­nom­men haben.

Im anhal­ten­den Kon­flikt wur­de Papst Fran­zis­kus von ver­schie­de­nen Sei­ten auf­ge­for­dert, durch eine authen­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on den umstrit­te­nen Teil von Amo­ris lae­ti­tia zu kor­ri­gie­ren oder das Apo­sto­li­sche Schrei­ben ganz zurückzunehmen.

Im Juni benann­te Papst Fran­zis­kus Kar­di­nal Chri­stoph Schön­born, den Erz­bi­schof von Wien, als authen­ti­schen Inter­pre­ten von Amo­ris lae­ti­tia, ohne selbst auf die umstrit­te­nen Fra­gen ein­zu­ge­hen. Damit ent­spann­te sich die Lage aller­dings nicht, da Kar­di­nal Schön­born bereits im Rah­men der Dop­pel-Syn­ode über die Fami­lie höchst umstrit­te­ne Posi­tio­nen ein­ge­nom­men hat­te. Das gilt vor allem für sei­ne „Gra­dua­li­täts­the­se“ zu den Sakramenten.

Neuer Versuch Kasper-These durchzusetzen?

Die Aus­ar­bei­tung von „Grund­kri­te­ri­en“ für die Umset­zung von Amo­ris lae­ti­tia in der Hei­mat­diö­ze­se des Pap­stes, die er angeb­lich als „ein­zig mög­li­che“ Inter­pre­ta­ti­on bezeich­ne­te, dürf­te einen neu­en Ver­such dar­stel­len, das im Febru­ar 2014 erst­mals von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per for­mu­lier­te umstrit­te­ne Ziel der Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on durch­zu­set­zen, das von Kri­ti­kern und Befür­wor­tern glei­cher­ma­ßen als „revo­lu­tio­när“ bezeich­net wird.

Was genau in Bue­nos Aires in die­sen Tagen gesche­hen ist und wie es mit den „Grund­kri­te­ri­en“ wei­ter­ge­hen wird, läßt sich im Detail noch gar nicht rekonstruieren.

Tat­sa­che ist, daß Info­Ca­to­li­ca am 6. Sep­tem­ber einen ersten Bericht über die „Grund­kri­te­ri­en“ der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires ver­öf­fent­lich­te. Zur Kir­chen­pro­vinz gehö­ren neben dem 1620 errich­te­ten und 1866 zum Erz­bis­tum erho­be­nen Bue­nos Aires zehn Suf­fra­gan­bis­tü­mer und zwei Epar­chien: die Bis­tü­mer Avel­la­ne­da-Lanús, Gre­go­rio de Laferrà¨re, Lomas de Zamo­ra, Mer­lo-Moreno, Morón, Quil­mes, San Isidro, San Justo, San Martà­n, San Miguel sowie die maro­ni­ti­sche Epar­chie San­ta Marà­a del Patro­ci­nio en Bue­nos Aires und die ukrai­ni­sche grie­chisch-katho­li­sche Epar­chie des Hl. Schar­bel von Bue­nos Aires.

Quadratur des Kreises?

Richtlinien der Bischöfe von Buenos Aires
Richt­li­ni­en der Bischö­fe von Bue­nos Aires

Im Bericht wur­de ein „Punkt 5“ der „Grund­kri­te­ri­en“ genannt, der laut Info­Ca­to­li­ca besagt, daß wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, „beson­ders wenn bei­de Chri­sten sind“, ein „Glau­bens­weg“ nahe­ge­legt wer­den „kann“, in „Ent­halt­sam­keit“ zu leben. Im näch­sten Satz heißt es, daß man sich der dabei auf­tre­ten­den Schwie­rig­kei­ten durch­aus bewußt sei, wes­halb Amo­ris lae­ti­tia die „Mög­lich­keit öff­net“, soll­te man dabei schei­tern, zum Sakra­ment der Ver­söh­nung zuge­las­sen zu sein „(vgl. Fuß­no­te 364) gemäß der Leh­re des Hei­li­gen Johan­nes Paul II. an Kar­di­nal W. Baum vom 22/​03/​1996).“

Punkt 6 benennt dann „sehr kom­ple­xe Fäl­le“, in denen es nicht mög­lich ist, eine Nich­tig­keits­er­klä­rung der Ehe zu erhal­ten, und daher der genann­te Weg nicht gang­bar sei. Den­noch ein „Weg der Unter­schei­dung mög­lich“. Die „Grund­kri­te­ri­en“ spre­chen „beson­ders“ von Fäl­len, wo eine „ein­ge­schränk­te Ver­ant­wort­lich­keit“ vor­liegt  und ver­wei­sen auf Amo­ris lae­ti­tia Nr. 301–302, wo Papst Fran­zis­kus von „mil­dern­den Bedin­gun­gen und Umstän­den“ spricht.  “ Eben­so wird auf die Fuß­no­ten 336 und 351 ver­wie­sen und von einer Mög­lich­keit zur Zulas­sung zum Buß­sa­kra­ment und zur Eucha­ri­stie gesprochen.

Punkt 9 der „Grund­kri­te­ri­en“ spricht daher kon­kret davon, daß die „even­tu­el­le Zulas­sung zu den Sakra­men­ten auf dis­kre­te Wei­se“ erfol­gen sol­le. Gleich­zei­tig dür­fe aber nicht dar­auf ver­zich­tet wer­den, die Gemein­schaft zu einem „Geist des Ver­ständ­nis­ses und der Auf­nah­me“ sol­cher Per­so­nen hin­zu­füh­ren, die auf die­se Wei­se zu den Sakra­men­ten zuge­las­sen wer­den könn­ten. Zugleich wird gesagt, daß dadurch kei­ne „Ver­wir­rung in der Leh­re der Kir­che über die Unauf­lös­lich­keit der Ehe“ ent­ste­hen solle.

Soll mit den „Grund­kri­te­ri­en“ der Hei­mat­diö­ze­se von Papst Fran­zis­kus eine Qua­dra­tur des Krei­ses ver­sucht werden?

Bestätigung durch Papst Franziskus: „Es gibt keine anderen Interpretationen“?

Der Bericht von Info­Ca­to­li­ca vom 6. Sep­tem­ber ende­te mit einer bemer­kens­wer­ten Infor­ma­ti­on, daß sich Papst Fran­zis­kus beim „Dele­gier­ten der Pasto­ral­re­gi­on von Bue­nos Aires“, Msgr. Ser­gio Alfre­do Fen­oy, dem Bischof von San Miguel, schrift­lich dafür bedank­te, daß ihm der Text der Bischö­fe über­mit­telt wur­de. Gleich­zei­tig gra­tu­lier­te der Papst den Bischö­fen zu der von ihnen gelei­ste­ten Arbeit. Wört­lich schrieb Papst Franziskus:

Der Brief von Papst Franziskus an Bischof Fenoy: "Es gibt keine anderen Interpretationen"
Der Brief von Papst Fran­zis­kus an Bischof Fen­oy: „Es gibt kei­ne ande­ren Interpretationen“

„Der Text ist sehr gut und bringt das Kapi­tel VIII von Amo­ris lae­ti­tia genau zum Aus­druck. Es gibt kei­ne ande­ren Inter­pre­ta­tio­nen. Ich bin mir sicher, daß er sehr gut tun wird. Möge der Herr die­se Anstren­gung der pasto­ra­len Lie­be vergelten.“

„Es gibt kei­ne ande­ren Inter­pre­ta­tio­nen.“ Damit hät­te Papst Fran­zis­kus einen Schluß­strich unter die Dis­kus­sio­nen gezo­gen. Es wäre die erste kon­kre­te und schrift­li­che Bestä­ti­gung von Papst Fran­zis­kus für die Kas­per-The­se. Daß das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt die­ser Rich­tung zuneigt und die­se in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren för­der­te, war spä­te­stens im Febru­ar 2014 erkenn­bar, als er Kar­di­nal Kas­per für des­sen Rede auf dem Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um gegen teils hef­ti­ge Kri­tik ande­rer Kar­di­nä­le in Schutz nahm und ihm über­schweng­lich dankte.

Fran­zis­kus hat­te es bis­her aber ver­mie­den, sich beleg­bar fest­zu­le­gen. Auf dem Rück­flug von Arme­ni­en im ver­gan­ge­nen Juni lehn­te er sich am wei­te­sten aus dem Fen­ster, indem er auf die Fra­ge eines Jour­na­li­sten, ob Amo­ris lae­ti­tia nun wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen neue Mög­lich­kei­ten der Zulas­sung zu den Sakra­men­ten eröff­ne oder nicht, ant­wor­te­te: „Ich könn­te nun sagen: Ja und Punkt.“ Statt­des­sen benann­te er, wie erwähnt, Kar­di­nal Schön­born als „authen­ti­schen Inter­pre­ten“, der sich in der Ver­gan­gen­heit für die Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on aus­ge­spro­chen hatte.

Bekann­te sich Papst Fran­zis­kus mit dem Schrei­ben an Bischof Fen­oy erst­mals offen, wenn auch indi­rekt, zu dem, was die Spat­zen längst von allen Dächern pfei­fen? Oder doch nicht?

Die verschwundenen Texte

Info­Ca­to­li­ca ver­öf­fent­lich­te zusam­men mit dem ersten Bericht voll­in­halt­lich den Text der „Grund­kri­te­ri­en“ der „Pasto­ral­re­gi­on Bue­nos Aires“, datiert vom 6. Sep­tem­ber und unter­zeich­net mit „Die Bischö­fe der Regi­on“. Gleich­zei­tig ver­öf­fent­lich­te die katho­li­sche Inter­net-Tages­zei­tung, eben­so voll­in­halt­lich, den Brief von Papst Fran­zis­kus an Msgr. Fen­oy (sie­he Abbil­dun­gen), der mit 5. Sep­tem­ber datiert und mit „Fran­zis­kus“ unter­zeich­net ist.

Der zweite Bericht: "Grundkriterien" erst in Ausarbeitung; kein Wort mehr von Papst Franziskus und einem Papst-Brief
Der zwei­te Bericht: „Grund­kri­te­ri­en“ erst in Aus­ar­bei­tung; kein Wort mehr vom Papst-Brief

Zwei Tage spä­ter wur­de der Bericht aber durch einen ganz anders­lau­ten­den ersetzt und die bei­den Voll­tex­te gelöscht.

Seit dem 8. Sep­tem­ber heißt es nur mehr, die Bischö­fe der Kir­chen­pro­vinz Bue­nos Aires sei­en dabei, „Grund­kri­te­ri­en“ auszuarbeiten.

Was war gesche­hen, daß die voll­stän­dig vor­lie­gen­den „Grund­kri­te­ri­en“ ver­schwan­den und eben­so das Dank­schrei­ben von Papst Fran­zis­kus, mit dem die­se Grund­kri­te­ri­en gut­ge­hei­ßen wur­den und Fran­zis­kus sich erst­mals, wenn auch indi­rekt, zur Kas­per-The­se bekannte.

Mit Sicher­heit han­del­te es sich dabei nicht um eine Erfin­dung von Info­Ca­to­li­ca. Irgend etwas ließ Papst Fran­zis­kus die offen­sicht­lich genau vor­be­rei­te­te und mit Bue­nos Aires ange­stimm­te Akti­on, dafür spre­chen die Daten, stop­pen, obwohl die Ver­öf­fent­li­chung bereits gesche­hen war. Der Grund für die­se abrup­te Ände­rung ist der­zeit nicht bekannt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoCatolica/​LifeSiteNews (Screen­shots)

 

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