Kardinal: „Nicht-Migrationsrecht“ kommt vor „Recht auf Migration“ – Der „andere“ Zugang von Papst Franziskus und Kuba


Kardinal Rivera, der Primas von Mexiko, sprach auf unkonventionelle Weise über die aktuelle Migrantenfrage und betonte ein "Nicht-Migrationsrecht", das vor dem "Recht auf Migration" komme
Kardinal Rivera, der Primas von Mexiko, sprach auf unkonventionelle Weise über die aktuelle Migrantenfrage und betonte ein "Nicht-Migrationsrecht", das vor dem "Recht auf Migration" komme

(Mexi­ko-Stadt) Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag hielt Kar­di­nal Nor­ber­to Rive­ra Car­rera, der Erz­bi­schof von Mexi­ko-Stadt und Pri­mas von Mexi­ko, in der Kathe­dra­le der mexi­ka­ni­schen Haupt­stadt eine Pre­digt über das „Recht nicht zu migrie­ren“. Damit berühr­te er auf unge­wohn­te und unkon­ven­tio­nel­le Wei­se ein „hei­ßes Eisen“, das auch Euro­pa betrifft. 

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Die Pre­digt wur­de von SIAME, dem Pres­se­dienst des Erz­bis­tums voll­in­halt­lich im Inter­net ver­öf­fent­licht. Das vom Kar­di­nal ange­spro­che­ne hoch­bri­san­tes The­ma beschäf­tigt der­zeit vie­le Staa­ten, Völ­ker und Gesell­schaf­ten, dar­un­ter beson­ders auch das west­li­che Euro­pa. Der Kar­di­nal griff Gedan­ken von Papst Johan­nes Paul II. zum The­ma Migra­ti­on und Wan­de­rungs­be­we­gun­gen auf und postu­lier­te ein „Nicht-Migra­ti­ons­recht“, das er einem heu­te viel­fach behaup­te­ten „Recht auf Migra­ti­on“ ent­ge­gen­stell­te und eine Rang­ord­nung benann­te. Dem­nach kom­me das „Recht nicht zu migrie­ren“ vor dem „Recht auf Migration“.

Medi­en spra­chen in Anspie­lung auf Papst Johan­nes Paul II. von einer „Woj­ty­la-Pre­digt“.

Der Kar­di­nal wie­der­hol­te zunächst Stel­len der Lesung aus dem Buch der Weis­heit: „Unsi­cher sind die Berech­nun­gen der Sterb­li­chen und hin­fäl­lig unse­re Gedan­ken; (…) Wir erra­ten kaum, was auf der Erde vor­geht, und fin­den nur mit Mühe, was doch auf der Hand liegt.“ Das glei­che besa­ge auch der Psalm: „Unser Leben  ist so kurz wie ein Traum; gleich dem Gras: am Mor­gen grünt es und blüht, am Abend wird es geschnit­ten und welkt.“

Kar­di­nal Rive­ra bezeich­ne­te es als „gro­ßes Pro­blem unse­rer Zeit“, daß der „moder­ne Mensch“ in „Angst und Ver­zweif­lung“ ver­fal­le, oder „sich in das Gere­de der Mate­ria­li­sten aller Zei­ten flüch­te“, das lau­tet: „Laßt uns essen und trin­ken, denn mor­gen wer­den wir Tod sein“.

Dage­gen hel­fe die Weis­heit, „denn Jesus ist die ewi­ge Weis­heit des Vaters“. Ihm nach­zu­fol­gen, bedeu­te nicht irgend­ei­ner Leh­re oder Ideo­lo­gie zu fol­gen, son­dern einer Per­son. Die christ­li­che Weis­heit bestehe dar­in, Jesus Chri­stus nachzufolgen.

„Nicht-Migrationsrecht“ kommt vor „Recht auf Migration“

Damit kam der Pri­mas von Mexi­ko auf den „Welt­tag des Migran­ten und Flücht­lings“ zu sprechen:

„Heu­te soll mit Nach­druck bekräf­tigt wer­den, daß es ohne Gerech­tig­keit und ohne Ach­tung der Men­schen­rech­te kei­nen wah­ren Frie­den geben kann. In der Tat gibt es einen sehr engen Zusam­men­hang zwi­schen Gerech­tig­keit und Frie­den, wie bereits der Pro­phet Jesa­ja im Alten Testa­ment beton­te: ‚Opus ius­ti­tiae pax‘ (Das Werk der Gerech­tig­keit wird der Frie­de sein).“

Dar­aus lei­te­te er sei­ne For­de­rung ab, daß Situa­tio­nen zu ver­hin­dern sei­en, die Men­schen zur Migra­ti­on treibe.

„Die kon­kre­ten Frie­dens­be­din­gun­gen zu schaf­fen, damit sie auch die Migran­ten und Flücht­lin­ge betref­fen, bedeu­tet, sich ernst­haft ein­zu­set­zen, um vor allem das Recht nicht aus­zu­wan­dern, zu ver­tei­di­gen. Das heißt: in Frie­den und Wür­de in der eige­nen Hei­mat leben zu kön­nen. Dank einer auf­merk­sa­men loka­len oder natio­na­len Ver­wal­tung, einem glei­che­ren Han­del und einer soli­da­ri­schen inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit, muß jedes Land sei­nen Bewoh­nern nicht nur die Mei­nungs- und Bewe­gungs­frei­heit garan­tie­ren, son­dern auch die Grund­be­dürf­nis­se stil­len wie Nah­rung, Gesund­heit, Arbeit, Bil­dung; die Ent­täu­schung die­ser Bedürf­nis­se zwingt vie­le Leu­te zur Auswanderung.“

Kar­di­nal Rive­ra ver­ur­teil­te es, daß Men­schen in die Lage ver­setzt wer­den, in der Emi­gra­ti­on den ein­zi­gen Aus­weg zu sehen. Damit griff er einen Gedan­ken von Papst Johan­nes Paul II. auf. Zwi­schen den Aus­sa­gen des pol­ni­schen Pap­stes und jene des regie­ren­den Pap­stes sind zum The­ma Migra­ti­on zen­tra­le Unter­schie­de festzustellen.

Johan­nes Paul II. sprach von einem Nicht-Migra­ti­ons­recht. So zum Bei­spiel 1985 und 1998 in sei­nen Bot­schaf­ten zur Migran­ten­seel­sor­ge. Eben­so 2004 in sei­ner Bot­schaft zum Welt­tag des Migran­ten und Flücht­lings. Johan­nes Paul II. beton­te in beson­de­rer Wei­se das „pri­mä­re Recht in der eige­nen Hei­mat zu leben“. Ein Recht, das nur dann „effek­tiv“ sei, wenn die Fak­to­ren, die zur Aus­wan­de­rung füh­ren, „kon­stant unter Kon­trol­le gehal­ten werden“.

Aus­drück­lich im Zusam­men­hang mit der Migran­ten­seel­sor­ge und dem Welt­tag des Migran­ten und Flücht­lings for­mu­lier­te der pol­ni­sche Papst 2004 wört­lich das „Recht nicht auszuwandern“.

Kubanische Migranten in Costa Rica
Kuba­ni­sche Migran­ten in Costa Rica

Johan­nes Paul II. ziel­te in sei­nen Ermah­nun­gen dar­auf ab, daß die Grün­de, die zur Migra­ti­on füh­ren, von einer ver­ant­wor­tungs­be­wuß­ten Poli­tik ver­mie­den und ver­hin­dert wer­den müß­ten. Migra­ti­on kön­ne kein Ziel, son­dern nur ulti­ma ratio sein. Er beton­te gleich­zei­tig das Recht auf Migra­ti­on, wenn die Lage es not­wen­dig mache, um die Men­schen­wür­de zu garan­tie­ren. Dem „Recht auf Migra­ti­on“ stell­te er jedoch ein „Nicht-Migra­ti­ons­recht“ vor­an, das über dem ande­ren ste­he. Ein Aspekt, den Papst Fran­zis­kus bis­her nicht beton­te, obwohl er dem The­ma Migra­ti­on und Mas­sen­wan­de­rung eine ganz ande­re Per­spek­ti­ve verleiht.

Der „andere“ Zugang von Papst Franziskus und die „kubanischen Migranten“

Der Zugang von Papst Fran­zis­kus ist ein ande­rer: Er betont das „Recht auf Migra­ti­on“ ohne Wenn und Aber, jeden­falls wenn es Euro­pa und Nord­ame­ri­ka betrifft, wie er auf den Inseln Lam­pe­du­sa und Les­bos sowie in der mexi­ka­ni­schen Grenz­stadt zu den USA, Ciu­dad Jua­rez, deut­lich machte.

Nikaraguas Polizei im Einsatz gegen kubanische Migranten
Nika­ra­gu­as Poli­zei im Ein­satz gegen kuba­ni­sche Migranten

Er sprach bis­her aber nicht über die Migran­ten, die stän­dig Kuba ver­las­sen und in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nach Nika­ra­gua aus­wan­der­ten. Der san­di­ni­sti­sche Staats­prä­si­dent Dani­el Orte­ga mach­te dar­auf die Gren­zen dicht. Ein Grund ist in den „freund­schaft­li­chen“ Bezie­hun­gen zu Kuba zu suchen. Das Pro­blem ver­la­ger­te sich dadurch nach Costa Rica, das eben­so die Gren­zen schloß und das Pro­blem nach Pana­ma wei­ter­reich­te, das sei­ner­seits das Pro­blem auf die­sel­be Wei­se nach Kolum­bi­en umleitete.

Kolum­bi­en befin­det sich in einer lang­wie­ri­gen und heik­len Pha­se der Frie­dens­ge­sprä­che mit der mar­xi­sti­schen Gue­ril­la­be­we­gung FARC (Revo­lu­tio­nä­re Streit­kräf­te Kolum­bi­ens) und ist daher auf das Wohl­wol­len Kubas ange­wie­sen, das die FARC unter­stützt. Aus die­sem Grund schick­te Kolum­bi­en die kuba­ni­schen Migran­ten wie­der zurück auf die Kari­bik­in­sel. Ähn­lich sieht es mit Ecua­dor aus, über das fak­tisch alle Kuba­ner ein­rei­sten, die nach Kolum­bi­en gelang­ten, weil Ecua­dor von Kuba­nern kein Visum ver­langt. Auf­grund der „geschwi­ster­li­chen“ Bezie­hun­gen zwi­schen der links­ge­rich­te­ten Regie­rung Ecua­dors und dem kom­mu­ni­sti­schen Kuba, wol­len die kuba­ni­schen Flücht­lin­ge und Migran­ten aber nicht dort bleiben.

Die Kuba­ner, jeden­falls ein Teil, ver­las­sen die Insel gewiß nicht aus Spaß an der Freu­de, son­dern weil sie der Dik­ta­tur der Castro-Brü­der ent­flie­hen wol­len. Doch das ist eine Taste, die Links­krei­se nicht  berüh­ren. Auch Papst Fran­zis­kus tut es nicht. „Viel­leicht müs­sen die kuba­ni­schen Migran­ten den Islam anneh­men, um beim Papst Gehör zu fin­den wie die mus­li­mi­schen Ein­wan­de­rer, die in gro­ßen Scha­ren nach Euro­pa drän­gen“, pole­mi­sier­te die katho­li­sche Nach­rich­ten­sei­te Secre­tum meum mihi.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Erz­bis­tum Mexi­ko-Stadt­/A­CI­Pren­sa/Ha­va­na Times/​Managua Hoy (Screen­shots)

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2 Kommentare

  1. Die mah­nen­den Wor­te des Kar­di­nals unter­schei­den sich offen­kun­dig fun­da­men­tal von den Ansich­ten des Pap­stes Fran­zis­kus‚. Die­ser for­dert bekannt­lich unver­min­dert die euro­päi­schen Völ­ker zum kol­lek­ti­ven Selbst­mord auf, indem er einer unbe­schränk­ten Inva­si­on durch Sara­ze­nen, die mit­nich­ten Flücht­lin­ge sind, das Wort redet.
    Der Papst unter­höhlt die gei­sti­gen und recht­li­chen Grund­la­gen der euro­päi­schen Völ­ker und Staa­ten und stif­tet in kon­ti­nen­ta­lem Aus­maß Cha­os mit all den nega­ti­ven Begleit­erschei­nun­gen. Ande­rer­seits hält Papst Fran­zis­kus aber auch nicht viel vom Auf­trag des Herrn, alle Men­schen und Völ­ker auf den Namen des wah­ren, drei­ei­ni­gen Got­tes zu taufen.

  2. Komisch: alle haben Rech­te. „Recht auf Migra­ti­on“. Seit neue­stem auch „Recht auf Nicht-Migration“.
    Wo bleibt eigent­lich unser Recht, in Frie­den gelas­sen zu wer­den, nicht belo­gen, nicht bestoh­len, nicht erpresst, nicht über­fal­len zu wer­den? Und nur denen zu hel­fen, denen wir hel­fen wol­len und die der Hil­fe wür­dig sind?

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