Die Einheitspläne von Papst Franziskus für die Byzantiner – Desinteresse an Unierten?


Prozession der Arbà«resh auf Sizilien
Prozession der Arbà«resh auf Sizilien

(Rom) „Gro­ßes Lächeln für Kon­stan­ti­no­pel und Mos­kau, aber har­te Hand gegen die byzan­ti­ni­schen Oasen im Westen“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Gemeint sind die „emble­ma­ti­schen Fäl­le“ der alba­ni­schen Diö­ze­sen in Süd­ita­li­en und des Klo­sters von Grot­ta­fer­ra­ta, einem ganz außer­ge­wöhn­li­chen Sym­bol der Ein­heit zwi­schen Ost- und Westkirche.

„Starke Gesten“ für die Orthodoxen, Kahlschlag gegen die Unierten

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Die Öku­me­ne bekom­me, „ad extra“, unter Papst Fran­zis­kus immer grö­ße­res Gewicht. Dazu tra­gen „star­ke Gesten“ des Pap­stes bei, die die­ser gegen­über den Ost­kir­chen von Kon­stan­ti­no­pel bis Mos­kau setzt.

„Doch im eige­nen Haus schwin­det der Öku­me­nis­mus“. Es gehe „Schlag auf Schlag“, so Magi­ster. Die römi­sche Kon­gre­ga­ti­on für die ori­en­ta­li­schen Kir­che „zer­streue“, was an bedeu­ten­den Diö­ze­sen und Insti­tu­tio­nen des grie­chisch-katho­li­schen Ritus vor­han­den ist, „anstatt ihre Iden­ti­tät zu stärken“.

Die Kon­gre­ga­ti­on wird vom argen­ti­ni­schen Kar­di­nal Leo­nar­do Sand­ri gelei­tet, der sei­ne Kar­rie­re im Staats­se­kre­ta­ri­at mach­te. Sekre­tär ist der Jesu­it Cyril Vasil und Unter­se­kre­tär der Domi­ni­ka­ner Loren­zo Lorus­so. Bei­de sind Kir­chen­recht­ler, die Ordens­ge­mein­schaf­ten ange­hö­ren, die mit dem Osten nichts zu tun haben. „Und die Fol­gen sieht man“, so Magister.

Zunächst ein selt­sa­mer „Aus­rut­scher“ unter den päpst­li­chen Ernen­nun­gen: Im ver­gan­ge­nen Win­ter wur­de der grie­chisch-ortho­do­xen Kir­che eine römi­sche Ohr­fei­ge ver­paßt, indem Papst Fran­zis­kus den kata­la­ni­schen Bene­dik­ti­ner Manu­el Nin zum Apo­sto­li­schen Exar­chen von Athen ernann­te. Der Papst ent­sand­te damit „einen Latei­ner in byzan­ti­ni­schen Gewän­dern“ nach Athen. Nin war zudem Rek­tor des Päpst­li­chen Grie­chi­schen Kol­legs in Rom, und damit jener Insti­tu­ti­on, die 1577 gegrün­det wor­den war, um Mis­sio­na­re für die Bekeh­rung der Ortho­do­xen auszubilden.

Zweifelhaftes Gegengewicht zu den Latinisierungs-Tendenzen

Drei Mona­te zuvor hat­te Papst Fran­zis­kus Kuri­en­erz­bi­schof Pie­ro Mari­ni, den Zere­mo­nien­mei­ster von Johan­nes Paul II., zum Vor­sit­zen­den einer Son­der­kom­mis­si­on für die Lit­ur­gie bei der Kon­gre­ga­ti­on für die Ost­kir­chen ernannt. Pie­ro Mari­ni, ein Schü­ler von Anni­ba­le Bug­nini, den Bene­dikt XVI. aus sei­nem Amt ent­fern­te, ver­fügt über kei­ner­lei Kom­pe­tenz in Sachen ori­en­ta­li­sche Riten.

Es fal­le schwer, so Magi­ster, sich Pie­ro Mari­ni in der Auf­ga­be vor­zu­stel­len, die mit Rom unier­ten Ost­kir­chen vor „unan­ge­mes­se­nen Lati­ni­sie­run­gen“ zu bewah­ren und von den fort­schrei­ten­den Lati­ni­sie­rungs-Ten­den­zen abzu­brin­gen. Maro­ni­ten, Syrer, Chaldä­er und Mala­ba­ren ste­hen unter dem star­ken Ein­fluß der latei­ni­schen Kir­che. Es scheint der­zeit nur mehr eine Fra­ge der Zeit, bis sie die bis­he­ri­ge Zele­bra­ti­ons­rich­tung ad Deum auf­ge­ben und nach latei­ni­schem Vor­bild des Novus Ordo ver­sus popu­lum zelebrieren.

Der Schlag gegen die Arbà«resh

„In den ver­gan­ge­nen Mona­ten über­mit­tel­te der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us für Ita­li­en, Msgr. Adria­no Ber­nar­di­ni, den betrof­fe­nen Bischö­fen ein Schrei­ben der Kon­gre­ga­ti­on für die Ost­kir­chen, mit dem die Mach­bar­keit erkun­det wer­den soll, eine Metro­po­li­tan­kir­che sui gene­ris zu errich­ten, die alle in Ita­li­en leben­den Gläu­bi­gen des byzan­ti­ni­schen Ritus zusam­men­fas­sen soll: Ukrai­ner, Rumä­nen und Arbà«resh.“

Arbà«resh wird die histo­ri­sche, eth­ni­sche Min­der­heit der Alba­ner in Süd­ita­li­en genannt. Die­se christ­li­chen Alba­ner sie­del­ten sich seit dem 15. Jahr­hun­dert, vor allem auf der Flucht vor den mus­li­mi­schen Tür­ken, in den süd­ita­lie­ni­schen Regio­nen Moli­se, Apu­li­en, Basi­li­ka­ta, Kam­pa­ni­en und Kala­bri­en sowie auf Sizi­li­en an, wo sie eige­ne Gemein­den grün­de­ten. 41 sol­cher Gemein­den exi­stie­ren noch sowie alba­ni­sche Orts­tei­le in wei­te­ren neun ita­lie­ni­schen Gemeinden.

Zweisprachige Ortstafeln Grotta degli Albanesi Sizilien
Zwei­spra­chi­ge Orts­ta­feln in der Pia­na degli Alba­ne­si auf Sizilien

Die Arbà«resh sind mit Rom uniert, haben aber den byzan­ti­ni­schen Ritus ihrer Hei­mat bei­be­hal­ten. Ihre Zahl, deren archai­sche Spra­che sich erheb­lich von den heu­te in Alba­ni­en gespro­chen Idio­men unter­schei­det, wird auf 150.000 geschätzt. Sie ste­hen in kei­ner direk­ten Ver­bin­dung mit der hal­ben Mil­li­on Alba­ner der jüng­sten Ein­wan­de­rungs­wel­le, die seit den 90er Jah­ren nach Ita­li­en ein­ge­wan­dert ist, und die in ihrer Mehr­zahl aus Mus­li­men oder Ortho­do­xen besteht.

Die Juris­dik­ti­on der heu­te bestehen­den Diö­ze­se der Pia­na degli Alba­ne­si auf Sizi­li­en soll, gemäß dem Plan von Papst Fran­zis­kus, auf die Gläu­bi­gen des byzan­ti­ni­schen Ritus von ganz Sizi­li­en aus­ge­dehnt wer­den; die Jur­si­dik­ti­on der Diö­ze­se Lungro degli Alba­ne­si auf die Gläu­bi­gen des byzan­ti­ni­schen Ritus von ganz Süd­ita­li­en; und die Juris­dik­ti­on des Klo­sters Grot­ta­fer­ra­ta auf die Gläu­bi­gen des byzan­ti­ni­schen Ritus von ganz Mit­tel- und Norditalien.

Nivellierende „katholische Kirche der Byzantiner“?

„Damit wür­de eine Art von geein­ter ‚katho­li­scher Kir­che der Byzan­ti­ner in Ita­li­en‘ ent­ste­hen, die Gläu­bi­ge ganz unter­schied­li­cher Tra­di­tio­nen zusam­men­fas­sen wür­de.“ Die­se Gläu­bi­gen haben unter­schied­li­che Kalen­der, ein Teil folgt dem Julia­ni­schen Kalen­der, ein ande­rer dem Gre­go­ria­ni­schen. Auch die Riten sind ver­schie­den, da zur Epar­chie Pia­na degli Alba­ne­si auch Prie­ster und Pfar­rei­en des latei­ni­schen Ritus gehören.

Wappen der Arbà«resh-Eparchie von Lungro
Wap­pen der Arbà«resh-Eparchie von Lungro

„Die­se Eini­gung will nie­mand“, so Magi­ster. Die Ukrai­ner möch­ten eine eige­ne Juris­dik­ti­on wie in Deutsch­land, Eng­land und Frank­reich. Die Arbà«resh wol­len nicht, daß ihre Iden­ti­tät, die sie seit Jahr­hun­der­ten mit­ten in Ita­li­en bewahrt haben, unter die Räder kommt, und das aus­ge­rech­net durch die Kirche.

Durch die jüng­sten Migra­ti­ons­be­we­gun­gen sind die grie­chisch-katho­li­schen Ukrai­ner heu­te zah­len­mä­ßig stär­ker. Die Arbà«resh befürch­ten daher, daß Papst Fran­zis­kus in Zukunft für sie ukrai­ni­sche Bischö­fe ernennt und die Ober­hir­ten nicht mehr aus ihren eige­nen Rei­hen beruft. Da die Arbà«resh sich an kei­ne poli­ti­schen Ober­häup­ter anleh­nen kön­nen, spiel­ten die aus der Gemein­schaft kom­men­den Bischö­fe inmit­ten einer anders­spra­chi­gen Umge­bung stets eine beson­de­re Rolle.

Die „kuriose“ Bischofsernennung von Papst Franziskus

„Kurio­ser­wei­se“, so Magi­ster, gehört gera­de der 2015 von Papst Fran­zis­kus ein­ge­setz­te Bischof der Pia­na degli Alba­ne­si, Gior­gio Gall­aro, „zu den aktiv­sten Befür­wor­tern der Metamorphose“.

Gall­aro ist kein Arbà«resh, son­dern Sizi­lia­ner. Der Kir­chen­recht­ler spricht weder alba­nisch noch mag er deren grie­chi­sche Lit­ur­gie­spra­che. Seit sei­ner Amts­ein­füh­rung ver­sucht er den Arbà«resh die ita­lie­ni­sche Spra­che auf­zu­zwin­gen. „Er küm­mert sich auch nicht um die lit­ur­gi­schen Vor­schrif­ten, son­dern zele­briert auch in den latei­ni­schen Kir­chen sei­ner Epar­chie in latei­ni­schen Meß­ge­wän­dern“, so Magi­ster. Gall­aro redu­zier­te eigen­mäch­tig die fei­er­li­che byzan­ti­ni­sche Lit­ur­gie der Kar­wo­che, „die ihm viel­leicht zu weit­schwei­fig war“, an der aber die alba­ni­sche Eth­nie beson­ders hängt.

Kirche der Prozession der Arbà«resh von Martorana auf Sizilien
Kir­che der Pro­zes­si­on der Arbà«resh von Mar­tora­na auf Sizilien

Gall­aro ent­fernt Schritt für Schritt aus der Haupt­stadt der Epar­chie die Prie­ster des grie­chi­schen Ritus, um sie durch latei­ni­sche Prie­ster zu erset­zen, die ihrer­seits weder alba­nisch noch die Zele­bra­ti­on im byzan­ti­ni­schen Ritus beherr­schen. Auch in Mar­tora­na bei Paler­mo, das zu sei­ner Juris­dik­ti­on gehört, been­de­te er die unun­ter­bro­che­ne Nach­fol­ge von „Papà s“, wie die Arbà«resh ihre Prie­ster nennen.

Gegen den von Papst Fran­zis­kus ein­ge­setz­ten Bischof regt sich zuneh­mend Wider­stand inner­halb der Arbà«resh. Die Mit­glie­der des Prie­ster­ra­tes der Epar­chie und des Kol­le­gi­ums der Bera­ter tra­ten geschlos­sen zurück. In der zwei­ten Sep­tem­ber-Hälf­te ist eine Lai­en­ta­gung für die Ver­tei­di­gung der grie­chi­schen Lit­ur­gie­spra­che und der alba­ni­schen Spra­che der Arbà«resh geplant.

Ungewisse Zukunft für die Abtei Grottaferrata

„Die Zukunft der Abtrei von Grot­ta­fer­ra­ta ist noch unge­wis­ser“, so Magister.

Abteikirche von Grottaferrata
Abtei­kir­che von Grottaferrata

Als am 4. Novem­ber 2013 der Archi­man­drit Emi­lia­no Fab­bri­ca­to­re, ein Basi­lia­ner­mönch, zurück­trat, teil­te Papst Fran­zis­kus des­sen Auf­ga­ben. Zum Hegu­men (Klo­ster­vor­ste­her) ernann­te er den bel­gi­schen Bene­dik­ti­ner Michel Van Parys, der bereits Abt von Che­ve­to­gne war. Die diö­ze­sa­ne Juris­dik­ti­on über­trug er hin­ge­gen sei­nem Ver­trau­ten, dem Bischof von Alba­no Lazia­le, Mar­cel­lo Semer­a­ro, der auch Sekre­tär des C9-Kar­di­nals­ra­tes zur Bera­tung des Pap­stes bei der Kuri­en­re­form und der Lei­tung der Welt­kir­che ist.

Die fran­zö­si­sche Zei­tung La Croix ent­hüll­te, daß der Archi­man­drit nicht frei­wil­lig, son­dern auf Druck des Vati­kans zurück­ge­tre­ten war. In der Abtei habe es ein „nächt­li­ches Kom­men und Gehen“ gege­ben. Zudem erklär­te der Vati­kan die Prie­ster­wei­he eini­ger Mön­che für ungül­tig, so La Croix.

Die Abtei wur­de fak­tisch einer kom­mis­sa­ri­schen Ver­wal­tung unter­stellt. Die Mönchs­ge­mein­schaft besteht inzwi­schen nur mehr aus eini­gen älte­re Mön­chen, wes­halb die Zukunft der Abtei „der­zeit vom Hei­li­gen Stuhl geprüft wird“.

Grottaferrata, die befestigte, griechisch-katholische Gottesburg vor den Toren Roms
Grot­ta­fer­ra­ta, die befe­stig­te, grie­chisch-katho­li­sche Got­tes­burg vor den Toren Roms

„Doch wen ernann­te Bischof Semer­a­ro von Alba­no zu sei­nem Refe­ren­ten für das Klo­ster? Den eme­ri­tier­ten Archi­man­dri­ten Emi­lia­no Fab­bri­ca­to­re, unter dem es zu zwei­fel­haf­ten Prie­ster­wei­hen und zu dem Kom­men und Gehen in der Abtei gekom­men sein soll“, so Magister.

„Grot­ta­fer­ra­ta ist nicht irgend­ei­ne Abtei“, so der Vati­ka­nist. Das der Got­tes­mut­ter Maria geweih­te Klo­ster wur­de 1004 gegrün­det, und damit ein hal­bes Jahr­hun­dert vor dem Mor­gen­län­di­schen Schis­ma zwi­schen Ost- und West­kir­che von 1054. Sein Grün­der ist der Hei­li­ge Nilus von Rossano.

Die Abtei liegt rund 20 Kilo­me­ter von Rom ent­fernt an den Hän­gen der Col­li Alba­ni. Sie ist das letz­te von einst zahl­rei­chen byzan­ti­ni­schen Klö­stern, die um die Mit­te des 11. Jahr­hun­derts in Ita­li­en exi­stier­ten. Ein Jahr­tau­send trotz­te sie allen Lati­ni­sie­rungs­ver­su­chen und „stellt ein öku­me­ni­sches Sym­bol von zwei­fel­lo­sem Wert dar“, so Magi­ster, weil es noch ein fer­nes Echo der Kir­chen­ein­heit ist, wie sie vor 1054 bestan­den hatte.

Die Grün­dung einer „katho­li­schen Kir­che der Byzan­ti­ner in Ita­li­en“ wür­de „die Iden­ti­tät der Abtei end­gül­tig kom­pro­mit­tie­ren“. Es blei­be ins­ge­samt „ein Rät­sel, wie man eine so bedeu­ten­de öst­li­che Rea­li­tät im Her­zen der römi­schen Kir­che der­ma­ßen ver­fal­len las­sen konn­te, ohne daß etwas zu ihrer Ret­tung unter­nom­men wur­de“, so Magister.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bil­der: Pia­na degli Albanesi/​Arberia/​Terramia/​Wikicommons (Screen­shots)

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