China legt Entwurf für neue (harte) Religionspolitik vor


Chinas Katholiken werden seit bald 70 Jahren verfolgt. Auf die "Neue Ostpolitik" des Vatikans Antwort das kommunistische Regime in Peking mit einer neuen Daumenschraube
Chinas Katholiken werden seit bald 70 Jahren verfolgt. Auf die "Neue Ostpolitik" des Vatikans Antwort das kommunistische Regime in Peking mit einer neuen Daumenschraube

(Peking) Das kom­mu­ni­sti­sche Regime der Volks­re­pu­blik Chi­na leg­te den Ent­wurf für die Neu­re­ge­lung reli­giö­ser Akti­vi­tä­ten. Das Ergeb­nis der „ehr­li­chen Bemü­hun­gen um eine Ver­bes­se­rung der Bezie­hun­gen mit dem Vati­kan“ ist eine neue Dau­men­schrau­be. Die „Neue Ost­po­li­tik“ des Vati­kans macht sich nicht bezahlt.

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Offi­zi­ell klingt alles ganz anders. Die Pekin­ger Regie­rungs­spre­che­rin Hua Chuny­ing erklärt am 29. August zum Ver­hält­nis zur katho­li­schen Kirche:

„Chi­na hat sich immer ehr­lich um eine Ver­bes­se­rung der Bezie­hun­gen mit dem Vati­kan bemüht und sich uner­müd­lich dafür ein­ge­setzt. Aktu­ell ist der Kanal des Kon­tak­tes und des Dia­logs zwi­schen bei­den Sei­ten effi­zi­ent und frei von Hin­der­nis­sen. Wir sind bereit, zusam­men mit dem Vati­kan, an einem kon­struk­ti­ven Dia­log zu arbei­ten, in die­sel­be Rich­tung zu mar­schie­ren und neue Fort­schrit­te im Pro­zeß einer Ver­bes­se­rung der bila­te­ra­len Bezie­hun­gen zu fördern.“

Im neu­en Regie­rungs­ent­wurf sehen Chi­nas Unter­grund­ka­tho­li­ken und Hong Kongs eme­ri­tier­ter Bischof, Joseph Kar­di­nal Zen, die Bestä­ti­gung, daß die „Neue Ost­po­li­tik“ des Vati­kans die Chri­sten des Lan­des gefähr­det. Archi­tekt der „Neu­en Ost­po­li­tik“ ist Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin im Auf­trag von Papst Fran­zis­kus (sie­he dazu Vati­kan-Chi­na: Kon­takt „frei von Hin­der­nis­sen“ – Die Sor­gen der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che).

„Zweite Kulturrevolution“ – „Keine Kompromisse mit religiösen Gruppen“

Am ver­gan­ge­nen 22./23 April fand hin­ter ver­schlos­se­nen Türen das rang­höch­ste Tref­fen der ober­sten chi­ne­si­schen Staats­füh­rung zum The­ma Reli­gi­on seit 15 Jah­ren statt. Staats- und Par­tei­chef Xi Jin­ping beton­te im Vor­feld, daß das The­ma Reli­gi­on ein Fra­ge der „Staats­si­cher­heit und der natio­na­len Ein­heit“ sei. Es sei daher „not­wen­dig“, daß die Reli­gio­nen „ihre Leh­ren mit der chi­ne­si­schen Kul­tur ver­mi­schen, den chi­ne­si­schen Geset­zen gehor­chen und sich ganz der Reform Chi­nas und der sozia­li­sti­schen Moder­ni­sie­rung ver­schrei­ben, um zur Ver­wirk­li­chung des chi­ne­si­schen Trau­mes bei­zu­tra­gen“. John Mok Chit Wai von der chi­ne­si­schen Uni­ver­si­tät Hong Kong bestä­tig­te Asia­News die Aus­sa­gen von Yi Jin­ping: „Ich den­ke, daß es ziem­lich ein­deu­tig ist, daß Xi kei­ne Absicht hat, irgend­ei­nen Kom­pro­miß mit reli­giö­sen Grup­pen ein­zu­ge­hen. Ganz im Gegen­teil. Xi hat klar­ge­stellt, daß es kei­ner­lei Kom­pro­miß geben kann: Die Par­tei hat über den Reli­gio­nen zu ste­hen.“ Der chi­ne­si­sche Rechts­an­walt und Men­schen­rechts­ak­ti­vist Sang Pu aus Hong Kong sag­te: „Soweit mir bekannt, sieht nie­mand hier in Hong Kong in der Rede von Xi eine gute Nach­richt“. Xi berei­te eine „zwei­te Kul­tur­re­vo­lu­ti­on“ vor, „um alle Reli­gio­nen zu dezimieren“.

Der nun vor­ge­leg­te Ent­wurf sieht Geld­stra­fen bis zu 200.000 Yuan (27.000 Euro) für „ille­ga­le reli­giö­se Akti­vi­tä­ten“ vor. Das Durch­schnitts­ge­halt in Shang­hai beträgt der­zeit monat­lich weni­ger als 300 Euro. Die Liste „ille­ga­ler reli­giö­ser Akti­vi­tä­ten“ ist lang und will­kür­lich erweiterbar.

Dazu gehö­ren laut Ent­wurf bei­spiels­wei­se nicht von der Regie­rung geneh­mig­te Aus­lands­rei­sen oder Pil­ger­fahr­ten und grund­sätz­lich „Abhän­gig­keit vom Aus­land“. Genau das, „Abhän­gig­keit“ vom Vati­kan, einer „aus­län­di­schen Macht“, wird den Katho­li­ken seit der kom­mu­ni­sti­schen Macht­über­nah­me 1949 zum Vor­wurf gemacht und ist seit­her Grund für Verfolgung.

Entwurf soll Regelung von 2004 ersetzen

Der neue Ent­wurf soll die Rege­lung von 2004 erset­zen. Er besteht aus neun Kapi­teln und 74 Arti­keln. Bis­her waren es 48. Die Hand­schrift des Tex­tes ist kom­mu­ni­stisch. Das Regime behaup­tet dabei in Wor­ten die Nicht-Dis­kri­mi­nie­rung.  Sämt­li­che reli­giö­se Akti­vi­tä­ten auf allen Ebe­nen müs­sen vom Staat vor­ab geneh­migt wer­den. Ohne zu defi­nie­ren, was Reli­gi­on für das kom­mu­ni­sti­sche Regime genau bedeu­tet, behaup­tet Arti­kel 2 des Ent­wurfs, daß „die Staats­bür­ger Reli­gi­ons­frei­heit genie­ßen“. Es gebe kei­nen Zwang etwas zu glau­ben oder nicht zu glau­ben. „Kei­ne Orga­ni­sa­ti­on (…) darf die Staats­bür­ger dis­kri­mi­nie­ren, die an eine Reli­gi­on glauben.“

Das Gegen­teil ist jedoch seit Jahr­zehn­ten Rea­li­tät in der Volks­re­pu­blik Chi­na. Erst im Mai 2015 bekräf­tig­te die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas das Reli­gi­ons­ver­bot für die rund 87 Mil­lio­nen Par­tei­mit­glie­der. Die­se sei­en „Kämp­fer für das kom­mu­ni­sti­sche Bewußt­sein“. Das Reli­gi­ons­ver­bot gilt für Par­tei­mit­glie­der und Beam­te auch im Pri­va­ten und selbst nach ihrer Pen­sio­nie­rung. Wer dage­gen ver­stößt, dem dro­hen dra­sti­sche Stra­fen. Grund für die Ver­schär­fung ist, daß laut Schät­zun­gen zehn Pro­zent der Par­tei­mit­glie­der geheim dem Chri­sten­tum oder einer ande­ren Reli­gi­on ange­hö­ren. Der pro­te­stan­ti­sche Pastor Liu Feng­gang von Peking sag­te im ver­gan­ge­nen Jahr gegen­über Radio Free Asia, auch unter den höch­sten Füh­rungs­ka­dern der KP gebe es Christen.

Strenge Baubestimmungen und Internetkontrollen

Zu den auf­fäl­lig­sten Neu­hei­ten des Ent­wurfs zäh­len genaue und stren­ge Bau­be­stim­mun­gen für reli­giö­se Gebäu­de und die Sicht­bar­keit christ­li­cher Sym­bo­le in der Öffent­lich­keit. Die im Früh­jahr 2014 gestar­te­te Zer­stö­rungs­kam­pa­gne gegen „zu sicht­ba­re“ Kir­che und christ­li­che Sym­bo­le in der Pro­vinz Zhe­jiang fin­det damit Nie­der­schlag in der gesamt­chi­ne­si­schen Religionspolitik.

"Mach Dir ein Kreuz" - Antwort der chinesischen Christen auf die Zerstörungskampagne des Staates
„Mach Dir ein Kreuz“ – Ant­wort der chi­ne­si­schen Chri­sten auf die Zer­stö­rungs­kam­pa­gne des Staates

Neu sind auch Inter­net­be­stim­mun­gen (Art. 47–48). Jede reli­giö­se Infor­ma­ti­on im Inter­net bedarf einer staat­li­chen Geneh­mi­gung und darf kei­ne „ver­bo­te­nen Inhal­te“ haben. Was „ver­bo­ten“ ist, bestimmt das Regime.

Jede reli­giö­se Akti­vi­tät bedarf einer Geneh­mi­gung und unter­liegt damit staat­li­cher Kon­trol­le. Arti­kel 6 des Ent­wurfs defi­niert, daß Reli­gio­nen nur dann „legal“ sind, wenn sie von der „Volks­re­gie­rung“ und ihren Abtei­lun­gen für Reli­gi­ons­an­ge­le­gen­hei­ten gelei­tet sind. Reli­gi­on wird nur gedul­det, wenn sie dem Staat unter­wor­fen und von die­sem gelenkt wird.

Zur „Bestä­ti­gung“ der behaup­te­ten „Reli­gi­ons­frei­heit“ und der „ehr­li­chen Bemü­hun­gen“ ent­hält Arti­kel 44 des Ent­wurfs ein kate­go­ri­sches Mis­si­ons­ver­bot. Ver­bo­ten sind zudem die Grün­dung von reli­giö­sen Orga­ni­sa­tio­nen und das Abhal­ten reli­giö­ser Akti­vi­tä­ten an staat­li­chen Schulen.

Xi Jinping hält an Mao Tse-tungs Religionspolitik fest

Die Prin­zi­pi­en der volks­chi­ne­si­schen Reli­gi­ons­po­li­tik rüh­ren noch von Mao Tse-tung her, der die Reli­gio­nen zuerst ver­nich­ten woll­te. Als er die Unmög­lich­keit die­ses Unter­neh­mens ein­se­hen muß­te, ver­such­te er sie zumin­dest mit eiser­ner Hand zu kon­trol­lie­ren. Für das Regime bedeu­tet das seit­her, den Kon­takt der katho­li­schen Kir­che Chi­nas zur Kir­chen­füh­rung in Rom zu unter­bin­den, die als „aus­län­di­sche Macht“ gese­hen wird. Dazu wur­de mit der Katho­li­schen Patrio­ti­schen Ver­ei­ni­gung eine regi­me­hö­ri­ge Natio­nal­kir­che geschaf­fen. Die Katho­li­ken, die dem Papst treu und mit der Welt­kir­che ver­bun­den blie­ben, gin­gen in den Unter­grund. Die­se Unter­grund­kir­che erregt immer neu den Zorn des Regimes. Es will sie aus­lö­schen und unter ihre Kon­trol­le bringen.

Die Unter­grund­ka­tho­li­ken befürch­ten, daß die „Neue Ost­po­li­tik“ des Vati­kans zu ihrer Aus­lie­fe­rung an das Regime führt. Gegen unbe­deu­ten­de Erleich­te­rung könn­ten die Unter­grund­bi­schö­fe und Unter­grund­prie­ster von Rom auf­ge­for­dert wer­den, sich zu erken­nen zu geben und regi­strie­ren zu las­sen. Die Kir­che wür­de damit, so die Befürch­tun­gen, den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern auf dem sil­ber­nen Tablett ser­viert und jede Eigen­stän­dig­keit einbüßen.

Der neue Ent­wurf rich­tet sich nicht glei­cher­ma­ßen gegen alle Reli­gio­nen. Er sieht Son­der­be­stim­mun­gen gegen den tibe­ti­schen Bud­dhis­mus und gegen die katho­li­sche Kir­che vor. Auf die­se bei­den reli­giö­sen Erschei­nun­gen rich­tet sich das beson­de­re Augen­merk der repres­si­ven Religionspolitik.

Repressives Augenmerk auf tibetischen Buddhismus und katholische Kirche

Gegen­über dem tibe­ti­schen Bud­dhis­mus geht es dar­um, eine mög­li­che, nicht auto­ri­sier­te „Reinkar­na­ti­on“ des Dalai Lama zu ver­hin­dern. Gegen­über der katho­li­schen Kir­che geht es dem Regime in erster Linie um die Unter­grund­bi­schö­fe. Die Regi­strie­rungs­pflicht von Bischö­fen und Prie­stern macht jede Akti­vi­tät, ob die Zele­bra­ti­on einer Hei­li­gen Mes­se oder die Spen­dung der Sakra­men­te, zu einer „ille­ga­len“ Akti­on, wenn sie von einem Bischof oder Prie­ster aus­ge­führt wird, der nicht regi­striert ist. Der Straf­ver­fol­gung sind damit Tür und Tor geöff­net. Der Unter­grund­kle­rus denkt nach Jahr­zehn­ten der Ver­fol­gung aber nicht dar­an, sich regi­strie­ren zu lassen.

Asia­news berich­te­te jedoch von wach­sen­dem Druck, der in ver­schie­de­nen Diö­ze­sen auf den nicht-regi­strier­ten Kle­rus aus­ge­übt wird, um ihn in die regi­me­hö­ri­ge Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung zu zwingen.

Bis zum 7. Okto­ber könn­ten Ände­rungs­vor­schlä­ge zu dem am 8. Sep­tem­ber vor­ge­leg­ten Ent­wurf ein­ge­bracht wer­den. Asia­news zitier­te jedoch ein Mit­glied der KPCh mit den Wor­ten: „Man sagt, es sei ein Ent­wurf. In Wirk­lich­keit han­delt es sich bereits um den end­gül­ti­gen Text.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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