Verfolgte Christen stören bei katholischer Großveranstaltung – „Seht, wie die Lage Europas heute durch diese Haltung geworden ist“


Die Christen des Nahen Ostens werden zu Hause verfolgt und sind dem Westen lästig, manchmal auch den eigenen Brüdern und Schwestern.
Die Christen des Nahen Ostens werden zu Hause verfolgt und sind dem Westen lästig, manchmal auch den eigenen Brüdern und Schwestern.

(Rimi­ni) Über dem Mee­ting 2016 von Rimi­ni der katho­li­schen Gemein­schaft Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne (CL), das gera­de statt­fin­det, lastet der neue inter­re­li­giö­se Schat­ten. Die ver­folg­ten Chri­sten des Nahen Ostens „stö­ren“ das gewünsch­te Kli­ma. Ein ira­ki­scher Prie­ster, Zeu­ge des Völ­ker­mords an den Chri­sten sei­ner Hei­mat, mach­te die bit­te­re Erfah­rung, daß der Westen nicht nur weg­schaut, son­dern – wenn er doch ein­mal zuhö­ren muß – unwil­lig und mit Wider­spruch reagiert.

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Bereits am Eröff­nungs­tag wur­de einem maria­ni­schen Ver­lag die sicht­ba­re Zur­schau­stel­lung von Mari­en­dar­stel­lun­gen unter­sagt, „um ande­re Reli­gio­nen nicht zu belei­di­gen“. Das Mee­ting ist von sol­cher Bedeu­tung, daß Ita­li­ens Staats­prä­si­dent und Mini­ster­prä­si­dent per­sön­lich anrei­sten. Ita­li­ens links­ka­tho­li­scher Staats­prä­si­dent Ser­gio Mat­tar­el­la ließ in sei­ner Gruß­an­spra­che wis­sen, daß „alle Reli­gio­nen nicht fun­da­men­ta­li­stisch“ zu sein hät­ten. Was aber heißt „alle Reli­gio­nen“, in einer Gruß­bot­schaft an eine katho­li­sche Ver­an­stal­tung ohne Nen­nung des Islams?

Das ist der „neue inter­re­li­giö­se Schat­ten“, der eine vom Rela­ti­vis­mus durch­tränk­te Ant­wort auf die Her­aus­for­de­run­gen gibt, und damit zwangs­läu­fig unge­nü­gend und unge­eig­net blei­ben muß.

Gleich­zei­tig wur­den nicht mehr ins Bild pas­sen­de CL-Ange­hö­ri­ge, wie der eme­ri­tier­te Erz­bi­schof von Bolo­gna, Kar­di­nal Car­lo Caf­farra, und der amtie­ren­den Erz­bi­schof von Fer­ra­ra, Lui­gi Negri, im Mee­ting-Pro­gramm nicht mehr berücksichtigt.

Junger irakischer Priester als „Störenfried“

Nicht ins Bild paß­te auch der ira­ki­sche Prie­ster Reb­war Basa. Vor 38 Jah­ren in Erbil gebo­ren, ist er Prie­ster des St.-Georgs-Klosters von Mos­sul. Er stammt aus dem Pul­ver­faß Naher Osten, an das 2011 Lun­te gelegt wur­de. Er kennt die Lage der Chri­sten aus eige­ner Erfah­rung, weil er selbst einer von ihnen ist. Er weiß um die Chri­sten­ver­fol­gung. Er weiß, daß die Chri­sten eine immer klei­ne­re Min­der­heit wer­den und von den ver­schie­de­nen isla­mi­schen Grup­pen des Lan­des bedrängt, ver­folgt, ver­trie­ben und getö­tet wer­den. Und er weiß auch aus eige­ner Erfah­rung, daß auch die offi­zi­el­le Staats­macht den Chri­sten das Leben schwer macht.

Katholischer Priester Irak Rebwar Basa
Reb­war Basa, katho­li­scher Prie­ster aus Mossul

Obwohl Rimi­ni so weit von Mos­sul ent­fernt ist, bekam er den­noch auch am bekann­ten Bade­ort an der Adria den lan­gen Schat­ten des Nah­ost-Kon­flikts zu spü­ren, wenn eine Mari­en­sta­tue mit­ten in Ita­li­en auf einer katho­li­schen Groß­ver­an­stal­tung ver­hüllt wer­den muß, um Rück­sicht auf die Mus­li­me zu neh­men. Es ist der lan­ge Schat­ten des Islams. Es ist vor allem aber der lan­ge Schat­ten der eige­nen Schwä­che, die das euro­päi­sche Chri­sten­tum heim­ge­sucht hat wie eine Immun­schwä­che­krank­heit, den der ira­ki­sche Prie­ster beim Mee­ting zu spü­ren bekam.

Reb­war Basa war drei Tage zu Gast beim Mee­ting und stand Rede und Ant­wort all jenen, die sich nicht abwen­den, son­dern etwas über das Schick­sal der Brü­der und Schwe­stern im Nahen Osten erfah­ren woll­ten. Ein­ge­la­den hat­te ihn das katho­li­sche Hilfs­werk Kir­che in Not, das sich in beson­de­rer Wei­se um die ver­folg­ten Chri­sten bemüht. Kir­che in Not zeigt beim Mee­ting eine Aus­stel­lung zum The­ma Chri­sten­ver­fol­gung, über die auch Radio Vati­kan berichtete.

Am ver­gan­ge­nen Frei­tag, gleich am ersten Tag des Mee­tings, kam es zu einem unglaub­li­chen Vor­fall, der nicht weni­ger unglaub­lich ist, als die Ver­hül­lung einer Mari­en­sta­tue, von der man zu jenem Zeit­punkt noch nichts wuß­te. Der eine Vor­fall fügt sich jedoch zum ande­ren und ergibt ein besorg­nis­er­re­gen­des Bild.

Kirche in Not informiert über verfolgte Christen

Im Rah­men der Aus­stel­lung hat­te Kir­che in Not ein­ge­la­den, das Zeug­nis von Reb­war Basa anzu­hö­ren. Und da geschah das Unglaub­li­che. Der Prie­ster schil­der­te das schreck­li­che Schick­sal der ira­ki­schen Chri­sten aus erster Hand und wur­de dafür aus dem Publi­kum ange­grif­fen. Sei­ne Glaub­wür­dig­keit wur­de in Zwei­fel gezo­gen, weil das, was er berich­te­te, von man­chen nicht gehört wer­den woll­te. Der anwe­sen­de Jour­na­list Fran­co Bechis von der Tages­zei­tung Libe­ro film­te die ana­chro­ni­sti­sche Sze­ne und schrieb in der Sonn­tags­aus­ga­be sei­ner Zei­tung: „Pater Reb­war berich­tet über die vom Islam ver­folg­ten Chri­sten und hat Mühe beim Mee­ting akzep­tiert zu werden“.

"Wir Christen sind das Hauptziel"
„Wir Chri­sten sind das Hauptziel“

Der Prie­ster kam in den Westen, doch statt Soli­da­ri­tät ern­te­te er offe­nen Wider­spruch. Es kam zu einem hef­ti­gen Schlag­ab­tausch mit „inter­re­li­giö­sen“ und isla­mo­phi­len Chri­sten. Eini­ge der Zuhö­rer woll­ten ein­fach nicht wahr­ha­ben, was auch ihnen mög­li­cher­wei­se unan­ge­neh­me Kon­se­quen­zen abver­lan­gen könn­te. Ande­re schei­nen gezielt in die Ver­an­stal­tung gekom­men zu sein, um die ohne­hin schwa­che Stim­me der nah­öst­li­chen Chri­sten zum Schwei­gen zu brin­gen. Kir­che in Not ist für sei­nen Ein­satz für die ver­folg­ten Chri­sten bekannt. Ein Pro­gramm, das nicht in das vor­herr­schen­de, gewünsch­te Bild paßt, wonach angeb­lich „alle“ Reli­gio­nen nichts als den Frie­den wol­len, und „alle“ Reli­gio­nen glei­cher­ma­ßen „fun­da­men­ta­li­sti­sche“ Gefah­ren in sich ber­gen, wes­halb das Chri­sten­tum nicht anders sei als der Islam, jeden­falls nicht besser.

Für alle islamischen Gruppen „sind wir Christen das Hauptziel“

Der jun­ge Prie­ster ließ sich nicht aus der Fas­sung brin­gen, obwohl er – allein der Ent­täu­schung wegen – allen Grund dazu gehabt hät­te. „Was ich berich­te, habe ich im Irak erlebt. Ich bin Zeu­ge des­sen, was ich berich­te. Wir sind dort noch 300.000 Chri­sten. Hier erzählt man eine wah­re Sache, daß die Sun­ni­ten die Schii­ten umbrin­gen, und die Schii­ten die Sun­ni­ten umbrin­gen. Das stimmt, und es gibt reli­giö­se, poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Grün­de für die­ses Gemet­zel. Doch für die einen wie für die ande­ren sind wir Chri­sten das eigent­li­che Ziel. Das muß man sagen! Immer wie­der lese ich, die Chri­sten sei­en Kol­la­te­ra­l­op­fer eines Kon­flik­tes. Nein, das stimmt nicht: Die Chri­sten sind das Haupt­ziel! Es fin­det eine Ver­fol­gung statt, die ein Geno­zid ist, und dar­über müs­sen wir sprechen.“

Trotz des Wider­spruchs ant­wor­te­te Pater Reb­war sei­nen Kri­ti­kern, denen das Schick­sal der Chri­sten im Nahen Osten so wenig ins Kon­zept paßt, daß sie es ver­drän­gen wol­len: „Ihr ver­traut mir nicht? Ihr glaubt mir nicht? Ihr könn­te es selbst nach­prü­fen: Es gibt Medi­en, es gibt Bücher, es gibt ande­re Zeu­gen. Ihr könnt euch also infor­mie­ren.“ Das Pro­blem sei viel­mehr ein anderes:

„Häu­fig hat man Angst, zu spre­chen, um nicht die Sen­si­bi­li­tät ande­rer Reli­gio­nen zu berüh­ren. Angst nicht das und nicht jenes zu sagen. Ihr seht, wie die Lage Euro­pas heu­te durch die­se Hal­tung gewor­den ist, wo ihr als Chri­sten in der Mehr­heit lebt und doch Angst habt. Ihr könnt euch also vor­stel­len, was wir im Irak durch­le­ben, wo wir heu­te nur mehr 0,5 Pro­zent der Bevöl­ke­rung aus­ma­chen. Hier bei euch gibt es jun­ge Mus­li­me, die in den Irak und nach Syri­en gehen, um zu kämp­fen, und die bereit zu ster­ben. Und eure Jugend ist nicht ein­mal mehr bereit, an einer Hei­li­gen Mes­se teilzunehmen.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Chie­sa che soffre/​Meeting (Screen­shots)

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