Msgr. Antonio Livi: „Dieser Papst läßt die öffentliche Meinung innerhalb der Kirche endgültig zusammenbrechen“


Der Erkenntnistheoretiker Msgr. Antonio Livi, Mitarbeiter an der Enzyklika Fides et Ratio (1998) zu einigen Fragen des derzeitigen Pontifikats
Der Erkenntnistheoretiker Msgr. Antonio Livi, Mitarbeiter an der Enzyklika Fides et Ratio (1998), zu einigen Fragen des derzeitigen Pontifikats

(Rom) Soll sich die Kir­che bei den Homo­se­xu­el­len ent­schul­di­gen, wie Papst Fran­zis­kus im Juni mein­te? Was für Fol­gen haben die eben­so spon­ta­nen wie umstrit­te­nen Plau­de­rei­en des Pap­stes mit der Pres­se? Wie soll man die hei­li­ge Kom­mu­ni­on emp­fan­gen? Und war­um macht Papst Fran­zis­kus bei der Wand­lung kei­ne Knie­beu­gen? Die­se Fra­gen wur­den Msgr. Anto­nio Livi gestellt, der an der Enzy­kli­ka Fides et Ratio (Glau­ben und Ver­nunft, 1998) von Johan­nes Paul II. mit­ge­wirkt hatte.

Anzei­ge

Msgr. Anto­nio Livi war Dekan der Phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät der Päpst­li­chen Late­ran­uni­ver­si­tät, wo er eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Erkennt­nis­theo­rie ist. Er ist Vor­sit­zen­der der Inter­na­tio­nal Sci­ence and Com­mon­sen­se Asso­cia­ti­on (ISCA), Schrift­lei­ter der theo­lo­gi­schen Zeit­schrif­ten Fides Catho­li­ca und Divi­ni­tas, Vor­sit­zen­der des wis­sen­schaft­li­chen Bei­rats für die Ver­öf­fent­li­chung der gesam­mel­ten Wer­ke von Kar­di­nal Giu­sep­pe Siri und Grün­der der Unio Apo­sto­li­ca Fides et Ratio zur wis­sen­schaft­li­chen Ver­tei­di­gung der katho­li­sche Wahrheit.

Auch im vier­ten Jahr des argen­ti­ni­schen Pon­ti­fi­kats fehlt noch immer eine offi­zi­el­le Erklä­rung, war­um Papst Fran­zis­kus bei der Wand­lung kei­ne Knie­beu­ge macht. Häu­fig ist zu hören, es hand­le sich um ein gesund­heit­li­ches Pro­blem, doch Beleg dafür gibt es kei­nen. Der Vati­ka­nist Anto­nio Soc­ci wur­de von ande­ren Katho­li­ken sogar der „Lüge“ bezich­tigt, als er die­ses Ver­hal­ten von Papst Fran­zis­kus kri­ti­sier­te. Katho­li­sche Medi­en ver­öf­fent­li­chen zum Gegen­be­weis Bil­der des knien­den Pap­stes, ohne zu bemer­ken, daß sie damit die Zwei­fel dar­über, war­um der Papst auch beim eucha­ri­sti­schen Hoch­ge­bet kei­ne Knie­beu­gen macht, nicht ent­kräf­te­ten, son­dern ver­stärk­ten. Der Papst kniet am Grün­don­ners­tag zu meist „spek­ta­ku­lä­ren“ Fuß­wa­schun­gen, er knie­te bei einem Gebets­tref­fen der Cha­ris­ma­ti­schen Gemein­de­er­neue­rung, er kniet, wenn er beich­tet und er knie­te auch schon zur eucha­ri­sti­schen Anbe­tung. Um so unver­ständ­li­cher und beklem­men­der ist es, daß nach wie vor die Fra­ge im Raum steht, war­um er kon­se­quent in der Zele­bra­ti­on der Hei­li­gen Mes­se die vor­ge­schrie­be­nen Knie­beu­gen unterläßt.

„Papst schmeichelt der Welt und betreibt damit self-promotion nach unten“

FQ: Auf dem Rück­flug von Arme­ni­en sag­te Papst Fran­zis­kus bei der tra­di­tio­nel­len flie­gen­den Pres­se­kon­fe­renz unter ande­rem, daß die Kir­che auch die Homo­se­xu­el­len um Ent­schul­di­gung bit­te sol­le. Was ist Ihre Mei­nung dazu?

Msgr. Anto­nio Livi: Ich den­ke, daß sich die Aus­sa­ge von Papst Fran­zis­kus zu die­sem Punkt für zu vie­le unter­schied­li­che Inter­pre­ta­tio­nen auf pasto­ra­ler und für zu vie­le Miß­ver­ständ­nis­se auf dok­tri­nel­ler Ebe­ne eig­net. Im übri­gen ist das, was Berg­o­glio in einer Plau­de­rei mit Jour­na­li­sten sagt, wäh­rend er von einer Apo­sto­li­schen Rei­se zurück­kehrt, zwar inter­es­sant und auch wich­tig, aber mit Sicher­heit kann man dem nicht den Wert einer lehr­amt­li­chen Hand­lung zuschrei­ben. Um so weni­ger han­delt es sich um einen Dis­kurs, der von einer sol­chen dok­tri­nel­len Soli­di­tät ist, daß er den wirk­li­chen Doku­men­ten des Lehr­am­tes ent­ge­gen­ge­setzt wer­den könn­te. Wenn die katho­li­sche Kir­che offi­zi­ell Posi­ti­on zu die­sem The­ma bezie­hen woll­te, hat­te sie immer – und hat sie auch heu­te – eine kohä­ren­te Linie, die vom Wort Got­tes und der Glau­bens­leh­re gelei­tet ist, die auf unfehl­ba­re Wei­se die­ses Wort aus­legt. Die dok­tri­nel­le Tra­di­ti­on der Kir­che (das Dog­ma und die mora­li­schen Nor­men, die dar­aus fol­gen) kann heu­te leicht von jedem katho­li­schen Gläu­bi­gen nach­ge­le­sen wer­den, wenn er auf den vom hei­li­gen Johan­nes Paul II. gewoll­ten und pro­mul­gier­ten Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che zurück­greift. Auch was das Urteil der Kir­che über homo­se­xu­el­le Hand­lun­gen betrifft, mei­ne ich, daß nicht viel zu dem hin­zu­fü­gen wäre, was man im Kate­chis­mus liest, der eine siche­re, defi­ni­ti­ve und sehr kla­re Leh­re ent­hält. Die Kir­che hat immer alle gewarnt, die von ihr die von Gott offen­bar­te Wahr­heit über die Schwe­re erfah­ren woll­ten, die den frei­wil­li­gen und bewuß­ten homo­se­xu­el­len Hand­lun­gen inne­wohnt, die eine Sün­de wider die Natur sind und zu den Greu­el zäh­len, die „vor dem Ange­sicht Got­tes nach Ver­gel­tung schrei­en“. Es ist daher nicht mög­lich, daß der Papst mit einer Plau­de­rei im Flug­zeug die gesam­te Tra­di­ti­on der Kir­che und die gel­ten­den Bestim­mun­gen des Kir­chen­rechts abschaf­fen woll­te. Viel­mehr den­ke ich, daß Papst Fran­zis­kus – wie üblich – eine Bot­schaft aus­sen­den woll­te, die der Kul­tur genehm ist, die der­zeit in der west­li­chen Welt eine hege­mo­nia­le Stel­lung ein­nimmt, eine Kul­tur, die von absur­den Legi­ti­mi­täts­for­de­run­gen gekenn­zeich­net ist, ja von der Behaup­tung, homo­se­xu­el­les Ver­hal­ten habe öffent­li­chen Vor­bild­cha­rak­ter ein­schließ­lich der Nach­ah­mung der wah­ren, natür­li­chen Ehe. Es ist offen­sicht­lich, daß der Papst, bei die­ser wie bei vie­len ande­ren Gele­gen­hei­ten, im Gespräch mit den Jour­na­li­sten der inter­na­tio­na­len Medi­en Kri­te­ri­en folg­te, die nicht Aus­druck des Lehr­am­tes, son­dern nur der vati­ka­ni­schen Diplo­ma­tie und der Medi­en­po­li­tik sind. Er woll­te die Welt strei­cheln. Er hat ja gesagt, daß es die­sen Leu­ten gefällt, wenn man ihnen poli­tisch Kor­rek­tes sagt.  Es ist eine Art von self-pro­mo­ti­on (Eigen­wer­bung) der katho­li­schen Kir­che nach unten. Unter die­sem Gesichts­punkt ist es nicht gewagt, zu behaup­ten, daß die­ser Papst (ohne damit mit dem Fin­ger zei­gen oder die nicht dis­ku­ta­blen Ent­schei­dun­gen der höch­sten Auto­ri­tät der Kir­che beur­tei­len zu wol­len) nicht so sehr die Kir­che als sol­che, aber die öffent­li­che Mei­nung inner­halb der Kir­che defi­ni­tiv zusam­men­bre­chen läßt. In der Tat läßt die­se Art des spon­ta­nen Redens vie­le Leu­te – die inzwi­schen ihre Infor­ma­tio­nen fast nur mehr aus welt­li­chen und frei­mau­re­ri­schen Medi­en bezie­hen – den­ken, daß die Kir­che zu die­sen The­men wirk­lich Mei­nung geän­dert und die immer­wäh­ren­de Leh­re bei­sei­te gelegt habe. Dem ist aber nicht so, weil dem gar nicht so sein kann.

„Handkommunion ist protestantisch und zu meiden“

Kniende Mundkommunion unter Papst Benedikt XVI.
Knien­de Mund­kom­mu­ni­on unter Papst Bene­dikt XVI.

FQ: Die Hei­li­ge Kom­mu­ni­on: Wie soll man sie rich­tig empfangen?

Msgr. Anto­nio Livi: Die kon­se­krier­te Hostie, die der Leib Chri­sti ist, ist in den Mund und kniend zu emp­fan­gen. So hat es die Kir­che durch Jahr­hun­der­te vor­ge­schrie­ben. Das ist die ein­zi­ge Form, die dem Respekt für das Sakra­ment der Eucha­ri­stie, dem Anse­hen der Lit­ur­gie und dem anbe­ten­den Emp­fin­den, das sich aus dem wah­ren Glau­ben an die Real­prä­senz Chri­sti ergibt, dem Mensch gewor­de­nen Gott unter den Gestal­ten von Brot und Wein, die der Prie­ster in der hei­li­gen Mes­se kon­se­kriert hat, ange­mes­sen ist. Die Hand­kom­mu­ni­on, die etwas Pro­te­stan­ti­sches ist (weil sie die Dimen­si­on des Mah­les, die die Eucha­ri­stie hat, über­be­to­nen will), ist zu mei­den, und tat­säch­lich gewähr­te sie Papst Paul VI. nur als Aus­nah­me, um eini­gen katho­li­schen Epi­sko­pa­ten in Euro­pa ent­ge­gen­zu­kom­men, und Papst Bene­dikt XVI. war ein­deu­tig dage­gen. Die Pra­xis der Hand­kom­mu­ni­on bana­li­siert das Sakra­ment, und dann kommt es manch­mal fak­tisch zu einer Mas­sen­pro­fa­ni­sie­rung, wie es in Mani­la anläß­lich der Hei­li­gen Mes­se von Papst Fran­zis­kus gesche­hen ist, an der zwei Mil­lio­nen Men­schen teil­nah­men, und der Moment der Kom­mu­ni­on zu einem unbe­schreib­li­chen Cha­os wur­de. Die Kom­mu­ni­on ist in den Mund zu spen­den und mög­lichst an Gläu­bi­ge, die zum Emp­fang nie­der­knien. Indem wir knien, brin­gen wir unse­re gan­ze Anbe­tung zum Aus­druck. Heu­te kniet man nur mehr wenig, weil der luthe­ri­sche Geist ein­ge­drun­gen ist, und auch, weil das Bewußt­sein für das Hei­li­ge schwin­det. Man ver­gißt, daß es im Evan­ge­li­um heißt: „Dar­um hat ihn Gott über alle erhöht /​ und ihm den Namen ver­lie­hen, /​ der grö­ßer ist als alle Namen, damit alle im Him­mel, auf der Erde und unter der Erde /​ ihre Knie beu­gen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: /​ ‚Jesus Chri­stus ist der Herr‘ – /​ zur Ehre Got­tes, des Vaters“ (Phil 2,9–11).

„Auslassung der Kniebeuge wohl kein Gesundheitsproblem“

Kniende Fußwaschung am Gründonnerstag
Knien­de Fuß­wa­schung am Gründonnerstag

FQ: Papst Fran­zis­kus macht bei der Wand­lung kei­ne Knie­beu­ge: Warum?

Msgr. Anto­nio Livi: Das muß man ihn fra­gen. Die „Rubri­ken“ des Mis­sa­le Roma­num (auch das von Paul VI., das der­zeit für die Meß­ze­le­bra­ti­on in der ordent­li­chen Form des Ritus in Kraft ist) schrei­ben vor, daß der Zele­brant nach der Kon­se­kra­ti­on des Bro­tes und auch nach der Kon­se­kra­ti­on des Wei­nes zum Zei­chen der Anbe­tung eine Knie­beu­ge zu machen hat. Nie­mand kann bewußt über­ge­hen, was von den gel­ten­den lit­ur­gi­schen Bestim­mun­gen vor­ge­schrie­ben ist. Mir scheint, zumin­dest laut den ver­öf­fent­lich­ten Bil­dern, daß der der­zei­ti­ge Papst am Grün­don­ners­tag für den Ritus der Fuß­wa­schung nie­der­kniet, was mich den­ken läßt, daß es sich also nicht um ein ortho­pä­di­sches Pro­blem, um eine Fra­ge der Gesund­heit han­delt. Ich fürch­te, daß die­ses Ver­hal­ten schlech­tes Bei­spiel gibt, aber ich mache kein Dra­ma dar­aus und skan­da­li­sie­re mich nicht. Die Kir­chen­ge­schich­te ist reich an Päp­sten, die auf die eine oder ande­re (immer zufäl­li­ge, nie sub­stan­ti­el­le Wei­se) ein schlech­tes Bei­spiel gaben. Die­sel­ben Päp­ste gaben aber zugleich auch gute Bei­spie­le der Hei­lig­keit und vor allem haben sie es nie dar­an feh­len las­sen, das des­po­si­tum fidei intakt zu bewah­ren, das weder von ihnen abhängt noch von ihnen kommt, son­dern das Wort von Gott selbst ist, der uns liebt und unser ewi­ges Heil will.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​Fides et Forma

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2 Kommentare

  1. Es ist schon fast unmög­lich, bei die­sem Papst und den Sei­ni­gen noch an die Ver­nunft zu appel­lie­ren. Die Wor­te und Hand­lun­gen die­ses Pap­stes ent­zie­hen sich des­we­gen auch gleich­sam einer ver­nünf­ti­gen Beur­tei­lung. Er lebt auf einem ande­ren Pla­ne­ten. Dage­gen anzu­kämp­fen ist inzwi­schen Kraft- und Zeitverschwendung.
    Es kann für Chri­sten nur noch um inne­re Immu­ni­sie­rung und Abna­be­lung gehen und dem Aus­har­ren bis zu einer neu­en christ­li­chen Mor­gen­rö­te, so wie die Samen von Wüsten­pflan­zen, die jah­re­lang auf den näch­sten Regen warten.

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