Kubanische Dissidenten stören das Geschäft – Vom CL-Meeting ausgeladen


US-Präsident Obama und der andere Castro
US-Präsident Obama und der andere Castro

(Rimi­ni) Das Mee­ting 2016 in Rimi­ni von Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne, einer der größ­ten neu­en Gemein­schaf­ten der katho­li­schen Kir­che, scheint zum Mee­ting der Knie­fäl­le vor der poli­ti­schen Kor­rekt­heit zu wer­den. Zum „Ver­rat am hei­li­gen Franz von Assi­si“ wegen des Islams, so der ita­lie­ni­sche Publi­zist Camil­lo Lan­go­ne, gesellt sich der „Ver­rat an einer jahr­zehn­te­lan­gen Dis­si­denz gegen die poli­ti­sche Kor­rekt­heit“, so der Schwei­zer Jour­na­list Giu­sep­pe Rus­co­ni. Bei­de Autoren sind sich unab­hän­gig von­ein­an­der dar­in einig, daß hin­ter den Knie­fäl­len das Bestre­ben steht, CL demon­stra­tiv auf den Kurs von Papst Fran­zis­kus ein­zu­schwö­ren, so daß man es auch in San­ta Mar­ta mit­be­kommt. Das auch in jenen Berei­chen, in denen die­ser Kurs der bis­he­ri­gen Linie wider­spricht. Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne war ein beson­de­rer Bau­stein im Pon­ti­fi­kat von Johan­nes Paul II., der dem pol­ni­schen Papst kost­bar war. Es war der Wie­der­auf­bau einer katho­li­schen Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on, die es im Rah­men der Katho­li­schen Akti­on in den 1970er Jah­ren kaum mehr gab. Im vier­ten Jahr des neu­en Pon­ti­fi­kats scheint die Gemein­schaft durch und durch „berg­o­gli­o­ni­siert“. Die Vor­fäl­le von Rimi­ni sind emble­ma­tisch für ver­gleich­ba­re „Umbrü­che“ und „Kehrt­wen­dun­gen“, die in der orga­ni­sier­ten katho­li­schen Welt stattfinden.

Kniefall vor dem Islam

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Das größ­te katho­li­sche Ereig­nis Ita­li­ens mit rund 250.000 Teil­neh­mern fällt in die­sem Jahr durch Nega­tiv­schlag­zei­len auf. Vor Beginn des Mee­tings ver­neig­te sich Gior­gio Vitta­di­ni, einer der Obe­ren öffent­lich und brach­te CL auf den inter­re­li­giö­sen Kurs von Papst Fran­zis­kus. Ein Kurs, der mit jenem der west­li­chen Regie­run­gen über­ein­stimmt. Dem­nach habe der Islam nichts mit dem isla­mi­schen Ter­ro­ris­mus zu tun, son­dern sei eine „Reli­gi­on des Frie­dens, denn schließ­lich gebe es dort auch nicht mehr „Fun­da­men­ta­li­sten“ als im Chri­sten­tum. Die Isla­mi­sten bege­hen Ritu­al­mor­de und köp­fen ihre Geg­ner, was aber nichts mit ihrer Reli­gi­on zu tun habe, denn eben­so­gut „töten“ Katho­li­ken mit Wor­ten, Tratsch und Gerüch­ten, beson­ders „Ver­lob­te und Schwie­ger­müt­ter“, um es mit den Wor­ten von Papst Fran­zis­kus zu sagen.

Am Eröff­nungs­tag wur­de der katho­li­sche Ver­lag Shalom von den Mee­ting-Orga­ni­sa­to­ren ange­wie­sen, Bil­der der Got­tes­mut­ter Maria zu ent­fer­nen und einer Mari­en­sta­tue einen „Bur­ka“ zu ver­pas­sen, „um nicht ande­re Reli­gio­nen zu belei­di­gen“. Wer die­se „ande­ren Reli­gio­nen“ auf einer katho­li­schen Ver­an­stal­tung sein soll­ten, wur­de zwar nicht gesagt. Daß damit der Islam gemeint ist, steht den­noch fest.

Das katho­li­sche Hilfs­werk Kir­che in Not macht mit einer emp­feh­lens­wer­ten Aus­stel­lung auf das Schick­sal der ver­folg­ten Chri­sten in ver­schie­de­nen Län­dern auf­merk­sam. Der ira­ki­sche Prie­ster Reb­war Basa berich­te­te in einer Rah­men­ver­an­stal­tung zur Aus­stel­lung aus erster Hand über den isla­mi­schen Geno­zid an den Chri­sten des Nahen Ostens. Dafür ern­te­te er offe­nen Wider­spruch und Anfein­dun­gen aus dem offen­sicht­lich isla­mo­phi­len, christ­li­chen Publi­kum. Selbst Chri­sten im Westen scheint das Schick­sal der ver­folg­ten Brü­der zu stören.

Kniefall vor dem Geschäft

Neben den zahl­rei­chen Knie­fäl­len vor dem Islam fällt das Mee­ting noch an einer ganz ande­ren Front nega­tiv auf. Die Ver­an­stal­ter unter­sag­ten katho­li­schen Dis­si­den­ten aus Kuba die Teil­nah­me am Run­den Tisch, der am kom­men­den Don­ners­tag zum The­ma Kuba und die Aus­söh­nung mit den USA statt­fin­den wird.

Oswaldo Payá kam 2012 bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben
Oswal­do Payá kam 2012 bei einem myste­riö­sen Auto­un­fall ums Leben

Es sei nicht „sub­stan­ti­ell der Geist des Mee­tings, jenen Stim­me zu geben, die kei­ne haben …“, schrieb die Mee­ting-Vor­sit­zen­de Emi­lia Guar­nie­ri in einem Ant­wort­mail an Miche­le Trot­ta, einen Ver­tre­ter des von Oswal­do Payá gegrün­de­ten kuba­ni­schen Movi­mi­en­to Cri­stia­no Libe­r­aci­on (MCL). Payá galt bis zu sei­nem myste­riö­sen Auto­un­fall, bei dem er 2012 ums Leben kam, als füh­ren­der Kopf der kuba­ni­schen Dis­si­den­ten. Payá war beken­nen­der Katho­lik und stand in engem Kon­takt mit der katho­li­schen Kir­che, um Kuba eine Zukunft in Frei­heit und Men­schen­wür­de zu sichern, wie sie – wovon er über­zeugt war – nur das Chri­sten­tum garan­tie­ren könne.

„Das ist zuviel, um ein­fach zur Tages­ord­nung über­zu­ge­hen“, so der Schwei­zer Jour­na­list Giu­sep­pe Rus­co­ni. Wäh­rend die CL-Füh­rung sich wie ein Cha­mä­le­on umfärbt und durch öffent­li­che Stel­lung­nah­me die „Öff­nung zur Welt“ betont – „Du bist mir wich­tig“, so ein aktu­el­ler Slo­gan -, „muß man fest­stel­len, daß es eini­ge Kate­go­rien die­ses ‚Du‘ gibt, die damit nicht gemeint sind und aus­ge­schlos­sen blei­ben, wäh­rend bestimm­te ande­re Kate­go­rien die­ses ‚Du‘ hofiert wer­den. Es lebe das Geschäft“

Am Abschluß­tag des dies­jäh­ri­gen Mee­tings fin­det eine Podi­ums­dis­kus­si­on statt mit dem Titel „Die Ver­söh­nung zwi­schen den USA und Kuba: Eine Wun­de heilen“.

Der Runde Tisch

Am Podi­um wer­den drei Refe­ren­ten sit­zen: Miguel Beni­to „Mike“ Fer­nan­dez, Exil­ku­ba­ner in den USA und Grün­der der MBF Heal­th­ca­re Part­ners, (eine pri­va­te Invest­ment­ge­sell­schaft im Gesund­heits­be­reich); Pedro Frey­re, Part­ner und Chair of the Inter­na­tio­nal Prac­ti­ce in der Aker­mann LLP, USA (Aker­man ist mit 600 Rechts­an­wäl­ten eine der größ­ten Rechts­an­walts- und Rechts­be­ra­ter­kanz­lei­en der USA) und Rolan­do Guil­ler­mo Sua­rez Cobi­an, Rechts­be­ra­ter der Kuba­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Alle drei sind aus­ge­wie­se­ne Exper­ten ihres Berei­ches. Die bei­den erste­ren aller­dings mit dem Schwer­punkt wirt­schaft­li­cher Inter­es­sen. Fer­nan­dez direkt für sein Invest­ment­un­ter­neh­men, Frey­re indi­rekt für die Aker­man-Kun­den, die auf den kuba­ni­schen Markt und Roh­stof­fe schie­len. Sua­rez Cobi­an ver­tritt die Linie des im April eme­ri­tier­ten Erz­bi­schofs von Hava­na, Jai­me Kar­di­nal Orte­ga, der bekannt­lich nicht gera­de auf Kon­fron­ta­ti­ons­kurs mit dem kom­mu­ni­sti­schen Regime war.

Die Mee­ting-Orga­ni­sa­to­ren sahen kei­ne Not­wen­dig­keit. eine Dis­si­den­ten-Stim­me an den Tisch zu bit­ten. Der Jour­na­list Clau­dio Mon­ti, in den 90er Jah­ren selbst im Pres­se­bü­ro des Mee­tings beschäf­tigt, faß­te sei­ne Ent­täu­schung im Arti­kel „Mee­ting sem­per Fidel“ zusam­men, einem sar­ka­sti­schen Wort­spiel, das besa­gen will, daß das „Mee­ting immer Fidel [Castro] treu“ sei.

Mon­ti hat­te in Erfah­rung gebracht, daß die katho­li­sche Oppo­si­ti­ons­be­we­gung Movi­mi­en­to Cri­stia­no Libe­r­aci­on (MCL) aus­ge­la­den wor­den war. „Ein Schlag in die Magen­gru­be für alle, die CL und das Mee­ting als Ort der Unter­stüt­zung für die Dis­si­den­ten in aller Welt sahen“.

Die doppelte Ausladung

Miche­le Trot­ta, seit Jah­ren Ver­tre­ter des MCL in Ita­li­en und Mit­glied von Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne, wand­te sich am 4. August an die Mee­ting-Vor­sit­zen­de Emi­lia Guar­nie­ri, als er von der Podi­ums­dis­kus­si­on erfah­ren hat­te. Er leg­te ihr nahe, ob es nicht ange­mes­sen wäre, auch einen Ver­tre­ter „des wich­tig­sten Tei­les“, näm­lich „des kuba­ni­schen Vol­kes“ an den Run­den Tisch einzuladen.

Michel Trotta, MCL-Vertreter in Italien
Michel Trot­ta, MCL-Ver­tre­ter in Italien

Am 8. August kam Guar­nie­ris Ant­wort. Die Vor­be­rei­tun­gen sei­en bereits abge­schlos­sen. Even­tu­ell kön­ne man dar­an den­ken, eine pri­va­te Begeg­nung von MCL-Ver­tre­tern mit den Refe­ren­ten zu orga­ni­sie­ren. Trot­ta kon­tak­tier­te sei­ne MCL-Ansprech­part­ner, die sich damit ein­ver­stan­den erklä­ren. Trot­ta teilt dies Guar­nie­ri mit, die am 9. August plötz­lich ihren eige­nen Vor­schlag ablehn­te. Es wer­de weder eine Teil­nah­me am Run­den Tisch noch ein pri­va­tes Tref­fen für den MCL geben. Es täte ihr leid, soll­te sie „Illu­sio­nen“ geweckt haben. An die­ser Stel­le folg­te der Weder-noch-Satz, denn:

„Weder ist es sub­stan­ti­ell der Geist des Mee­tings, jenen Stim­me zu geben, die kei­ne haben …“. so Guarnieri.

„Hal­tet euch fest, habt ihr ver­stan­den, wor­in zumin­dest ein wich­ti­ger Aspekt der ‚Wen­de‘ von CL besteht?“, schrieb dazu der Schwei­zer Jour­na­list Giu­sep­pe Rus­co­ni. „Die­se ‚Wen­de‘ bedeu­tet auch die ‚Ver­schrot­tung‘ der nicht poli­tisch kor­rek­ten Dis­si­denz. Ein ech­ter Ver­rat an einer jahr­zehn­te­lan­gen, glor­rei­chen und bewe­gen­den Geschichte.“

Rus­co­ni weiter:

„Man könn­te anmer­ken, daß CL sich inzwi­schen so unkri­tisch an Papst Fran­zis­kus ange­paßt hat, daß jeman­dem ein­ge­fal­len sein dürf­te, daß sich auch Fran­zis­kus bei sei­nem Kuba-Besuch gewei­gert hat­te, Dis­si­den­ten zu emp­fan­gen. Die Mee­ting-Orga­ni­sa­to­ren wer­den sich gedacht haben: ‚Wenn der Papst sie nicht ein­mal sehen woll­te, war­um soll­ten wir ihnen das Sicht­bar­keit ver­schaf­fen? Die Geschäf­te sind wich­ti­ger … –  von wegen Dissidenten!‘“

Wäh­rend des kur­zen Besu­ches von Papst Fran­zis­kus in Havan­na, um den rus­sisch-ortho­do­xen Patri­ar­chen Kyrill zu tref­fen, wur­den meh­re­re Dut­zend kuba­ni­sche Dis­si­den­ten ver­haf­tet.

Schamesröte

Miche­le Trot­ta, der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin seit einem Jahr­zehnt per­sön­lich kennt, noch bevor die­ser als Nun­ti­us nach Vene­zue­la ging, beklagt, daß sich die Lage der kuba­ni­schen Dis­si­den­ten nicht ver­bes­sert, son­dern ver­schlech­tert habe. „Sie konn­ten nicht ein­mal den vier­ten Todes­tag von Oswal­do Payá bege­hen, der bei einem myste­riö­sen Auto­un­fall ums Leben gekom­men ist. Die Segu­ri­dad ließ sie nicht ein­mal in die Kir­che. Auch den Damas de blan­co (Frau­en in weiß, Ehe­frau­en und Ver­wand­te von poli­ti­schen Gefan­ge­nen) ist es nicht mehr mög­lich, fried­lich zu demon­strie­ren. Den­noch geht die Unter­schrif­ten­samm­lung für ein Ver­fas­sungs­re­fe­ren­dum (Proyec­to Vare­la von Oswal­do Payá) unter schwie­rig­sten Bedin­gun­gen wei­ter. Bis­her konn­ten 40.000 Unter­schrif­ten gesam­melt wer­den“, so Trotta.

Die Lage sei hei­kel und es sei wich­tig, soeben geöff­ne­te Türen nicht wie­der zufal­len zu las­sen, so Rus­co­ni. Den­noch müs­sen sogar die zahl­rei­chen wei­ßen Pavil­lons des Mee­tings über die Aus­la­dung der kuba­ni­schen Dis­si­den­ten „vor Scham rot gewor­den sein. Ich wür­de mich sehr wun­dern, wenn der Kar­di­nal­staats­se­kre­tär ein sol­ches Ver­hal­ten gut­hei­ßen wür­de“, so Rusconi.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/Babalu/oswaldopaya.org (Screen­shots)

 

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