Kardinal Müller bezeichnet Hauptberater von Papst Franziskus als „häretisch“


Jorge Mario Bergoglio und Victor Fernandez in Buenos Aires vor dem Konklave von 2013
Jorge Mario Bergoglio und Victor Fernandez in Buenos Aires vor dem Konklave von 2013

(Rom) Im jüng­sten Inter­view mit der Her­der Kor­re­spon­denz bezeich­ne­te Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, den eng­sten Bera­ter von Papst Fran­zis­kus als „häre­tisch“.

Anzei­ge

In der Juni-Aus­ga­be der Her­der Kor­re­spon­denz (Heft 6/​2006) bekräf­tig­te der Kar­di­nal­prä­fekt, daß „nie­mand“ die Leh­re über das Papst­tum als gött­li­cher Insti­tu­ti­on rela­ti­vie­ren dür­fe, denn das hie­ße, „Gott kor­ri­gie­ren“ zu wol­len. Vor eini­ger Zeit sei jemand von „bestimm­ten Medi­en“ als einer der „eng­sten Bera­ter“ des Pap­stes prä­sen­tiert wor­den, so der Kar­di­nal. Die­ser Bera­ter habe gemeint, daß es kein Pro­blem wäre, den Sitz des Pap­stes nach Medel­lin in Kolum­bi­en oder sonst­wo­hin zu ver­le­gen, und die ver­schie­de­nen Kuri­en­äm­ter könn­ten auf die ver­schie­de­nen Orts­kir­chen auf­ge­teilt wer­den. Das, so Kar­di­nal Mül­ler, sei grund­le­gend falsch und „sogar häre­tisch“. Zu die­sem The­ma genü­ge es die dog­ma­ti­sche Kon­sti­tu­ti­on „Lumen gen­ti­um“ des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil zu lesen, um den ekkle­sio­lo­gi­sche Unsinn sol­cher Gedan­ken­spie­le zu erken­nen. „Der Sitz des Pap­stes ist die Peters­kir­che in Rom.“

Der Kar­di­nal ergänz­te, daß es der aus­drück­li­che Auf­trag des hei­li­gen Petrus ist, die gesam­te Kir­che als ihr ober­ster Hir­te zu füh­ren. Die­ser Auf­trag ging durch Petrus auf die Kir­che von Rom und ihren Bischof über. Das sei nicht nur eine orga­ni­sa­to­ri­sche Fra­ge. Es gehe dar­um, die von Gott gege­be­ne Ein­heit zu bewah­ren. Das gel­te auch für die Auf­ga­be des hohen Kle­rus der römi­schen Kir­che, die Kar­di­nä­le, die dem Papst bei der Aus­übung sei­nes Pri­mats helfen.

Victor Manuel Fernández: Chefberater und Ghostwriter des Papstes

Kardinal Müller, Interview der Herder Korrespondenz
Kar­di­nal Mül­ler, Inter­view der Her­der Korrespondenz

Wen der Glau­bens­prä­fekt in sei­ner Anspie­lung „ins Visier nahm“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster, ist nicht schwer zu erken­nen: Es han­delt sich um den Titu­lar­erz­bi­schof Vic­tor Manu­el Fernán­dez, den Rek­tor der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en.

Fernán­dez war bereits in Bue­nos Aires der bevor­zug­te Reden­schrei­ber des dama­li­gen Erz­bi­schofs Jor­ge Mario Berg­o­glio. Fernán­dez war damals, und ist es heu­te noch, der Ver­trau­ens­theo­lo­ge und der Ghost­wri­ter der erz­bi­schöf­li­chen und nun päpst­li­chen Doku­men­te von Evan­ge­lii gau­di­um bis Amo­ris lae­ti­tia. Im beson­ders umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­ben fin­den sich wort­wört­lich gan­ze Pas­sa­gen aus Auf­sät­zen, die Fernán­dez bereits vor zehn Jah­ren veröffentlichte.

Kar­di­nal Mül­ler nann­te den Papst-Bera­ter nicht beim Namen. Wen er aber mein­te, ist unzwei­deu­tig. Eben­so das Ver­dikt, das der Glau­bens­prä­fekt fäll­te: „häre­tisch“.

Der Kar­di­nal hat­te ein Inter­view von Fernán­dez im Cor­rie­re del­la Sera vom 10. Mai 2015 im Blick, wo der Reden­schrei­ber des Pap­stes erklär­te, „die vati­ka­ni­sche Kurie ist kei­ne essen­ti­el­le Struk­tur. Der Papst könn­te auch außer­halb Roms leben, ein Dik­aste­ri­um in Rom und ein ande­res in Bogo­tá haben, und sich zum Bei­spiel mit­tels Video­kon­fe­renz mit Lit­ur­gie­ex­per­ten in Deutsch­land ver­bin­den. Das was rund um den Papst ist, im theo­lo­gi­schen Sinn, ist das Bischofs­kol­le­gi­um, um dem Volk zu die­nen. […] Selbst die Kar­di­nä­le könn­ten ver­schwin­den in dem Sinn, daß sie nicht wesent­lich sind.“

Fernández‘ Angriff gegen Kardinal Müller

Fernán­dez griff den Glau­bens­prä­fek­ten sogar direkt an, weil die­ser in einem am 29. März 2015 von La Croix, der Tages­zei­tung der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz ver­öf­fent­lich­ten Inter­view gesagt hat­te, das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus sei im Wesent­li­chen ein „pasto­ra­les“ Pon­ti­fi­kat, wes­halb es Auf­ga­be der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on sei, die­ses Pon­ti­fi­kat „theo­lo­gisch zu strukturieren“.

„Papas Lieb­ling grum­melt“, schrieb Jür­gen Erba­cher für das ZDF zur Replik von Fernández:

„Ich habe gele­sen, daß eini­ge sagen, daß die römi­sche Kurie wesent­li­cher Teil der Mis­si­on der Kir­che ist, oder daß ein Prä­fekt des Vati­kans der siche­re Kom­paß ist, der die Kir­che davor bewahrt, in ein Light-Den­ken zu ver­fal­len; oder daß die­ser Prä­fekt die Ein­heit des Glau­bens sichert und dem Papst eine seriö­se Theo­lo­gie garan­tiert. Die Katho­li­ken aber, die das Evan­ge­li­um lesen, wis­sen, daß Chri­stus den Papst und die Gesamt­heit der Bischö­fe einer Füh­rung und einer beson­de­ren Erleuch­tung ver­si­chert hat, nicht aber einen Prä­fek­ten oder eine ande­re Struk­tur. Wenn man sol­che Din­ge sagen hört, scheint es fast, als sei der Papst einer ihrer Ver­tre­ter, oder einer, der gekom­men ist, um zu stö­ren, und der kon­trol­liert wer­den muß.“

Seit der Argen­ti­ni­er sei­ne Pfei­le gegen den Glau­bens­prä­fek­ten abge­schos­sen hat, ist mehr als ein Jahr ver­gan­gen. Pfei­le, die der Papst nicht gut­ge­hei­ßen haben muß, die ihn aber auch nicht gestört haben, denn Fernán­dez ist nach wie vor der Chef­be­ra­ter an Fran­zis­kus‘ Seite.

Fernández im Visier, aber den Papst gemeint?

Der Kon­flikt zwi­schen Papst Fran­zis­kus und Glau­bens­prä­fekt Mül­ler spitzt sich immer mehr zu, und jedes neue Doku­ment mit ambi­va­len­ten For­mu­lie­run­gen, das Papst Fran­zis­kus mit der tat­kräf­ti­gen Hil­fe sei­nes argen­ti­ni­schen Souf­fleurs ver­öf­fent­licht, scheint Kar­di­nal Mül­ler mehr zu reizen.

Mit sei­ner Kri­tik in der Her­der Kor­re­spon­denz tritt der Kar­di­nal­prä­fekt dem Papst nach dem Inter­pre­ta­ti­ons-Schla­mas­sel von Amo­ris lae­ti­tia sehr nahe. So nahe, daß er den eng­sten Mit­ar­bei­ter des Pap­stes als „Häre­ti­ker“ bezich­tig­te. Ein Ver­dikt, das Fernán­dez meint, aber eben­so auf den Papst abstrahlt, denn von einem „wenig bril­lan­ten Theo­lo­gen“ (San­dro Magi­ster) in Argen­ti­ni­en wür­de ein Glau­bens­prä­fek­ten kaum Notiz nehmen.

Der deut­sche Kar­di­nal ist ein klu­ger Mann. Er weiß, daß sei­ne Fron­tal­schel­te gegen die rech­te Hand des Pap­stes, sein Anse­hen bei Fran­zis­kus Rich­tung Gefrier­punkt absin­ken läßt. Ein „Risi­ko“, das Kar­di­nal Mül­ler offen­sicht­lich bil­li­gend in Kauf nimmt. Er weiß, daß Fran­zis­kus die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on fak­tisch kalt­ge­stellt hat, und sich um die Arbeit die­ser Kuri­en­be­hör­de und ihre Doku­men­te herz­lich wenig schert. Genau so hat­te er es bereits im Juni 2013 dem Prä­si­di­um des pro­gres­si­ven Dach­ver­ban­des latein­ame­ri­ka­ni­scher und kari­bi­scher Ordens­leu­te empfohlen.

Neudefinition des Amtsverständnisses als Glaubenspräfekt?

Kar­di­nal Mül­ler scheint an einer Neu­de­fi­ni­ti­on sei­ner Auf­ga­be als Lei­ter der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zu arbei­ten. Als blo­ßer Zuar­bei­ter des Pap­stes kann er kaum mehr etwas bewe­gen. Der Papst ließ es ihn erst vor weni­gen Tagen wis­sen, als er zu ver­ste­hen gab, daß die authen­ti­sche Inter­pre­ta­ti­on von Amo­ris lae­ti­tia nicht etwa Mül­lers auf­rei­ben­de Bemü­hung sei, die umstrit­te­nen päpstlich-fernandez’schen The­sen doch irgend­wie mit der kirch­li­chen Tra­di­ti­on in Ein­klang zu brin­gen, son­dern die Aus­le­gung des Wie­ner Erz­bi­schofs Chri­stoph Kar­di­nal Schönborn.

Kar­di­nal Mül­ler wird sei­ne dem Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden ver­pflich­te­te Auf­ga­be als Glau­bens­prä­fekt unab­hän­gig vom der­zei­ti­gen Amts­in­ha­ber ver­ste­hen und aus­üben müs­sen. Die­ses Pon­ti­fi­kat wird er damit zwar nicht „theo­lo­gisch struk­tu­rie­ren“, aber 1,3 Mil­li­ar­den Katho­li­ken im Glau­ben stär­ken kön­nen. Und irgend­wann endet auch die­ses Pontifikat.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Herder Kor­re­spon­denz (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!