Der Plan hinter der Doppel-Synode über die Familie – Ein erhellendes Buch


Papst Franziskus und die Bischofssynode 2015
Papst Franziskus und die Bischofssynode 2015

(Rom) Ein soeben erschie­ne­nes Buch lie­fert Chro­nik und Ana­ly­se der bei­den Bischofs­syn­oden über die Fami­lie. Autoren des erhel­len­den Buches sind der Publi­zist Loren­zo Ber­toc­chi und der Vati­ka­nist Matteo Matzuzzi.

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Die Fami­lie stand in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in der katho­li­schen Kir­che im Mit­tel­punkt einer gro­ßen, teils hef­ti­gen Debat­te. Papst Fran­zis­kus för­der­te seit sei­ner Wahl die­se Debat­te und hat­te selbst nicht uner­heb­li­chen Anteil dar­an, daß strecken­wei­se sogar der gespen­sti­sche Schat­ten eines Schis­mas dar­über legte.

Verschwommene kirchliche Identität

"Die umstrittene Familie" von Bertocchi und Matzuzzi
Bertocchi/​Matzuzzi: „Die umstrit­te­ne Familie“

Die Autoren rekon­stru­ie­ren mit gro­ßer Sach­kennt­nis die ver­schie­de­nen Abschnit­te die­ser Debat­te, die zu einem außer­ge­wöhn­li­chen, weil unge­wöhn­lich offen aus­ge­tra­ge­nen Kon­flikt der nach­kon­zi­lia­ren Kir­che wur­de. Der Kon­flikt ließ erheb­li­che Bruch­li­ni­en erken­nen und zeig­te die Not­wen­dig­keit auf, die ver­schwom­me­ne kirch­li­che Iden­ti­tät wie­der neu zu defi­nie­ren. Wel­che Wege dazu ein­ge­schla­gen wer­den, und wel­che pasto­ra­len Para­dig­men die­se Zukunft bestim­men wer­den, ist der­zeit noch offen. Das Buch von Ber­toc­chi und Mat­zuzzi schil­dern die Prä­mis­sen eines sich abzeich­nen­den Wendepunktes.

Der Titel „La fami­glia con­tro­ver­sa“ (Die umstrit­te­ne Fami­lie) cha­rak­te­ri­siert das Kli­ma der ver­gan­ge­nen drei Jah­re. Das Buch ist mit 134 Sei­ten nicht umfang­reich, sei­ne Lek­tü­re aber in jedem Fall erhel­lend, wenn jemand ver­ste­hen oder zusam­men­fas­send Revue pas­sie­ren las­sen möch­te, was die Welt­kir­che der­zeit bewegt. Es geht dar­um, zu ver­ste­hen, wel­che Span­nun­gen die Kir­che heu­te erschüt­tern, die wie Vor­be­ben schei­nen, die grö­ße­re Beben ankün­di­gen. Der Grund dafür liegt dar­in, daß die­se Span­nun­gen  nicht neu­en Datums sind, son­dern seit Jahr­zehn­ten unter­schwel­lig her­an­ge­reift sind.

„Der Wunsch nach Revan­che eini­ger Kir­chen­ver­tre­ter und Strö­mun­gen in der Kir­che ist groß“,

schreibt dazu der bekann­te Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti. Die­se Krei­se fühl­ten sich durch die star­ke Per­sön­lich­keit von Papst Johan­nes Paul II. und die für sie unüber­wind­ba­re theo­lo­gi­sche und logi­sche Strin­genz von Papst Bene­dikt XVI. seit 1978 erdrückt.

Das Pontifikat Franziskus als „neues Kapitel“ und der Wunsch nach Revanche

Gemeint sind libe­ra­le Kir­chen­krei­se, die unter Papst Johan­nes XXIII. und mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ihre Stun­de gekom­men sahen und sich durch das Dop­pel­pon­ti­fi­kat des pol­ni­schen und des deut­schen Pap­stes um ihre Früch­te (und lei­ten­de Posi­tio­nen in der Kir­che) betro­gen fühl­ten. Die­se Rich­tung ist vielschichtig.

Dazu gehör­te unter ande­ren jene ein­mal star­ke Rich­tung der mar­xi­sti­schen Chri­sten oder christ­li­chen Mar­xi­sten, die in den 60er und 70er Jah­ren von einem bald bevor­ste­hen­den und defi­ni­ti­ven Sieg des Sozia­lis­mus über­zeugt waren und ein neu­es „Frie­dens­reich“ auf Erden anbre­chen sahen. Sie setz­ten den mate­ria­li­sti­schen Kom­mu­nis­mus mit einer fik­ti­ven christ­li­chen „Urge­mein­de“ gleich, bes­ser gesagt, ver­wech­sel­ten ihn damit. Dazu gehört, daß sie sich eine fik­ti­ve „Urge­mein­de“, eine Begriffs­er­fin­dung des Pie­tis­mus, – so der kapi­ta­le Irr­tum – als etwas ganz ande­res als die „spä­te­re“ Kir­che dachten.

Die­se Strö­mung wur­de im Zusam­men­wir­ken von Papst Johan­nes Paul II. und Glau­bens­prä­fekt Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger durch die emble­ma­ti­sche Bekämp­fung der mar­xi­sti­schen Befrei­ungs­theo­lo­gie erheb­lich zurück­ge­drängt. Sie exi­stiert jedoch immer noch, zum Teil neu gewan­det, und gewinnt in jüng­ster Zeit durch die Rück­sichts­lo­sig­keit des Finanz­li­be­ra­lis­mus in Form neu­er links­ra­di­ka­ler Bewe­gun­gen und Par­tei­en wie­der deut­lich an Kraft. Bemer­kens­wer­ter­wei­se, aber gar nicht so erstaun­lich, sucht Papst Fran­zis­kus gera­de zu die­sen Kräf­ten auf­fäl­li­gen Kontakt.

Das war und ist nicht die ein­zi­ge Strö­mung die­ser Rich­tung. Es gab auch jene Kir­chen­krei­se, die eine Aus­söh­nung mit dem anti­kle­ri­ka­len Libe­ra­lis­mus ohne sozia­li­sti­sche Revo­lu­ti­on wünsch­ten. Gemein­sam war und ist bei­den das Bestre­ben, daß die Kir­che die Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on und deren Para­dig­men­wech­sel aner­kennt und zur eige­nen Grund­la­ge im Umgang mit der Welt macht.

Die Wahl von Papst Fran­zis­kus wird in die­sen Krei­sen als Beginn eines neu­es Kapi­tels in der Kir­chen­ge­schich­te gese­hen. Ein Kapi­tel, das vor allem das „restau­ra­ti­ve“ Dop­pel­pon­ti­fi­kat von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. been­den, wenn nicht sogar an die uto­pi­schen Vor­stel­lun­gen vom „Frie­dens­reich“ auf Erden  anknüp­fen soll.

Um die­ses zu errei­chen, so steht es nicht expli­zit, aber zumin­dest impli­zit auch in dem Buch, müs­se die Kir­che sich mit der Welt aus­söh­nen und mit die­ser in Ein­klang kom­men. Eine Beein­flus­sung und Durch­drin­gung der Welt kön­ne erst dann wie­der gelin­gen, wenn die­ser Ein­klang erreicht sei. Der Preis für die ange­streb­te „Aus­söh­nung“ ist es, die eige­nen Posi­tio­nen im Bereich der Moral­leh­re auf­zu­ge­ben, ein­schließ­lich der sich dar­aus erge­ben­den Kon­se­quen­zen für die Sakra­men­ten­ord­nung. Dazu gehört der gesam­te Sexu­al­be­reich (Schei­dung, Abtrei­bung, Ver­hü­tung, Homosexualität).

Hinter Doppelsynode und Amoris laetitia „steht ein Plan und eine Regie“

Papst Franziskus: "Plan und Regie" einer Synode
Papst Fran­zis­kus: „Plan und Regie“ einer Synode

Loren­zo Ber­toc­chi, ein tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ner Publi­zist, ist unter ande­rem Mit­ar­bei­ter von Cor­ri­spon­den­za Roma­na und Redak­teur des Monats­ma­ga­zins Il Timo­ne, und Matteo Mat­zuzzi, der Vati­ka­nist der Tages­zei­tung Il Foglio haben die Brü­che und Kon­flikt­li­ni­en anhand der außer­or­dent­li­chen Bischofs­syn­ode von 2014 und der ordent­li­chen Bischofs­syn­ode von 2015 nach­ge­zeich­net. Bei­de sind freie Mit­ar­bei­ter der katho­li­schen Online-Tages­zei­tung La Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na.

Das beson­de­re Ver­dienst der gut les­ba­ren Schrift ist der rote Faden, mit dem sie die ver­schie­de­nen Epi­so­den, auch sol­che, die auf den ersten Blick zusam­men­hang­los schei­nen, mit­ein­an­der ver­knüp­fen. Sie hal­ten sich dabei strikt an beleg­ba­re Fak­ten und geben nicht beleg­ba­ren Indis­kre­tio­nen und Gerüch­ten kei­nen Raum.

Es ent­steht dadurch eine seriö­se Gesamt­schau mit einem kla­ren Ergeb­nis: Hin­ter den Ereig­nis­sen stand und steht ein Plan und eine Regie. Die bei­den Autoren spür­ten die­sen nach von den ersten Vor­zei­chen im Herbst 2013 bis zum umstrit­te­nen Ergeb­nis, dem nachs­y­on­da­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia.

Sie zei­gen auf, daß es sich um einen wirk­li­chen Kampf, ja um eine wirk­li­che Schlacht gehan­delt hat und noch immer han­delt. Dabei geht es um mehr als um das nicht unbe­deu­ten­de Pro­blem der Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on von wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, die von der Kir­che bis­her als per­ma­nen­te Ehe­bre­cher bezeich­net wurde.

Kampf zwischen jenen, die noch an die Ehe glauben, und jene, die sich davon verabschiedet haben

Wor­um es geht brin­gen die bei­den Autoren wie folgt auf den Punkt:

„Um eine Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen jenen, die in- und außer­halb der hei­li­gen Palä­ste noch an ein bestimm­tes Gesetz glau­ben, und jenen, die sich in der Sub­stanz davon ver­ab­schie­det haben, um sich dem vor­herr­schen­den Gesetz unse­rer Zeit anzuschließen.“

Der Kon­flikt um die Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on ste­he zwar im Vor­der­grund: In Wirk­lich­keit gehe es jedoch um weit mehr, näm­lich um die grund­sätz­li­che Fra­ge nach der Rol­le und der Bedeu­tung der Sakra­men­te für Katho­li­ken, beson­ders der Beich­te und der Eucharistie.

Ist die kon­se­krier­te Hostie oder ist sie nicht mehr als nur ein Stück Weizengebäck?

Wenn sie etwas ande­res ist, näm­lich der Leib Chri­sti, wie der Got­tes­sohn selbst beim Letz­ten Abend­mahl es gelehrt und durch Tod und Auf­er­ste­hung Wirk­lich­keit wer­den hat las­sen, dann stel­le sich zwangs­läu­fig die Fra­ge, ob es recht­mä­ßig und ange­mes­sen sei, sie immer und über­all emp­fan­gen zu kön­nen. Damit ver­bun­den ist auch die Fra­ge, ob das per­sön­li­che Gewis­sen allein die letzt­ent­schei­den­de Instanz in die­ser Sache ist oder nicht.

Die Synode der Zensur und der Gefälltigkeits-Berichterstattung

Der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti schrieb dazu:

„Wer aus beruf­li­chen Grün­den, wie der Unter­fer­tig­te, die Syn­oden-Saga mit ihren Zen­sur-Ver­su­chen und ihrer Gefäl­lig­keits-Bericht­erstat­tung durch die offi­zi­el­len Medi­en mit­ver­folgt hat, emp­fiehlt die Lek­tü­re die­ses Buches, um viel von dem ver­ste­hen und inter­pre­tie­ren zu kön­nen, was auch jetzt geschieht.“

Noch ein aus­drück­li­che Hin­weis: Auf Sei­te 13 schi­le­dern Ber­toc­chi und Mat­zuzzi, um ver­ständ­lich zu machen, wor­um es geht, eine gro­ße Lie­bes­ge­schich­te und gro­ße Geschich­te der Liebe:

Es ist die Geschich­te einer Frau, die von ihrem Mann ver­las­sen und mit den klei­nen Kin­der zurück­ge­las­sen wur­de. 20 Jah­re spä­ter erfuhr sie, daß ihr Mann in ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen im Ster­ben lag. Sie nahm sich unbe­zahl­ten Urlaub von der Arbeit und pfleg­te ihn bis zu sei­nem Tod, um dann wie­der zu ihrem Leben zurückzukehren.

„Die­se Geschich­te ist kein Film (wenn sie es auch ver­die­nen wür­de, ver­filmt zu wer­den). Es ist die wah­re Geschich­te einer Frau, die wirk­lich an die Ehe geglaubt hat“, so Mar­co Tosatti.

Loren­zo Bertocchi/​Matteo Mat­zuzzi: La fami­glia con­tro­ver­sa, Ver­lag Castel­vec­chi, Rom 2016, 134 Sei­ten, Euro 14,20

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Verlag/​CR

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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2 Kommentare

  1. Dank und Aner­ken­nung an die emsi­ge Redak­ti­on, die offen­bar neben der son­sti­gen Arbeit auch ita­lie­nisch­spra­chi­ge Neu­erschei­nun­gen liest und für die deutsch­spra­chi­ge Leser­schaft aufbereitet!
    Die­se Publi­ka­ti­on sieht viel­ver­spre­chend aus und wür­de sicher auch eine deut­sche Aus­ga­be verdienen.

  2. Schon allein das Wort „Dop­pel­syn­ode“ lässt nichts Gutes erahnen!
    Unwei­ger­lich denkt man an Magie und Zau­ber-Tricks mit dop­pel­tem Boden!

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