Neuer Erzbischof von Brüssel fordert Abschaffung des Priesterzölibats


De Kesel: Danneels Wunschnachfolger für Abschaffung des Priesterzölibats
De Kesel: Danneels Wunschnachfolger spricht sich für Abschaffung des Priesterzölibats aus

(Brüs­sel) Der neue Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel und Pri­mas von Bel­gi­en, Msgr. Jozef De Kesel, sag­te in einem Inter­view mit der Gra­tis-Sonn­tags­zei­tung De Zon­dag vom 8. Mai, daß die Kir­che nicht von jedem Prie­ster den Zöli­bat for­dern könne.

Anzei­ge

Wört­lich sag­te der Erz­bi­schof De Kesel auf die De Zon­dag-Fra­ge, ob ihn der Zöli­bat nicht „ent­mu­tigt“ habe:

„Nein, als ich 18 Jah­re alt war nicht. Da ent­schei­det man sich für das Semi­nar, aber es dau­ert dann vie­le Jah­re, bis man Prie­ster wird. Aber wenn dann der Moment gekom­men ist, schon … Es ist eine schwie­ri­ge Entscheidung.“

„Ich bin für das östliche katholische Modell“

De Zon­dag: Hat­ten Sie zwi­schen einer Braut und der Kir­che zu entscheiden?

De Kesel: Nein. Ich hat­te gute Freund­schaf­ten, aber kei­ne brach­te mich mit mei­ner Lebens­ent­schei­dung in Kon­flikt. Bei ande­ren ist das so, und ich kann ver­ste­hen, daß es sehr schwer ist, jeman­den gehen zu las­sen. Viel­leicht habe ich daher bewußt oder unbe­wußt eine Bezie­hung vermieden.

De Zon­dag: Soll die Kir­che an die­sem Zöli­bat festhalten?

De Kesel: Ich bin nicht für sei­ne Abschaf­fung. Ein zöli­ba­t­ä­res Leben ist nicht ein Leben ohne Sinn. Ich habe es bewußt gewählt: Es war ein Teil des Lebens Jesu. Ande­rer­seits glau­be ich nicht, daß man ihn von jedem Prie­ster ver­lan­gen kann, beson­ders nicht in einem Moment, in dem die Sexua­li­tät eine so wich­ti­ge Rol­le spielt. Ich bin für das öst­li­che katho­li­sche Modell, wo auch ver­hei­ra­te­te Män­ner zu Prie­stern geweiht wer­den können.

Kein „katholisches Modell“

Mit dem „öst­li­chen katho­li­schen Modell“ mein­te De Kesel in Wirk­lich­keit das ortho­do­xe Modell. Die ortho­do­xen Kir­chen ken­nen wie die katho­li­sche Kir­che den Prie­ster­zö­li­bat, konn­ten die­sen jedoch aus histo­ri­schen Grün­den nicht wie die katho­li­sche Kir­che durch­hal­ten. Von Bischö­fen und Mön­chen wird er noch heu­te gefor­dert, wes­halb in der Regel nur Mön­che Bischö­fe wer­den kön­nen. Beim Diö­ze­san­kle­rus gab es hin­ge­gen Auf­wei­chun­gen. Sobald die Prie­ster­wei­he emp­fan­gen wur­de, ist aller­dings auch bei den Ortho­do­xen eine Hoch­zeit nicht mehr mög­lich. Hei­ra­tet der Prie­ster­amts­kan­di­dat vor der Prie­ster­wei­he, kann er ver­hei­ra­tet blei­ben. Die Fol­ge ist, daß Semi­na­ri­sten sehr jung hei­ra­ten, um der Zöli­bats­pflicht zuvor­zu­kom­men. Soll­te die Ehe­frau eines Prie­sters ster­ben, darf er nicht mehr hei­ra­ten. Die etwas kom­pli­zier­te Rege­lung beweist jedoch, daß das Wei­he­prie­ster­tum auch für die Ortho­do­xen untrenn­bar mit dem Zöli­bat ver­bun­den ist. Sie läßt aller­dings – wie beim Ehe­sa­kra­ment – auch die ortho­do­xe Dis­kre­panz zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit erken­nen, weil es der ortho­do­xen Kir­che in die­sen Punk­ten, die zwei Sakra­men­te betref­fen, und wei­te­re berüh­ren, nicht gelun­gen ist, die ursprüng­li­che apo­sto­li­sche Leh­re beizubehalten.

Als seit dem 16. Jahr­hun­dert klei­ne­re Tei­le der ortho­do­xen Kir­chen in die Ein­heit mit Rom zurück­kehr­ten, wur­de es ihnen im Zuge der Rück­keh­r­ö­ku­me­ne erlaubt, bestimm­te Tra­di­tio­nen bei­zu­be­hal­ten. Dazu gehö­ren bei­spiels­wei­se der byzan­ti­ni­sche Ritus in der Lit­ur­gie und die ortho­do­xe Zöli­bats­pra­xis. Was von De Kesel fälsch­lich, aber wahr­schein­lich absicht­lich „katho­li­sches“ Modell“ genannt wird, ist eben gera­de kein „katho­li­sches Modell“, son­dern eine der römi­schen Tra­di­ti­on frem­de Pra­xis, die ledig­lich aus histo­ri­schen Grün­den einer klar umris­se­nen, ehe­mals ortho­do­xen Gemein­schaft gewährt wurde.

Die treue und rei­ne Bei­be­hal­tung des Prie­ster­zö­li­bats in der latei­ni­schen Kir­che seit der Apo­stel­zeit, eben­so wie der Unauf­lös­lich­keit der sakra­men­ta­len Ehe, sind letzt­lich beson­de­re Bewei­se, daß die römisch-katho­li­sche Kir­che tat­säch­lich die eine und wah­re Kir­che Jesu Chri­sti ist. Aller­dings wer­den die­se Bewei­se der­zeit selbst von katho­li­schen Wür­den­trä­gern nicht sehr hoch­ge­hal­ten und manch­mal, wie De Kesels Wort­mel­dung zeigt, leicht­fer­tig zur Dis­po­si­ti­on gestellt.

De Kesel bedient sich bei sei­ner For­de­rung einer Dia­lek­tik, die eine Bei­be­hal­tung in der Theo­rie sug­ge­riert, aber gleich­zei­tig einer grund­le­gen­de Ände­rung der Pra­xis anstrebt. Eine Dia­lek­tik wie sie in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren viel­fach im Zusam­men­hang mit der Aner­ken­nung von Schei­dung und Zweit­ehe zu hören war. Zu ihrem Wort­füh­rer mach­te sich Kar­di­nal Wal­ter Kas­per mit sei­ner Rede vor dem Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um im Febru­ar 2014.

Papst Fran­zis­kus sen­de­te in die­ser Fra­ge, sei­ner Art ent­spre­chend, unter­schied­li­che Signa­le aus. Gemäß dem Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster wür­den die­se wider­sprüch­li­chen Signa­le den­noch den Wil­len zu einer Auf­wei­chung des Prie­ster­zö­li­bats erken­nen las­sen. Die von De Kesel erho­be­ne For­de­rung dürf­te der päpst­li­chen Absicht wahr­schein­lich am näch­sten kommen.

Kardinal Danneels Wunschkandidat: Dank Papst Franziskus doch noch Erzbischof

Msgr. De Kesel wur­de am 6. Novem­ber 2015 von Papst Fran­zis­kus zum neu­en Erz­bi­schof von Mecheln-Brüs­sel ernannt. Der Erz­bi­schof von Brüs­sel ist auto­ma­tisch Pri­mas von Bel­gi­en und Vor­sit­zen­der der Bel­gi­schen Bischofs­kon­fe­renz. Das Erz­bis­tum galt seit 1961 als libe­ra­le Hoch­burg. Eine Epo­che, die durch Kar­di­nal Leo Sue­n­ens (Erz­bi­schof von 1961–1979) und von Kar­di­nal God­fried Dan­neels (Erz­bi­schof von 1979–2010) geprägt wur­de und mit einem bei­spiel­lo­sen Nie­der­gang der katho­li­schen Kir­che ein­her­ging. In der bel­gi­schen Haupt­stadt beken­nen sich heu­te nur mehr 12 Pro­zent der Bewoh­ner als Katho­li­ken. Davon kommt nur jeder Zehn­te sei­ner Sonn­tags­pflicht nach und besucht die Hei­li­ge Messe.

2010 ver­such­te Papst Bene­dikt XVI. eine Wen­de her­bei­zu­füh­ren. Er ernann­te nicht den von Dan­neels auf­ge­bau­ten Thron­fol­ger De Kesel, son­dern den dama­li­gen Bischof von Namür, André-Joseph Leo­nard. Leo­nard wur­de dar­auf­hin eben­so uner­bitt­lich bekämpft und boy­kot­tiert wie Papst Bene­dikt XVI. Vor allem bedeu­te­te die Per­so­nal­ent­schei­dung von 2010, daß sich Bene­dikt XVI. die Feind­schaft Dan­neels und sei­ner Rich­tung zuzog. Dan­neels gehör­te seit den 90er Jah­ren dem um den Mai­län­der Erz­bi­schof Kar­di­nal Mar­ti­ni ent­stan­de­nen Geheim­zir­kel Sankt Gal­len an, der bereits 2005 die Wahl Bene­dikts XVI. zu ver­hin­dern versuchte.

2013 gehör­te Dan­neels zum soge­nann­ten Team Berg­o­glio. Zusam­men mit den deut­schen Kar­di­nä­len Leh­mann und Kas­per und dem eng­li­schen Kar­di­nal Murphy‑O’Connor orga­ni­sier­te er, dies­mal erfolg­reich, die Wahl von Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio. Erz­bi­schof Leo­nard wur­de die Kar­di­nals­wür­de ver­wei­gert und mit Voll­endung des 75. Lebens­jah­res eme­ri­tiert. Nach einem nur fünf­jäh­ri­gen Inter­mez­zo wur­de durch Papst Fran­zis­kus doch noch Dan­neels Wunsch­kan­di­dat De Kesel zum Erz­bi­schof von Brüs­sel. Die bel­gi­sche Kir­che bleibt damit fest auf pro­gres­si­vem Kurs, wie die Wort­mel­dung des neu­en Erz­bi­schofs zur Abschaf­fung des Prie­ster­zö­li­bats unterstreicht.

De Kesels-Zöli­bats­for­de­rung wur­de umge­hend von der Inter­net­platt­form katho​lisch​.de der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz übernommen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mil (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!