(Rom) Die außerordentliche Form des Römischen Ritus sollte in allen Pfarreien aller Diözesen zur ordentlichen Form werden. Im vergangenen Februar veröffentlichte die Zeitschrift Crisis eine Analyse des US-amerikanischen Rechtsanwaltes Christian Brown. Sie verdient Aufmerksamkeit, wie auch die Besprechung durch Paix Liturgique zeigt.
Ausgangspunkt ist eine Bestandsaufnahme, welche Ausbreitung die 2007 von Papst Benedikt XVI. mit dem Motu proprio Summorum Pontificum erneut legitimierte überlieferte Form des Römischen Ritus seither genommen hat. Brown analysiert die Wechselwirkung zwischen Summorum Pontificum und einem Pontifikat, dem von Benedikt XVI., das als ein „Frühling der Tradition“ gesehen wurde, und einem Pontifikat, dem von Franziskus, das liturgischen Fragen grundsätzlich sichtlich indifferent gegenübersteht.
Brown geht dabei auf besondere kirchenrechtliche, aber auch praktische Aspekte von Summorum Pontificum ein. Das Motu proprio wird häufig als befreiender Akt dargestellt, weil die überlieferte Messe wieder freigegeben wurde. Eine Darstellung, die „nicht genau den Tatsachen entspricht“, so Brown. Summorum Pontificum habe ein „Recht“ auf die Zelebration der überlieferten Messe für die Priester bekräftigt, während es Bedingungen stellt, damit Gläubige das Recht in Anspruch nehmen können, einer Heiligen Messe im überlieferten Ritus beiwohnen zu können.
Trotz anderslautender Bestimmungen überlieferte Messe häufig ausgegrenzt
Wenn also Priester das Recht haben, die Heilige Messe nach dem Missale von Johannes XXIII. zu zelebrieren, so gilt dieses Recht nur für die „ohne Volk“ zelebrierten Messen (SP, 2). Für alle anderen Zelebrationen muß eine „dauerhafte Gruppe“ von Gläubigen beim Pfarrer darum bitten. Die Pfarrer haben eine solche Bitte „bereitwillig aufzunehmen“ (SP, 5,1).
Dieser rechtliche Hinweis „ist von zentraler Bedeutung für die künftigen Anstrengungen der traditionellen Bewegung“, denn sie bedeute, so Brown, daß es Intention des Motu proprio ist, daß die außerordentliche Form weniger „außerhalb des Normalen“ stehen und sich wieder in den Pfarreien einwurzeln soll.
Der Autor stellt in seiner Bestandsaufnahme jedoch fest, daß die „Zahl der Messorte, an denen die tridentinische Messe angeboten wird, seit der Veröffentlichung von Summorum Pontificum stark zugenommen hat, daß jedoch die übergroße Mehrheit der Pfarreien keinen Zugang zur überlieferten Liturgie bietet.“ Brown schreibt dazu: „Die außerordentliche Form bleibt trotz des Willens der Gläubigen auf bestimmte Kirchen, ungewöhnliche Uhrzeiten oder spezielle Anlässe begrenzt“.
Damit kommt Brown zum eigentlichen Kern seiner Überlegungen: „Summorum Pontificum hat eine Kirche in der Kirche geschaffen, in der kleine, aber eifrige Gruppen, die der überlieferten Messe verbunden sind“, nach Normen und einer liturgischen Praxis leben, die anders ist als jene des Novus Ordo (Kalender, Lesungen, usw.). Wir können sagen, daß diese Situation bereits im Rahmen des Motu proprio Ecclesia Dei existierte. Mit anderen Worten: Summorum Pontificum habe es ermöglicht, daß die Zahl der überlieferten Messen gewachsen ist, es hat aber die Dinge nicht grundlegend verändert. „Diese Situation einer Kirche in der Kirche ist nicht optimal. Sie kann zu einer Art von Absonderung führen.“
Praxis widerspricht Summorum Pontificum
Die Gläubigen beider Seiten können sich, „auch unbewußt“, gegenseitig mit Mißtrauen und Ablehnung betrachten. Gläubige des überlieferten Ritus können „sich im Leben ihrer Pfarreien in den Winkel gestellt fühlen“, ausgeschlossen oder sogar verjagt, weil „sie vielfach am Sonntag andere Kirchen aufsuchen“ müssen, um an einer Heiligen Messen in der außerordentlichen Form teilnehmen zu können.
Daraus, so Brown ergebe sich ein Widerspruch zum Artikel 1 des Motu proprio Summorum Pontificum. Dort heißt es:
„Diese zwei Ausdrucksformen der Lex orandi der Kirche werden aber keineswegs zu einer Spaltung der Lex credendi der Kirche führen; denn sie sind zwei Anwendungsformen des einen Römischen Ritus“ (SP, 1).
Das hier definierte Gesetz entspreche aber nicht der Praxis. „Der traditionsverbundene Gläubige steht dem gewöhnlichen Leben der Kirche distanziert gegenüber, während der durchschnittliche praktizierende Katholik in der Regel keine Ahnung von der überlieferten Messe oder vom Bruch mit der Zelebration der vergangenen Jahrhunderte hat, der durch den Novus Ordo entstanden ist, so wie er allgemein in den Pfarreien zelebriert wird.“
Viele Pfarrer haben Angst, die Bedeutung der Tradition eingestehen zu müssen
Die Zelebration der überlieferten Messe werde häufig nicht in den zentralen Kirchen gewährt und auch nicht zu den gewöhnlichen Meßzeiten. Man müsse daher feststellen, so Brown, daß die Pfarreien, von Ausnahmen abgesehen, die gesunde Ergänzung, die Summorum Pontificum schaffen wollte, nicht zulassen.
„Diese Zäsur wird selten erwähnt, obwohl sie so schmerzhaft ist, weil sie der ganzen Natur der Kirche widerspricht, die vor allem die EINE ist: Ecclesia una est. Unter Zuhilfenahme von Summorum Pontificum sollte die Welt der Tradition eine größere Integration ins Leben der ordentlichen Pfarreien suchen.“
Der Weg, dahin zu gelangen, sei klar, „aber auch schwierig“. Es gehe darum, „die überlieferte Messe in soviel Pfarreien wie möglich einzuführen, besonders an den Sonntagen“.
Der Schlüssel dazu liegt, so Brown, im Artikel 5, Absatz 2 von Summorum Pontificum. Dieser besage, daß an Sonn- und Feiertagen neben der Zelebration in der ordentlichen Form, „ebenfalls eine Feier dieser Art stattfinden“ könne. Genau das werde aber von der Mehrheit der Priester unter Verweis auf Gefahren der „Zwietracht“ und für „die Einheit der ganzen Kirche“ abgelehnt. „Was sie in Wirklichkeit fürchten, ist, zugeben zu müssen, daß es zahlreiche Gläubige gibt, die der überlieferten Liturgie verbunden sind, und damit auch dem überlieferten Katechismus.“ Indem man die Tradition ausgrenze, könne man behaupten, die überlieferte Liturgie und Glaubenslehre interessiere nicht.
„Hinein ins Pfarrleben“
Wie also diesen Widerstand überwinden? Brown empfiehlt eine stärkere Präsenz der Summorum-Pontificum-Gruppen in den Pfarreien, als Katecheten, als Meßdiener und Chorsänger, wenn die Erfahrung auch zeige, daß zumindest in Westeuropa, wenige Pfarrer aus Angst vor ihren Pfarrgemeinde- und anderen Räten bereit sind, den traditionsverbundenen Gläubigen Raum im täglichen Leben der Pfarrei Raum zu geben.
Hinzu kommt eine Reihe von Vorbehalten bei den Priestern selbst. Brown ist sich dessen bewußt. Viele Priester halten den überlieferten Ritus für „rückwärtsgewandt“, für „Klerikalismus“ oder „gegen das Konzil“ gerichtet. Der Autor beendet seinen Artikel daher mit einem Appell an die Bischöfe. Es falle zwar unter die Autorität des Pfarrers, auch die die liturgischen Feiern in der überlieferten Form in seiner Pfarrei zu organisieren, so wie es für Jugendmessen und Messen der Fremdsprachenseelsorge der Fall ist.
„Würden Bischöfe sich nur minimal für die überlieferte Liturgie einsetzen, könnten sie den Gewinn für die Pfarreien erkennen“
Es sei aber eine Tatsache, so Brown, daß die Zuständigkeiten der Bischöfe seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zugenommen haben. Es sei daher auch „Aufgabe der Bischöfe, die Absichten und das Erbe von Benedikt XVI. zu ehren, indem sie die Koexistenz der beiden Formen fördern, so daß kein Priester allein schon bei der Vorstellung, öffentlich und regulär in seiner Pfarrei im überlieferten Ritus zu zelebrieren, zittern muß. Es ist Aufgabe der Bischöfe, sicherzustellen, daß es viele Priester gibt, die in der überlieferten Liturgie ausgebildet sind.“
Brown endet nicht ohne eine gewisse Ironie mit der Feststellung, daß die überlieferte Messe vielleicht nicht „soviel Aufmerksamkeit verdient wie die Einwanderung und die Ökologie“, daß die Bischöfe aber, wenn sie sich zumindest minimal darum kümmern würden, feststellen könnten, daß ihre Verbreitung ein effizientes Instrument wäre, um „das Pfarrleben zu verbessern“. Es sei schließlich eine Tatsache, daß die überlieferte Liturgie, „ein Schatz aller Getauften ist“, und jeder „das Recht hat, davon zu erfahren und daran teilnehmen zu können für sein eigenes geistliches Wohl und zum Segen für die ganze Weltkirche“.
Text: Paix Liturgique/Giuseppe Nardi
Bild: Paix Liturgique