Kein Gegensatz zwischen Glaubenslehre (Orthodoxie) und Barmherzigkeit (Orthopraxie)


Joseph Kardinal Ratzinger im Gespräch mit Vittorio Messori (Brixen, 1984)
Joseph Kardinal Ratzinger im Gespräch mit Vittorio Messori (Brixen, 1984)

Zum aktu­ell ver­mit­tel­ten Ein­druck, es gäbe einen Wider­spruch zwi­schen der gesun­den Glau­bens­leh­re, dem „höch­sten und kost­bar­sten Gut“, das „in sei­ner Ursprüng­lich­keit auf­ge­nom­men und vor Ent­stel­lun­gen geschützt wer­den“ muß, damit eine „ver­än­der­te Auf­fas­sung von Kir­che“ nicht zu einer „Ein­eb­nung der Hoff­nung ein­zig und allein auf die irdi­sche Geschich­te (wo in erster Linie nur noch der ‚Leib‘, das ‚Brot‘ zäh­len, und nicht mehr die ‚See­le‘, das ‚Wort Got­tes‘) führt, und der Barm­her­zig­keit, schrieb Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger als Prä­fekt der Glaubenskongregation:

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Hier­zu gehen eini­ge bil­li­ge Schlag­wor­te um, von denen eines besagt, wor­auf es heu­te ankom­me, sei allein die Orthop­ra­xie, also das „rech­te Tun“, die Näch­sten­lie­be. Zweit­ran­gig, wenn nicht ent­frem­dend, sei dage­gen die Sor­ge um die Ortho­do­xie, das heißt um den „rech­ten Glau­ben“, ent­spre­chend dem wah­ren Sinn der Schrift, die inner­halb der leben­di­gen Tra­di­ti­on der Kir­che gele­sen wird. Dies ist ein bil­li­ger Slo­gan, weil er ober­fläch­lich ist: Ändern sich (immer, aber heu­te vor allem), je nach der Art und Wei­se, wie die Ortho­do­xie ver­stan­den wird, nicht auch radi­kal die Inhal­te der Orthop­ra­xie, der Lie­be zum Näch­sten? Um ein Bei­spiel aus der aktu­el­len The­ma­tik der Drit­ten Welt und Latein­ame­ri­kas zu neh­men: Was ist die rech­te Pra­xis, damit den Armen in wirk­li­cher christ­li­cher und folg­lich auch in wirk­sa­mer Wei­se gehol­fen wird? Setzt die Ent­schei­dung für ein rich­ti­ges Han­deln etwa nicht ein rich­ti­ges Den­ken vor­aus, ver­weist sie damit nicht selbst auf die Not­wen­dig­keit der Suche nach einer Orthodoxie?

Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger: Zur Lage des Glau­bens. Ein Gespräch mit Vitto­rio Mess­o­ri, Mün­chen 1985, S. 21

Bild: MiL

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