Verbot den Papst zu kritisieren, ein strukturelles (konservatives) Problem


(Rom) Wäh­rend Kar­di­nal Wal­ter Kas­per Amo­ris lae­ti­tia als „das wich­tig­ste Doku­ment der Kir­chen­ge­schich­te der ver­gan­ge­nen 1000 Jah­re“ bezeich­net, „klam­mert sich Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke“ (San­dro Magi­ster), sein gro­ßer Wider­sa­cher bei der Bischofs­syn­ode 2014, an for­ma­le Aspekte.

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Es fehlt nicht an Tei­len der Kir­che, die laut­stark mit der Ein­schät­zung Kas­pers über­ein­stim­men. Dazu gehört die Tages­zei­tung Avve­ni­re der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Sie wird von einem ande­ren Papst-Ver­trau­ten, Bischof Nun­zio Galan­ti­no, gelei­tet. Die Tages­zei­tung sieht in Amo­ris Lae­ti­tia kei­nes­wegs nur „das lau­te Nach­den­ken eines wei­sen Vaters“, son­dern genau das, was Kar­di­nal Bur­ke nicht dar­in sehen will: näm­lich ein regu­lä­res Doku­ment des Lehr­am­tes. Amo­ris Lae­ti­tia sei ein „revo­lu­tio­nä­res“ Doku­ment, das „die Archi­vie­rung einer Pasto­ral der Ver­bo­te und der Zwän­ge“ besieg­le, „die sich mehr in eine Lek­tü­re des Kode­xes des Kir­chen­rechts gewan­delt hat­te, anstatt des Evangeliums“.

„Armer Kardinal Burke, der sich an Kodizes und Kommas klammert“

„Armer Kar­di­nal Bur­ke, ein gro­ßer Kano­nist, der sich an nichts ande­res als an Kodi­zes und Kom­mas klam­mert…“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. „Zwei­fels­oh­ne“, so Magi­ster, habe Papst Fran­zis­kus auch an Bur­ke gedacht, wenn er im Para­graph 305 von Amo­ris Lae­ti­tia von jenen schreibt, die mit „ver­schlos­se­nen Her­zen nur mora­li­sche Geset­ze anzu­wen­den“ wis­sen, „als sei­en es Fels­blöcke, die man auf das Leben von Men­schen wirft.“

Im Ver­gleich dazu schei­nen die Befür­wor­ter der „pasto­ra­len Neu­aus­rich­tung“ (Kar­di­nal Schön­born) leich­tes Spiel zu haben. Sie bie­ten den Men­schen an, was die­se angeb­lich ger­ne hören wollen.

Konservatives Kritikverbot zwingt auf Nebenschauplätze auszuweichen

Auch Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler, ein ande­rer Pur­pur­trä­ger, der sich in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren um die Ver­tei­di­gung des Ehe­sa­kra­men­tes ver­dient gemacht hat­te, beschränk­te sich bis­her in sei­ner Kri­tik an Amo­ris Lae­ti­tia auf for­ma­le Aspek­te. Nicht der Inhalt des nach­syn­oda­len Schrei­bens sei das Pro­blem, son­dern die fal­schen Inter­pre­ta­tio­nen. Mit ande­ren Wor­ten: Was der Papst sagt, das sei alles rich­tig, wer­de nur falsch ver­stan­den. Eine Les­art die­ses Pon­ti­fi­kats, die von Anfang an holp­rig war und zu leicht zum Stol­per­stein wird, wie eben nun.

Um den Papst nicht kri­ti­sie­ren zu müs­sen, sind die Kar­di­nä­le Bur­ke und Brand­mül­ler gezwun­gen, auf einen Neben­schau­platz aus­wei­chen und den eigent­li­chen Kampf­platz zu mei­den. Die Kri­tik an Amo­ris Lae­ti­tia erweist sich jedoch als schwach, wenn sie auf die direk­te, inhalt­li­che Kon­fron­ta­ti­on ver­zich­tet. Wäh­rend die einen auf Neben­ge­lei­sen unter­wegs sind, rol­len Kar­di­nä­le wie Kas­per und Schön­born mit vol­ler Fahrt auf der Haupt­strecke und ver­kün­den das genaue Gegen­teil. Dabei spre­chen sie über Inhal­te und beru­fen sich aus­drück­lich auf Papst Fran­zis­kus. Mit for­ma­len Fra­gen hal­ten sie sich erst gar nicht auf.

Die Schwä­che des pur­pur­nen Wider­stan­des ist in die­sem Fall haus­ge­macht, weil sich die Kar­di­nä­le selbst um ihr stärk­stes Mit­tel, die inhalt­li­che Kon­fron­ta­ti­on, brin­gen. Wovor schrecken sie zurück? Haben sie Angst vor den Kon­se­quen­zen? Wel­chen Kon­se­quen­zen? Ist es nicht viel­leicht eine Selbst­ver­klä­rung des Papst­tums, die sich nun als Hemm­schwel­le erweist?

Ansätze einer inhaltlichen Kritik

Bei­de Kar­di­nä­le schei­nen sich der Schwä­che der eige­nen Argu­men­ta­ti­on bewußt zu sein. San­dro Magi­ster macht dar­auf auf­merk­sam, daß bei­de, Bur­ke und Brand­mül­ler, näm­lich nicht ganz auf eine inhalt­li­che Kri­tik verzichten.

Kar­di­nal Brand­mül­ler bezeich­ne­te es gegen­über der Bild-Zei­tung als inak­zep­ta­bel, Aus­nah­men zum Kom­mu­ni­on­ver­bot für Per­so­nen zu gewäh­ren, die im Stand des öffent­li­chen und anhal­ten­den Ehe­bruchs leben. Das sei kate­go­risch unmög­lich aus Glau­bens­grün­den und auch in Ein­zel­fäl­len unmöglich.

Kar­di­nal Bur­ke sieht die Gefahr in einem gefähr­li­chen Miß­ver­ständ­nis, das durch die in Amo­ris Lae­ti­tia gebrauch­te For­mu­lie­rung von der Ehe als „Ide­al“ ent­ste­hen kann.  „Im Doku­ment fin­den sich zahl­rei­che Hin­wei­se auf das „Ide­al“ der Ehe. Eine sol­che Beschrei­bung der Ehe kann irre­füh­rend sein. Sie kann den Leser dazu ver­lei­ten, zu den­ken, die Ehe sei eine ewi­ge Idee, der sich die Män­ner und Frau­en mehr oder weni­ger unter ver­än­der­li­chen Umstän­den anzu­nä­hern haben. Die christ­li­che Ehe ist aber nicht eine Idee. Sie ist ein Sakra­ment, das einem Mann und einer Frau die Gna­de ver­leiht, in einer treu­en, dau­er­haf­ten und frucht­ba­ren, gegen­sei­ti­gen Lie­be zu leben“, so Kar­di­nal Burke.

Selbstauferlegtes Verbot der Papst-Kritik überdenken

Das selbst­auf­er­leg­te Ver­bot, den Papst zu kri­ti­sie­ren, erweist sich für die Ver­tei­di­ger der kirch­li­chen Ehe- und Moral­leh­re als größ­te Schwach­stel­le, weil sie struk­tu­rel­ler Natur ist. Bei kon­se­quen­ter Ein­hal­tung ver­schafft sie der Gegen­sei­te einen kaum wie­der­gut­zu­ma­chen­den Vor­sprung und kann sich belie­big auch zu ande­ren Fra­gen wiederholen.

Die Selbst­be­schrän­kung wirkt ohne­hin ana­chro­ni­stisch, da Papst Fran­zis­kus sei­nem Kri­ti­ker Anto­nio Soc­ci ein Dank­bil­lett zukom­men ließ, in dem er die Kri­tik für legi­tim erklär­te und aus­ge­rech­net auf Soc­ci bezo­gen, davon sprach, daß die Kri­tik dem Papst „gut­tut“. Soc­ci hat­te immer­hin andert­halb Jah­re lang sogar die Recht­mä­ßig­keit der Papst­wahl angezweifelt.

In einer Zeit, in der der Papst selbst Motor umstrit­te­ner Umbrü­che ist, wer­den die glau­bens­treu­en Katho­li­ken, beson­ders die soge­nann­ten „Kon­ser­va­ti­ven“ ihre Hal­tung gegen­über dem Papst über­den­ken müs­sen. Sie wer­den nicht umhin­kom­men und das sogar bald, zu prü­fen, ob und was sie an irri­gem Bal­last mit dem Papst­tum ver­knüpft haben. Und sie wer­den sich davon befrei­en müs­sen, wenn sie ihre Auf­ga­be, die unver­än­der­li­che Glau­bens­leh­re zu ver­tei­di­gen, erfül­len wollen.

Dar­auf zu hof­fen, daß das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus viel­leicht nicht mehr lan­ge dau­ert, könn­te sich als noch zwei­schnei­di­ger erwei­sen, als das Kritikverbot.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL (Screen­shot)

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