Kardinal Müller: 500 Jahre Reformation? „Für Katholiken kein Grund zum Feiern“


(Rom/​Berlin) Das Luther-Jahr „500 Jah­re Refor­ma­ti­on“ rückt näher, und auch deut­sche Katho­li­ken drängt es, mit­zu­fei­ern. Man­chen scheint gar nicht bewußt zu wer­den, wel­chen Pein­lich­kei­ten sie sich dabei hin­ge­ge­ben. Das Amt für Jugend­pa­sto­ral der Diö­ze­se Mag­de­burg bei­spiels­wei­se will katho­li­sche Jugend­li­che zusam­men mit pro­te­stan­ti­schen nach Rom kar­ren, um Papst Fran­zis­kus „mit Luther 95 The­sen und Wün­sche zur Öku­me­ne“ zu über­ge­ben. Man muß kein Hell­se­her sein, um zu erah­nen, daß eine so abwe­gi­ge Akti­on kaum Ver­nünf­ti­ges her­vor­brin­gen kann, von Glau­bens­kraft ganz zu schweigen.

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Ob sol­cher Luther-Begei­ste­rung eige­ner Glau­bens­ge­schwi­ster rei­ben sich gläu­bi­ge Katho­li­ken ungläu­big die Augen und dis­ku­tie­ren dar­über, ob es sich dabei um eine fort­ge­schrit­te­ne Form der Pro­te­stan­ti­sie­rung oder schon um eine Art der Ent­christ­li­chung handelt.

Für Klarheit sorgt Kardinal Müller

Für Klar­heit unter den Katho­li­ken sorgt Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, der Prä­fekt der römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Es gebe kei­nen ver­nünf­ti­gen Grund für einen Katho­li­ken, läßt er wis­sen, den Jah­res­tag der pro­te­stan­ti­schen Refor­ma­ti­on zu feiern.

Die Aus­sa­ge fin­det sich im neu­en Gesprächs­buch „Infor­me sob­re la Espe­ran­za“ (Zur Lage der Hoff­nung). Eine deut­sche Aus­ga­be befin­det sich in Vor­be­rei­tung und soll dem­nächst erscheinen.

Der 31. Okto­ber 1517 gilt als „Geburts­stun­de“ des Pro­te­stan­tis­mus. Der run­de Jah­res­tag soll fei­er­lich began­gen wer­den. Was aber haben die Katho­li­ken damit zu tun, gegen deren Glau­ben sich die Refor­ma­ti­on rich­te­te? Rein gar nichts, sagt der Glaubenspräfekt.

„Wir Katho­li­ken haben kei­nen Grund, den 31. Okto­ber 1517 zu fei­ern, das Datum, das als Beginn der Refor­ma­ti­on betrach­tet wird, die zur Spal­tung der abend­län­di­schen Chri­sten­heit füh­ren sollte.“

Damals mach­te Mar­tin Luther, ein ehe­ma­li­ger Augu­sti­ner-Ere­mit, sei­ne 95 The­sen bekannt, mit denen er sich gegen die katho­li­sche Kir­che wand­te. Dar­in war zwar noch nicht die Rede von einer Tren­nung von der Kir­che. Die Radi­ka­li­tät der The­sen bil­de­te aber bereits den ersten Schritt dazu, wie über­haupt die Eck­punk­te von Luthers Leh­re schwer häre­tisch sind.

„Wenn wir über­zeugt sind, daß die gött­li­che Offen­ba­rung voll­stän­dig und unver­än­dert in der Schrift und der Tra­di­ti­on, in der Glau­bens­leh­re, den Sakra­men­ten und der nach gött­li­chem Gesetz hier­ar­chisch geord­ne­ten und auf das Wei­he­sa­kra­ment gegrün­de­ten Kir­che bewahrt sind, dann kön­nen wir es nicht akzep­tie­ren, daß es aus­rei­chend Grün­de geben soll, sich von der Kir­che zu tren­nen“, so Mül­ler in sei­nem Buch.

Der Kar­di­nal erin­nert zudem an die vie­len pro­te­stan­ti­schen Refor­ma­to­ren, die nicht nur die damals regie­ren­den Päp­ste, son­dern das Papst­tum ins­ge­samt als „Anti­christ“ bezeich­ne­ten, um „die Tren­nung“ von der katho­li­schen Kir­che zu „recht­fer­ti­gen“.

Kar­di­nal Mül­ler zitiert ihn nicht, doch wie kaum ein ande­rer zeig­te der Kir­chen­recht­ler und Rechts­hi­sto­ri­ker Georg May Klar­sicht und schrieb bereits 1975:

„Die katho­li­sche Kir­che kann ihre gesam­te Leh­re ent­fal­ten, ohne den Namen Luther oder Refor­ma­ti­on auch nur zu erwäh­nen. Der Pro­te­stan­tis­mus kann dage­gen sein Dasein nicht begrün­den, wenn er nicht die katho­li­sche Kir­che schlecht­macht. Der Pro­te­stan­tis­mus kann auch das Wei­ter­be­stehen der Spal­tung nur damit erklä­ren, daß er der katho­li­schen Kir­che unver­än­dert Abfall vom Evan­ge­li­um vor­wirft. Von daher hat der durch­schnitt­li­che Pro­te­stant sei­ne Gering­schät­zung der Katho­li­ken und auch sei­ne Abnei­gung gegen die Katholiken.“

Glaubenspräfekt zunehmend ein Kontrapunkt

Die Aus­sa­ge des Glau­bens­prä­fek­ten dürf­te daher noch für Furo­re sor­gen, denn die luthe­ri­schen Gemein­schaf­ten rüsten eif­rig zu Luther-Fei­ern.  Papst Fran­zis­kus selbst wird am 31. Okto­ber 2016 nach Stock­holm rei­sen, um gemein­sam mit dem Luthe­ri­schen Welt­bund an einem katho­lisch-luthe­ri­schen Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken teilzunehmen.

Hin­ter den Mau­ern des Vati­kans sol­len des­halb schon eini­ge Fun­ken geflo­gen sein. Daß Papst Fran­zis­kus nicht zum 500. Jah­res­tag am Refor­ma­ti­ons­ge­den­ken teil­nimmt, son­dern am 499. Jah­res­tag („weil Luther 1516 noch katho­lisch war“), ist zwar ein Signal, aber im Gesamt­kon­text doch für vie­le ein kaum wahrnehmbares.

Die Klar­heit des Glau­bens­prä­fek­ten kann zwar nur zum Teil die weni­ger aus­ge­präg­te Klar­heit des Pap­stes aus­glei­chen, bil­det aber einen unüber­hör­ba­ren Kontrapunkt.

Kar­di­nal Leva­da, 2005–2012 Glau­bens­prä­fekt unter Papst Bene­dikt XVI., der selbst fast 25 Jah­re die­ses Amt inne­hat­te, wal­te­te unschein­bar sei­nes Amtes. Seit­her haben sich die Ver­hält­nis­se grund­le­gend geän­dert. Die Amts­füh­rung von Papst Fran­zis­kus pro­vo­ziert eine Gegen­re­ak­ti­on und weist dem Glau­bens­prä­fek­ten eine zuneh­mend wich­ti­ge­re Rol­le zu, die Kar­di­nal Mül­ler auch bereit ist, auszufüllen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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3 Kommentare

  1. Dem stim­me ich zu. Es gibt für Katho­li­ken kei­nen Anlass zum Fei­ern. Geden­ken ja, und ja, den pro­te­stan­ti­schen Chri­sten sei die Freu­de gegönnt.

    • Mei­nen Sie geehr­ter @Bayernmichel wirk­lich, daß sich die Pro­te­stan­ten „freu­en“ kön­nen oder könn­ten? Auch die haben doch über­haupt kei­nen ein­zi­gen Grund zur „Freu­de“. Es sind Irregeleitete.

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