Amoris Laetitia: Kardinal Burkes Spagat, der nicht gelingen will


Kardinal Raymond Burkes Kritik an Amoris Laetitia
Kardinal Raymond Burkes Kritik an Amoris Laetitia

Kom­men­tar von Giu­sep­pe Nardi

Anzei­ge

(Rom) Die Reak­ti­on von Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke auf das nach­syn­oda­le Apo­sto­li­sche Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus wur­de mit Span­nung erwar­tet. Kar­di­nal Bur­ke war bei der Bischofs­syn­ode 2014 der Wort­füh­rer der glau­bens­treu­en Syn­oda­len, die sich einer Auf­wei­chung des Ehe­sa­kra­men­tes und dem damit ver­bun­de­nen Angriff auf das Altar­sa­kra­ment und das Buß­sa­kra­ment wider­setz­ten. Die Kon­se­quenz war eine Straf­ak­ti­on von Papst Fran­zis­kus, der den bril­lan­ten Kir­chen­recht­ler Bur­ke weni­ge Wochen nach Syn­oden­en­de sei­nes Amtes als Prä­fekt des Ober­sten Gerichts­ho­fes der Apo­sto­li­schen Signa­tur ent­hob und auf den Posten des pre­sti­ge­träch­ti­gen, aber ein­fluß­lo­sen Kar­di­nal­pa­trons des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens versetzte.

Vom Papst bestrafter Verteidiger des Ehesakraments

Als Prä­fekt hat­te Bur­ke ein Dik­aste­ri­um der römi­schen Kurie gelei­tet und war damit kraft sei­nes Amtes Syn­oda­le gewe­sen. Mit sei­ner Abset­zung ent­zog ihm Papst Fran­zis­kus auch die Mög­lich­keit, an der ent­schei­den­den Bischofs­syn­ode 2015 teilzunehmen.

Die päpst­li­che Straf­ak­ti­on wur­de auch als deut­li­ches Signal an sei­ne Wider­sa­cher gese­hen, das dis­zi­pli­nie­rend wir­ken sollte.

Als Kar­di­nal­pa­tron des Mal­te­ser­or­dens konn­te Bur­ke nicht mehr an der zwei­ten Bischofs­syn­ode über die Ehe und die Fami­lie teil­neh­men. Weil sein Ver­hält­nis gegen­über dem Papst kom­pro­mit­tiert war, war ihm von sei­nen Mit­strei­tern unter den Kar­di­nä­len Zurück­hal­tung emp­foh­len wor­den, um deren Kampf nicht zu beein­träch­ti­gen. Er unter­stütz­te die Ver­tei­di­gung der kirch­li­chen Ehe- und Moral­leh­re jedoch wei­ter­hin tat­kräf­tig aus dem Hintergrund.

Im Zuge der ersten Bischofs­syn­ode von 2014 for­mu­lier­te er einen der prä­gnan­te­sten Sät­ze der seit mehr als zwei Jah­ren andau­ern­den Diskussion:

„Wenn die Kir­che den Emp­fang der Sakra­men­te (auch nur in einem Fall) einer Per­son erlau­ben wür­de, die sich in einer irre­gu­lä­ren Situa­ti­on befin­det, wür­de das bedeu­ten, dass die Ehe ent­we­der nicht unauf­lös­lich ist und damit die­se Per­son nicht im Stand des Ehe­bruchs lebt, oder, dass die hei­li­ge Kom­mu­ni­on nicht Gemein­schaft im Leib und Blut Chri­sti ist, die hin­ge­gen die rech­te Dis­po­si­ti­on der Per­son erfor­dert, näm­lich die schwe­re Sün­de zu bereu­en und die feste Absicht, nicht mehr zu sündigen.“

In sei­ner ersten, aus­führ­li­chen Stel­lung­nah­me, die nun in voll­stän­di­ger deut­scher Über­set­zung vor­liegt, betont Kar­di­nal Bur­ke zwei Aspekte:

Erstens, daß Amo­ris Lae­ti­tia nicht Teil des kirch­li­ches Lehr­am­tes ist, was Papst Fran­zis­kus selbst klar­ge­stellt habe, und daher kein Katho­lik dar­an gebun­den sei.

Und zwei­tens, daß jeder Katho­lik immer und allein an die immer­wäh­ren­de Leh­re der Kir­che gebun­den ist und die Kir­che zu kei­nem Zeit­punkt eine ande­re Leh­re oder eine ande­re Dis­zi­plin ein­füh­ren oder ver­tre­ten kön­ne, als das, was sie immer gelehrt und was immer gegol­ten hat.

Die Stel­lung­nah­me von Kar­di­nal Bur­ke ist ein kost­ba­res und schö­nes Doku­ment der Ver­tei­di­gung des Ehe­sa­kra­men­tes. Die von ihm gemach­ten Fest­stel­lun­gen sind daher von gro­ßer Bedeu­tung. Sie bie­ten uner­schüt­ter­li­che Ori­en­tie­rung in einer Zeit zuneh­men­der Verwirrung.

Die Schwäche der Stellungnahme

Den­noch wirkt die Stel­lung­nah­me dort schwach, wo sie auf jeg­li­che Form der Kri­tik am Vor­ge­hen von Papst Fran­zis­kus ver­zich­tet. Damit wirkt sie wie ein Spa­gat, der nicht wirk­lich gelin­gen will.

Eini­ge Fra­gen sol­len das Gesag­te verdeutlichen:

Wenn es sich bei Amo­ris Lae­ti­tia nur um „per­sön­li­che“ und daher nicht ver­bind­li­che Über­le­gun­gen von Papst Fran­zis­kus han­delt, die aber eine Quel­le der Ver­wir­rung und sogar „eines mög­li­chen Ärger­nis­ses“ für die Gläu­bi­gen sein kön­nen, müß­te dann nicht die Fra­ge Fran­zis­kus gestellt wer­den, war­um er sol­che Über­le­gun­gen über­haupt anstellt und veröffentlicht?

Wie steht es um den Papst, wenn er Über­le­gun­gen anstellt, die ein „Ärger­nis“ sein kön­nen, sie aber „per­sön­lich für den Wil­len Chri­sti für Sei­ne Kir­che hält“?

Erhebt Papst Fran­zis­kus wirk­lich kei­nen Anspruch dar­auf, daß Amo­ris lae­ti­tia Teil des ordent­li­chen päpst­li­chen Lehr­am­tes ist? Läßt sich Para­graph 3 des Schrei­bens wirk­lich als Ver­zicht auf die­sen Anspruch lesen?

Wenn Papst Fran­zis­kus wirk­lich nur „per­sön­li­che“, also pri­va­te Über­le­gun­gen vor­le­gen woll­te, war­um hat er dann die Form eines nach­syn­oda­len Schrei­bens gewählt, von dem sich alle Welt die Ant­wor­ten und Schluß­fol­ge­run­gen der dop­pel­ten Bischofs­syn­ode erwartet?

Wor­in unter­schei­det sich „der Typus des Doku­ments“ vom nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­ben Fami­lia­ris Con­sor­tio von Papst Johan­nes Paul II., das als wich­ti­ge Richt­schnur für die Katho­li­ken gilt?

Der Fra­gen­ka­ta­log lie­ße sich noch fortsetzen.

Die Macht des Faktischen – Schönborn und Spadaro

Die Schwä­che der Stel­lung­nah­me von Kar­di­nal Bur­ke liegt dar­in, daß sie zwar in allem recht hat, was die kirch­li­che Leh­re und Dis­zi­plin in Sachen Ehe und Fami­lie betrifft, aber mit kei­nem Wort dar­auf ein­geht, daß der Papst selbst, vor allem aber die Papst-Ver­trau­ten, etwas ganz ande­res sagen. Die gött­li­che Ord­nung bleibt immer gleich. Es geht aber um das See­len­heil der Men­schen, die heu­te und jetzt in die Irre geführt wer­den kön­nen. Für sie zählt weni­ger der theo­re­ti­sche Anspruch, son­dern viel­mehr die Macht des Fak­ti­schen. Immer­hin ist der Papst eben doch der Papst. Wenn sei­ne Über­le­gun­gen, und sei­en sie „per­sön­li­cher“ Art, irrig sind, dann muß das zum Schutz der Kir­che und zum Schutz der Gläu­bi­gen auch gesagt wer­den. Denn die Leh­re, wie Kar­di­nal Bur­ke zitiert, ist immer Seelsorge.

Daher drängt die Fra­ge, wie sich die Aus­le­gung von Kar­di­nal Bur­ke bei­spiels­wei­se mit jener von Kar­di­nal Schön­born von Wien in Ein­klang brin­gen läßt. Schön­born war es, nicht Bur­ke, der im päpst­li­chen Auf­trag Amo­ris Lae­ti­tia der Welt­öf­fent­lich­keit vor­stel­len durf­te, und dabei dem Schrei­ben eine ganz ande­re Bedeu­tung zuschrieb.

Oder wie läßt sich die Aus­le­gung von Kar­di­nal Bur­ke mit jener von Pater Anto­nio Spa­da­ro, dem Schrift­lei­ter der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca in Ein­klang brin­gen? Spa­da­ro gilt, im Gegen­satz zu Kar­di­nal Bur­ke, als einer der eng­sten Papst-Ver­trau­ten, war Mit­glied des Redak­ti­ons­ko­mi­tees von Amo­ris Lae­ti­tia und alles, was die Civil­tá Cat­to­li­ca schreibt, muß zuvor die vati­ka­ni­sche Zen­sur pas­sie­ren, kann also als offi­ziö­se Mei­nung des Hei­li­gen Stuhls betrach­tet wer­den. Spa­da­ro schrieb nach der Bischofs­syn­ode 2015, die Syn­ode habe „die Grund­la­ge“ für die Zulas­sung der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on geschaf­fen, indem sie „eine Tür geöff­net hat“, die bei der vori­gen Syn­ode noch ver­schlos­sen geblie­ben sei. Nun schrieb er zu Amo­ris Lae­ti­tia, daß sich sei­ne Vor­her­sa­ge damit bestä­tigt habe.

Der Streit um die „authen­ti­sche“ Aus­le­gung von Amo­ris Lae­ti­tia und damit der gan­zen Dis­kus­si­on seit Fran­zi­kus‘ Lob für Kar­di­nal Kas­pers Buch über die Barm­her­zig­keit im März 2013, ist erwar­tungs­ge­mäß in aller Hef­tig­keit ent­brannt. Wem kommt mehr Gewicht in der Aus­le­gung zu?

Unmöglicher Spagat ohne Widerlegung der Gegenseite

Kar­di­nal Bur­ke ver­tritt die Leh­re der Kir­che und befin­det sich damit zwei­fel­los im Recht. Sei­ne Stel­lung­nah­me wird aber zum unmög­li­chen Spa­gat, wenn er sich ledig­lich auf den theo­re­ti­schen Anspruch beschränkt, aber mit kei­nem Wort dar­auf ein­geht, daß ande­re Kräf­te der Kir­che in eine ganz ande­re Rich­tung zie­hen. Kräf­te, die – im Gegen­satz zum vom Papst bestraf­ten Bur­ke – das Ver­trau­en des Pap­stes genie­ßen. Sei­ne Stel­lung­nah­me wird zum unmög­li­chen Spa­gat, wenn nicht auch auf die Argu­men­te der Gegen­sei­te ein­ge­gan­gen wird und die­se wider­legt werden.

Papst Fran­zis­kus spielt mit dem Vagen, Unaus­ge­spro­che­nen. Die „Revo­lu­ti­on“ von Papst Fran­zis­kus, so der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei, lie­ge nicht dar­in, daß er eine neue Leh­re oder Dis­zi­plin ver­kün­de, son­dern dar­in, daß er die bis­he­ri­ge nicht bekräftigt.

Die Ver­tei­di­gung der kirch­li­chen Leh­re und Dis­zi­plin wird nicht gelin­gen, wenn man sich bloß dar­auf beschränkt, den eige­nen Anspruch zu depo­nie­ren, wäh­rend ganz ande­re an den Schalt­he­beln sit­zen und unter­des­sen das Kir­chen­schiff auf eine neue Rou­te lenken.

Nicht nur formale, sondern auch inhaltliche Auseinandersetzung

Damit die Ver­tei­di­gung wirk­lich wirk­sam sein kann, muß alles gesagt wer­den, was Kar­di­nal Bur­ke in sei­ner Stel­lung­nah­me gesagt hat. Es muß aber auch jenen ganz kon­kret wider­spro­chen wer­den, auch Papst Fran­zis­kus, die ande­res behaup­ten. Ein Bei­spiel dafür, wie eine not­wen­di­ge und kon­se­quen­te Kri­tik an Amo­ris Lae­ti­tia aus­zu­se­hen hat, kam vom Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei. Er beschränk­te sich nicht auf for­ma­le Aspek­te des Doku­ments, son­dern ging not­wen­di­ger­wei­se auf den Inhalt ein und kam unum­wun­den zum Urteil, daß Amo­ris Lae­ti­tia ein „kata­stro­pha­les Doku­ment“ sei.

Wenn ein Schiff im Hafen liegt und vor dem Aus­lau­fen steht, ist ent­schei­dend, wer am Steu­er­ru­der steht und wer die Mann­schaft bil­det, um die Segel zu set­zen. Kar­di­nal Bur­ke hält zwar die ent­schei­den­de See­kar­te mit den genau ein­ge­zeich­ne­ten See­we­gen und Fahr­rin­nen in der Hand, anhand der das Kir­chen­schiff sicher durch die stür­mi­sche See gelenkt wer­den kann, und macht das auch gel­tend, wird aber vom Kapi­tän am Pier zurückgelassen.

Damit nicht ein fal­scher Ein­druck ent­steht, sei an die­ser Stel­le Kar­di­nal Bur­ke aus­drück­lich für sei­ne wich­ti­ge Stel­lung­nah­me gedankt. Im Gegen­satz zu ande­ren, hat­te er Intel­lekt und Mut, bereits Stel­lung zu neh­men. Ver­bun­den mit dem Dank ist jedoch die Bit­te, sei­ne Stel­lung­nah­me zum Wohl der Kir­che und zum Schutz der Gläu­bi­gen noch zu ergän­zen. Mehr noch gilt die Auf­for­de­rung den ande­ren Kar­di­nä­len der Hei­li­gen Kir­che, dem Bei­spiel von Kar­di­nal Bur­ke zu fol­gen und öffent­lich zu Amo­ris Lae­ti­tia Stel­lung zu nehmen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: One­Pe­ter­Fi­ve (Screen­shot)

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