Islamisten fordern „sofortige“ Hinrichtung von Asia Bibi – Regierungskrise?


Familie kämpft um das Leben von Asia Bibi - im Bild der Ehemann und eine Tochter
Familie kämpft um das Leben von Asia Bibi - im Bild der Ehemann und eine Tochter

(Islam­abad) Radi­ka­le isla­mi­sche Grup­pen haben in Paki­stan eine neue Kam­pa­gne gestar­tet und for­dern die sofor­ti­ge Hin­rich­tung von Asia Bibi. Die Chri­stin und fünf­fa­che Mut­ter wur­de 2009 wegen des Ver­dachts auf „Belei­di­gung des Islam“ ver­haf­tet. 2010 wur­de sie zum Tode ver­ur­teilt und war­tet seit­her auf ihre Hinrichtung.

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Radi­ka­le Mos­lem­grup­pen wie Sun­ni Teh­reek orga­ni­sie­ren Stra­ßen­de­mon­stra­tio­nen, um Druck auf die paki­sta­ni­sche Regie­rung aus­zu­üben. Im Juli 2015 stopp­te der Ober­ste Gerichts­hof die Hin­rich­tung und ord­ne­te eine Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens an. Die Zeu­gen, die mit ihren Aus­sa­gen zur Ver­ur­tei­lung geführt hat­ten, sol­len erneut ange­hört werden.

Die höchst­rich­ter­li­che Ent­schei­dung schien einen Tür­spalt auf­zu­tun, das berüch­tig­te Anti-Blas­phe­mie­ge­setz von 1986 zu refor­mie­ren. Das Gesetz ahn­det die Belei­di­gung des Islams, Moham­meds oder Allahs mit lebens­lan­ger Haft oder der Todes­stra­fe. Wie zahl­rei­che Bei­spie­le bele­gen, genügt nicht sel­ten die Anschul­di­gung eines Mos­lems, um ohne Bewei­se eine Ver­ur­tei­lung her­bei­zu­füh­ren. Radi­ka­le Mos­lem­grup­pen üben teils gewalt­tä­ti­gen Druck auf die Behör­den aus, Ver­ur­tei­lun­gen aus­zu­spre­chen. Das Gesetz rich­tet sich vor allem gegen reli­giö­se Min­der­hei­ten, dar­un­ter beson­ders die klei­ne christ­li­che Gemein­schaft. Auch inner­is­la­mi­sche Kon­flik­te wer­den über das Gesetz aus­ge­tra­gen, das viel­fach der Will­kür Tür und Tor öffnet.

Der Fall Asia Bibi ist zum Gegen­stand eines Macht­kamp­fes gewor­den, an dem die Isla­mi­sten ihren Ein­fluß prüfen.

Asia Bibi – islamistisches Exempel auf dem Weg zur Macht

Seit sie­ben Jah­ren befas­sen sich die paki­sta­ni­schen Gerich­te mit dem Fall. Jedes­mal wenn eine Gerichts­in­stanz ein Urteil zu fäl­len hat­te, bran­de­te der isla­mi­sti­sche Pro­test neu auf. Die innen­po­li­ti­sche Lage ist fra­gil. Die Isla­mi­sten sind stark genug, im gan­zen Land gewalt­tä­ti­ge Unru­hen aus­zu­lö­sen. Die Regie­rung muß einen Sturz befürch­ten. Das läßt sie im Fall Asia Bibi sehr zurück­hal­tend vor­ge­hen. In ande­ren Fäl­len ließ man beschul­dig­te Chri­sten unter der Auf­la­ge aus­rei­sen, nicht mehr nach Paki­stan zurück­zu­keh­ren. Eine diplo­ma­ti­sche Lösung, mit der auch die inter­na­tio­na­le Staa­ten­ge­mein­schaft zufrie­den­ge­stellt ist. An der Chri­stin Asia Bibi, der ersten Frau Paki­stans, die nach dem Anti-Blas­phe­mie­ge­setz zum Tode ver­ur­teilt wur­de, wol­len die Isla­mi­sten ein Exem­pel sta­tu­ie­ren. Daher wagt die Regie­rung nicht ein­mal, die Aus­rei­se-Opti­on anzuwenden.

Nun ist der Ober­ste Gerichts­hof geru­fen, dar­über zu ent­schei­den, ob das erst­in­stanz­li­che Todes­ur­teil bestä­tigt oder Asia Bibi frei­ge­spro­chen wird. Obwohl der Aus­gang völ­lig offen ist, tref­fen christ­li­che Krei­se Paki­stans still­schwei­gend Vor­be­rei­tun­gen für einen Frei­spruch. Soll­te Asia Bibi frei­ge­las­sen wer­den, muß sie und ihre Fami­lie umge­hend außer Lan­des gebracht wer­den, um eine isla­mi­sti­sche Lynch­ju­stiz zu ver­hin­dern. Meh­re­re Ima­me wie­geln die Mas­sen dazu auf, Selbst­ju­stiz zu üben. Ein Kopf­geld, das bereits 2009 für Asia Bibis Ermor­dung aus­ge­setzt wur­de, heizt die Stim­mung zusätz­lich an.

Sun­ni Teh­reek, die aus der Barel­wi-Sufi-Bewe­gung der hana­fi­ti­schen Rechts­schu­le der sun­ni­ti­schen Glau­bens­rich­tung des Islam her­vor­ge­gan­gen ist, rief ihre Anhän­ger am ver­gan­ge­nen 15. April in zahl­rei­chen paki­sta­ni­schen Städ­ten auf die Stra­ße, um für die sofor­ti­ge Hin­rich­tung von Asia Bibi zu demon­strie­ren. Eine War­nung an die Regie­rung, das berüch­tig­te Anti-Blas­phe­mie­ge­setz zu ändern.

In einer offi­zi­el­len Erklä­rung beschul­dig­te Sun­ni Teh­reek die Regie­rung von Pre­mier­mi­ni­ster Nawaz Sha­rif, die Scha­ria abschaf­fen zu wol­len. Paki­stan ist der erste Staat der Welt, der sich 1956 als Isla­mi­sche Repu­blik aus­rief. „Wir wer­den nicht zulas­sen, daß eine Blas­phe­mi­ke­rin frei­kommt“, so die Bot­schaft der Islamisten.

Bereits Ende März war es zu lan­des­wei­ten Pro­te­sten gekom­men, als Mum­taz Qadri, der Mör­der von Sal­man Taseer hin­ge­rich­tet wur­de. Der Isla­mist Qadri hat­te 2011 den dama­li­gen Gou­ver­neur des Pun­jab ermor­det, weil die­ser sich schüt­zend vor Asia Bibi gestellt und eine Ände­rung des Anti-Blas­phe­mie­ge­set­zes vor­ge­schla­gen hat­te. Das Blut des „isla­mi­schen Hel­den“ Qadri müs­se durch das Blut Asia Bibis gerächt wer­den, so die Isla­mi­sten. Einst­wei­len „räch­ten“ sich die Isla­mi­sten am Blut ande­rer Chri­sten. Das Oster­fest 2016 ver­wan­del­ten sie zu einem Blut-Ostern. In Laho­re ver­üb­ten mos­le­mi­sche Ter­ro­ri­sten einen Angriff auf einen Park, in dem sich zu Ostern vor allem christ­li­che Müt­ter mit ihren Kin­dern auf­hiel­ten. Das Atten­tat koste­te 74 Men­schen­le­ben. 350 wei­te­re Per­so­nen, zum Groß­teil Chri­sten, wur­den verletzt.

Premierminister im Panama-Papers-Skandal – Islamisten diktieren Politik

Kurz dar­auf gelang es vor drei Wochen tau­send Isla­mi­sten, den Sperr­gür­tel rund um das Regie­rungs­vier­tel in Islam­abad zu durch­bre­chen. Vier Tage pro­te­stier­ten sie mit einem Sitz­streik vor dem Par­la­ment gegen eine mög­li­che Gesetzesänderung.

Die Pro­test­ak­ti­on wur­de erst abge­bro­chen, nach­dem die Demon­stran­ten eine schrift­li­che Zusa­ge der Regie­rung erhiel­ten, mit der ein Teil ihrer For­de­run­gen über­nom­men wur­de. Die Regie­rung ver­pflich­te­te sich, kei­ne Ände­rung am Gesetz vor­zu­neh­men und den wegen Blas­phe­mie Ver­ur­teil­ten nicht ent­ge­gen­zu­kom­men. Die Isla­mi­sten dik­tie­ren der paki­sta­ni­schen Regie­rung die Politik.

Pre­mier­mi­ni­ster Sha­rif ist in den Skan­dal um die soge­nann­ten Pana­ma Papie­re ver­wickelt. Nicht er per­sön­lich, dafür aber drei sei­ner Kin­der. Die Isla­mi­sten schei­nen ent­schlos­sen, den Skan­dal für eine wei­te­re Desta­bi­li­sie­rung der Regie­rung auszunützen.

Unter­des­sen ver­häng­te Innen­mi­ni­ster Chaudhry Nisar Ali Khan ein gene­rel­les Demon­stra­ti­ons­ver­bot in der Haupt­stadt Islam­abad. Die zuletzt mit eini­ger Berech­ti­gung erhoff­te Ände­rung des Anti-Blas­phe­mie­ge­set­zes wur­den durch die jüng­sten Ereig­nis­se begraben.

Asia Bibi sitzt wei­ter­hin im Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis von Mul­tan in der Todes­zel­le. Die lan­ge Iso­la­ti­ons­haft habe ihren Gesund­heits­zu­stand ange­grif­fen, wie ihre Anwäl­te dem Gericht mit­teil­ten. Die Iso­la­ti­on ist kei­ne offi­zi­el­le, aber eine fak­ti­sche Straf­ver­schär­fung. Sie wur­de zu ihrem Schutz ver­hängt. Die Sicher­heits­maß­nah­men wur­den in jüng­ster Zeit erneut erhöht, nach­dem der Geheim­dienst  gemel­det hat­te, es gebe als Ver­gel­tungs­maß­nah­me für die Hin­rich­tung des Taseer-Mör­ders Qadri Bestre­bun­gen, Asia Bibi im Gefäng­nis zu ermor­den. Um eine Ver­gif­tung zu ver­hin­dern, wird das Essen Asia Bibis kontrolliert.

Die Katho­li­kin sei stark und ertra­ge das War­ten in Geduld und Gebet, wie ihr Anwalt erklär­te. Es sei aber offen­sicht­lich, daß die Haft an ihr zehre.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insi­der (Screen­shot)

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1 Kommentar

  1. Es ist wich­tig, unbe­dingt für die ver­folg­te Chri­stin Asia Bibi und ihre Fami­lie uner­müd­lich wei­ter zu beten.
    Viel­leicht könn­te auch eine erneu­te Unter­schrif­ten­pe­ti­ti­on durch citi​zen​go​.org, open doors o.ä. Orga­ni­sa­tio­nen hilf­reich sein.

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