Amoris Laetitia – Auch die Bäume von Papst Franziskus wachsen nicht in den Himmel


Papst Franziskus und Amoris Laetitia, sein erstes nachsynodales Schreiben
Papst Franziskus und Amoris Laetitia, sein erstes nachsynodales Schreiben

(Rom) Das nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris Lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus liegt nun auf dem Tisch. Die 190 Sei­ten wer­den die Kir­che noch Jah­re beschäf­ti­gen. Unter­des­sen hat begon­nen, was zu erwar­ten war. Die Fort­set­zung jener inner­kirch­li­chen dis­so­nan­ten Viel­stim­mig­keit, die seit Jahr­zehn­ten ver­hin­dert, daß die Stim­me der Kir­che kraft­voll in der Welt gehört wird.

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Ein Kom­men­tar von Andre­as Becker.

Die erklär­ten Revo­lu­tio­nä­re von Wir sind Kir­che und die Möch­te­gern-Revo­lu­tio­nä­re der WiKi-Light-Ver­si­on ZdK (Zen­tral­ko­mi­tee der Deut­schen Katho­li­ken) sind „ent­täuscht“. Die soge­nann­ten „Kon­ser­va­ti­ven“, stän­dig besorgt, aber leicht zu beru­hi­gen, erwecken wie­der­um krampf­haft den Ein­druck einer hei­len Welt, denn die ange­kün­dig­te Revo­lu­ti­on sei ja „aus­ge­blie­ben“. Daß Papst Fran­zis­kus sie über­haupt je beab­sich­tigt habe, klingt aus ihrem Mund fast so, als habe es sich dabei nur um ein Hirn­ge­spinst des lin­ken oder rech­ten Kir­chen­ran­des gehan­delt. Wer sich selbst belü­gen will, den kann man schwer­lich davon abhalten.

Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born, sei­nes Zei­chens Erz­bi­schof von Wien und ambi­va­len­tes Aus­hän­ge­schild der „Kon­ser­va­ti­ven“, ist zwar wesent­lich sym­pa­thi­scher als sein macht­be­wuß­ter Amts­bru­der in Mün­chen, der mit Namen Marx und gele­gent­lich auf­flackern­den Ambi­tio­nen eines Luthers (die Namen haben es ja wirk­lich in sich). Das Inter­view (Kath­press) und die Pres­se­kon­fe­renz (Vati­kan), die Schön­born gestern in Rom gab, soll­ten aber auch in „kon­ser­va­ti­ven“ Krei­sen für die nöti­ge Ernüch­te­rung sor­gen. Es geht eben nicht nur um die Auf­recht­erhal­tung einer Fas­sa­de, son­dern um das, was dahin­ter steht: näm­lich Inhalte.

Wer sich als Ant­wort auf den sich rapi­de aus­brei­ten­den und in hohem Maße zer­set­zend wir­ken­den Rela­ti­vis­mus von der Kir­che kla­re Wor­te erwar­tet hat­te, die siche­re Ori­en­tie­rung bie­ten und viel­leicht sogar Anstoß für eine eben­so rei­ni­gen­de wie klä­ren­de Erneue­rung sein könn­ten, sieht sich nicht min­der ent­täuscht als die Revo­lu­tio­nä­re auf der ande­ren Seite.

Amo­ris Lae­ti­tia muß sich dem direk­ten Ver­gleich mit Fami­lia­ris Con­sor­tio stel­len. Das nach zwei­ein­halb Jah­ren teils har­ter und auch emo­tio­na­ler Debat­ten vor­ge­leg­te Ergeb­nis ist dem­ge­gen­über mehr als dürf­tig. Dafür hat Papst Fran­zis­kus den gan­zen Appa­rat bestimmt nicht in Bewe­gung gesetzt. Das Ergeb­nis ist, so gese­hen, mit ziem­li­cher Sicher­heit anders aus­ge­fal­len, als ursprüng­lich beab­sich­tigt (sie­he dazu Die Bischofs­syn­ode, der Regis­seur, die Akteu­re – Chro­no­lo­gie eines ver­such­ten Para­dig­men­wech­sels). Papst Fran­zis­kus weiß nun, daß auch sei­ne Bäu­me nicht in den Him­mel wach­sen. Der Jubel der Medi­en ent­spricht pro­por­tio­nal nicht der Mei­nung in der Kirche.

Das gilt auch für die Kar­di­nals­qua­dri­ga, die als Team Berg­o­glio 2013 sei­ne Wahl betrie­ben und mög­li­cher­wei­se zuvor schon ein biß­chen beim Amts­ver­zicht von Papst Bene­dikt XVI. nach­ge­hol­fen hat­te. Die Kir­che ist nicht das von Kir­chen­geg­nern und Pro­gres­si­ven gern behaup­te­te staub­trocke­ne Büro­kra­te­n­un­ge­tüm, das halb leb- und ganz emo­ti­ons­los über die Ein­hal­tung von Nor­men wacht. Die Kir­che ist der leben­di­ge, wenn auch mysti­sche Leib Chri­sti und ver­fügt über eine Rei­he von gött­li­chen Ver­hei­ßun­gen, die Bestand und Bei­stand betreffen.

Wie immer man die­se nun im Detail auf die kon­kre­te Situa­ti­on bezie­hen mag: Tat­sa­che ist, daß der Wider­stand gegen den Durch­marsch der Kas­pe­ria­ner (nomen ine­p­tum) kraft­vol­ler und ent­schlos­se­ner war, als sich die ober­ste Kir­chen­lei­tung erwar­tet hat­te. Dem liegt ein nicht uner­heb­li­ches Fehl­ur­teil Kas­pers, son­dern auch von Papst Fran­zis­kus zugrun­de, und das zu ganz grund­sätz­li­chen Din­gen ekkle­sio­lo­gi­scher, dok­tri­nel­ler, dog­ma­ti­scher, pasto­ra­ler und anthro­po­lo­gi­scher Natur. Wel­che Schluß­fol­ge­run­gen Papst Fran­zis­kus und auch sei­ne mehr oder weni­ger mit ihm kon­form gehen­de Gefolg­schaft dar­aus zieht, wird sich wei­sen. In der Aus­ein­an­der­set­zung der zurück­lie­gen­den Mona­te wur­den auch geist­li­che Kampf­mit­tel ein­ge­setzt, deren Wir­kung kei­nes­wegs zu unter­schät­zen ist. An die­ser Stel­le sei nur an die Gebets­in­itia­ti­ve von Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke an jedem ersten Tag des Monats erin­nert. Eine Gebets­in­itia­ti­ve, die fort­ge­setzt wird.

Amo­ris lae­ti­tiae ist ein umfang­rei­ches Doku­ment mit vie­len wert­vol­len und schö­nen Stel­len, aber auch zahl­rei­chen ambi­va­len­ten, unschar­fen und zwei­fel­haf­ten For­mu­lie­run­gen und Aus­sa­gen, gera­de und vor allem, wenn man sie nicht abstrakt liest, son­dern mit Blick auf den aktu­el­len Ist-Zustand der Kir­che und den Bestre­bun­gen kir­chen­feind­li­cher Kräf­te in der Gesell­schaft. Gera­de die umstrit­te­nen Pas­sa­gen aber sind, auf­grund der Aus­gangs­la­ge, ent­schei­dend für die Gesamt­be­wer­tung des Schreibens.

Das Doku­ment wirkt über man­che Strecken kraft­los und unfä­hig jenen Fun­ken über­sprin­gen zu las­sen, der das Bren­nen für Chri­stus ent­fa­chen kann. Der Grund dafür hängt, so der erste Ein­druck, mit den ursprüng­li­chen Absich­ten zusam­men. Der Text ist in Inhalt und For­mu­lie­run­gen gera­de an wich­ti­gen Stel­len zu sehr bemüht, sich nicht mit dem Zeit­geist anzu­le­gen, oder durch die Hin­ter­tür der Wort­akro­ba­tik doch irgend­wie hin­ein­zu­schrei­ben, was vor­der­grün­dig nicht drin­nen steht und schon gar nicht drin­nen ste­hen sollte.

Die zwangs­läu­fi­ge Fol­ge: Jeder kann das Doku­ment nach sei­ner  Façon lesen – und wird es wohl auch tun. Das Resü­mee: Katho­li­sche Erneue­rung sieht anders aus.

Text: Andre­as Becker
Bild: Vati​can​.va/OR (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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