Pater Lombardi: „Ich habe dem Papst den Wunsch übermittelt, auch Mädchen zur Fußwaschung zuzulassen“


(Rom) Die ein­zi­ge wirk­li­che Ände­rung im Bereich der Lit­ur­gie, die Papst Fran­zis­kus in den drei Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats ein­ge­führt hat, betrifft die Fuß­wa­schung am Grün­don­ners­tag. Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di berich­te­te im katho­li­schen Wochen­ma­ga­zin Fami­glia Cri­stia­na über die Hin­ter­grün­de der ersten Fuß­wa­schung des argen­ti­ni­schen Pap­stes 2013 und strickt dabei an einer Legende.

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Ande­re Ein­grif­fe in die Lit­ur­gie sind infor­mell geblie­ben und betref­fen Gesten des Pap­stes: bei öffent­li­chen Mes­sen kei­ne Kom­mu­ni­on zu spen­den oder auch wäh­rend der Wand­lung kei­ne Knie­beu­gen zu machen. Die ein­zi­ge for­mel­le Ände­rung, mit einem Dekret der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on, betrifft die Mis­sa in Coe­na Domi­ni, mit der hei­li­gen drei Tage beginnen.

Problematische Achsenverschiebung

Die offi­zi­el­le Ände­rung betrifft die Zulas­sung von Frau­en zur Fuß­wa­schung. Eine pro­ble­ma­ti­sche Ach­sen­ver­schie­bung für jene – und zu ihnen gehört selbst­ver­ständ­lich der Papst –, die um die Bedeu­tung die­ser Geste durch Jesus Chri­stus beim Letz­ten Abend­mahl wis­sen. Dabei geht es um die Ein­set­zung des Altar­sa­kra­men­tes und des Wei­he­sa­kra­men­tes durch Jesus, der in die­sem Zusam­men­hang den zwölf Apo­steln – nur Män­nern – die Füße wusch. Er wusch weder irgend­wem noch Ange­hö­ri­gen einer aus­ge­grenz­ten, ver­ach­te­ten oder dis­kri­mi­nier­ten Grup­pe die Füße. Für die brei­te Mas­se, han­delt es sich dabei um eine schö­ne Geste der Demut, wes­halb die Zulas­sung von Frau­en nur wie eine über­fäl­li­ge Maß­nah­me einer angeb­lich ohne­hin „frau­en­feind­li­chen“ und „exklu­si­ven“ Kir­che scheint.

Gefängniskaplan Pater Gaetano Greco
Gefäng­nis­ka­plan Pater Gaet­a­no Greco

Als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires wusch Jor­ge Mario Berg­o­glio bereits mehr­fach am Grün­don­ners­tag auch Frau­en und Mäd­chen die Füße. Als Papst ging er weit über das nun erlas­se­ne Dekret hin­aus und wusch auch Unge­tauf­ten die Füße. Davon fin­det sich in der neu­en Norm­set­zung aller­dings nichts. Das päpst­li­che Vor­bild bleibt jedoch und drängt zur Nach­ah­mung. Die Fuß­wa­schung als Sozialspektakel?

„Wie er es bereits in Buenos Aires getan hatte“

Vati­kan­spre­cher Feder­i­co Lom­bar­di schrieb nun dazu in der katho­li­schen Wochen­zeit­schrift Fami­glia Cri­stia­na:

„Die Frei­heit der Geste und die kon­kre­te Kör­per­lich­keit berühr­ten sofort und tief die Her­zen der Men­schen. In die­sem Sinn war die Mes­se vom Letz­ten Abend­mahl im Jugend­ge­fäng­nis von Casal del Mar­mo eine der ersten wich­ti­gen Erfah­run­gen, die ich per­sön­lich mach­te. Laut dem übli­chen lit­ur­gi­schen Brauch war vor­ge­se­hen, daß die Fuß­wa­schung nur an jun­gen Män­nern statt­fin­den sollte.
Ich erlaub­te mir dem Papst eine dis­kre­te Nach­richt über das Unbe­ha­gen der Jugend­li­chen und des Gefäng­nis­ka­plans zukom­men zu las­sen, und die Ant­wort erfolg­te fak­tisch sofort. Wie wir alle wis­sen, wusch er auch den Mäd­chen und den Mos­lems die Füße, wie er es bereits in Bue­nos Aires getan hatte…“

Vatikansprecher strickt an einer Legende

Laut Vati­kan­spre­cher Pater Lom­bar­di wur­de der Wunsch, daß auch den Mäd­chen, eine davon eine Moham­me­da­ne­rin, die Füße gewa­schen wer­den, vom Kaplan des Gefäng­nis­ses über Pater Lom­bar­di dem Papst zuge­lei­tet. Damit strickt der Vati­kan­spre­cher jedoch an einer Legende.

Es ist Usus in der Kir­che, daß ein Papst for­mal in der Regel auf Antrag ande­rer han­delt. Ein Bischof wird vom Papst mit Errei­chung der Alters­gren­ze eme­ri­tiert. Offi­zi­ell nimmt die­ser aber „nur“ das Rück­tritts­ge­such des betref­fen­den Bischofs an. Der Papst ent­läßt damit nicht, son­dern ent­bin­det auf Wunsch. Der Bischof ist aller­dings durch das Kir­chen­recht gezwun­gen, die­ses Rück­tritts­ge­such zu stellen.

Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di berich­te­te Tat­sa­chen jedoch unter Aus­las­sung eini­ger Details. Tat­sa­che ist, daß der Gefäng­nis­ka­plan, Pater Gaet­a­no Gre­co von einem Dritt­or­den der Kapu­zi­ner, offi­zi­ell den Wunsch äußer­te. Tat­sa­che ist aber auch, daß die ent­spre­chen­den Anwei­sun­gen vom Vati­kan kamen, ein­schließ­lich der Auf­for­de­rung, der Kaplan möge – auch im Namen der Jugend­straf­ge­fan­ge­nen – eine ent­spre­chen­de Bit­te äußern.

Pater Lom­bar­di bestä­tigt es indi­rekt in der Fami­glia Cri­stia­na: “Wie wir alle wis­sen, wusch er auch den Mäd­chen und den Mos­lems die Füße, wie er es bereits in Bue­nos Aires getan hat­te…“. Die Idee zur Geste war weder spon­tan noch ent­stand sie im Gefäng­nis. Jugend­li­che Gefan­ge­ne kämen nicht auf eine sol­che Idee.

Gefängniskaplan: „Religionen sind wichtig, doch wenn es um die menschliche Wirklichkeit geht…“

Bereits im Vor­feld des päpst­li­chen Besu­ches in Casal del Mar­mo rich­te­te sich, nach Wei­sung der vati­ka­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stel­len, alles auf die Fuß­wa­schung. Die Fuß­wa­schung wur­de zur zen­tra­len, der Welt ver­mit­tel­ten, „sozia­len, demü­ti­gen und huma­nen“ Geste, wie es bei TV2000, dem Fern­seh­sen­der der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz schon Tage vor dem Grün­don­ners­tag 2013 hieß. Am Vor­tag wur­de auch Gefäng­nis­ka­plan Gre­co in eine Sen­dung ein­ge­la­den. Die lit­ur­gi­sche Bedeu­tung der Fuß­wa­schung wur­de durch die­se Schwer­punkt­set­zung bewußt ver­zerrt, da die die weit bedeu­ten­de­re Ein­set­zung der bei­den Sakra­men­te über­gan­gen wurde.

In der Sen­dung von TV2000 wur­de der Akzent bereits dar­auf gelegt, daß auch Ange­hö­ri­gen ande­rer Reli­gio­nen die Füße gewa­schen wer­den sol­len. „Das ist sehr schön“, mein­te der Mode­ra­tor. Auf die Fra­ge, ob die zwölf Per­so­nen bereits aus­ge­wählt sei­en, ant­wor­te­te der Gefäng­nis­ka­plan: „Das fra­gen alle. Ich habe eine Liste zusam­men­ge­stellt, aber eine Letzt­ent­schei­dung ist noch nicht getroffen“.

Zur Fuß­wa­schung an Unge­tauf­ten sag­te sag­te Pater Gre­co wörtlich:

„Es schien mir von Anfang an gut, eine sol­che Hypo­the­se zu befür­wor­ten, gera­de wegen die­ses Gemein­schafts­sinns, den es zwi­schen allen Men­schen geben soll­te. Die Reli­gi­on ist daher wich­tig, doch wenn wir dann zur mensch­li­chen Wirk­lich­keit kom­men, den­ke ich, gibt es wich­ti­ge­re Dinge.“

„Natür­lich“, ant­wor­te­te der Mode­ra­tor des katho­li­schen Senders.

Pater Lombardi über die Wahl von Papst Franziskus: „Ich war einfach nur bestürzt“

In der Fami­glia Cri­stia­na erzähl­te Vati­kan­spre­cher Pater Lom­bar­di auch von sei­ner Reak­ti­on, als am 13. März 2013 die Wahl von Kar­di­nal Berg­o­glio bekannt­ge­ge­ben wurde:

„Als ich die Ankün­di­gung von Kar­di­nal Tauran von der Log­gia des Peters­doms hör­te, war ich sprach­los. Ich wuß­te, daß die Ankün­di­gung des Namens des neu­en Pap­stes mit bewe­gen wür­de, aber nicht in die­sem Aus­maß. Es war ein Jesu­it, ein Mit­bru­der von mir, aber ich kann­te ihn nicht, nur indi­rekt, abge­se­hen von einer ganz kur­zen Begeg­nung in den Tagen davor in den Gän­gen der Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen der Kar­di­nä­le vor dem Kon­kla­ve. Auch wenn sein Namen eini­ge Male unter den Papa­bi­li genannt wor­den war, hat­te ich ihn nie in Betracht gezo­gen, weil für einen Jesui­ten eine Ernen­nung zum Bischof oder Kar­di­nal, schon gar zum Papst, außer­halb des Vor­ge­se­he­nen liegt! Nach der Ankün­di­gung dach­te jeder, der sei­ne Nase in mein Büro steck­te, mich jubelnd vor­zu­fin­den, weil der Papst ein Mit­bru­der von mir ist. Doch sie waren von mei­ner Rat­lo­sig­keit erstaunt. Ich war weder glück­lich noch trau­rig dar­über. Ich war ein­fach nur bestürzt.“

Wei­ter sag­te Pater Lombardi:

„Ich war in mei­nem Büro im Pres­se­amt und im Kon­fe­renz­saal war­te­ten die Kol­le­gen auf mich und mei­nen ersten Kom­men­tar. Ich fühl­te mich sprach­los… Dann mach­te ich mir Mut und sag­te die bei­den Din­ge, die mir sofort klar waren und die ich mich fühl­te, als gro­ße Neu­ig­kei­ten her­vor­zu­he­ben: den Namen Fran­zis­kus – erst­mals – und die Tat­sa­che, daß er Latein­ame­ri­ka­ner ist. Einen Namen zu wäh­len, den bis­her noch nie­mand gewählt hat­te – und was für ein Name! – deu­te­te eine außer­or­dent­li­che Frei­heit, einen Mut und eine Klar­heit an. Arme, Bewah­rung der Schöp­fung, Frie­den, wie der Papst selbst weni­ge Tage spä­ter sagen soll­te. Die Her­kunft vom ‚Ende der Welt‘ brach­te natür­lich eine neue Per­spek­ti­ve mit sich, eine unter­schied­li­che Sicht­wei­se auf Situa­tio­nen und Fra­gen der Mensch­heit und der Kir­che in der Welt von heu­te, die sich bald Gehör ver­schaff­te. Mir scheint, mich nicht geirrt zu haben.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Dife­sa del Popolo/​MiL (Screen­shot)

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