(Rom) „Interviews sind nicht meine Stärke“, hatte Papst Franziskus am Beginn seines Pontifikats gesagt. Wie recht er doch damit hatte. Warum aber gibt er dann nur so viele Interviews? Das fragen sich seit der jüngsten fliegenden Pressekonferenz auf dem Rückflug von Mexiko nach Rom zahlreiche katholische Beobachter in ihren Kommentaren. Einige sind zu einem klaren Schluß gekommen und wagen ihn auch auszusprechen. Ihr Wunsch lautet: „Weniger Interviews, Eure Heiligkeit“.
Mit einer gewissen Wehmut wird daran gedacht, daß findige Anhänger in den ersten verwirrenden Monaten nach der Wahl von Papst Franziskus der Öffentlichkeit weismachten, Jorge Mario Bergoglio gebe keine Interviews. Interviews seien eine Kommunikationsform, die Franziskus wegen des improvisierten Charakters der Antworten nicht möge.
Die Illusion und der Rückflug vom Weltjugendtag
Beim Rückflug vom Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro wurde die katholische Welt eines besseren belehrt. Seither liegt der berühmt-berüchtigte Satz „Wer bin ich, um zu urteilen?“ als inoffizieller, doch authentischerer Wappenspruch lastend über diesem Pontifikat.
Im September desselben Jahres folgten die nicht minder umstrittenen Interviews mit der römischen Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica und die höchst sonderbaren Gespräche mit dem Atheisten Eugenio Scalfari. Seither gibt es bei jedem improvisierten Pressegespräch in luftiger Höhe päpstliche Ergüsse am Fließband. Damit änderte Franziskus die Kommunikationsform der Päpste, die bisher grundsätzlich auf Interviews verzichtet hatten. Mit gutem Grund, wie sie meinten.
Vergangene Woche reichte die Bandbreite von A wie Abtreibung bis Z wie Zika-Virus, von Johannes Paul II. bis Donald Trump, von Mauern bis Moskau.
Ein sich widersprechender Papst
Der Papst redet und widerspricht sich und widerspricht seinem eigenen Widersprechen und scheint es nicht einmal zu merken. Zu Letzterem gehen die Meinungen auseinander.
Wahrscheinlicher ist, daß er sehr genau weiß, was er sagt und bestimmte Reaktionen und Wirkungen in Rechnung stellt, bewußt erreichen will oder zumindest billigend in Kauf nimmt. Es scheint zwar zutreffend, daß er sein Reden auf den jeweiligen Gesprächspartner abstimmt, doch Zufall ist in den Aussagen nicht im Spiel.
Den nachträglichen Korrekturen, Semi-Korrekturen und Pseudo-Korrekturen durch Vatikansprecher Pater Federico Lombardi SJ fehlt es daher auch nicht an Tragik und Peinlichkeit. Häufig waren die nachgereichten Richtigstellungen bestenfalls halbherzige Widerrufe. Lombardi, der keinen direkten Zugang zum Papst genießt, vermittelte dabei mehrfach den Eindruck, etwas dementieren zu sollen, weil es der kirchlichen Lehre widerspricht, doch gehemmt darin zu sein, weil die Aussage ja tatsächlich der Meinung des Papstes entsprechen könnte oder nach einem Dementi Tonbandaufzeichnungen vorgelegt werden, die das Gegenteil beweisen. Eine fatale Situation.
Bekräftigung durch halbherzigen Widerruf
Der Eiertanz etwa rund um die unsäglichen Papst-Interviews des Atheisten Eugenio Scalfari dürfte kaum mehr überbietbar sein. Dafür wurde das Wort vom „Scalfari-Lehramt“ geprägt, das den Kern der Kapitulation in sich trägt.
Zuletzt dementierte Lombardi nur mehr informell, daß Franziskus Scalfari versichert habe, daß „alle wiederverheirateten Geschiedenen, die wollen, zur Kommunion zugelassen werden“. Gleichzeitig teilte Lombardi mit, daß es keine offizielle Richtigstellung geben werde. Ein Dementi das also keines war. Ohne Richtigstellung gilt das von Scalfari Behauptete. Die zwingende Schlußfolgerung: Papst Franziskus sagte es wirklich so, wie es Scalfari der Welt mitteilte.
Gleiches gilt für Scalfaris Papst-Interviews von 2013 und 2014, die sich heute fein säuberlich abgedruckt in einem Sammelband des offiziellen Vatikanverlags mit Papst-Interviews finden. Seither streiten sich die Theologen, ob und in welchem Grad Interviews Teil des ordentlichen päpstlichen Lehramtes sind.
Der Papst als Nebelwerfer
Rund um Papst Franziskus steigen Nebelschwaden auf und er selbst zündet besonders fleißig Nebelkerzen.
Der Vatikanist Sandro Magister zeigte diese päpstliche Vorgehensweise am Beispiel der Debatte um die Legalisierung der „Homo-Ehe“ in Italien auf: Der Papst redet und handelt und sendet Signale aus, die von der Welt prompt in einer gewissen, dem kirchliche Lehramt widersprechenden Weise verstanden und aufgegriffen werden. Gleichzeitig betätigen sich der Papst und seine Adlaten als Nebelwerfer, um die braven Katholiken in Verwirrung zu stürzen und damit am Nasenring zu führen.
Geradezu hohnhaft erklärte Papst Franziskus auf dem Rückflug von Mexiko in einem Atemzug, sich nicht in die politischen Angelegenheiten Italiens einzumischen, und mischte sich gleichzeitig in die politischen Angelegenheiten der USA ein.
Beide Male zielten die Aussagen punktgenau auf Zuspruch und Lob von derselben politischen Seite ab. In beiden Fällen griff der Papst die jeweilige Opposition gegen die regierende politische Linke an. In beiden Fällen bedeuteten die päpstlichen Aussagen eine politische Einmischung, in Italien durch die demonstrativ beteuerte Nichteinmischung, mit der er den katholischen Familien in den Rücken fiel, die sich mit bemerkenswertem Einsatz gegen die Legalisierung der „Homo-Ehe“ und die Gender-Ideologie wehren, in den USA durch die knüppeldicke Einmischung gegen den aussichtsreichsten Herausforderer gegen die seit acht Jahren bestimmende Linksregierung. Der exkommunikationsscheue Papst, der bisher nur die Mafia „exkommunizierte“, aber Gestalten, wie die nach eigenem Bekunden zehntausendfache Kindermörderin und Abtreibungs‑, Scheidungs‑, Gender- und Euthanasie-Verfechterin Emma Bonino als „Große“ bezeichnete und damit auf die selbe Stufe mit Papst Paul VI. stellte, exkommunizierte mit erstaunlicher Bedenkenlosigkeit den Presbyterianer und damit Nicht-Katholiken Donald Trump aus der Christenheit.
Politische Einseitigkeit wird dem Petrusamt nicht gerecht
Auch die politische Einseitigkeit, die der Papst wie ein Fahne vor sich herträgt, mag vielleicht seinem Amt als Staatsoberhaupt guttun, Italien ist der große Nachbar des Vatikanstaates, die USA sind die einzig verbliebene Weltmacht. Doch Regierungen wechseln und morgen schon könnte in Rom zwar ein Matteo regieren, aber nicht mehr Matteo Renzi von den Linksdemokraten, sondern Matteo Salvini von der Lega Nord. Und in den USA könnte morgen vielleicht Donald Trump im Weißen Haus sitzen. Ungeachtet dessen: Seinem Amt als Kirchenoberhaupt, als Nachfolger des Petrus und Stellvertreter Christi auf Erden tut es gewiß nicht gut. Die Entscheidungen und Aussagen des Papstes sollten allein seinem Auftrag verpflichtet sein, die Wahrheit zu verkünden und die Brüder zu stärken.
Aussagen und Handlungen müssen sich an ihren Folgen messen lassen. Welches Resümee kann zu nie dementierten Aussagen des Papstes über die Homosexualität, über die wiederverheirateten Geschiedenen, über die Interkommunion oder den Zika-Virus gezogen werden? Die Welt liest sie als Freibrief und die Katholiken streiten darüber, ob der Papst es schon so gemeint habe, wie er es gesagt habe. Die Einen marschieren entschlossen mit „päpstlichem Segen“ vorwärts und die anderen sind in Interpretationskonflikten gelähmt.
Die Papst-Interviews, die „im besten aller Fälle Verwirrung stiften“
Phil Lawler, der Chefredakteur von CatholicCulture fragte nach der jüngsten fliegenden Pressekonferenz: „Wie schädlich war das jüngste Papst-Interview? Laßt mich nachzählen“. Das „Nachzählen“ führte Lawler zu einem vernichtenden Urteil: Die vielen Worte des Papstes würden „im besten aller Fälle Verwirrung stiften“. Die Schlußfolgerung Lawlers:
„Die häufigen öffentlichen Interviews des Papstes und die unglückliche Liste unglücklicher Antworten sind zu einer vorhersehbaren Quelle von Verwirrung, Frustration und sogar Verlegenheit für die Gläubigen geworden.“
Daraus folgt seine dringende Empfehlung:
„Nachdenkliche katholische Verantwortungsträger sollten ihren Einfluß einsetzen, um den Heiligen Vater davon zu überzeugen, daß er Recht hatte [indem er früher einmal sagte, daß Interviews nicht seine Stärke seien] und daß er jetzt irrt, wenn er Interviews als regulären Teil seiner öffentlichen Amtsausübung einsetzt.“
Nicht anders sieht es der bekannte Vatikanist Edward Pentin vom New Catholic Register. Pentin fragt sich, ob die umstrittenen Interviews nicht ein zu hoher Preis sind, der zu zahlen ist, angesichts der Verwirrung, die dieser „informelle Stil“ stiftet „durch einen Papst, der kein Moraltheologe ist“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL