Philippinische Bischöfe als Musterschüler: Mit Papst Franziskus für Verhütung wegen Zika-Virus


Papst Franziskus Kinder Manila 1
Papst Franziskus mit Kindern in Manila 2015

(Mani­la) Die Bischö­fe der Phil­ip­pi­nen erwei­sen sich als „Klas­sen­be­ste in der Schu­le von Fran­zis­kus“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Vor einem Jahr setz­te es zum Papst-Besuch noch einen „römi­schen Tadel“. Die Bischö­fe schei­nen die Lek­ti­on ver­stan­den zu haben. Sie folg­ten nun als erste dem Vor­bild des Pap­stes und ermu­tig­ten die Gläu­bi­gen zum Gebrauch von Ver­hü­tungs­mit­teln „wenn die Umstän­de ein Über­den­ken des Ver­bots for­dern“. So hat­te es Papst Fran­zis­kus auf dem Rück­flug von Mexi­ko emp­foh­len, als er von Jour­na­li­sten zum Zika-Virus befragt wur­de. Und so haben es die auf Linie gebrach­ten phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe sofort aufgegriffen.

Zika-Virus und fiktive Mißbildungen bei Schwangerschaften

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Wäh­rend der impro­vi­sier­ten Pres­se­kon­fe­renz im Flug­zeug des Pap­stes hat­te die spa­ni­sche Jour­na­li­stin Palo­ma Gar­cia Ove­je­ro vom katho­li­schen Radio­sen­der COPE das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt auf den Zika-Virus ange­spro­chen. Unter schwan­ge­ren Frau­en in Latein­ame­ri­ka, aber auch in Euro­pa herrsch­te Beklem­mung. „Eini­ge Behör­den haben die Abtrei­bung vor­ge­schla­gen, ande­re die Ver­mei­dung von Schwan­ger­schaf­ten. Kann die Kir­che in die­sem Fall die Idee vom ‚klei­ne­ren Übel‘ akzeptieren?“

Zur Erin­ne­rung: Seit eini­gen Wochen behaup­ten UNO-Agen­tu­ren und Abtrei­bungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, daß der Zika-Virus bei schwan­ge­ren Frau­en zu Miß­bil­dun­gen bei ihren unge­bo­re­nen Kin­dern füh­re, wes­halb die latein­ame­ri­ka­ni­schen Staa­ten die Abtrei­bung lega­li­sie­ren soll­ten. Der Zika-Virus ver­ur­sacht grip­pe-ähn­li­che Sym­pto­me, ist an sich aber ver­gleichs­wei­se harm­los. Ein Zusam­men­hang mit ver­mehr­ter Mikro­ze­pha­lie bei Unge­bo­re­nen ist durch nichts bewie­sen. Lebens­rechts­grup­pen sehen hin­ter der medi­al befeu­er­ten Zika-Panik daher einen nie­der­träch­ti­gen Ver­such, die Staa­ten, in denen noch das Lebens­recht gilt und eine Tötung unge­bo­re­ner Kin­der nicht erlaubt ist, auf dem Not­stands­weg zur Lega­li­sie­rung der Abtrei­bung zu drängen.

Surreale Diskussion

Um so sur­rea­ler erscheint die Fra­ge­stel­lung und erst recht die Ant­wort des Pap­stes. Die­ser ging mit kei­nem Wort auf den Zika-Virus ein, son­dern nütz­te die Gele­gen­heit, auf eine „schwie­ri­ge Situa­ti­on“ im Afri­ka der 1960er Jah­re hin­zu­wei­sen, wo Papst Paul VI. katho­li­schen Ordens­frau­en den Gebrauch von Ver­hü­tungs­mit­teln erlaubt hät­te. In Wirk­lich­keit erteil­te Paul VI. nie eine sol­che Erlaub­nis. Papst Fran­zis­kus wur­de Opfer einer, in bestimm­ten katho­li­schen Krei­sen seit Jahr­zehn­ten ver­brei­te­ten Groß­stadt­le­gen­de. Abge­se­hen davon ging es im Bei­spiel um katho­li­sche Ordens­frau­en, die von syste­ma­ti­schen Ver­ge­wal­ti­gun­gen einer maro­die­ren­den Sol­da­tes­ka bedroht waren, und nicht um den ehe­li­chen Geschlechts­voll­zug, der Gegen­stand des kirch­li­chen Lehr­am­tes ist.

Die Medi­en ver­stan­den die päpst­li­che Aus­sa­ge als „Wen­de“ und als Abrücken vom Ver­hü­tungs­ver­bot der Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae von 1968. Das gleich­zei­tig von Fran­zis­kus bekräf­tig­te kate­go­ri­sche Nein zur Abtrei­bung ging dabei weit­ge­hend unter. Mit den Wor­ten Magisters:

„Fran­zis­kus hat durch sein Bei­spiel effek­tiv zu ver­ste­hen gege­ben, daß Aus­nah­men von der in Hum­a­nae vitae for­mu­lier­ten und vom Kate­chis­mus bekräf­ti­gen Ver­ur­tei­lung erlaubt sind.“

Was Fran­zis­kus zudem nicht selbst sag­te, haben seit­her ande­re für ihn und in sei­nem Namen gesagt. Am 19. Febru­ar stell­te Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ den Zusam­men­hang zwi­schen der Ver­hü­tungs­er­laub­nis und dem Zika-Virus her. „Die Wir­kung die­ser Papst-Wor­te und sei­nes Spre­chers auf die öffent­li­che Mei­nung war unmiß­ver­ständ­lich: Das Nein der Kir­che zu Ver­hü­tungs­mit­teln ist nicht mehr ein Dog­ma und es ist die Zeit gekom­men, Aus­nah­men zuzulassen.“

Die New York Times titel­te ohne Zögern: „Fran­zis­kus sagt, daß die Ver­hü­tung genützt wer­den kann, um Zika zu bekämpfen“.

Die Erklärung der philippinischen Bischöfe

Am 20. Febru­ar lie­fer­ten die phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe den Beweis dafür, wel­che Wir­kung die Wor­te von Papst Fran­zis­kus haben. Mit einer Erklä­rung an die Gläu­bi­gen, unter­schrie­ben von Erz­bi­schof Socra­tes B. Vil­le­gas von Lin­gay­en-Dagu­pan, dem Vor­sit­zen­den der Phil­ip­pi­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, ist die katho­li­sche Kir­che des süd­ost­asia­ti­schen Insel­ar­chi­pels die erste, die den Zika-Virus nützt, um die kirch­li­che Leh­re auf­zu­wei­chen. Die Bischö­fe des deut­schen Sprach­rau­mes haben das nicht nötig, da sie Hum­a­nae vitae in die­sem Punkt schon 1968 die Gefolg­schaft ver­wei­ger­ten und die­sen Unge­hor­sam, der seit­her auf der Kir­che die­ser Län­der lastet, nie zurück­ge­nom­men haben.

Die phil­ip­pi­ni­schen Erklä­rung trägt den Titel: „Wahr­heit mit Lie­be und Barm­her­zig­keit“. Die Bischö­fe beru­fen sich dar­in aus­drück­lich auf die Pres­se­kon­fe­renz von Fran­zis­kus auf dem Rück­flug von Mexiko.

„Wir haben Kennt­nis von der Pres­se­kon­fe­renz, die Papst Fran­zis­kus wäh­rend sei­ner Rück­kehr nach Rom nach sei­ner histo­ri­schen Rei­se nach Kuba und Mexi­ko gege­ben hat. Er wur­de zum Zika-Virus befragt und zur Mög­lich­keit, ob schwan­ge­re Frau­en, die von die­ser Krank­heit betrof­fen sind, abtrei­ben las­sen kön­nen. Der Hei­li­ge Vater war sehr klar und kom­pro­miß­los zum Übel der Abtrei­bung. Und wir, Eure Bischö­fe, wie­der­ho­len die Leh­re der Kir­che. Es zählt nicht, daß das Kind im Mut­ter­leib von einer Gebrech­lich­keit oder einer Miß­bil­dung betrof­fen sein könn­te, es kann nie erlaubt sein, dem mensch­li­chen Leben absicht­lich ein Ende zu set­zen. Es steht nicht uns zu, zu beur­tei­len, wer leben oder ster­ben soll!“

Dann kom­men die Bischö­fe auf die Ver­hü­tung zu sprechen:

„Dann hat er die Idee geäu­ßert, daß das Übel der Ver­hü­tung nicht von glei­cher Bedeu­tung ist wie das Übel der Abtrei­bung. Natür­lich ist das eine mora­lisch kor­rek­te Über­le­gung. Das Übel, eini­ge Pesos zu steh­len, kann nicht dem Übel einer Plün­de­rung gleich­ge­setzt wer­den. Der Papst hat kei­nes­wegs die Leh­re der Kir­che geän­dert, daß künst­li­che Ver­hü­tungs­mit­tel inak­zep­ta­bel sind. Er hat jedoch ange­mes­sener­wei­se die Auf­merk­sam­keit auf zwei wich­ti­ge mora­li­sche Vor­schrif­ten gelenkt. In erster Linie, daß es Umstän­de geben kann, die zu einem Über­den­ken des Urteils über die künst­li­chen Ver­hü­tungs­mit­tel auf­for­dern. Zwei­tens, daß dem Gewis­sen immer Gehör geschenkt wer­den muß, wobei jede Anstren­gung zu erbrin­gen ist, um das Gewis­sen ange­mes­sen zu bilden.
Die­se Posi­tio­nen sind in kei­ner Wei­se neu. Sie waren immer Teil der katho­li­schen Moral­theo­lo­gie und gehö­ren zum Schatz der Kir­che in der Ethik der Gesundheitspflege.“

Der Pri­mas von Peru und Erz­bi­schof von Lima, Kar­di­nal Cipria­ni Thor­ne, gab eine ganz ande­re Stel­lung­nah­me zum Zika-Virus ab, doch was wiegt ein Kar­di­nal im Ver­gleich zum Papst?

Die Hintergründe mit „römischem Tadel“

Römischer Tadel in Buchform von Pierre de Charentenay SJ
Römi­scher Tadel in Buch­form von Pierre de Cha­ren­ten­ay SJ

Erst seit zwei Jah­ren sind künst­li­che Ver­hü­tungs­mit­tel auf den Phil­ip­pi­nen erlaubt und wer­den seit­her vom Staat geför­dert. Die Bischö­fe hat­ten lan­ge und ener­gisch sich dem Gesetz zur „repro­duk­ti­ven Gesund­heit“ von Staats­prä­si­dent Noy­n­oy Aqui­no wider­setzt, auch nach des­sen Verabschiedung.

Doch unmit­tel­bar vor dem Papst-Besuch auf den Phil­ip­pi­nen im Janu­ar 2015 erschien ein Buch, her­aus­ge­ge­ben in Bel­gi­en, das die­sen Kampf der Bischö­fe scharf kri­ti­sier­te und als falsch ver­warf. Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di emp­fahl den Jour­na­li­sten, die den Papst bei sei­ner Rei­se beglei­te­ten, aus­ge­rech­net die­ses Buch zur Lektüre.

Autor des Buches ist der Jesu­it Pierre de Cha­ren­ten­ay, der bereits Lei­ter der Jesui­ten­hoch­schu­le Cent­re Sà¨vres von Paris und von 2004–2012 Schrift­lei­ter der fran­zö­si­schen Jesui­ten­zeit­schrift Étu­des war. Seit 2013 hat er als stän­di­ger Mit­ar­bei­ter der Civil­tà  Cat­to­li­ca den „Olymp“ der Jesui­ten­zeit­schrif­ten erklom­men. Die Civil­tà  Cat­to­li­ca erscheint mit vati­ka­ni­schem Impri­matur und wird von einem der eng­sten Papst-Ver­trau­ten, dem Jesui­ten Anto­nio Spa­da­ro geleitet.

De Cha­ren­ten­ay warf den phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fen vor, „rück­stän­dig“ zu sein, und das nicht nur was die Moder­ne anbe­langt, son­dern auch was die Wün­sche und For­de­run­gen von Papst Fran­zis­kus betref­fe. Der Jesu­it ver­ur­teil­te den Wider­stand der Bischö­fe gegen Regie­rungs­plä­ne zur Lega­li­sie­rung von Ver­hü­tung, Abtrei­bung, Schei­dung und „Homo-Ehe“. In Rom und in Mani­la ver­stand man das Buch als „römi­schen Tadel für die phil­ip­pi­ni­schen Bischö­fe“. Papst Fran­zis­kus fand wäh­rend sei­nes Phil­ip­pi­nen-Besu­ches ent­spre­chend auch kein Wort der Aner­ken­nung oder der Unter­stüt­zung für den Wider­stand der Bischöfe.

Karnickel und Bestnote

Auf dem Weg von Sri Lan­ka auf die Phil­ip­pi­nen ließ er das neben dem klei­nen Ost-Timor ein­zi­ge katho­li­sche Land Asi­ens wis­sen, daß man sich nicht „wie die Kar­nickel“ fort­pflan­zen sol­le. Wer Eins und Eins zusam­men­zäh­len kann, hat­te ver­stan­den, und die Bischö­fe kön­nen zählen.

„Heu­te, ein Jahr spä­ter, schei­nen die Bischö­fe die Lek­ti­on ver­stan­den und die Prü­fung über die Ver­hü­tungs­mit­tel mit Best­no­te bestan­den zu haben“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

„Die Pil­le ist geschluckt“ froh­lock­ten west­li­che Medi­en, als die Phil­ip­pi­nen 2013 Ver­hü­tungs­mit­tel erlaub­ten. Sie scheint inzwi­schen auch von den Bischö­fen „geschluckt“ wor­den zu sein – mit päpst­li­cher Nachhilfe.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo/vatican.va (Screen­shot)

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