(Kiew) Viele mit Rom unierte griechisch-katholische Ukrainer sehen in der Gemeinsamen Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill von Moskau vom 12. Februar auf Kuba einen „Verrat“. Nach dem ukrainischen griechisch-katholischen Großerzbischof von Kiew-Halytsch, der diese Stimmung seiner Gläubigen zum Ausdruck brachte, meldete sich nun auch der Apostolische Nuntius für die Ukraine zu Wort und forderte die katholischen Ukrainer auf, die Gemeinsame Erklärung einfach zu „vergessen“.
Funkenflug zwischen Kiew und Vatikan
Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk hatte bereits vor einem Jahr gegen die Rußland-Politik von Papst Franziskus und des Vatikans ausgesprochen, die er als zu nachgiebig gegenüber Moskau bezeichnete.
Im Widerspruch zur rußlandfreundlichen Haltung von Papst Franziskus äußerte sich auch der frühere Apostolische Nuntius für die Ukraine, der US-Amerikaner Thomas Gullickson. Seit November 2015 ist Erzbischof Claudio Gugerotti Nuntius in Kiew, ein Diplomat aus der Schule von Kardinal Achille Silvestrini und Experte für die Ostkirchen.
Gugerottis Aufgabe ist es, unter den katholischen Ukrainern, insgesamt rund 15 Prozent der Bevölkerung, davon vier Fünftel griechische Katholiken, die römische Linie verständlich zu machen und gleichzeitig unter Beweis zu stellen, daß Rom trotz Annäherung an Moskau an ihrer Seite steht.
So nahm der Nuntius bereits am vergangenen Samstag, gleich am Tag nach der Unterzeichnung in Havanna, zur Gemeinsamen Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill Stellung. Anlaß war der Abschluß des Jahres des geweihten Lebens. Während seiner Ansprache stand Großerzbischof Schewtschuk an seiner Seite und übersetzte den Nuntius teils kommentierend. „Die Mimik“, mit denen der Großerzbischof die „Worte begleitete, ist dabei bezeichnend“, so der Vatikanist Sandro Magister.
Beruhigungsversuche des Apostolischen Nuntius
Wörtlich sagte der Nuntius zu den griechisch-katholischen Ukrainern:
„Wie oft denken wir eine Sache und sagen ganz eine andere, sodaß wir die Barmherzigkeit Gottes brauchen, denn Gott kann die Herzen aller umwandeln. Wenn man nicht neue Schritte setzt, wird diese Menschheit alt, müde und unfähig, zu hoffen. Und wir haben sogar den Mut, das Tradition zu nennen. […]
Ich weiß, daß viele von Euch in diesen Tagen aus vielen Gründen, wegen vieler Interpretationen und vieler möglicher Verständnisformen, für das was geschehen ist, gelitten haben [Schewtuschuk: Der Papst und Patriarch Kyrill, damit wir uns verstehen]. Ja, ich habe mich auf sie bezogen.
Ich weiß, wie sehr dieses ukrainische Volk am eigenen Fleisch erleidet, nicht verstanden zu werden. Habt Geduld, wenn man nicht immer alles sagen kann, wie man es sagen möchte, weil man ‚kompromittieren‘ muß, um einen gemeinsamen Text zu erstellen. Seine Seligkeit weiß, wieviel Anstrengung dieser gemeinsame Text gekostet hat. [Schewtschuk: Zwischen dem Papst und Kyrill].
Aber der Großteil der Menschheit wird den Text bereits vergessen haben. Die Menschen werden sich an die Umarmung erinnern. Und die Umarmung ist eine heilige Sache. Ihr werdet sagen: ‚Aber auch Judas hat Jesus geküßt und verraten!‘
Wir sind alles kleine Verräter. Wir müssen Vertrauen haben, daß Gott imstande ist, auch aus unserem Elend Wunderbares zu machen.
Ich kann Euch nur soviel sagen: Am 22. Februar breche ich in jene Gegend auf, wo die Menschen leiden und werde fünf Tage dort bleiben. Das ist der Grund, weshalb mich der Papst hierhergeschickt hat: um mit den Menschen zu sein, die Leiden und um zu versuchen, ihnen in seinem Namen zu helfen.
Gerne überlasse ich es allen anderen, die Dokumente lesen und noch einmal lesen wollen, um alles zu finden, was sie finden wollen. Ich ziehe es vor, den Menschen die leiden in die Augen zu schauen und sie noch einmal zu umarmen.
Es wird erneut jemanden geben, der sagen wird, ich umarme sie, weil sich Proselytismus betreiben will. Das interessiert mich nicht. Der Herr schaut auf das Herz und schenkt die Gnade, die richtigen Gesten zu setzen.
Darum, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich Euch um ein besonderes Gebet um Trost für das ukrainische Volk, damit es immer und dennoch spürt, daß der Papst es nicht vergißt, daß der Papst es liebt und der Papst diesem Volk verbunden ist.
Was den ganzen Rest anbelangt, erinnern wir uns, was die Heilige Schrift sagt: ‚Die Gestalt dieser Welt vergeht‘. Die Politik vergeht und die Politiker vergehen, was bleibt, ist nur das Reich Gottes vor uns.“
Soweit die Rede des Apostolischen Nuntius, der faktisch die Ukrainer aufforderte, die Gemeinsame Erklärung von Havanna einfach zu „vergessen“. In dieselbe Richtung ging auch Papst Franziskus, kaum hatte er das Flugzeug bestiegen, das ihn von Kuba nach Mexiko brachte. Er betonte, daß es sich bei der Gemeinsamen Erklärung um einen rein „pastoralen“ Text hnadle, der in jedem Fall „unpolitisch“ sei.
„Eine Minimalisierung, die pünktlich von den Schreibern des päpstlichen Hofes, von Civiltà Cattolica bis Vatican Insider verstärkt wurde“, so Magister.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube (Screenshot)