Papst Franziskus und seine jesuitischen Wurzeln


Jesuitentreffen 1979 in Cochabamba (Bolivien) mit P. Jorge Mario Bergoglio und dem Generaloberen P. Pedro Arrupe
Jesuitentreffen 1979 in Cochabamba (Bolivien) mit P. Jorge Mario Bergoglio und dem Generaloberen P. Pedro Arrupe

Gast­kom­men­tar von End­re A. Bárdossy*

Anzei­ge

Hein­rich Den­zin­gers Quel­len­samm­lung Enchi­ri­d­ion Sym­bo­lorum et Defi­ni­ti­o­num ist seit 1854 ein all­seits bekann­tes Kom­pen­di­um der Glau­bens­be­kennt­nis­se und Lehr­ent­schei­dun­gen der Päp­ste und der Kon­zi­li­en. Eine klei­ne Lese­hil­fe möge zur Auf­fri­schung die­nen: En-cheir‑à­­di­on bedeu­tet alt­grie­chisch etwas auf der Hand lie­gen­des; es han­delt sich also um ein „Hand­buch“. Sym­bo­lus heißt „Kenn­zei­chen, Sinn­bild“; und Sym­bo­lum bedeu­tet im Kir­chen­la­tein „Glau­bens­be­kennt­nis“.

Latein als die Mut­ter­spra­che der Römisch-Katho­li­schen Kir­che ver­dient wie­der mehr Pfle­ge und Auf­merk­sam­keit von uns, sowohl im pracht­vol­len „Alten Ritus“ der Triden­ti­ni­schen Mes­se wie auch im „Dia­log“ mit der säku­la­ri­sier­ten Welt. Wir dür­fen die Prä­zi­si­on der soge­nann­ten toten Spra­chen – die sub­ku­tan in uns wei­ter­le­ben – nicht ver­ges­sen: Der Pla­to­ni­sche Diá­lo­gos heißt nicht Anbie­de­rung & Kapi­tu­la­ti­on, son­dern ein tap­fe­res Streit­ge­spräch.

Ein flüch­ti­ger Blick auf 44 Auf­la­gen in 160 Jah­ren ist ein über­zeu­gen­der Hin­weis auf die Unent­behr­lich­keit die­ser Antho­lo­gie (griech. Blü­ten­le­se) des katho­li­schen Glau­bens. Der Ari­ad­ne­fa­den der Tra­di­ti­on führt durch die Jahr­hun­der­te hin­durch im Spie­gel die­ses Werkes.

Auf­la­ge Jah­re Her­aus­ge­ber
1–5. 1854–1883 Hein­rich Denzinger
6–9. 1888–1900 Prof. Igna­ti­us Stahl
10–27. 1908–1951 Cle­mens Bann­wart SJ und

Johan­nes Bap­tist Umberg SJ

Erwei­tert 28–31. 1952–1957 Karl Rah­ner SJ
Über­ar­bei­tet 32–36. 1963–1976 Adolf Schön­met­zer SJ – „DS“
Latei­nisch mit dt.

Über­set­zun­gen 37–44.

Mit CD-Rom ab 42.

 

1991–2014

 

Prof. Peter Hüner­mann – „DH“

Im fol­gen­den Bei­trag soll ver­sucht wer­den, die Wur­zeln einer Ten­denz chro­no­lo­gisch frei­zu­le­gen, – spe­zi­fisch auf die Her­kunft von Jor­ge Mario Berg­o­glio bezo­gen, – die seit dem Zwei­ten Vati­ca­num die Leh­re der Römisch-Katho­li­schen Kir­che immer dra­sti­scher ver­wäs­sern. Hand in Hand damit haben wir uns von jener grund­le­gen­den Tra­di­ti­on ent­fernt, deren Inbe­griff und Fah­nen­trä­ger „Der Den­zin­ger“ bis zum heu­ti­gen Tage ist.

1962–1965: Vaticanum II

Der Umfang von Den­zin­gers erster Auf­la­ge (432 Sei­ten) ist durch neue Doku­men­te des Lehr­am­tes (1854–1957) auf etwa 700 Sei­ten her­an­ge­wach­sen. Mit dem Kon­zil stieg das Volu­men des Den­zin­gers noch­mals nahe­zu auf 1000 Sei­ten. Da in unse­rer post­kon­zi­lia­ren „Neu­zeit“ selbst die Neu­prie­ster der latei­ni­schen Amts‑, Lit­ur­gie- und Wis­sen­schafts­spra­che kaum mehr mäch­tig sind, hat Hüner­mann den Ori­gi­nal­do­ku­men­ten deut­sche Über­set­zun­gen ange­hef­tet. Damit ver­dop­pel­te sich das ohne­hin umfang­rei­che Werk auf etwa 1900 Seiten.

1965–1981: Generalat von P. Pedro Arrupe S.J.

Arru­pe war der ton­an­ge­ben­de Gene­ral­obe­re von damals, der sogar als Zwei­ter Ordens­grün­der, aber auch als Zer­stö­rer ein­ge­schätzt wurde.

Jesui­ten weltweit
1965:   36.038
1973:   29.436
2002:   21.061
2003:   20.403
2007:   19.216
2009:   18.516
2012:   17.637
2013:   17.287
2014:   16.968

Unter sei­nem Gene­ra­lat deser­tie­ren zahl­rei­che Jesui­ten in die latein­ame­ri­ka­ni­sche Befrei­ungs- und Volks­theo­lo­gie, ja sogar auf die Sei­te des sub­ver­si­ven Gue­ril­la­kriegs nach kuba­ni­schen Leit­bil­dern. Laut offi­zi­el­ler Sta­ti­stik des Ordens setz­te ein anhal­ten­der Mit­glie­der­schwund ein, wofür neben Apo­sta­sie vor allem die Über­al­te­rung und der feh­len­de Nach­wuchs ver­ant­wort­lich sind. Dass für einen katho­li­schen Orden aus einem agi­ta­to­ri­schen Links­trend wenig Anzie­hungs­kraft ent­strö­men kann, ist im Grun­de genom­men auch sehr verständlich.

Priesterweihe von Jorge Mario Bergoglio im Dezember 1969 in Buenos Aires
Prie­ster­wei­he von Jor­ge Mario Berg­o­glio (roter Kreis) im Dezem­ber 1969 in Bue­nos Aires

1973: Der unbe­kann­te Jor­ge Mario Berg­o­glio wird mit 37 Jah­ren – und ledig­lich nach 15 jäh­ri­ger Ordens­zu­ge­hö­rig­keit – ziem­lich „jung“ Pater Pro­vin­zi­al in sei­ner argen­ti­ni­schen Hei­mat. In jenen zuneh­mend trü­ben Zei­ten war er ein Adept des Pero­nis­mus. Damals war Argen­ti­ni­en vom hohen Kle­rus (wie Anto­nio Quar­ra­ci­no, Raúl Fran­cis­co Pri­ma­te­sta) ange­fan­gen bis zum ein­fa­chen Volk durch und durch von Peróns ideo­lo­gisch gemä­ßig­ter Dem­ago­gie begei­stert: „Weder Yan­kees noch Kom­mu­ni­sten“ war das pro­phe­ti­sche Losungs­wort des Gene­rals Juan Dom­in­go Perón. Vor den 70er Jah­ren blieb sei­ne rechts ste­hen­de, eher nur ver­bal dahin dekla­mie­ren­de Gewerk­schafts­be­we­gung, wie durch ein Wun­der, von mar­xi­sti­scher Infil­tra­ti­on ver­schont. „Sozia­le Gerech­tig­keit“ war das gefühls­mä­ßig ver­bin­den­de, aber inhalts­lee­re Schlag­wort zwi­schen der Kir­che und Peróns rede­ge­wal­ti­ger Politik.

Anfangs der 70er Jah­re misch­te sich den inne­ren Que­re­len des Pero­nis­mus eine kom­mu­ni­stisch inspi­rier­te, vom kuba­ni­schen Revo­lu­ti­ons­füh­rer Fidel Castro und dem inter­na­tio­na­len Sozia­lis­mus mäch­tig geför­der­te kon­ti­nen­tal­wei­te Unter­wan­de­rung bei.

An einem denk­wür­di­gen 11. Sep­tem­ber 1973 sah sich das Mili­tär in Chi­le unter dem Gene­ral Augu­sto Pino­chet – Gott und dem Vater­land ver­pflich­tet – gezwun­gen, gegen die „Kuba­ni­sie­rung“ des Lan­des durch den Alt­so­zia­li­sten Sal­va­dor Allen­de mit den Waf­fen zu inter­ve­nie­ren. Gene­ral Augu­sto Pino­chet regier­te bis 1990 mit eiser­ner Hand gegen den Kommunismus.

1974: Als im Juli die­ses Jah­res der mehr­fach wie­der­ge­wähl­te, popu­lä­re Gene­ral Perón starb, waren damit die letz­ten, schüt­zen­den Schleu­sen gegen die Sint­flut von Links­au­ßen auch in Argen­ti­ni­en geöffnet.

1974–1975: Sogar in der 32. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on des welt­wei­ten Jesui­ten­or­dens voll­zog sich eine radi­ka­le Keh­re nach links. Berg­o­glio war einer der zahl­rei­chen Teil­neh­mer an die­ser Kon­gre­ga­ti­on, aller­dings ohne auf­zu­fal­len. Als über­zeug­ter, auf­rech­ter Pero­nist war er ver­mut­lich noch fern von einer Umkehr posi­tio­niert – aber vom Links­rutsch sei­ner Mit­brü­der sicher nicht unbeeindruckt.

Obwohl Karl Rah­ner in sei­nen jun­gen, vor­kon­zi­lia­ren Jah­ren ein Den­zin­ger-Her­aus­ge­ber war, äußer­te er sich spä­ter oft abfäl­lig über die soge­nann­ten „Den­zin­ger-Katho­li­ken“. Sei­ne Kehrt­wen­dung hängt sicher­lich mit dem säku­la­ri­sier­ten „Kon­zils­geist“ zusam­men, der ein Jahr­zehnt nach dem II. Vati­ca­num auch im Jesui­ten­or­den zum Durch­bruch kam.

1976: Anfangs ließ der Militärputsch in Argentinien viele Menschen aufatmen

Gene­ral Jor­ge Rafa­el Vide­la erhob sich gegen die regie­rungs­un­fä­hi­ge Prä­si­den­ten­wit­we Isa­bel Martà­nez de Perón, die wie ein pein­lich wir­ken­des „dum­mes Gan­serl“ nicht imstan­de war, das von ihrem ver­stor­be­nen Gemahl (1974) geerb­te Amt des Staats­ober­haup­tes aus­zu­üben. Für die staats­tra­gen­de Pero­ni­sti­sche Par­tei war die Gefahr des kom­mu­ni­sti­schen Umstur­zes durch links-pero­ni­sti­sche Mon­tone­r­os sowie durch die mar­xi­sti­sche Volks­ar­mee (Ejérci­to Revo­lu­cio­na­rio del Pue­blo /​ ERP) eine bein­har­te, aku­te Rea­li­tät gewor­den. Die­se genos­sen Applaus und vol­le Unter­stüt­zung der Sozia­li­sten aus aller Welt.

Anfangs gab es eine natür­li­che und zumin­dest gefühls­mä­ßi­ge Alli­anz aus Mili­tär, rech­ten Gewerk­schaf­ten und Kir­che für den „Pro­ce­so de Reor­ga­ni­zación Nacio­nal“, wie es offi­zi­ell hieß. Am Anfang flo­gen dem von der Pres­se als „kor­rekt, höf­lich und bei­na­he puri­ta­nisch“ beschrie­be­nen Gene­ral Vide­la im bür­ger­li­chen Lager durch­aus Sym­pa­thien zu. In die­sem an und für sich wün­schens­wer­ten Pro­zess gab es aber bedau­er­li­cher­wei­se kei­ne gei­sti­ge Füh­rung, auch sei­tens der argen­ti­ni­schen Kir­che nicht, son­dern eine mehr oder weni­ger will­kür­li­che Herr­schaft von bru­ta­len Offi­zie­ren, die der Kor­rup­ti­on auch nicht abhold waren.

1978: Hin­ter den Kulis­sen einer tri­um­pha­len Fuß­ball-Welt­mei­ster­schaft ent­fach­te ein erbar­mungs­lo­ser Kampf. Die Ter­ror­ak­te der Sub­ver­si­on wur­den mit mili­tä­ri­scher Här­te, aber auch mit unver­hält­nis­mä­ßi­gen Kriegs­ver­bre­chen ver­gol­ten. Vide­la – als Chef der Jun­ta mit allen Voll­mach­ten aus­ge­stat­tet – war nicht in der Lage, den von sei­nen Kom­man­dan­ten ver­üb­ten „Ter­ror gegen den Ter­ror“ in Gren­zen zu halten.

Wirtschaft: Allende und Pinochet im Vergleich
Wirt­schafts­po­li­tik: Allen­de und Pino­chet im Vergleich

Im Gegen­satz zu Chi­le, das unter Pino­chet ein mode­ra­tes „Wirt­schafts­wun­der“ erleb­te, war in Argen­ti­ni­en die Abwehr des Kom­mu­nis­mus von einer wirt­schaft­li­chen Dau­er­kri­se über­schat­tet. In Chi­le wur­de die Füh­rung in Ban­ken und Schalt­stel­len der Wirt­schaft von einer jun­gen, kom­pe­ten­ten Gene­ra­ti­on der soge­nann­ten „Chi­ka­go Boys“ über­nom­men, die ihre Stu­di­en an den päpst­li­chen Uni­ver­si­tä­ten des Lan­des absol­viert und an der Uni­ver­si­tät von Chi­ka­go bei Fried­rich August von Hay­ek und Mil­ton Fried­man pro­mo­viert hat­ten, wäh­rend­des­sen José Martà­nez de Hoz, der Wirt­schafts­mi­ni­ster Vide­las, ein unpro­fes­sio­nel­ler Dilet­tant war. In Argen­ti­ni­en fun­gier­te über 30 Jah­re lang die astro­no­mi­sche Infla­ti­on – in den 70er und 80er Jah­ren sogar weit über 1000 Pro­zent jähr­lich – als Ersatz für die feh­len­den Staats­ein­nah­men, was den wirt­schaft­li­chen Nie­der­gang des Lan­des defi­ni­tiv besie­gel­te. Die Struk­tu­ren der Pro­duk­ti­vi­tät sind lang­fri­stig bis heu­te ruiniert.

1978: Wahl von Papst Johannes Paul II.

1979: Der unbe­lieb­te, umstrit­te­ne, auto­ri­tä­re Pater Pro­vin­zi­al Berg­o­glio wur­de von sei­nen Ordens­brü­dern abge­löst. Er ver­schwand aus der Öffent­lich­keit und tauch­te in die Anony­mi­tät einer erstaun­lich lan­gen Zeit­span­ne (1979–1992) unter. Was ist in die­ser Zeit gesche­hen? Nach der Dar­stel­lung von Ste­fan Kiech­le, dem der­zei­ti­gen Pater Pro­vin­zi­al der Deut­schen Pro­vinz des Jesui­ten­or­dens (cf. Gren­zen über­schrei­ten, Ech­ter Ver­lag, Würz­burg 2015): „Gott hat ihn ver­än­dert…“. Oder hat ihn der Orden von der rech­ten auf die lin­ke Sei­te umgepolt?

1980: Am 6. Janu­ar wur­de der am 29. Dezem­ber des Vor­jah­res zum Erz­bi­schof von Mai­land ernann­te Jesu­it Car­lo Maria Mar­ti­ni geweiht und inthronisiert.

Generaloberer P. Pedro Arrupe (rechts) mit P. Jorge Mario Bergoglio (1973)
Gene­ral­obe­rer P. Pedro Arru­pe (rechts) mit P. Jor­ge Mario Berg­o­glio (1973)

1981–1983: Papst Johan­nes Paul II. ord­ne­te eine kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung des gesam­ten Jesui­ten­or­dens an, womit Arru­pe und ein von ihm bereits desi­gnier­ter Nach­fol­ger schließ­lich und end­lich ent­mach­tet wur­den. Aber der rebel­li­sche Orden ver­steck­te sich als­dann schweig­sam bis halb­laut im kirch­li­chen „Unter­grund“, in der „Sozi­al­ar­beit“, an „Uni­ver­si­tä­ten in Über­see“ wie in Argen­ti­ni­en, Zen­tral­ame­ri­ka und Japan, weit weg vom „bösen“ Vatikan.

Die päpst­li­che Maß­re­ge­lung von Arru­pe war ein leich­tes und gerech­tes Ver­fah­ren. Nach­dem er einen schwe­ren Schlag­an­fall und eine halb­sei­ti­ge Läh­mung erlitt, war er noch 10 Jah­re lang bis zum Lebens­en­de (1981–1991) ohne­hin regierungsunfähig.

1983: Mai­lands Erz­bi­schof Mar­ti­ni wird vom Papst in das Kar­di­nals­kol­le­gi­um auf­ge­nom­men. Setz­te Johan­nes Paul damit eine ver­söhn­li­che Geste oder ein Zei­chen der Schwä­che dem Orden gegen­über? Als­dann schar­te sich die pro­gres­si­ve, intel­lek­tu­el­le 68er-Schicke­ria vor­zugs­wei­se in der Umge­bung des neu­en Jesui­ten­kar­di­nals. Die­ser pol­ter­te als „Ante-Papst“ in der brei­ten Öffent­lich­keit und war­te­te sprung­be­reit auf das näch­ste Kon­kla­ve. Johan­nes Paul II regier­te jedoch „zu lang“ und Mar­ti­ni wur­de „zu krank“, sodass der Hei­li­ge Geist ihn doch nie ernst­haft für die Papst­wür­de aus­er­ko­ren hat.

1983: In Argen­ti­ni­en trat nach dem ver­lo­re­nen Falk­land­krieg (1982) die letz­te Mili­tär­jun­ta zurück. Es war der Beginn der unrühm­li­chen Regie­rungs­zeit des demo­kra­tisch gewähl­ten Raúl Alfonsà­n vom sozia­li­sti­schen Flü­gel der soge­nann­ten „Radi­ka­len Par­tei“. Nach einem Wäh­rungs- und rei­nem Namens­wech­sel von 1000 „Peso Argen­ti­no“ zu einem neu­en „Austral“ trieb der neue Wirt­schafts­mi­ni­ster der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Regie­rung Juan Vital Sor­rouil­le die übli­che Infla­ti­on wie­der bis auf die abso­lu­te Spit­ze von 30 Pro­zent pro Monat. Sobald die­ser akku­mu­lier­te Grenz­wert ((1+0,30)^12–1)*100 = 2229,8 % im Jah­res­schnitt erreicht war, lösten sich alle Märk­te im Cha­os auf – und die Gesell­schaft ver­setz­te sich in den Reiz­zu­stand der Rebellion.

1986: Zwecks Dis­ser­ta­ti­on, angeb­lich über den Reli­gi­ons­phi­lo­so­phen und Dog­ma­ti­ker Roma­no Guar­di­ni (1885–1968), tauch­te der bereits fünf­zig­jäh­ri­ge Berg­o­glio kurz auf, als er sich auf den Weg nach Frank­furt in die Jesui­ten­hoch­schu­le begab, um sie unver­rich­te­ter Din­ge nach eini­gen Wochen wie­der zu ver­las­sen. Wahr­schein­lich hat­te er ein­ge­se­hen, dass die­se Auf­ga­be für ihn eini­ge Num­mern zu groß war. Eine Dis­ser­ta­ti­on ist Vor­aus­set­zung für eine aka­de­mi­sche Lauf­bahn und die Ernen­nung zum Bischof.

1990: Auch in Chi­le wur­de die Mili­tär­re­gie­rung durch fried­li­che Wah­len zurück­ge­drängt. In Argen­ti­ni­en unter dem tri­um­phal gewähl­ten Prä­si­den­ten Car­los Saúl Menem, einem Dis­si­den­ten aus dem klas­si­schen Pero­nis­mus, und sei­nem Mini­ster Dom­in­go Cavallo kam es zum abrup­ten Ende der Hyper­in­fla­ti­on dank einer geni­al aus­ge­dach­ten Peso-Dol­lar-Pari­tät 1:1. Die­se wur­de nicht durch die dar­nie­der­lie­gen­de Wirt­schafts­kraft des Lan­des ermög­licht, son­dern durch die Pri­va­ti­sie­rung der maro­den Staats­be­trie­be finan­ziert. Die neu­en, kräf­ti­gen Inve­sto­ren kamen aus dem Aus­land, vor allem aus Spanien.

Eine wei­ter­ge­hen­de Ana­ly­se der Ursa­chen dafür, war­um auch das Jahr­zehnt der 90er Jah­re schief ver­lief, wür­de zei­gen, dass ab 1995 nach dem Abflau­en des wirt­schafts­tö­ten­den Infla­ti­ons­fie­bers eine vor­sich­tig aus­ba­lan­cier­te Abwer­tung nötig gewe­sen wäre. Die Ein­künf­te aus der Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le waren bald ver­flos­sen und für die wei­te­re Erhal­tung der Peso-Dol­lar-Pari­tät sprang die Aus­lands­ver­schul­dung ein – so wie bei uns in Grie­chen­land. In einem kom­ple­xen wirtschafts‑, innen- und welt­po­li­ti­schen Umfeld wur­den die Ban­ken und die Regie­rung Menem durch den Inter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds „geret­tet…“

Jorge Mario Bergoglios rapider Aufstieg

1992: Berg­o­glio wur­de urplötz­lich Weih­bi­schof von Bue­nos Aires. Sobald der nach wie vor unbe­kann­te, – sagen wir mal so – erfolg­lo­se Jesui­ten­pro­vin­zi­al Jor­ge Mario Berg­o­glio in das Erz­bi­schöf­li­che Palais von Bue­nos Aires gehievt wor­den war, gelang­te er sehr rapi­de auf­wärts. Aus­ge­rech­net als fünf wirt­schaft­lich schwung­vol­le bis viel­ver­spre­chen­de Jah­re (1900–1995) ins Land ein­kehr­ten, kehr­te er sei­ne gehar­nisch­ten Hass­ge­füh­le gegen die „neo­li­be­ra­le“ Markt­wirt­schaft her­vor. Er schloss sich immer lau­ter dem pro­gres­siv­sten, mehr Illu­sio­nen als rea­len Erfolg ver­spre­chen­den Haupt­strom deren an, die stets an der jüng­sten Ver­gan­gen­heit „basteln“, aber für den Auf­bau der Gegen­wart und Zukunft bar jeder brauch­ba­ren Idee herumstehen.

Ob Berg­o­glio ins­ge­heim tüch­ti­ger gewor­den war oder gescho­ben wur­de, bleibt ein Rät­sel sei­ner ungewöhn­lichen Kar­rie­re. Jeden­falls wur­de er erst im nach­hin­ein ein rigo­ro­ser Kri­ti­ker des Gewe­se­nen und ein inkom­pe­ten­ter Bes­ser­wis­ser in wirt­schaft­li­chen Fach­fra­gen. Denn zur histo­risch rech­ten Zeit, am histo­risch rech­ten Ort ver­laut­bar­te er kein lau­tes Wort gegen die Miss­wirt­schaft der Mili­tär­dik­ta­tur. Er hat sich mit ideo­lo­gi­schen Äuße­run­gen lan­ge zurück­ge­hal­ten, sich wenig kom­pro­mit­tiert, und war ein treu­er Die­ner für sei­nen betag­ten Chef Quar­ra­ci­no, der ganz und gar im „Justi­cia­lis­mo“ und damit in der Ver­gan­gen­heit enga­giert war. Justi­cia­lis­mo ist ein argen­ti­ni­sches Syn­onym für den rech­ten Pero­nis­mus.

Bezüg­lich einer boh­ren­den Rät­sel­fra­ge kann ich nur wie­der­ho­len, dass in Berg­o­gli­os Cur­ri­cu­lum zwi­schen sei­ner Abwahl als „unbe­kann­ter, jun­ger, erfolg­lo­ser Pater Pro­vin­zi­al“ (1979) und sei­ner urplötz­li­chen, kome­ten­haf­ti­gen Erschei­nung als „Weih­bi­schof auf siche­rem Posten“ (1992) eine gäh­nen­de Lücke besteht.

In Bue­nos Aires Weih­bi­schof zu sein, näm­lich in der Haupt­stadt und somit in der wich­tig­sten Erz­diö­ze­se des Lan­des, war der Königs­weg, der nach inner­kirch­li­chem „Brauch und Sit­te“ unwei­ger­lich zur Kar­di­nals­wür­de und zu einem „mög­li­chen“ Thron­an­wär­ter auf das Papst­tum füh­ren muss­te. Als sich der unschein­ba­re Berg­o­glio in Frank­furt ver­geb­lich um ein Dok­to­rat bemüh­te, waren ver­mut­lich sei­ne Ordens­obe­ren auf ihn auf­merk­sam gewor­den. Mei­ne Arbeits­hy­po­the­se besagt, dass es dem umtrie­bi­gen Jesui­ten­kar­di­nal Car­lo Maria Mar­ti­ni und dem oppo­si­tio­nel­len, „pro­gres­si­stisch“ ein­ge­stell­ten gesam­ten Orden sicher­lich nicht schwer gefal­len war, in Berg­o­glio einen idea­len Spit­zen­kan­di­dat für die Palast­re­vo­lu­ti­on zu entdecken.

2001: Papst Johannes Paul II. erhebt Erzbischof Bergoglio (Buenos Aires) zum Kardinal
2001: Papst Johan­nes Paul II. erhebt Erz­bi­schof Berg­o­glio (Bue­nos Aires) zum Kardinal

1997: Also haben sie ihn als künf­ti­gen Koad­ju­tor mit Nach­fol­ge­recht auf das Amt des Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires auf­ge­baut. Dem altern­den, ahnungs­lo­sen Quar­ra­ci­no ver­ur­sach­te Berg­o­glio ganz bestimmt kein Unbe­ha­gen, da bei­den der gute Ruf von „auf­rech­ten, rech­ten“ Pero­ni­sten zuge­schrie­ben war.

1998: Nach dem Able­ben von Erz­bi­schof Quar­ra­ci­no wur­de Berg­o­glio in der Tat auto­ma­tisch sein Nach­fol­ger als Erz­bi­schof und Pri­mas von Argentinien.

2001: Kurz dar­auf wur­de er eo ipso auch Kardinal.

Als Zwi­schen­bi­lanz kann gesagt wer­den, dass ab 1990  die poli­ti­sche Lage in Argen­ti­ni­en ganz und gar nicht „schwie­rig, chao­tisch oder undurch­sich­tig“ war. Im Gegen­teil die sozia­le Stim­mung im Lan­de war sehr viel­ver­spre­chend, da nach der kata­stro­phal ver­sa­gen­den Regie­rung des Sozi­al­de­mo­kra­ten Raúl Alfonsà­n (1983–1989) in der Per­son von Car­los S. Menem ein „wasch­ech­ter“ Pero­nist an die Rei­he kam, der wäh­rend der Mili­tär­re­gie­rung sogar zeit­wei­lig ein­ge­sperrt war. Er ver­stand vom Wirt­schaf­ten zwar gar nichts, aber er erwähl­te einen geschei­ten, ener­gi­schen Wirt­schafts­mi­ni­ster. Nach zwei Jah­ren erfolg­rei­cher Wirt­schafts­po­li­tik (1990–1992) ent­pupp­te sich Menem als Dis­si­dent aus den „klas­si­schen“ Kli­schees des alt­vä­ter­li­chen Pero­nis­mus, was für Erz­bi­schof Quar­ra­ci­no und sei­nen Weih­bi­schof Berg­o­glio als ein „neo­li­be­ra­ler“ Unfug und Ver­rat vor­kom­men muss­te. Prä­si­dent Menem hat­te den län­ge­ren Atem und wur­de 1995 tri­um­phal wie­der­ge­wählt, es ging aber bis Ende des Jahr­zehnts berg­ab mit ihm, da er vie­le Feh­ler beging und er ver­lor die Wah­len gegen Fer­nan­do de la Rúa von der oppo­si­tio­nel­len „Radi­ka­len Par­tei“, der nur vor­über­ge­hend vom 10. Dezem­ber 1999 bis zum 21. Dezem­ber 2001 Prä­si­dent von Argen­ti­ni­en war. Er wur­de von den „hemd­lo­sen“ Pero­ni­sten (d. h. von der Plebs der Vor­städ­te) in der vor­weih­nacht­li­chen Hit­ze gestürzt. Bue­nos Aires war in Flam­men, die Super­märk­te wur­den geplün­dert. Der ehe­ma­li­ge Vize­prä­si­dent von Car­los S. Menem und aktu­ell regie­ren­der Lan­des­haupt­mann von Bue­nos Aires, Edu­ar­do Duhal­de, war der anfüh­ren­de Caudillo.

2002: Im tota­len Cha­os gab es in Argen­ti­ni­en in der ersten Janu­ar-Woche zu vie­le Prä­si­den­ten nach­ein­an­der: Ramón Puer­ta, Adol­fo Rodrà­guez Saá, Edu­ar­do Cama­ño… Schließ­lich riss Edu­ar­do Duhal­de die Mehr­heit des Kon­gres­ses hin­ter sich, und als star­ker Mann der Stun­de über­gab er die Macht an Néstor Kirch­ner (2002–2007). Kar­di­nal Berg­o­glio konn­te sich nach dem Rum­mel unge­niert als Ver­bün­de­ter des Kirch­ne­ris­mus entfalten.

2005: Wahl von Papst Benedikt XVI.

Unter dem pol­ni­schen „Phi­lo­so­phen­papst“ Karol Woj­ty­la war Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger der stand­haf­te Prä­fekt der Römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re. In sei­ner prä­zi­sen Erklä­rung „Domi­nus Iesus“ (2000) bezog er sich 17 Mal aus­drück­lich auf den Den­zin­ger. Als Nach­fol­ger ist er sel­ber ein begna­de­ter „Theo­lo­gen­papst“ gewor­den, der nach geziel­ten Kon­spi­ra­tio­nen und man­geln­der Loya­li­tät sei­tens der Mar­ti­ni-Par­tei und der soge­nann­ten „Mafia“ von Sankt Gal­len (God­fried Dan­neels, Wal­ter Kas­per u. a. m.) das Petrus­amt im Alter von 86 Jah­ren ver­las­sen hat. Die Eti­ket­tie­rung „Mafia“ ist in die­sem Kon­text kein Schimpf­wort von drit­ter Sei­te, da es von Kar­di­nal Dan­neels sel­ber mit „Gal­gen­hu­mor“ ins Gespräch gebracht wor­den ist.

Allem Anschein nach war es in den 27 Regie­rungs­jah­ren von Johan­nes Paul II. der fol­gen­schwer­ste Faux­pas, Berg­o­glio die Kar­di­nals­wür­de zu ver­lei­hen. Die­ser Kar­di­nals­hut zog also unge­ahn­te Kon­se­quen­zen nach sich, da sein Amts­in­ha­ber als Thron­an­wär­ter aus dem Kon­kla­ve 2005 zwar mit einem lee­ren Korb, aus dem Kon­kla­ve 2013 jedoch als Sie­ger her­vor­ging. Berg­o­glio ist seit­dem uner­müd­lich dabei, die von Karl Rah­ner ange­zet­tel­te, von Pedro Arru­pe, dem soge­nann­ten „Schwar­zen Papst“ ange­führ­te und von Car­lo Maria Mar­ti­ni und God­fried Dan­neels patro­ni­sier­te Palast­re­vo­lu­ti­on rück­sichts­los gegen die Tra­di­ti­on durch­zu­zie­hen. Der Staats­streich im Vati­kan war offen­bar an den regie­ren­den Päp­sten Johan­nes Paul und Bene­dikt vor­bei von lan­ger Hand geplant gewesen.

Berg­o­glio hat sich erst lang­sam – nicht bevor er die Kar­di­nals­wür­de erhielt – voll­stän­dig „geoutet“ und blieb für eine lan­ge Zeit ein unbe­schrie­be­nes (oder nur ein wenig auf­fäl­li­ges) Blatt im Hin­ter­grund. Erst gegen Bene­dikt bezog er eine unver­bräm­te, feind­li­che Stel­lung. Sei­ne Beför­de­rung dürf­te eine undurch­sich­ti­ge Heim­zah­lung gewe­sen sein, die syste­ma­tisch von sei­nem Orden auf­ge­baut wur­de, der bis heu­te nicht ver­win­den kann, dass Arru­pe abge­setzt und die mar­xi­stisch-links­la­sti­ge „Theo­lo­gie der Befrei­ung“ von den bei­den Päp­sten Johan­nes Paul und Bene­dikt abge­kan­zelt wor­den war.

2006: Bene­dikts Regens­bur­ger Vor­le­sung wur­de von Berg­o­glio brüsk und demon­stra­tiv vor aller Welt abge­lehnt. Um die vati­ka­ni­sche Befrem­dung dar­über zu glät­ten und den from­men Schein zu wah­ren, ent­ließ er Guil­ler­mo Mar­có, sei­nen dama­li­gen Pres­se­spre­cher als Sün­den­bock, der heu­te jedoch im „Video vom Papst 2016“ einer der Dar­stel­ler ist.

Aber ein Jesui­ten­kar­di­nal und Erz­bi­schof wie Mar­ti­ni oder Berg­o­glio – mit einem mili­tan­ten Orden hin­ter sich – gal­ten prak­tisch als prag­ma­ti­sier­te Beam­te auf höch­ster Ebe­ne, die bei­na­he so unab­setz­bar, unver­setz­bar und unan­greif­bar waren wie der Papst sel­ber. Ein­mal so hoch ange­kom­men, konn­te also Berg­o­glio frei­hän­dig obstru­ie­ren, zunächst ein­mal in sei­ner Hei­mat als Ver­bün­de­ter des links­lin­ken Kirchner-Regimes.

2007–2015: Nach dem frü­hen Herz­tod Néstor Kirch­ners kam sei­ne Ehe­frau ins Prä­si­den­ten­amt. Das „Prä­si­den­ten-Ehe­paar“ Kirch­ner gehör­te bekannt­lich in sei­nen Stu­den­ten­jah­ren zur revo­lu­tio­nä­ren Jugend, als Berg­o­glio noch ein „pro­vin­zi­el­ler“ Pater Pro­vin­zi­al war.

2013: Bergoglios Wahl zum Papst

Fran­zis­kus hat mit sei­nen Säu­be­run­gen bereits mehr­mals vor­ex­er­ziert, dass ein unbot­mä­ßi­ger (weil tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ner) Kuri­en­kar­di­nal mit einem Feder­strich aus sei­nem Amt ent­las­sen wer­den kann. Einem eben­sol­chen Ein­zel­gän­ger im Bischofs­amt kann aber­mals mit leicht­fer­ti­ger Hand eine „Apo­sto­li­sche Visi­ta­ti­on“ mit vor­zei­ti­gem Ruhe­stand ange­hängt wer­den. Dafür lie­fer­te der unbarm­her­zi­ge Fran­zis­kus auch schon man­che Beispiele.

2001: Papst Johannes Paul II. erhebt Erzbischof Bergoglio (Buenos Aires) zum Kardinal
2001: Papst Johan­nes Paul II. erhebt Erz­bi­schof Berg­o­glio (Bue­nos Aires) zum Kardinal

2016: Im unsäg­li­chen „Video vom Papst“ (Gebets­mei­nun­gen Janu­ar 2016) über die vier syn­kre­ti­stisch prä­sen­tier­ten Welt­re­li­gio­nen steht jetzt der gan­ze Unfug von Nost­ra aet­a­te schwarz auf weiß fest. Papst Fran­zis­kus spricht höchst­per­sön­lich als Con­fe­ren­cier und lässt den Prie­ster Guil­ler­mo Mar­có, sei­nen ehe­ma­li­gen Pres­se­spre­cher aus Bue­nos Aires, als Sta­ti­sten in die­sem inter­re­li­giö­sen Indif­fe­ren­tis­mus auf­tre­ten. Das thea­tra­li­sche Mach­werk ist ein kit­schi­ger Schwach­sinn gegen alle Glau­bens­be­kennt­nis­se und Defi­ni­tio­nen der katho­li­schen „Den­zin­ger Tra­di­ti­on“. Die frei erfun­de­nen Phan­ta­sie­pro­duk­te von vier kom­ple­men­tär inein­an­der ver­zahn­ten Reli­gio­nen täu­schen eine Ver­söh­nung von Dif­fe­ren­zen vor, wo in der Tat fun­da­men­ta­le Abgrün­de bestehen.

Der theologische „Dialog“

Ein theo­lo­gi­sches Gespräch („Dia­log“) hät­te Sinn und sach­lich klä­ren­de Aus­sa­ge­kraft nur dann, wenn die Dar­stel­ler aus Juden­tum, Islam und Bud­dhis­mus nicht anony­me Schau­spie­ler in einem Auf­nah­me­stu­dio oder soli­tä­re Ein­zel­gän­ger auf eige­ne Faust wären, son­dern pro­mi­nen­te Anfüh­rer mit Namen und Anga­be ihrer nähe­ren Stel­lung und Her­kunft aus einer kohä­ren­ten Gemein­schaft benannt wären. Gera­de die­se Glau­bens­ge­mein­schaf­ten bestehen aber außer­halb des Rest-Katho­li­zis­mus und der rus­si­schen Ortho­do­xie nir­gend­wo mehr. Die Säku­la­ri­sie­rung zehrt über­all an der Substanz.

Im Pro­log des Evan­ge­li­ums nach Johan­nes steht die exklu­si­ve Distinktion:

„Allen aber, die ihn auf­nah­men, gab er die Macht, Kin­der Got­tes zu wer­den, denen näm­lich, die an sei­nen Namen glau­ben…“ (1,12)

Mit Fran­zis­kus fei­ern jedoch der Rela­ti­vis­mus und der Syn­kre­tis­mus einen bis­lang unge­kann­ten Höhenflug:

„Vie­le den­ken anders, füh­len anders, sie suchen und fin­den Gott auf unter­schied­li­che Wei­se. In die­ser Viel­falt, in die­ser Auf­fä­che­rung der Reli­gio­nen [= en el aba­ni­co /​ also in der Form eines eng ver­floch­te­nen, ega­li­tä­ren Fächers, damit sagt er im spa­ni­schen Ori­gi­nal­ton unver­hoh­len die Unwahr­heit] gibt es eine ein­zi­ge [??!] Gewiss­heit, an der wir für alle fest­hal­ten: Wir sind alle Kin­der Gottes.“

Somit muss sich die­ser Papst kate­go­risch auf sei­nen Kopf zusa­gen las­sen, dass er eine schwe­re, offen­sicht­li­che Häre­sie gegen das Johan­nes-Evan­ge­li­um verbreitet.

Mit die­ser Fehl­ein­schät­zung haben sich die Pro­te­stan­ten läng­stens, und aber auch das Vati­ca­num II in den letz­ten 50 Jah­ren völ­lig über­flüs­sig gemacht. Wenn man Gott außer­halb der Kir­che eben­so gut in einem „Aba­ni­co“ (Fächer) suchen und fin­den könn­te – dann hät­te die Kir­che sel­ber abge­dankt und wäre ent­behr­lich gewor­den. Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger, aber auch Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re haben recht behalten:

„Mit dem Kom­men Jesu Chri­sti, des Ret­ters, hat Gott die Kir­che für das Heil aller Men­schen ein­ge­setzt. Die­se Glau­bens­wahr­heit nimmt nichts von der Tat­sa­che weg, dass die Kir­che die Reli­gio­nen der Welt mit auf­rich­ti­ger Ehr­furcht betrach­tet, schließt aber zugleich radi­kal jene Men­ta­li­tät des Indif­fe­ren­tis­mus aus, die durch­drun­gen ist von einem reli­giö­sen Rela­ti­vis­mus, der zur Annah­me führt, dass eine Reli­gi­on [bzw. jede belie­bi­ge Kon­fes­si­on oder jede pri­mi­ti­ve Kul­tur] gleich viel gilt wie die andere.“
(Domi­nus Iesus. Erklä­rung der Römi­schen Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vom 6. VIII. 2000. § 22)

Tief sitzende Zerrissenheit zwischen „Treue und Untreue“

Die stän­dig wie­der­keh­ren­den Refrains der histo­ri­schen „Schuld­be­kennt­nis­se“, die ste­reo­ty­pe „Bewäl­ti­gung“ der Ver­gan­gen­heit und die eige­ne „Nest­be­schmut­zung“ im inter­re­li­giö­sen, inter­kon­fes­sio­nel­len und inter­na­tio­na­len Dia­log erklin­gen immer wie­der ein­sei­tig von katho­li­scher (oder deut­scher Sei­te) aus. Ich habe noch kei­nen indi­ge­nen Pre­di­ger gehört, der sei­ne Vor­fah­ren als Kan­ni­ba­len bedau­er­te, kei­nen pro­te­stan­ti­schen Pastor, der über Luthers Anti­se­mi­tis­mus ein Wort ver­lö­re… Auch gab es noch kei­nen ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten, der in Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki Krän­ze nie­der­leg­te. Bis­lang hat kein ein­zi­ger Musel­man ein­ge­stan­den, was sie einst in Ibe­ri­en, in Byzanz oder in Ungarn von Mohács über Buda­vár bis an die Mau­ern vom Tür­ken­schanz­park in Wien ange­rich­tet hatten.

Es ist zu bedau­ern, wenn unser Papst als füh­ren­de Amts­per­son anstel­le der Glau­bens­wahr­hei­ten uns Illu­sio­nen vor­spie­gelt, uner­füll­ba­re For­de­run­gen stellt, Wet­ter- und Kli­ma­pro­gno­sen for­mu­liert, grund­lo­se Schuld­ge­füh­le hoch­schau­kelt und unse­re eige­ne Abwehr­kraft ein­schlä­fert: Seid umschlun­gen Mil­lio­nen – wäh­rend im Nahen Osten die Chri­sten aus­ge­rot­tet und im Abend­land über­flu­tet wer­den. Gott möge auch den Nai­ven und Ein­fäl­ti­gen sei­ne Gna­de wal­ten las­sen, wenn sie wenig­stens guten Wil­lens sind. Der Weg, der in die Höl­le führt, ist aller­dings mit guten Vor­sät­zen gepflastert.

Die immer tie­fer sit­zen­de Zer­ris­sen­heit zwi­schen „Treue und Untreue“ zur über­lie­fer­ten Leh­re schwillt seit­dem wei­ter. Der Wider­stand wächst. Der Kon­flikt ist noch nicht aus­ge­foch­ten und wirkt auf die Kämp­fer der Tra­di­ti­on wie erfri­schend. Mit sei­ner Her­me­neu­tik der gei­sti­gen Kon­ti­nui­tät ver­mach­te uns Ratz­in­ger ein Erbe, das vom argen­ti­ni­schen „Sozio­lo­gen­papst“ nicht sogleich, leicht und kom­plett des­avou­iert wer­den kann.

In Ratz­in­gers Nach­las­sen­schaft fin­det sich ein gan­zes Arse­nal für die Ver­tei­di­gung der Glau­bens­wahr­hei­ten. Fran­zis­kus liebt dage­gen kei­ne Prä­zi­si­ons­spra­che und pala­vert nur in sei­ner spa­nisch-ita­lie­ni­schen Mut­ter­spra­che (da er anschei­nend kei­ne ande­re beherrscht) über sekun­dä­re The­men, die dem Mas­sen­ge­schmack ent­ge­gen­kom­men. Dem­entspre­chend ist er ledig­lich ein Repe­tent alter Gemein­plät­ze aus der Wirt­schaft, der Tages­po­li­tik, der Kli­ma­än­de­rung und aus den pasto­ra­len Irr­tü­mern des II. Vati­can­ums. Er will ein Macher, kein Den­ker, ein Prak­ti­ker, kein Theo­re­ti­ker sein. Sei­nen nebu­lö­sen Bil­dungs­weg hat er ohne Dis­ser­ta­ti­on abge­schlos­sen, was im durch und durch aka­de­misch trai­nier­ten Jesui­ten­or­den ein sel­te­nes Man­ko darstellt.

Triviales Volksempfinden der Jakobinerphilosophie

Fran­zis­kus ver­langt von uns einer­seits an die Peri­phe­rien des Gei­stes und der Zivi­li­sa­ti­on aus­zu­wan­dern und dem tri­via­len Volks­emp­fin­den der Jako­bi­ner­phi­lo­so­phie ent­ge­gen­zu­kom­men. Dem­entspre­chend for­dert er, der lau­fen­den Völ­ker­wan­de­rung nach Euro­pa bedin­gungs­los Platz zu machen: „Nehmt Gute und Schlech­te glei­cher­ma­ßen auf!“ Die Habe- und Tau­ge­nicht­se sol­len uns Mores leh­ren – und nicht wir ihnen.

Der all­ge­mei­nen Nivel­lie­rung nach unten ist ent­schie­den ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass uns die Befrei­ungs- und Volks­theo­lo­gie kei­ne neue Offen­ba­rung besche­ren kann. Die Opti­on der latein­ame­ri­ka­ni­schen Kir­che für die Armen hat schwer­wie­gen­de Kon­se­quen­zen wie Bil­dungs­de­fi­zit, man­geln­de Initia­ti­ve und feh­len­des Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein, die in der Drit­ten Welt zu einem anhal­ten­den Pau­pe­ris­mus füh­ren müssen.

Die Ideo­lo­gen der „Libe­r­ación“ und Ange­la Mer­kel schei­nen dem glei­chen Irr­tum erle­gen zu sein: Als ob es unse­re mono­kau­sa­le Pflicht wäre, für alle Miss­wirt­schaft der Welt­ge­schich­te die direk­te Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und nicht nur unse­rer „näch­sten Umge­bung“ und unse­rem eigent­li­chen Ver­ant­wor­tungs­be­reich, son­dern auch den Aber­mil­lio­nen „Über­näch­sten“ gegen­über Schuld­ge­füh­le zu hegen, die in zahl­rei­chen Aber­glau­ben, Sit­ten und Bräu­chen, Irr­leh­ren und offen­bar fal­schen Reli­gio­nen unbe­lehr­bar ver­stockt sind. Wer auf Bud­dha ver­traut – na, dann rech­ne er auch mit den wirt­schaft­li­chen Kon­se­quen­zen dafür. Wer wider bes­se­res (und mög­li­ches) Wis­sen sei­ne Ein­sich­ten und sei­ne fal­schen Glau­bens­sät­ze nicht lau­fend über­prüft, dem kann schwer­lich gehol­fen wer­den. Was der Drit­ten Welt fehlt, ist die Opti­on für eine brei­te Bil­dungs­ge­sell­schaft und die For­mung einer ethisch gesinn­ten Eli­te. Ohne eli­tä­re Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten sind die Mas­sen wie verloren.

Selbst­ver­ständ­lich müss­ten die Armen und Ver­folg­ten vor allem zu Selbst­hil­fe – für sich per­sön­lich und für ihre Hei­mat not­falls auch mit der Waf­fe in der Hand – ange­hal­ten wer­den. Wid­ri­gen­falls haben sie die Fol­gen ihrer selbst­auf­er­leg­ten Miss­wirt­schaft und Unfrei­heit zu ertra­gen. Es gibt frei­lich auch viel schuld­lo­ses Unglück, aber noch mehr selbst­ver­schul­de­te Unmün­dig­keit und Unmut unter ihnen. Es gibt kein Lie­bes-Gebot für eine para­si­tä­re Lebensweise:

„Wer nicht arbei­ten [d. h. kei­ne Selbst­hil­fe lei­sten] will, soll auch nicht essen! Wir haben näm­lich gehört, dass eini­ge unter euch einen fau­len Lebens­wan­del füh­ren, nichts arbei­ten, son­dern sich unnütz machen. Denen, die es angeht, gebie­ten und befeh­len wir im Herrn Jesus Chri­stus, dass sie… ihr eigen Brot essen“ (2 Thes­sa­lo­ni­cher 3,10–12).

Nie­mand ver­fügt über gren­zen­lo­se Vor­rä­te an Gütern, Dien­sten und Rech­ten. Die „kapa­zi­täts­ori­en­tier­te“ Ober­gren­ze für die Umver­tei­lung der Errun­gen­schaf­ten der Zivi­li­sa­ti­on ist eine unela­sti­sche Bar­rie­re, jen­seits deren eine tota­le Demo­ra­li­sie­rung bei den aus­ge­beu­te­ten Gebern, aber auch bei den über Gebühr ver­wöhn­ten Neh­mern ein­tritt. Gegen eine Beton­wand soll­te man nicht mit dem Kopf anren­nen. Selbst ein rei­cher Finanz­mi­ni­ster wie Wolf­gang Schäub­le muss es ein­se­hen, dass sei­ne Fut­ter­säcke kei­ne selbst­ver­meh­rend rege­ne­rier­ba­re Füll­hör­ner sind, die für Glück und Taschen­geld, Frucht­bar­keit und Gra­tis­es­sen der auf uns lau­ern­den Migran­ten aus aller Welt offenstehen.

Ultra posse nemo tenetur

Frei­lich, das Nöti­ge und Mög­li­che muss getan wer­den, wohl­tä­tig und frei­ge­big, jedoch nicht ver­schwen­de­risch und nicht zuletzt auch mili­tä­risch, wo eine Inter­ven­ti­on uner­läss­lich wird. Und das Unab­än­der­li­che – was wir ent­ge­gen Mer­kels nai­vem Opti­mis­mus nicht schaf­fen kön­nen – müs­sen auch die „Gut­men­schen“ mit Gelas­sen­heit ertra­gen. In der Wirt­schaft gibt es kei­ne unbe­zahl­ten Rech­nun­gen, die Fra­ge ist ledig­lich, wem der Schwar­ze Peter zuge­scho­ben wird.

Ultra pos­se nemo tenetur: Über sein Kön­nen hin­aus ist nie­mand ver­pflich­tet, eine Lei­stung zu erbrin­gen. Es ist untrag­bar und unmo­ra­lisch uns zuzu­mu­ten, dass wir ein paar Mil­lio­nen kul­tur­frem­de Migran­ten aus­zu­hal­ten hät­ten. Unlängst hat Andre­as Unter­ber­ger in sei­nem Tage­buch (cf. „Hei­ße Luft…“ am 21. Janu­ar 2016) die­ses uralte Prin­zip in Erin­ne­rung geru­fen, das selbst­ver­ständ­lich sowohl bei objek­ti­ver Unmög­lich­keit, als auch bei sub­jek­ti­vem Unver­mö­gen gilt. Frag­lich wäre es nur, falls es auf Heu­che­lei grün­den soll­te. Eine Recht­fer­ti­gung aus Pflich­ten­kol­li­si­on ist also durch­aus auch für uns, angeb­lich wohl­ha­ben­de Euro­pä­er nicht unzu­läs­sig. Ver­dien­ter­ma­ßen haben wir unse­ren kri­sen­ge­fähr­de­ten, rela­ti­ven Reich­tum in der Regel hart erar­bei­ten und nach einem Welt­krieg Gene­ra­tio­nen hin­durch prak­tisch aus dem Nichts anspa­ren müs­sen, wäh­rend die Ideo­lo­gen der Drit­ten Welt auf die gebra­te­nen Tau­ben war­ten. Der­sel­be Grund­satz gilt auch im Ver­wal­tungs­recht für die Fra­ge, ob sich der Staat wie, wann, wo, womit und wie­weit kari­ta­tiv ein­set­zen kann, wenn dafür weder Mit­tel, Kon­trol­len noch Kom­pe­ten­zen vor­han­den sind. Die mora­li­schen Pflich­ten sind also durch das Mach­ba­re begrenzt. Aller­dings, wer es unter­lässt sein klei­nes Wis­sen und brei­tes Gewis­sen stets auf Vor­der­mann zu brin­gen, begeht eine schwe­re Fahrlässigkeit.

Grenzgebiet, wo Fahrlässigkeit in der Politik und Irrtumsanfälligkeit der Kirche aufeinandertreffen

Und nun sto­ßen unse­re Über­le­gun­gen schließ­lich in das Grenz­ge­biet vor, wo die Fahr­läs­sig­keit in der Poli­tik und die Irr­tums­an­fäl­lig­keit der Kir­che selbst auf­ein­an­der­tref­fen. Für Lai­zi­sten ist das frei­lich kei­ne Sor­ge, denn sie glau­ben, dass min­der­wer­ti­ge Ideo­lo­gien aus dem dunk­len XX. Jahr­hun­dert wie die demo­kra­ti­sche „Dik­ta­tur der Mas­sen“, ein ethisch frei schwe­ben­der, unfun­dier­ter „Libe­ra­lis­mus“ oder der inter­na­tio­na­le und natio­na­le „Sozia­lis­mus“ eine zivi­li­sier­te Hoch­kul­tur her­vor­brin­gen kön­nen. Selbst­ver­ständ­lich jeder Reli­gi­on und jedem Reli­gi­ons­er­satz ent­spricht eine typisch gepräg­te Kul­tur­ver­fas­sung, von den pri­mi­ti­ven Indi­ge­nen ange­fan­gen bis zur mili­tan­ten Unkul­tur der Fran­zö­si­schen, Bol­sche­wi­sti­schen oder Sexu­el­len Revo­lu­ti­on.

Johanness XXIII. und der Anspruch des "Aggiornamento"
Johan­ness XXIII. und der Anspruch des „Aggior­na­men­to“

Die Irr­tums­frei­heit des kirch­li­chen Lehr­am­tes ist auf die Bekennt­nis­se und Defi­ni­tio­nen beschränkt, die uns in Ange­le­gen­hei­ten des Glau­bens und der Sit­ten übli­cher­wei­se aus dem Den­zin­ger bekannt sind. Für pasto­ra­le und kul­tu­rell nach­wir­ken­de Ent­schei­dun­gen und Richt­wer­te gibt es frei­lich Erfah­run­gen, Über­lie­fe­run­gen und wei­se Vor­den­ker, aber kei­ne unfehl­ba­re Haf­tung der Auto­ri­tä­ten, egal ob sie Prie­ster, Staats­män­ner oder Pro­fes­so­ren sind. Hoch oben im deli­ka­te­sten Amt aller Ämter gibt es also kei­nen Papst und kei­ne Kir­chen­leh­rer frei von Irr­tü­mern in den zeit­li­chen Din­gen, wenn auch die Kir­che Jahr­hun­der­te hin­durch eine über­aus erfolg­rei­che Mater et Magi­stra für die abend­län­di­sche Zivi­li­sa­ti­on war. Wer das leug­net ist ent­we­der ein Ideo­lo­ge oder ein Unge­bil­de­ter, der drin­gend auf eine histo­ri­sche Nach­schu­lung ange­wie­sen ist.

Des­halb brau­chen wir nicht am Glau­ben zu ver­zwei­feln und auch nicht am nöti­gen Gehor­sam dem Lehr­amt gegen­über zu rüt­teln, wenn wir auf­grund einer 50-jäh­ri­gen soli­den Erfah­rung respekt­voll fra­gen, ob das Aggior­na­men­to des Kon­zils­pap­stes Johan­nes XXIII. viel­leicht doch ein Fehl­schlag war, der für die abend­län­di­sche Zivi­li­sa­ti­on bis heu­te kata­stro­pha­le Fol­gen gezei­tigt hat.

Folge der Unvernunft sind bis heute anhaltende interreligiöse und interkonfessionelle Zumutungen

Das Vati­ca­num II war von sei­nem Urhe­ber als „pasto­ra­les“ Kon­zil vor­ge­se­hen, das nicht vor­hat­te irgend­wel­che Defi­ni­tio­nen zu erlas­sen. Es soll­te am Ton und an der Wel­len­län­ge gefeilscht wer­den, um das Alte im neu­en, salop­pen Gewand für die Blue-Jean-Gene­ra­ti­on ver­ständ­li­cher zu machen. Nur dabei ist es frei­lich nicht geblie­ben und die Väter ver­fass­ten auch völ­lig rich­ti­ge dog­ma­ti­sche Kon­sti­tu­tio­nen über die fort­wäh­ren­de Sub­si­stenz des „Depo­si­tum fidei in der Einen, Katho­li­schen, Apo­sto­li­schen Kir­che. Die ver­fas­sungs­recht­li­chen, tra­di­ti­ons­kon­for­men Aus­sa­gen über das Selbst­ver­ständ­nis des Katho­li­zis­mus kön­nen natür­lich kein Gegen­stand der Kri­tik sein. Kurz und gut: Für die pasto­ra­len und kul­tu­rel­len, vor allem aber für die poli­ti­schen Vor­ha­ben, da die­se varia­bel sind, gibt es jedoch kei­ne siche­ren Depots und die­se kön­nen rund­weg rich­tig oder ver­fehlt sein. Zwei­fel­los gehö­ren in die­ses Gen­re die aller­er­ste Kon­sti­tu­ti­on über die leicht­fer­ti­ge Zer­trüm­me­rung der hei­li­gen Lit­ur­gie sowie die zum Schluss fol­gen­den Erklä­run­gen Nost­ra aet­a­te und Dignita­tis hum­a­nae über den reli­giö­sen Libe­ra­lis­mus, die nach den über­lang dahin­zie­hen­den Kon­zils­be­ra­tun­gen am Ende des drit­ten Jah­res mit gro­ßer Eile und ohne Tie­fe durch­ge­peitscht wurden.

Direk­te Fol­ge die­ser Unver­nunft sind die bis heu­te anhal­ten­den inter­re­li­giö­sen und inter­kon­fes­sio­nel­len Zumu­tun­gen, die sogar in den unrühm­li­chen Assi­si-Tref­fen des nicht unwei­sen und nicht unge­schick­ten pol­ni­schen Pap­stes kul­mi­nier­ten. Bene­dikt zog zwar in sei­nem Pon­ti­fi­kat alle Not­brem­sen, es war jedoch bereits zu spät. In Assi­si 3 von 2011 war die Ver­wil­de­rung der kirch­li­chen Dis­zi­plin bereits so weit fort­ge­schrit­ten, dass der Papst bald dar­auf inmit­ten einer all­ge­mei­nen Ein­schüch­te­rung sich gezwun­gen sah, mut­los zu resignieren.

„Allertreueste Opposition“: legitim, tapfer, unablässig für die objektive Wahrheit und Gerechtigkeit eintreten

Den­noch scheint es völ­lig absurd und aus­ge­schlos­sen zu sein, für die post­kon­zi­lia­ren Päp­ste – all ihrer Irr­tums­an­fäl­lig­keit zum Trotz, die ihnen in den nicht-unfehl­ba­ren Grau­zo­nen der Regie­rungs­tä­tig­keit eigen ist – eine Sedis­va­kanz-Hypo­the­se zu erwä­gen. Das wäre selbst dann unmög­lich, wenn „unser Fran­zis­kus“ auf die Dau­er ver­sa­gen und noch lan­ge leben soll­te. Eine papst­lo­se Kir­che ist schlicht­weg unvor­stell­bar. Als „Aller­treue­ste Oppo­si­ti­on“ sei­ner Maje­stät – wie einst die alten Whigs in Eng­land genannt wur­den – beken­nen wir uns in den dog­ma­tisch unde­fi­nier­ba­ren Belan­gen eher zu einem fehl­ba­ren Papst­tum und beten in stür­mi­schen Zei­ten für sei­ne Erleuch­tung, anstatt an einen end­gül­ti­gen Schiff­bruch zu glau­ben. Dar­an zu pol­tern, war­um und wie lan­ge Gott die Zustän­de eines unfä­hi­gen oder gar abwe­gi­gen Pap­stes dul­den möge, steht uns so wenig zu, wie Gott dem Pro­phe­ten Jonas kein Recht für sei­ne escha­to­lo­gi­schen Rekla­ma­tio­nen zubil­lig­te (Jonas 4,9).

Wer es bes­ser weiß, was die objek­ti­ve Wahr­heit ist, und es sich nicht bloß ein­bil­det oder nur vor­täuscht, der muss legi­tim und demü­tig, tap­fer und unab­läs­sig dafür ein­tre­ten. Anstel­le der onto­lo­gi­schen Wahr­heit erken­nen wir zwar nur „Objek­te“, die durch­aus empi­risch und wis­sen­schaft­lich, intui­tiv und tra­di­tio­nell, oder sonst, wie in einem Kunst­werk, durch­aus nicht sub­jek­tiv belie­big, son­dern höchst gesi­chert sein kön­nen, aber nach dem hl. Pau­lus sehen wir immer nur „durch einen Spie­gel rät­sel­haft… und stück­wei­se“ (1. Korin­ther­brief 13,9–12). Das ist zwar ein schmerz­haf­tes Vor­ge­hen und ver­langt eine bestän­di­ge, stren­ge Revi­si­ons­be­reit­schaft gegen sich selbst, die für die gan­ze Kir­che und die gan­ze Zivi­li­sa­ti­on vor­teil­haft wäre, um aus den fal­schen Erwar­tun­gen der libe­ra­len Katho­li­ken end­lich ein­mal mun­ter zu wer­den. Einen abso­lu­ten „Punkt“ ver­mö­gen wir nicht wahr­zu­neh­men, denn was wir für eine punkt­ge­naue Defi­ni­ti­on hal­ten, stellt immer nur einen klei­nen „Fleck“ dar, der sich mit mehr oder min­der unschar­fen Abwei­chun­gen vor uns als „Vor­stel­lung“ prä­sen­tiert. Die­ser unsicht­ba­re Punkt heißt im Spa­ni­schen „Das Wei­ße“ (El Blan­co) einer Ziel­schei­be, das beharr­lich anzu­zie­len ist, aber in die­sem Leben weder völ­lig zu sehen noch völ­lig zu über­se­hen ist. Man­che haben aller­dings ein bes­se­res Seh­ver­mö­gen und eine höhe­re Zielgenauigkeit.

Wir kön­nen zusam­men mit dem klein­gläu­bi­gen Jonas kei­ne Fahr­kar­te für eine Urlaubs­rei­se ans Ende der Welt nach Tar­schisch lösen, wenn Got­tes Marsch­be­fehl Rich­tung Nini­ve bestimmt wor­den ist (Jonas 1:3). Zorn und Stra­fen sind allein Gott und sei­ner Gerech­tig­keit vor­be­hal­ten, der kein „barm­her­zi­ger, seni­ler“ Opa ist. Wann Er uns einen wohl­ver­dien­ten Fisch bestel­len will, um uns samt all unse­ren Unge­heu­er­lich­kei­ten zu ver­schlin­gen, dafür brau­chen wir Ihm kei­ne Rat­schlä­ge zu erteilen.

*Der Autor war über 20 Jah­re lang o. Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor für Volks­wirt­schafts- und Betriebs­wirt­schafts­leh­re in Argen­ti­ni­en und Lei­ter eines Semi­na­rio de Apli­ca­ción Inter­di­sci­pli­na­ria“. Die Zwi­schen­ti­tel wur­den von der Redak­ti­on eingefügt.

Bil­der: Kan​tod​.com/​l​a​n​a​c​i​o​n​.​c​o​m​/​j​e​s​u​i​t​a​s​.​o​r​g​/​MiL (Screen­shots)

 

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