Benedikt XVI.: „Jesus ist nicht gekommen, um Zustimmung zu finden, sondern Zeugnis für die Wahrheit zu geben“


Papst Benedikt XVI. beim Angelus am 3. Februar 2013
Papst Benedikt XVI. beim Angelus am 3. Februar 2013

(Rom) Am 3. Febru­ar vor drei Jah­ren hielt Papst Bene­dikt XVI. beim sonn­täg­li­chen Ange­lus eine sei­ner letz­ten Anspra­chen als katho­li­sches Kir­chen­ober­haupt. Weni­ge Tage spä­ter gab er uner­war­tet sei­nen Amts­ver­zicht bekannt.

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ANGELUS

Peters­platz
Sonn­tag, 3. Febru­ar 2013

[Video]

 

Lie­be Brü­der und Schwestern!

Das heu­ti­ge Evan­ge­li­um – aus dem vier­ten Kapi­tel des hl. Lukas – ist die Fort­set­zung des Evan­ge­li­ums vom ver­gan­ge­nen Sonn­tag. Wir befin­den uns noch in der Syn­ago­ge von Naza­reth, dem Ort, an dem Jesus auf­ge­wach­sen ist und wo jeder ihn und sei­ne Fami­lie kennt. Jetzt ist er nach einer Zeit der Abwe­sen­heit auf neue Wei­se zurück­ge­kehrt: wäh­rend des Got­tes­dien­stes am Sab­bat liest er eine Pro­phe­zei­ung des Jesa­ja über den Mes­si­as und kün­digt deren Erfül­lung an, wobei er zu ver­ste­hen gibt, daß sich jenes Wort auf ihn bezieht, daß Jesa­ja von ihm gespro­chen hat. Die­se Tat­sa­che erregt das Befrem­den der Naza­re­ner: einer­seits „[fand] sei­ne Rede […] bei allen Bei­fall; sie staun­ten dar­über, wie begna­det er rede­te“ (Lk 4,22); der hl. Mar­kus berich­tet, daß vie­le sag­ten: „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weis­heit, die ihm gege­ben ist!“ (6,2). Ande­rer­seits aber ken­nen ihn sei­ne Lands­leu­te zu gut: „Er ist einer wie wir“, so sagen sie. „Sein Anspruch kann nur Anma­ßung sein“ (Die Kind­heits­ge­schich­ten, S. 14). „Ist das nicht der Sohn Josefs?“ (Lk 4,22), so als sag­te man: ein Zim­mer­mann aus Naza­reth – wel­che Ambi­tio­nen kann die­ser haben?

Gera­de weil Jesus die­se Ver­schlos­sen­heit kennt, die das Sprich­wort „Nie­mand ist Pro­phet im eige­nen Land“ bekräf­tigt, rich­tet er an die Men­schen in der Syn­ago­ge Wor­te, die wie eine Pro­vo­ka­ti­on klin­gen. Er erwähnt zwei Wun­der, die die gro­ßen Pro­phe­ten Eli­ja und Eli­scha zugun­sten von Men­schen voll­bracht haben, die nicht aus dem Volk Isra­el stamm­ten, um zu zei­gen, daß es außer­halb Isra­els bis­wei­len mehr Glau­ben gibt. An die­sem Punkt ist die Reak­ti­on ein­mü­tig: alle sprin­gen auf und trei­ben ihn hin­aus, und sie ver­su­chen sogar, ihn von einem Abhang hin­ab­zu­stür­zen, doch er schrei­tet mit über­le­ge­ner Ruhe mit­ten durch die toben­de Men­ge hin­durch und geht weg. An die­sem Punkt stellt sich spon­tan die Fra­ge: War­um hat Jesus die­sen Bruch pro­vo­zie­ren wol­len? Anfangs bewun­der­ten ihn die Leu­te, und viel­leicht hät­te er eine gewis­se Zustim­mung erlan­gen kön­nen … Doch gera­de das ist der Punkt: Jesus ist nicht gekom­men, um die Zustim­mung der Men­schen zu suchen, son­dern – wie er am Ende zu Pila­tus sagen wird – um „für die Wahr­heit Zeug­nis abzu­le­gen“ (vgl. Joh 18,37). Der wah­re Pro­phet gehorcht kei­nem ande­ren als Gott und stellt sich in den Dienst der Wahr­heit, bereit, per­sön­lich für sie einzustehen.

Es ist rich­tig, daß Jesus der Pro­phet der Lie­be ist, doch die Lie­be besitzt ihre Wahr­heit. Mehr noch: Lie­be und Wahr­heit sind zwei Namen der­sel­ben Wirk­lich­keit, zwei Namen Got­tes. In der heu­ti­gen Lit­ur­gie erklin­gen auch die­se Wor­te des hl. Pau­lus: „Die Lie­be … prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie han­delt nicht unge­hö­rig, sucht nicht ihren Vor­teil, läßt sich nicht zum Zorn rei­zen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, son­dern freut sich an der Wahr­heit“ (1 Kor 13,4–6). An Gott glau­ben heißt, die eige­nen Vor­ur­tei­le abzu­le­gen und das kon­kre­te Ant­litz anzu­neh­men, in dem er sich offen­bart hat: den Men­schen Jesus von Naza­reth. Und die­ser Weg führt auch dazu, ihn in den ande­ren zu erken­nen und ihm zu die­nen. Erhel­lend hier­bei ist die Hal­tung Mariens.

Wer war mit dem Mensch­sein Jesu ver­trau­ter als sie? Doch sie war nie dar­über ent­setzt wie die Lands­leu­te von Naza­reth. Sie bewahr­te in ihrem Her­zen das Geheim­nis und wuß­te es immer mehr und immer neu anzu­neh­men, auf dem Weg des Glau­bens bis hin zur Nacht des Kreu­zes und zum vol­len Licht der Auf­er­ste­hung. Maria hel­fe auch uns, treu und freu­dig die­sen Weg zu gehen.

Nach dem Angelusgebet:

Lie­be Brü­der und Schwestern!

Am ersten Sonn­tag im Febru­ar wird in Ita­li­en der „Tag für das Leben“ began­gen. Ich schlie­ße mich den ita­lie­ni­schen Bischö­fen an, die in ihrer Bot­schaft dazu auf­for­dern, in das Leben und in die Fami­lie zu inve­stie­ren, auch als wirk­sa­me Ant­wort auf die aktu­el­le Kri­se. Ich grü­ße die „Bewe­gung für das Leben“ und wün­sche der Initia­ti­ve „Einer von uns“ Erfolg, damit Euro­pa immer der Ort sei, an dem jeder Mensch in sei­ner Wür­de geschützt wird. Ich grü­ße die Ver­tre­ter der Fakul­tä­ten für Medi­zin und Chir­ur­gie der Uni­ver­si­tä­ten Roms in Beglei­tung des Kar­di­nal­vi­kars, beson­ders die Dozen­ten für Geburts­hil­fe und Gynä­ko­lo­gie, und ich ermu­ti­ge sie, die im Gesund­heits­we­sen Täti­gen zur Kul­tur des Lebens heranzubilden.

… auf fran­zö­sisch: Herz­lich grü­ße ich die fran­zö­sisch­spra­chi­gen Pil­ger, beson­ders die Ver­ein­ten Pfad­fin­der Frank­reichs. Das gest­ri­ge Fest des geweih­ten Lebens lädt uns ein, den Ruf des Herrn zu ver­ste­hen und ihm ver­trau­ens­voll und groß­her­zig zu ent­spre­chen. Wir wol­len für alle geweih­ten Per­so­nen dan­ken und beten, auf daß sie in der Hei­lig­keit wach­sen. Ihr Zeug­nis füh­re uns dazu, Gott in unse­rem Leben durch das Gebet, die sonn­täg­li­che Mes­se, das Lesen sei­nes Wor­tes brei­ten Raum zu geben. Unser leben­di­ge­rer Glau­be wird unser Herz ver­wan­deln kön­nen! Allen einen geseg­ne­ten Sonntag!

… auf eng­lisch: Ich grü­ße alle eng­lisch­spra­chi­gen Pil­ger und Besu­cher, die zu die­sem Ange­lus gekom­men sind. Im Evan­ge­li­um der heu­ti­gen Lit­ur­gie ruft uns Jesus in Erin­ne­rung, daß es kei­ne leich­te Auf­ga­be ist, Pro­phet zu sein, nicht ein­mal bei jenen, die uns am näch­sten ste­hen. Wir wol­len den Herrn bit­ten, einem jeden von uns den Geist des Mutes und der Weis­heit zu geben, damit wir in unse­ren Wor­ten und Taten die ret­ten­de Wahr­heit von Got­tes Lie­be mutig, demü­tig und kon­se­quent ver­kün­di­gen. Gott seg­ne einen jeden von euch!

auf deutsch: Einen fro­hen Gruß rich­te ich an die Pil­ger und Gäste aus den Län­dern deut­scher Spra­che. Jesus ver­kün­det und ver­kör­pert die gute Nach­richt von Got­tes Lie­be zu den Men­schen. Dabei erfährt er Wider­spruch, wie uns das Evan­ge­li­um die­ses Sonn­tags berich­tet. Sei­ne Bot­schaft for­dert her­aus zur Ent­schei­dung nicht für einen Men­schen, son­dern für Chri­stus als den Sohn Got­tes und Erlö­ser der Welt. Auch heu­te – wir wis­sen es – stößt das Evan­ge­li­um auf Ableh­nung in einer Welt, die Gott bei­sei­te schie­ben und sich mit unver­bind­li­chen und beque­men Ant­wor­ten zufrie­den geben will. Wer­den wir daher nicht müde, die Wahr­heit Chri­sti und sei­ne Hoff­nung zu den Men­schen zu brin­gen. Dazu schen­ke euch der Herr die Kraft des Hei­li­gen Geistes.

… auf spa­nisch: Voll Zunei­gung grü­ße ich die Pil­ger aus dem spa­ni­schen Sprach­raum, beson­ders die Schü­ler und Leh­rer des „Insti­tu­to Suá­rez de Figue­roa“ aus Zaf­ra sowie des „Insti­tu­to Ilde­fon­so Ser­ra­no“ aus Segu­ra de León, Bad­a­joz, sowie die Leh­rer der diö­ze­sa­nen Kin­der­gär­ten und Schu­len von Valen­cia. In der heu­ti­gen Lit­ur­gie wur­de das soge­nann­te „Hohe­lied der Lie­be“ des Apo­stels Pau­lus ver­le­sen, in dem er den „Weg“ der Voll­kom­men­heit dar­legt. Er besteht nicht dar­in, beson­de­re Qua­li­tä­ten zu haben, son­dern dar­in, die wah­re Lie­be zu leben, die uns Gott in Jesus Chri­stus offen­bart hat. Die hei­li­ge Jung­frau Maria ste­he uns immer mehr bei, damit die Lie­be das unter­schei­den­de Ele­ment im christ­li­chen Wir­ken sei und damit sie die Frucht des­sen sei, was wir als Jün­ger ihres Soh­nes glau­ben. Geseg­ne­ten Sonntag!

… auf pol­nisch: Jetzt gehen mein Gedan­ke und mein Wort des Gru­ßes an alle Polen. Gestern haben wir den Tag des geweih­ten Lebens gefei­ert. Maria, die mit dem Glanz der Hei­lig­keit das Leben eines jeden Men­schen erhellt, emp­feh­len wir im Gebet alle, die sich für ein Leben nach den evan­ge­li­schen Räten ent­schie­den haben. Mögen sie voll Freu­de Chri­stus in Armut, Keusch­heit und Gehor­sam nach­ah­men, indem sie jeden Tag Gott und den Näch­sten die­nen. Gott seg­ne euch. Ich wün­sche allen einen geseg­ne­ten Sonntag.

… auf ita­lie­nisch: Zum Schluß rich­te ich einen herz­li­chen Gruß an die Pil­ger ita­lie­ni­scher Spra­che, beson­ders an die Gläu­bi­gen aus Vero­na und Chi­usi sowie an jene aus der römi­schen Pfar­rei „San­ta Maria Goret­ti“. Allen wün­sche ich einen geseg­ne­ten Sonn­tag, eine gute Woche. Dan­ke. Geseg­ne­ten Sonntag!

Bild: vati​can​.va (Screen­shot)

 

 

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