(Rom) Bereitet Papst Franziskus eine Sozialenzyklika über die soziale und wirtschaftliche Entwicklung vor? Dies sagte jedenfalls Ecuadors Staatspräsident Rafael Correa, der die Nachricht in seiner gewohnten Begegnung mit den Bürgern Enlace Ciudadano erwähnte, die auch im Fernsehen übertragen wird. Gleichzeitig kritisierte Correa die Enzyklika Centesimus Annus von Papst Johannes Paul II., die er als „eine Enzyklika“ bezeichnete, „die den Neoliberalismus vertritt“.
Johannes Paul II. hatte sie, daher auch der Name, ein Jahrhundert nach der Enzyklika Rerum novarum veröffentlicht, mit der sie katholische Soziallehre begründet wurde. Anlaß für die Enzyklika war der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks. Die Enzyklika erkennt die freie, wenn auch sozial geordnete Marktwirtschaft an, was vielfach als Kursänderung in der katholischen Soziallehre gesehen wurde.
Staatspräsident Rafael Correa sagte nun:
„Vorerst haben wir eine Anfrage aus dem Vatikan für den kommenden April, da es scheint, daß Seine Heiligkeit, Papst Franziskus, eine Enzyklika über die Entwicklung vorbereitet zum 25. Jahrestag von Centesimus Annus von Johannes Paul II., die ihrerseits an ein Jahrhundert Rerum Novarum von Leo XIII. erinnerte, mit der die Soziallehre der Kirche begonnen hat. Das gefällt den Hierarchen der Kirche nicht, aber wir konnten bei verschiedenen Tagungen Kritik an ihren Fundamenten anbringen.
Rerum Novarum von 1891 klagte den Mißbrauch durch den zügellosen Kapitalismus an, allerdings den Mißbrauch der ein Jahrhundert zuvor begonnen hatte. Die Kirche ließ sich lange Zeit, um das anzuklagen. Klar, Rerum Novarum von Leo XIII. ist wichtig: die Anklage gegen den wilden Kapitalismus, der Mißbrauch des Kapitals, die Rechte der Arbeiter… wir müssen aber ein Jahrhundert weitergehen, die hundert Jahre bis zu Centesimus Annus von Johannes Paul II. Das ist eine Enzyklika, die den Neoliberalismus fördert, die der Befreiungstheologie den letzten Schlag versetzte, die eine der großen Hoffnungen Lateinamerikas war: die Anklage gegen soviel Ungerechtigkeit, die Errichtung des Reiches Gottes im Himmel… pardon!… das Reich des Himmels errichtet auf der Erde.“
Mit der Enzyklika von Papst Johannes Paul II. sei die Rolle des Staates zurückgedrängt worden, während die Unternehmen die erste Rolle spielen würden.
„Nun scheint es, daß der Papst eine Enzyklika über die Entwicklung vorbereitet zum 25. Jahrestag der Enzyklika von Johannes Paul II. Im vergangenen April hat uns unser guter Freund Marcelo Sanchez Sorondo, der Direktor der Akademie der Wissenschaften des Vatikans, den wir sehr schätzen, eingeladen – als einziges Staatsoberhaupt – als die Enzyklika Laudato Si vorbereitet wurde, die erste ökologische Enzyklika der Kirchengeschichte. Und er hat erneut angefragt für April. Wir werden sehen, ob die Einladung formalisiert wird und für diesen Fall gerne anwesend sein, soweit es die Situation im Land und die Wirtschaftsprobleme erlauben. Natürlich wäre es eine Freude und eine Ehre, dem Vatikan zur Seite zu stehen und unseren bescheidenen Beitrag zu leisten, wenn der Papst eine neue Enzyklika über die Entwicklung vorbereitet.“
Rafael Correa Delgado ist seit 2007 Staatsoberhaupt von Ecuador. Er gilt als Linkspopulist und Vertreter eines „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ mit religiös befreiungstheologischem Einschlag. Sein Großvater Simon Delgado war ein Großneffe des Liberalen und Freimaurers Eloy Alfaro Delgado, der von 1896–1901 und von 1906–1911 Staatspräsident von Ecuador war. Correas politische Bewegung Movimiento Pais beruft sich ausdrücklich auf Alfaro, der den katholischen Staatspräsidenten Gabriel Garcàa Moreno (1876 ermordet), allerdings danach auch mehrere liberale Nachfolgeregierungen bekämpft hatte. 1912 wurde Alfaro bei Machtkämpfen radikalliberaler Fraktionen ermordet.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: vatican.va/Epn (Screenshot)