Existiert eine „organisierte Bewegung“ gegen Papst Franziskus?


Andrea Tornielli bei der Übergabe des Gesprächsbuches "Der Name Gottes ist Barmherzigkeit" an Papst Franziskus
Andrea Tornielli bei der Übergabe des Gesprächsbuches "Der Name Gottes ist Barmherzigkeit" an Papst Franziskus

(Rom) Andrea Tor­ni­el­li gilt in Rom als „Haus- und Hof­va­ti­ka­nist“ von Papst Fran­zis­kus. Er genießt das Pri­vi­leg, leich­ten Zugang zum katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt zu haben. Vor wich­ti­gen Initia­ti­ven ist Tor­ni­el­li stän­di­ger Gast in San­ta Mar­ta. Sei­ne Infor­ma­tio­nen stam­men aus erster Hand. Zudem berät er den Papst in Sachen Öffent­lich­keits­ar­beit und han­delt als des­sen indi­rek­tes Sprach­rohr. Je nach Pla­nung und Not­wen­dig­keit, kün­digt Tor­ni­el­li in sei­nen Arti­keln Schrit­te des Pap­stes an oder ver­sucht ihnen nach Kri­tik eine offi­zi­el­le Deu­tung zu geben. Dazu gehört es auch, gele­gent­lich etwas geradezubiegen.

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In Argen­ti­ni­en nimmt die Jour­na­li­stin Eli­sa­bet­ta Piqué, die Rom-Kor­re­spon­den­tin der Tages­zei­tung La Naci­on, eine Son­der­stel­lung ein. Die Papst-Freun­din leg­te bereits 2013 die Bio­gra­phie „Fran­cis­co. Vida y Revo­lu­ción“ (Fran­zis­kus. Leben und Revo­lu­ti­on) über ihren Lands­mann auf dem Papst­thron vor.

Bei­de, Tor­ni­el­li und Piqué, sehen ihre Auf­ga­be dar­in, die Wor­te und Taten des Pap­stes medi­al in ein gutes Licht zu stel­len. Sie erfül­len damit, wenn auch indi­rekt, gera­de in die­sem Pon­ti­fi­kat eine nicht zu unter­schät­zen­de Auf­ga­be. Papst Fran­zis­kus gibt nach wie vor Rät­sel auf. Um genau zu sein, wer­den die Rät­sel mit der Zeit nicht weniger.

Wider­sprüch­lich­kei­ten erschwe­ren eine Inter­pre­ta­ti­on sei­nes Den­kens und Han­delns. Tor­ni­el­lis Arti­kel, die in der Tages­zei­tung La Stam­pa und dem Inter­net­por­tal Vati­can Insi­der erschei­nen, sind eine Garan­tie: Sie geben, ob aus­drück­lich erwähnt oder nicht, die Inten­ti­on des Pap­stes wieder.

Das Tornielli-Interview in "La Nacion"
Das Tor­ni­el­li-Inter­view in „La Nacion“

Tornielli-Interview für La Nacion

Eli­sa­bet­ta Piqué ließ nun Andrea Tor­nie­li in La Naci­on zu Wort kom­men. Anlaß für das Inter­view war das soeben erschie­ne­ne Gesprächs­buch von Tor­ni­el­li mit Papst Fran­zis­kus„Der Name Got­tes ist Barm­her­zig­keit“. Auch dabei erfährt man eini­ges, was in San­ta Mar­ta gedacht wird.

„Für einen orga­ni­sier­ten Sek­tor, macht der Papst nichts rich­tig“, wird Tor­ni­el­li im Titel zitiert. „Der renom­mier­te ita­lie­ni­sche Vati­ka­nist, Autor eines Gesprächs­bu­ches mit Fran­zis­kus, zeigt sich erstaunt über die syste­ma­ti­schen Angrif­fe einer kon­ser­va­ti­ven Grup­pe gegen den argen­ti­ni­schen Papst“, schreibt Piqué.

Im Inter­view kom­men Piqué und Tor­ni­el­li auch auf Kri­tik an Papst Fran­zis­kus zu sprechen.

Piqué: Doch in den ver­gan­ge­nen Mona­ten sind Din­ge gesche­hen, die man zuvor nie gese­hen hat, wie der Brief, den 13 Kar­di­nä­le wäh­rend der ver­gan­ge­nen Syn­ode dem Papst geschrie­ben haben, dar­in sei­ner Auto­ri­tät trotz­ten und ihn fast der Mani­pu­la­ti­on beschuldigten.

Tor­ni­el­li: Als Paul VI. die Enzy­kli­ka Hum­a­nae Vitae ver­öf­fent­lich­te, gab es Papie­re mit sehr hef­ti­ger Kri­tik. Doch es stimmt, bei der Syn­ode gab es einen Moment der Span­nung. Und mir scheint, daß es eine orga­ni­sier­te Bewe­gung gibt, die alle Medi­en nützt, ein­schließ­lich Inter­net, um Zwie­tracht und Kri­tik am Papst zu ver­brei­ten. Was mich dabei erstaunt, ist, daß sie jeden Tag etwas zu kri­ti­sie­ren fin­den. Für die­se Bewe­gung macht der Papst nichts rich­tig, egal was er sagt oder tut. Das erstaunt mich sehr und die­se Beharr­lich­keit weist klar auf ein Vor­ur­teil hin, denn es wird dabei nicht berück­sich­tigt, was er wirk­lich sagt und tut, wenn es nicht ins Kli­schee paßt.

Piqué: Kann die­se täg­li­che Kri­tik an Fran­zis­kus, vor allem durch Blogs, die ihn beschul­di­gen, ein Popu­list zu sein, zwei­deu­tig in Fra­gen der Dok­trin und das Papst­tum zu ent­sa­kra­li­sie­ren, ihm schaden?

Tor­ni­el­li: Wenn die Kri­tik nicht auf­rich­tig ist, son­dern auf der Grund­la­ge von Vor­ur­tei­len erfolgt, wenn sie syste­ma­tisch, ja sogar lächer­lich wird, wegen ihrer Insi­stenz und ihrer Halt­lo­sig­keit, wen­det sie sich am Ende gegen jene, die sie äußern.

Papst Franziskus über Kritik informiert

Das Inter­view bestä­tigt, daß Papst Fran­zis­kus über die Kri­tik an Aus­sa­gen und Ent­schei­dun­gen an ihm infor­miert ist. Das wur­de früh­zei­tig deut­lich, als Fran­zis­kus, am 1. Novem­ber 2013 sei­nen intel­lek­tu­ell hoch­ste­hen­den, aber auch här­te­sten Kri­ti­ker, den katho­li­schen Rechts­phi­lo­so­phen Mario Pal­ma­ro anrief. Mario Pal­ma­ro war damals bereits von schwe­rer Krank­heit gezeich­net, der er kurz dar­auf erlie­gen sollte.

Die Exi­stenz einer „orga­ni­sier­ten Bewe­gung“, die „syste­ma­tisch“ Papst Fran­zis­kus kri­ti­siert, mag ein per­sön­li­cher Ein­druck Tor­ni­el­lis sein, für den er aber kei­nen Beleg nennt. Zwei­fel­haft erscheint, daß Papst-Kri­ti­kern „alle Medi­en“ zur Ver­fü­gung ste­hen. In der Tat blei­ben, nimmt man Tor­ni­el­lis und Piqués Aus­sa­gen zusam­men, nur „Blogs“ übrig. Das Inter­net, auf­grund sei­nes frei­en Zugangs, scheint also das ein­zi­ge Medi­um zu sein, wo Kri­tik am der­zei­ti­gen Papst geäu­ßert wer­den kann. Das sagt eini­ges über das Medi­um Inter­net aus, mehr aber noch über Pres­se und Rundfunk.

Inter­es­sant ist das inso­fern, als der argen­ti­ni­sche Zere­mo­ni­är des Pap­stes, Msgr. Guil­ler­mo Xavier Kar­cher, in Inter­views, erst­mals im April 2014, sag­te, der Papst lese eine ein­zi­ge Tages­zei­tung, La Repubbli­ca, und die täg­lich für ihn vor­be­rei­te­te Pres­se­map­pe. Er nüt­ze aber weder Inter­net noch kön­ne er mit einem Com­pu­ter umge­hen. Kuri­en­erz­bi­schof Clau­dio Maria Cel­li, der Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Rats für die sozia­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, sag­te am 23. Juni 2015 beim Forum Euro­pa in Bil­bao, der Papst habe ihm am 18. Juni in San­ta Mar­ta anver­traut: „Ich weiß, daß ich vie­le Blogs gegen mich habe.“ Eine Aus­sa­ge, die er nur auf­grund der Infor­ma­tio­nen ande­rer täti­gen konnte.

Tornielli tut Kritik an Papst Franziskus pauschal ab

Auch für die Behaup­tung, die Papst-Kri­tik sei „nicht auf­rich­tig“, beru­he auf „Vor­ur­tei­len“ und sei daher „halt­los“, nennt Tor­ni­el­li kein Beispiel.

Kon­kret dient die Stel­le im Inter­view damit nur einer gene­rel­len Dis­kre­di­tie­rung von jeder Kri­tik an Papst Franziskus.

Eine „orga­ni­sier­te Bewe­gung“ gegen Papst Fran­zis­kus konn­te von uns bis­her nicht fest­ge­stellt wer­den. Was Katho​li​sches​.info betrifft kön­nen wir ver­si­chern, nicht auf der Suche nach Hand­lun­gen von Papst Fran­zis­kus zu sein, die kri­ti­siert wer­den könn­ten. Wir hal­ten weder Kon­takt zu irgend­ei­ner Grup­pe , die gegen Papst Fran­zis­kus oder sonst irgend­wen Rän­ke schmie­det noch zu einer „orga­ni­sier­ten Bewe­gung“, von der wir noch nichts gehört haben und deren Exi­stenz wir daher der Phan­ta­sie von Andrea Tor­ni­el­li zuschreiben.

Als Redak­ti­ons­lei­ter will ich aber nicht leug­nen, manch­mal am Mor­gen mit dem sor­gen­vol­len Gedan­ken auf­zu­ste­hen, wel­che Neu­ig­kei­ten der Papst inzwi­schen bereit­hält. Man wür­de wohl über­trei­ben, woll­te man behaup­ten, man hät­te einen beson­ders ver­trau­ens­er­wecken­den Ein­druck gewon­nen. Noch weni­ger kön­nen wir dem Anspruch von Fran­zis­kus-Ver­eh­rern etwas abge­win­nen, stän­dig den Hei­li­gen Geist zu bemü­hen, und die­sen je nach Bedarf gegen Über­lie­fe­rung, Schrift und Lehr­amt auszuspielen.

Das alles aber erfüllt nichts von dem, was Tor­ni­el­li und Piqué kritisieren.

Im Gegen­satz zu Tor­ni­el­li und Piqué sind wir in unse­rer Bericht­erstat­tung jeden­falls unab­hän­gi­ger und unpar­tei­ischer, da wir kei­ner­lei Nah­ver­hält­nis zum Sub­jekt der Bericht­erstat­tung unter­hal­ten im Gegen­satz zu Piqué, die mit Fran­zis­kus seit Jah­ren befreun­det ist und der ihre Kin­der getauft hat, und im Gegen­satz zu Tor­ni­el­li, der seit dem 13. März 2013 mit einem Fuß in San­ta Mar­ta wohnt, und die­sem Pon­ti­fi­kat eine ganz außer­ge­wöhn­lich pri­vi­le­gier­te Stel­lung verdankt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Radio Vaticana/​Secretum meum mihi (Screen­shots)

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