Ersatzreligionen: „Erschreckt nicht, wenn ein Priester Laster hat. Erschreckt, wenn er vom Glauben abfällt“


Obscura: Die Leere verlangt nach Ersatz - auch Ersatzreligionen
Obscura: Die Leere verlangt nach Ersatz - auch Ersatzreligionen

(Rom) Der Jour­na­list und Buch­au­tor Camil­lo Lan­go­ne (Il Foglio) gehört zu jenen, die das Mit­tel der Pro­vo­ka­ti­on ein­set­zen, um zum Nach­den­ken anzu­re­gen. Sät­ze wie „Nehmt den Frau­en die Bücher weg und sie wer­den wie­der Kin­der gebä­ren“ (2011) oder nach einem Brand in der Cit­tà  del­la Sci­en­za von Nea­pel (Stadt der Wis­sen­schaft), einem Muse­um und Tech­no­lo­gie­park, „Man hät­te sie schon frü­her nie­der­bren­nen sol­len, dort wur­de die Evo­lu­ti­ons­theo­rie pro­pa­giert“ (2013), wer­den ihm angekreidet.

Anzei­ge

In der Tages­zei­tung „Il Foglio“ schrieb er nach „Fiat lux“, der umstrit­te­nen Pro­jek­ti­on auf die Fas­sa­de des Peters­doms im Zusam­men­hang mit der Welt­kli­ma­kon­fe­renz in Paris, den Arti­kel „Kat­zen und Zebras statt Jesus Christus“.

Ersatzreligionen – Katzen und Zebras statt Jesus Christus

von Camil­lo Langone

Ich wun­de­re mich nicht, daß der Peters­platz halb­leer ist anstatt voll, wie erwar­tet. Das Gegen­teil wür­de mich wun­dern. Und ich den­ke nicht, daß das allein der Angst geschul­det ist, irgend­ei­nem spreng­stoff­be­gei­ster­ten Moham­me­da­ner in die Arme zu lau­fen. Tat­sa­che ist, daß die katho­li­schen Bewe­gun­gen – aus­ge­nom­men die Neo­ka­techu­me­na­len – , die imstan­de sind, die Jugend auf die Stra­ßen zu brin­gen, sich ver­flüch­tigt haben und sich nur mehr auf zu belä­cheln­de Som­mer­ri­tua­le (ja, ich den­ke vor allem an Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne) beschrän­ken. Wahr ist auch, daß der Pfarr­ka­tho­li­zis­mus ein seni­ler und daher zitt­ri­ger Katho­li­zis­mus ist (die Alten fürch­ten den Tod eben weit mehr als die Jun­gen, weil er für sie eine kon­kre­te Rea­li­tät ist und nicht nur eine fer­ne Idee). Es ist aber nicht nur das. Es geht vor allem dar­um, daß das Herz des Men­schen, wie in der Natur, die Lee­re verabscheut.

Wenn das Zen­trum der Chri­sten­heit als ver­las­sen emp­fun­den wird, hört es auf, attrak­tiv zu sein. Und die Unbe­stän­di­gen wen­den sich schein­bar neu­en Kul­ten zu, die in Wirk­lich­keit archa­isch sind wie der Natur- und der Tier­kult, die heid­ni­sche Varia­tio­nen sind.

Der Mensch ist ein reli­giö­ses Wesen und das weiß auch Papst Fran­zis­kus, der in sei­ner Pre­digt vom 14. März 2013 eini­ger­ma­ßen über­ra­schend und bis­her das ein­zi­ge Mal den Apo­ka­lyp­ti­ker Léon Bloy zitier­te: „Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel.“

Affen auf Sankt Peter: Rückfall in archaische Natur- und Tierkulte
Affen auf Sankt Peter: Rück­fall in archai­sche Natur- und Tierkulte?

Die nicht mehr von Gläu­bi­gen gefüll­ten Kir­chen wer­den frü­her oder spä­ter zu Moscheen oder im besten aller Fäl­le zu Muse­en. Dar­über zu jam­mern, ist sinn­los. Sinn­vol­ler wäre es in die Kir­che zu gehen und die Mes­se zu besu­chen. Und es nicht wie jene Freun­din von mir zu machen, die am Sonn­tag die hei­li­ge Katha­ri­na liest, statt an der Eucha­ri­stie teil­zu­neh­men, und sich ein­bil­det, damit in Ord­nung zu sein, in Wirk­lich­keit aber am Kol­laps einer Reli­gi­on mit­wirkt, die Stück für Stück spi­ri­tua­li­siert und auf Sub­jek­ti­vis­mus und intel­lek­tu­el­le Ona­nie redu­ziert wird.

Wer nicht zum Herrn betet, wie der Herr uns gelehrt hat („Tut dies zu mei­nem Gedächt­nis…“) betet auch nicht zur Hei­li­gen Katha­ri­na. Ohne es zu wol­len, betet er/​sie zu etwas anderem.

Eine ande­re Freun­din wur­de Muse­ums­di­rek­to­rin und hat mich ein­ge­la­den, sie in ihrem Büro zu besu­chen. Ich lehn­te ab, weil ich vom Gebäu­de nega­ti­ve Schwin­gun­gen emp­fing oder wie immer man das nen­nen will. Sie schau­te mich ungläu­big an und wuß­te nicht recht, ob sie mich nun für ver­rückt hal­ten müs­se. In der Tat mag es über­zo­gen wir­ken, ange­sichts des ver­welt­lich­ten Kle­rus, den wir haben, auf das Hei­li­ge zu behar­ren, wie ich es tue, aber ich kann nicht anders: „Eines jeden Sen­si­bi­li­tät ist sein Genie“, sag­te Bau­de­lai­re, und mein Genie ist das Emp­fin­den für das Haus Gottes.

Das sehr moder­ne Muse­um, das von mei­ner Freun­din gelei­tet wird, befin­det sich in einer alten Abtei, die von Napo­le­on auf­ge­ho­ben und ent­leert wur­de, was für mich mit  Ver­nich­tung zu tun hat.

Jean Clair schrieb gan­ze Bän­de über das Muse­um als Sur­ro­gat der Zeit. Ich muß sie nicht auf­schla­gen, um zu wis­sen, wie wahr das ist. Daß die Lee­re immer dazu neigt, sich zu fül­len, ist ein Gesetz der Psy­cho­lo­gie. Die Frau­en, die kein Kind zum Umar­men haben, legen sich ger­ne einen Schoß­hund zu, mit dem sie reden, den sie bemut­tern und ihm ein beson­de­res Fres­si kaufen.

Pater Rosa­rio Stro­scio ist ein 97 Jah­re alter Sale­sia­ner, der im Alter von 17 Jah­ren als Mis­sio­nar nach Indi­en kam („wir waren bet­tel­arm, aber von sol­cher Freu­de erfüllt“) und 50 Jah­re der Beicht­va­ter von Mut­ter Tere­sa war. Er war erschüt­tert, als er nach vie­len Jah­ren, 2003 zu deren Selig­spre­chung, nach Ita­li­en zurück­kehr­te und „so vie­le Frau­en mit einer Kat­ze oder einem Hund im Arm“ sah, „als wären es Kin­der“. „Ein Land, das die Kin­der durch Kat­zen und Hun­de ersetzt hat, ist ein Land ohne Zukunft“, sag­te er im ver­gan­ge­nen Okto­ber in einem Inter­view mit dem Cor­rie­re del­la Sera. Nach Ita­li­en wer­de er nicht mehr zurück­keh­ren, da gebe es zu wenig Moral und füg­te hin­zu: „Alle die­se Moham­me­da­ner auf­zu­neh­men, scheint mir wenig weit­sich­tig. Es wird der Tag kom­men, an dem sie ihre Pfer­de im Peters­dom trän­ken werden.“

Daß Lee­re Ersatz for­dert, zeigt sich sogar als Gesetz­mä­ßig­keit des Städ­te­baus: an die Stel­le der Kirch­tür­me, an die nicht ein­mal mehr die Erz­bi­schö­fe glaub­ten (wie die turm­lo­sen neu­en Kir­chen zei­gen), sind die Wol­ken­krat­zer getre­ten. Wer erin­nert sich nicht an man­che Bei­spie­le ver­gan­ge­ner Kon­kur­renz welt­li­cher Herr­scher zur Kir­che durch Geschlech­ter- und Rathaustürme.

„In der Wüste sei­ner Ver­las­sen­heit, gibt sich das Volk hin, sich gol­de­ne Käl­ber zu machen“, schrieb der Theo­lo­ge Pier­an­ge­lo Sequeri. Oder eben grü­ne Idole.

Wenn man nicht mehr an die Mut­ter­got­tes, die immer­wäh­ren­de Jung­frau und Got­tes­ge­bä­re­rin glaubt, erliegt man eben dem Zau­ber der Erd­göt­tin Gaia. Vom Kle­rus soll­te nicht erschrecken, daß auch er man­ches Laster hat, und man­che sich dem Luxus oder mensch­li­chen Sin­nen hin­ge­ben. Erschrecken soll­te viel­mehr die Apo­sta­sie der Prie­ster. Erschrecken soll­ten jene Preis­ter, wie der Reli­gi­ons­phi­lo­soph Mar­co Van­ni­ni schreibt, die „den Glau­ben an die Gott­heit Chri­sti ver­lo­ren und damit die Neu­heit des Evan­ge­li­ums annul­liert haben, und sich ver­bie­gen und die Welt und deren Fürst anbeten“.

Unend­lich gefähr­li­cher als Fran­ce­s­ca Chaou­qui ist die Obscu­ra (sic), das Unter­neh­men aus San Fran­cis­co, das genau am Hoch­fest der ohne Erb­sün­de emp­fan­ge­nen Jung­frau und Got­tes­mut­ter Maria die Tie­re auf die Fas­sa­de des Peters­doms pro­ji­zier­te. Das Papst­tum wur­de in eine Zweig­stel­le von Green­peace und UNO ver­wan­delt. Nur dumm, daß das Mut­ter­haus die­se Ange­le­gen­hei­ten viel glaub­wür­di­ger ver­tritt und schon am näch­sten Tag damit fort­setz­te, die Agen­da zu dik­tie­ren, indem sie auf Mai­län­der Monu­men­te Bil­der gegen den Thun­fisch­fang pro­ji­zier­te, und in Paris am Nach­fol­ge­ver­trag für das Kyo­to-Pro­to­koll geba­stelt wurde.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Obscu­ra (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!