„Der Beichtvater ist kein Notar“ – Mißverständnisse rund um das Heilige Jahr der Barmherzigkeit


(Rom) Ein wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner ging vor Weih­nach­ten zur Beich­te, doch der Beicht­va­ter ver­wei­ger­te ihm die Los­spre­chung. Der Vor­fall ereig­ne­te sich in der Kathe­dra­le der süd­ita­lie­ni­schen Stadt Bari, die dem hei­li­gen Niko­laus von Myra geweiht ist. Die Tages­zei­tung La Gaz­zet­ta del Mez­zo­gior­no druck­te am 30. Dezem­ber einen Brief des Man­nes ab, der sei­ne „Ent­täu­schung“ schil­der­te und die „Barm­her­zig­keit von Papst Fran­zis­kus“ ein­for­der­te, die ihm im „Hei­li­gen Jahr der Barm­her­zig­keit“ ver­wei­gert wor­den sei. Denn, so der wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne, „die Abso­lu­ti­on ist allen zu ertei­len, die beich­ten“. Ein Mißverständnis?

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Eine sol­che For­de­rung, die einen Auto­ma­tis­mus vor­aus­set­ze, sei eine „absur­de Behaup­tung“, ant­wor­tet der bekann­te Theo­lo­ge und Lit­ur­gi­ker, Msgr. Nico­la Bux. „Der Prie­ster ist kein Notar“. Am 3. Janu­ar ver­öf­fent­lich­te die­sel­be Tages­zei­tung ein Inter­view mit Msgr. Bux, der Prie­ster der Erz­diö­ze­se Bari ist. Der Con­sul­tor römi­scher Dik­aste­ri­en ist Autor zahl­rei­cher inter­na­tio­nal beach­te­ter Bücher. Sei­ne jüng­ste Mono­gra­phie trägt den Titel: „Wie man zur Hei­li­gen Mes­se geht, ohne den Glau­ben zu ver­lie­ren“, das bereits in fünf Spra­chen über­setzt wurde.

Nico­la Bux: „Der Prie­ster ist in der Beich­te zugleich Rich­ter und See­len­arzt. Absol­vere heißt „los­lö­sen“, „befrei­en“ und bedeu­tet kon­kret, den Büßer von sei­ner Bin­dung zur Sün­de zu lösen. Der Prie­ster, und nicht der Gläu­bi­ge, bewer­tet, ob die Vor­aus­set­zun­gen gege­ben sind, die Los­spre­chung zu gewäh­ren oder nicht.

Die Reue genügt nicht?

Nico­la Bux: Die wah­re Reue setzt die Ent­schlos­sen­heit des Gläu­bi­gen vor­aus, die Ver­bin­dung zu lösen. Im Evan­ge­li­um sagt Jesus Chri­stus: Geh und sün­di­ge nicht mehr. Er sagt nicht: Geh und mach wei­ter­hin, was dir paßt.

Der Prie­ster sah die Vor­aus­set­zun­gen nicht gege­ben, von denen Sie sprechen?

Nico­la Bux: Offen­sicht­lich. Man kann sich kei­ne Los­spre­chung erwar­ten, wenn man nicht den festen Vor­satz hat, nicht mehr zu sündigen.

Und hier kommt das Hei­li­ge Jahr der Barm­her­zig­keit ins Spiel.

Nico­la Bux: Dazu herrscht in jüng­ster Zeit ein ziem­li­ches Miß­ver­ständ­nis. Die Regeln haben sich nicht geän­dert und die Prie­ster haben sich an die über­lie­fer­te Leh­re zu hal­ten, alle auf die­sel­be Wei­se, genau­so wie alle Rich­ter sich an das Gesetz hal­ten müs­sen. Ohne Aus­nah­me. War­um erwar­ten wir, daß die­ses Kon­zept bei Gericht selbst­ver­ständ­lich gilt, aber in der Kir­che umge­sto­ßen wer­den soll?

San Nicola, die Kathedrale von Bari
San Nico­la, die Kathe­dra­le von Bari

Es ist klar, auf wel­cher Sei­te Don Bux steht.

Nico­la Bux: Ich ste­he natür­lich auf der Sei­te von Jesus Chri­stus. Nie­mand auf die­ser Erde hat die Auto­ri­tät, die Regeln Sei­ner Kir­che zu ändern. Des­halb hat die Syn­ode ein Schluß­do­ku­ment her­vor­ge­bracht, das in Sachen Eucha­ri­stie und wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne abso­lut nichts ändert.

Vie­le mei­nen aber, daß Papst Fran­zis­kus beab­sich­tigt, den Kurs zu ändern.

Nico­la Bux: Ein wei­te­res gro­ßes Miß­ver­ständ­nis. Kar­di­nal Mül­ler, der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und damit der Hüter des katho­li­schen Glau­bens hat es sehr deut­lich gesagt: „Die Leh­re der Kir­che ist kei­ne vom Men­schen gemach­te Theo­rie. Das Lehr­amt des Pap­stes und der Bischö­fe steht nicht über dem Wort Gottes.“

Laut dem Brief unse­res Lesers, hat ihn der Prie­ster für einen noch grö­ße­ren Sün­der gehal­ten, weil er zur Kom­mu­ni­on gegan­gen ist, obwohl er wie­der­ver­hei­ra­tet geschie­den ist.

Nico­la Bux: Und dafür sol­len wir dem Prie­ster die Schuld geben? Es ist Jesus Chri­stus, der im Evan­ge­li­um die Unauf­lös­lich­keit der Ehe ver­kün­det. Und der Hei­li­ge Pau­lus warnt davor, das Sakra­ment unwür­dig zu emp­fan­gen. Wie kann der Zugang zur Eucha­ri­stie gefor­dert wer­den, wenn man die Gemein­schaft mit der eige­nen Frau ver­las­sen hat und eine Bin­dung mit einer ande­ren Frau ein­ge­gan­gen ist? Das ist ein Wider­spruch in sich. Und in dem Brief wer­den noch wei­te­re Wider­sprü­che sichtbar.

Was mei­nen Sie damit?

Nico­la Bux: Vor allem der Aus­gangs­punkt. Der Leser bezeich­net sich einer­seits als „gläu­bi­gen Katho­li­ken“, aber gleich­zei­tig als wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen, der die Unauf­lös­lich­keit des Ehe­ban­des ver­rät. Dann spricht er wört­lich von einer „plötz­li­chen Lau­ne“, die ihn nach 12 Jah­ren wie­der ein­mal in den Beicht­stuhl getrie­ben habe. Katho­li­ken sind aber ver­pflich­tet, zumin­dest ein­mal jähr­lich zu beich­ten. Wir haben es also mit einem typi­schen Bei­spiel eines „Chri­sten­tums Mar­ke Eigen­bau“ zu tun. Was katho­lisch ist, bestim­me ich selbst, und wenn schon, hät­ten sich Kir­che und Glau­ben an mei­ne Bedürf­nis­se anzu­pas­sen. Ein Phä­no­men, vor dem uns Papst Bene­dikt XVI. mit Nach­druck gewarnt hatte.

Eine letz­te Fra­ge: Ist die Hei­li­ge Pfor­te der Kathe­dra­le nicht ein eige­ner, spe­zi­el­ler Bußweg?

Nico­la Bux: Auch dazu ist Klar­heit zu schaf­fen: Die Sün­de zieht wie eine Straf­tat, auch hier hilft zum bes­se­ren Ver­ständ­nis ein Ver­gleich mit dem Straf­recht, Schuld und Stra­fe nach sich. Die Beich­te bringt dem reu­igen Sün­der die Los­spre­chung von der Schuld, aber nicht von der Stra­fe, die im Jen­seits auf über­na­tür­li­cher Ebe­ne zu ver­bü­ßen ist. Das ist der Moment, wo das Hei­li­ge Jahr ins Spiel kommt, das als spe­zi­el­ler Weg es ermög­licht, auch die Stra­fen zu til­gen, ver­gleich­bar einem voll­stän­di­gen oder teil­wei­sen Straß­er­laß. Die Pfor­ten der Barm­her­zig­keit in der Kir­che waren, sind und wer­den immer offen sein. Aber zu den übli­chen Bedin­gun­gen. Und die Prie­ster wis­sen, daß sie nicht nach­ge­ben und sich nicht von den vor­herr­schen­den Mei­nun­gen ein­schüch­tern las­sen dürfen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​Arcidiocesi di Bari (Screen­shots)

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