Höchststand der päpstlichen Popularität – Tiefststand der Beichtzahlen


Beichtstuhl im Petersdom
Beichtstuhl im Petersdom

(Rom) Die zum Jah­res­schluß von Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein als Prä­fekt des Päpst­li­chen Hau­ses gewohn­heits­ge­mäß ver­öf­fent­lich­ten Teil­neh­mer­zah­len bei den päpst­li­chen Gene­ral­au­di­en­zen, sorg­ten für Auf­se­hen und berei­ten seit­her nicht nur in Rom eini­ges Kopf­zer­bre­chen. Die Prä­fek­tur leg­te schwarz auf weiß die Zah­len vor, daß der seit 2013 viel­be­schwo­re­ne „Fran­zis­kus-Effekt“ aus­bleibt. Die Zahl der Beich­ten­den erreicht in Rom einen Tiefst­stand, wäh­rend die päpst­li­che Popu­la­ri­tät ihren Höhen­flug fortsetzt.

Gegenläufige Tendenzen

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Die Teil­neh­mer an den Gene­ral­au­di­en­zen am Mitt­woch gin­gen von 1.199.000 im Jahr 2014 auf 704.100 im Jahr 2015 zurück. Die Teil­nah­me am sonn­täg­li­chen Ange­lus hal­bier­te sich sogar von 3.040.000 Teil­neh­mern im Jahr 2014 auf 1.585.000 im Jahr 2015.

Gleich­zei­tig ist die Popu­la­ri­tät von Papst Fran­zis­kus wei­ter­hin enorm. „Sei­ne Popu­la­ri­täts­wer­te sagen jedoch nichts über den Grad der reli­giö­sen Pra­xis aus“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Anders aus­ge­drückt: Die gro­ße Popu­la­ri­tät der Per­son Fran­zis­kus steht in Kon­trast zur sin­ken­den reli­giö­sen Praxis.

Auf­schluß­rei­cher, so Magi­ster, sei­en ande­re Erhe­bun­gen, wie jene des ita­lie­ni­schen Sta­ti­stik­am­tes, mit denen jähr­lich das All­tags­le­ben der Ita­lie­ner erfaßt wer­den soll. Die jüngst ver­füg­ba­ren Daten bezie­hen sich auf das Jahr 2014, dem ersten Jahr, das zur Gän­ze vom Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus abge­deckt wur­de. Laut Sta­ti­stik­amt gin­gen 28,8 Pro­zent der Ita­lie­ner 2014 min­de­stens ein­mal in der Woche in die Kir­che. Ein Wert, der im Ver­gleich zu ande­ren west­li­chen Staa­ten ziem­lich hoch ist. Aller­dings bedeu­tet auch er im Ver­gleich einen deut­li­chen Rück­gang. Wäh­rend des gesam­ten, acht­jäh­ri­gen Pon­ti­fi­kats von Papst Bene­dikt XVI. lagen die Wer­te kon­stant noch bei 32–33 Prozent.

Auch die Zah­len der Kir­chen­be­su­che zei­gen einen gegen­läu­fi­gen Trend zur außer­ge­wöhn­li­chen Popu­la­ri­tät von Papst Franziskus.

Magister: „Liebdienerischer Konformismus ein schädliches Laster des neuen kirchlichen Establishments“

Magi­ster ver­öf­fent­lich­te den Brief eines Prie­sters, mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung als Beicht­va­ter. Den Namen des Prie­sters nann­te Magi­ster nicht, da er „zu sehr vor­her­seh­ba­rer Ver­gel­tung durch ein neu­es kirch­li­ches Estab­lish­ment“ aus­ge­setzt sei, das „einen lieb­die­ne­ri­schen Kon­for­mis­mus gegen­über die­sem Pon­ti­fi­kat zu einem sei­ner schäd­lich­sten Laster gemacht“ habe. Aus Magi­sters Anga­ben und dem Brief läßt sich jedoch soviel ent­neh­men, daß der Prie­ster eine her­aus­ra­gen­de aka­de­mi­sche Aus­bil­dung ver­fügt und Lehr­auf­trä­ge an in- und aus­län­di­schen Uni­ver­si­tä­ten hat und daß er als Beicht­va­ter an einer römi­schen Kir­che in den äuße­ren Stadt­vier­teln wirkt.

Der Prie­ster berich­tet mit dem Schrei­ben über sei­ne Erfah­run­gen mit der Wir­kung des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus ad intra und ad extra Eccle­siae. Er ent­hält sich, wie er selbst betont, einer Wer­tung, möch­te aber durch Fak­ten beleg­te Wider­sprü­che zwi­schen Anspruch und Wirk­lich­keit auf­zei­gen. „Ich über­las­se es den Lieb­ha­bern der Reli­gi­ons­so­zio­lo­gie, der Öffent­lich­keits­ar­beit und der Kir­chen­po­li­tik“, den seit drei Jah­ren kon­ti­nu­ier­li­chen und schnel­len Rück­gang der Teil­neh­mer­zah­len an den öffent­li­chen Ereig­nis­sen mit dem Papst zu bewer­ten, und zu beur­tei­len, was das für den Zuspruch zur Glau­bens­ver­kün­di­gung und dem angeb­li­chen „neu­en Früh­ling“ der Kir­che bedeu­te. Wesens­merk­mal die­ses Pon­ti­fi­kats sei ja eine Kir­che mit „weit offe­nen Türen für alle“.

Doch, so der Prie­ster, soweit er sich erin­nern kön­ne, spre­che der Evan­ge­list Lukas von einer „engen Pfor­te“. Um durch sie hin­durch­zu­ge­lan­gen, brau­che es der „Anstren­gung“ und daß zwar vie­le es ver­su­chen, aber nur weni­ge schaf­fen wür­den. Die „Ver­ge­bung“ schei­ne durch die „Barm­her­zig­keit“ ver­drängt zu werden.

„Bonum populi Dei“ mit „populari consensus“ verwechseln

Kri­tik übt er am „neu­en kirch­li­chen Estab­lish­ment“, das salus ani­ma­rum mit vota ali­quo­rum und bonum popu­li Dei mit popu­la­ris con­sen­sus zu ver­wech­seln schei­ne, also das See­len­heil mit den Wün­schen eini­ger und das Wohl des Got­tes­vol­kes mit Popularität.

Kern des Brie­fes sind jedoch zwei Beob­ach­tun­gen: Erstens, daß die Zahl der Beich­ten­den vor Weih­nach­ten noch nie so gering war im Hei­li­gen Jahr der Barm­her­zig­keit, und zwei­tens, daß die Beicht­qua­li­tät nachlasse.

Dazu führt der Prie­ster zwei Bei­spie­le an, die unter Wah­rung des Beicht­ge­heim­nis­ses „für alle“ ste­hen sollen.

Wenn Beichtende dem Beichtvater Aussagen von Papst Franziskus entgegenhalten

Ein Mann beich­te­te mehr­fach schwer­wie­gen­de Ver­stö­ße gegen das Sieb­te Gebot. Da er sich mit einer gewis­sen Leich­tig­keit bezich­tig­te, woll­te der Prie­ster wis­sen, ob er denn wirk­lich bereue. Die Ant­wort war ein Zitat von Papst Fran­zis­kus: „Die Barm­her­zig­keit kennt kei­ne Gren­zen.“ Der Beich­ten­de zeig­te sich zugleich erstaunt, daß ihn der Beicht­va­ter dar­an erin­ner­te, daß Reue und der Vor­satz, nicht mehr die­sel­be Sün­de zu bege­hen, Vor­aus­set­zun­gen für die Los­spre­chung sei­en. „Was ich getan habe, habe ich getan. Und was ich tun wer­de, wer­de ich ent­schei­den, sobald ich hier drau­ßen bin. Was ich über das den­ke, was ich getan habe, ist eine Sache zwi­schen mir und Gott. Ich bin nur hier, um mir zu holen, was allen zumin­dest zu Weih­nach­ten zusteht. Bei der Met­te die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen zu kön­nen!“ Zum Abschluß habe er noch jenen berühm­ten Aus­spruch von Papst Fran­zis­kus para­phra­siert: „Wer sind Sie denn, um über mich zu urteilen?“

Eine jun­ge Frau hat­te eine schwe­re Sün­de gegen das Fünf­te Gebot gebeich­tet. Der Prie­ster erleg­te ihr zur Buße Gebet vor dem Aller­hei­lig­sten auf und eine Spen­de nach ihren Mög­lich­kei­ten für die Armen. Die Frau reagier­te unwirsch: Der Papst habe erst vor weni­gen Tagen gesagt, „daß nie­mand etwas im Gegen­zug für die Barm­her­zig­keit Got­tes for­dern dür­fe, weil sie gra­tis ist“. Sie müs­se ins Stadt­zen­trum, um Weih­nachts­ein­käu­fe zu täti­gen und habe kei­ne Zeit, in der Kir­che zu beten. Und Geld für die Armen habe sie auch nicht, die bräuch­ten das auch nicht, denn die hät­ten ohne­hin „mehr als wir“.

Mißverständliche Papst-Botschaften

„Es ist offen­sicht­lich, daß man­che Bot­schaft des Pap­stes, jeden­falls so wie sie die Gläu­bi­gen erreich­te, sich leicht für Miß­ver­ständ­nis­se eig­net und daher nicht der Rei­fung des Gewis­sens nützt“, um sich der eige­nen Sün­den bewußt zu wer­den und der Bedin­gun­gen, die für die Los­spre­chung not­wen­dig sind.

„Den „zick­zack­haf­ten Gang‘ zwi­schen den Kon­zep­ten, ohne sich je damit auf­zu­hal­ten eines zu prä­zi­sie­ren, in dem Msgr. Dario Viganò, Prä­fekt des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­se­kre­ta­ri­ats des Hei­li­gen Stuhls, den Vor­zug des ‚Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stils von Papst Fran­zis­kus erkennt, der imstan­de sei ‚ihn für den moder­nen Zuhö­rer unwi­der­steh­lich zu machen‘ stellt eini­ge geist­li­che und pasto­ra­le Schwie­rig­kei­ten von nicht gerin­ger Bedeu­tung dar, wenn es um die Gna­de und die Sakra­men­te, den Schatz der Kir­che geht.“

Der Prie­ster berich­tet, daß er sich zunächst mit der Annah­me getrö­stet habe, daß die Zahl der Beich­ten­den in den Basi­li­ken mit den Hei­li­gen Pfor­ten in Roms Alt­stadt um so grö­ßer sein wer­de. Doch Nach­fra­gen bei Mit­brü­dern, die dort als Beicht­vä­ter wir­ken, erga­ben das genaue Gegen­teil. Die ande­ren Prie­ster bestä­tig­ten die­sel­ben Beob­ach­tun­gen, die der Prie­ster gemacht hatte.

Das Pon­ti­fi­kat die­ses Pap­stes und der Gesund­heits­zu­stand der Kir­che kön­ne natür­lich nicht ein­sei­tig an die­sem Maß­stab gemes­sen wer­den. „Wir soll­ten aber eini­ge besorg­nis­er­re­gen­de Signa­le, die aus den Kir­chen an den ‚Rän­dern‘ wie aus jenen der ‚Mit­te‘ kom­men, nicht vernachlässigen.“

Die Bischö­fe, „zumin­dest bis zum Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil und in vie­len Fäl­len auch danach“, hät­ten nicht Unrecht gehabt, wenn sie bei Pfarr­vi­si­ta­tio­nen in ihren Diö­ze­sen von den Pfar­rern vor allem auch die Zahl der Beich­ten und der Kom­mu­nio­nen wis­sen woll­ten. „Eben­so­we­nig hat­ten die Päp­ste unrecht, wenn sie sich in der Ver­gan­gen­heit von Bischö­fen bei deren Besu­chen ad limi­na apo­sto­lorum die Gesamt­zahl der in deren Diö­ze­sen gespen­de­ten Sakra­men­te über­ge­ben ließen“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Lif­ei­sa­pray­er (Screen­shot)

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