(Mailand) Die bekannte Schola Gregoriana Mediolanensis von Mailand, die sich der Pflege des Gregorianischen und des Ambrosianischen Chorals verschrieben hat, wurde aus der Basilika San Vittore al Corpo von Mailand entfernt, um dem Volksgesang Platz zu machen.
Die 1980 vom bekannten Musiker Giovanni Vianini gegründete und seither geleitete Choralschola, besteht aus einer Männerschola und einer Frauenschola, die derzeit jeweils 20 Sänger zählen. Zusammen bilden sie einen gemischten Chor. Vianini gilt international als anerkannter Choral-Experte.
Seit 35 Jahren erfüllt die Schola den doppelten Gründungsauftrag: den liturgischen Chordienst und die Pflege und Erhaltung des Gregorianischen und des Ambrosianischen Chorals. Im Erzbistum Mailand, so auch in der Basilika San Vittore, gilt der Ambrosianische Ritus der katholischen Kirche. Er geht auf den Kirchenvater Ambrosius zurück, der von 374–397 Erzbischof von Mailand war. Auf das 4. Jahrhundert wird der Überlieferung nach auch die erste Kirche von San Vittore datiert. Der heutige Barockbau stammt aus dem 16. Jahrhundert.
Schule des Ambrosianischen Chorals
An der Schule der Schola Gregoriana Mediolanensis wurden in den vergangenen 35 Jahren mehr als tausend Schüler aus aller Welt in die Kunst des Choralgesangs eingeführt. Die Schola kann auf zahlreiche Tonaufnahmen verweisen. 23 CD’s sind derzeit im Handel erhältlich. Neben Radio- und Fernsehauftritten sang die Schola in zahlreichen Kathedralen und Klosterkirchen Italiens, aber auch auswärts, so in Fontgombault, Chartres, Rouen, Paray le Monial, Poitiers, Citeaux, Senanque, ebenso in Metz, Einsiedeln, Disentis, Engelberg, Müstair, Uznach, St. Gallen, um nur einige zu nennen.
In der Pflege des Gregorianischen Chorals folgt die Schola der Schule der Benediktinermönche von Solesmes. In der Pflege des Ambrosianischen Chorals bildet sie eine eigene Schule , die sich an den Veröffentlichungen und Studien im Auftrag von Kardinal Ildefons Schuster (Erzbischof von Mailand von 1929–1954) und eigenen Studien der mittelalterlichen Codices orientiert.
„Choral ist Gebet, ist das gesungene Wort Gottes in der Heiligen Liturgie“
„Die Sänger sind keine Profis, sondern widmen sich mit Ernst dem Studium und der Pflege dieses wichtigen Repertoires der Kirchenmusik. Ein musikalischer Schatz, der vor allem in der heiligen Liturgie vorzutragen ist, denn diese Musik ist Gebet, ist das gesungene Wort Gottes, ist die Sprache des Unaussprechlichen“, heißt es auf der Internetseite der Schola Gregoriana Mediolanensis.
„Der Gregorianische Choral ist für die Sakralmusik wie das Sonnenlicht für die Bäume“, mit diesen Worten erklärt Scholameister Viannini seinen Schülern die Bedeutung des Choralgesangs. „Der Gregorianische Choral erhebt sprichwörtlich zum Himmel.“
Doch in der Basilika San Vittore, wo die Schola 35 Jahre ehrenamtlich ihren liturgischen Dienst verrichtete, ist kein Platz mehr für den Choralgesang. „Der Choral muß einem seichten Gesang mit Gitarrenbegleitung und elektronischer Orgel Platz machen. Die Tradition des Volksgesangs ist nicht zu unterschätzen, allerdings von der Sakralmusik zu unterscheiden. Was heute aber an modernem Volksgesang geboten wird, ist weder in der Musik noch im Text liturgisch. Die Melodien haben häufig mit der Kirchenmusik gar nichts zu tun und die Texte sind manchmal bestenfalls religiös angehaucht“, so ein enttäuschtes Scholamitglied.
„Die Vertikalität des Choralgesangs muß der Horizontalität eines platten Volksgesangs weichen“
Der Rauswurf der Schola Gregoriana Mediolanensis stellt keinen Einzelfall dar. „Die Vertikalität des Choralgesangs muß der Horizontalität eines platten, modernen Volksgesang weichen. Dabei geht es um eine falsch verstandene aktive Beteiligung der Gläubigen. Im Erzbistum Mailand ist leider eine systematische Ablehnung des Ambrosianischen und Gregorianischen Chorals im Gange“, so Messa in Latino.
Ein Hörbeispiel von Scholaleiter Giovanni Vianini. Eine von zahlreichen Aufnahmen, mit denen er Gesänge des Ambrosianischen Chorals dokumentiert.
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Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL