Im Irrgarten esoterischer Meditation – Labyrinthe 1


kirchliche Jugendpastoral schwört auf Labyrinthe
Kirchliche Jugendpastoral schwört auf Labyrinthe

Die kirch­li­che Jugend­pa­sto­ral schwört seit eini­gen Jah­ren auf den päd­ago­gi­schen Wert von Laby­rin­then. Katho­li­sche Jugend­or­ga­ni­sa­tio­nen und Jugend­kir­chen bau­en begeh­ba­re Labyrinthkurse.

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Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker

Die kirchliche Jugendpastoral schwört auf Labyrinthe

In Firm­kur­sen glaubt man an die kate­che­ti­sche Wirk­kraft laby­rin­thi­scher Durch­gän­ge. Sie wer­den als hand­lungs­ori­en­tier­tes Gleich­nis­se für das Hin und Her der Lebens­we­ge dar­ge­stellt. Das Ziel: Kin­der und Jugend­li­chen sol­len im Nach­ge­hen ver­schlun­ge­ner Pfa­de zu einer Mit­te fin­den, ihrer eige­nen Lebens­mit­te oder dem Selbst.

Die mei­sten Kin­der machen die­se Übun­gen ger­ne mit – und spie­len in den Wan­del­gän­gen auch mal Fan­gen. Die Kate­che­ten erzäh­len dann von dem hohen Gleich­nis­wert des Laby­rinths fürs Leben. Aber auch nach meh­re­ren pene­tran­ten Hin­wei­sen der Betreu­er fin­den die Betreu­ten par­tout nicht, was sie bei den Durch­gän­gen eigent­li­che fin­den und emp­fin­den soll­ten: die eige­ne Mit­te oder so.

Die leere Mitte als Zentrum des religionspädagogischen Nihilismus

Labyrinth in Kirchähr, der Jugendbegegnungsstäte des Bistums Limburg
Laby­rinth in Kir­ch­ähr, der Jugend­be­geg­nungs­stä­te des Bis­tums Limburg

Inso­fern scheint das Laby­rinth­ge­hen eher ein Gleich­nis für die Irrun­gen und Wir­run­gen in den Kon­zep­ten kirch­li­cher Jugend­ar­beit zu sein. Wenn die jun­gen Men­schen näm­lich auf den ver­schlun­ge­nen Wegen in der Mit­te des Laby­rinths ankom­men, stel­len sie fest, dass die Mit­te leer ist, ein Nichts.

Jeden­falls fin­den die Jugend­li­chen bei den Laby­rinth-Spiel­chen nicht zu „ihrer eige­nen Mit­te“ und erst recht nicht zu Gott und Chri­stus. Wie sol­len auch Kin­der und Her­an­wach­sen­de etwas fin­den – ihr eige­nes Menschen‑, Welt- und Got­tes­bild -, das noch gar nicht oder nur in Ansät­zen her­aus­ge­bil­det ist?

Der jugend­pa­sto­ra­le Boom der Laby­rinth­ge­he­rei als Selbst-Suche kann sich auf zen­tra­le kirch­li­che Schrif­ten zur Jugend­ka­te­che­se stüt­zen. Die Würz­bur­ger Syn­ode hat­te 1974 als Haupt­lern­ziel der schu­li­schen Reli­gi­ons­leh­re fest­ge­legt, dass den Kin­dern und Jugend­li­chen haupt­säch­lich zur „Selbst­wer­dung und Iden­ti­täts­fin­dung“ ver­hol­fen wer­den sol­le. In den The­sen zur Jugend­ar­beit und Jugend­pa­sto­ral im Bis­tum Lim­burg von 1999 heißt es ähn­lich: Die Jugend­ar­beit der Kir­che hat zum Ziel, die Sub­jekt­wer­dung jun­ger Men­schen zu unter­stüt­zen und ihre Iden­ti­täts­bil­dung zu ermöglichen. 

Tat­säch­lich wäre es aber die Auf­ga­be der kirch­li­chen Päd­ago­gen, Kin­der und Jugend­li­che in die Pra­xis und Leh­re der Kir­che ein­zu­füh­ren, statt sie auf die ver­geb­li­che Suche nach dem Selbst zu schicken. Die Jugend­li­chen erwar­ten es auch von der Kir­che, dass sie eine Rich­tung vor­weist, mora­li­sche Leit­li­ni­en auf­weist und in das christ­lich-reli­giö­se Leben einweist.

Für eine Reli­gi­ons­päd­ago­gik, die die­sen Namen ver­dient, ist die reli­gi­ös inhalts­lo­se und statt­des­sen selbst­be­zo­ge­ne Laby­rinth-Gehe­rei offen­sicht­lich wenig geeignet.

Die päd­ago­gi­sche Erst­emp­feh­lung von Laby­rin­then durch den lai­sier­ten Prie­ster Huber­tus Halb­fas, dem früh die kirch­li­che Lehr­erlaub­nis ent­zo­gen wor­den war, soll­te zu den­ken geben. Schon 1994 pries er in sei­nen umstrit­te­nen Reli­gi­ons­bü­chern für die Grund­schu­le Laby­rinth-Bege­hun­gen an.

Dabei behaup­te­te er, dass Kin­der – ähn­lich wie bei Mär­chen – beim Laby­rinth-Gehen zu höch­sten Erfah­run­gen kom­men könn­ten. Es ist aber wahr­schein­li­cher, dass die Laby­rinth­gän­ge­rei eine Blin­den­füh­rung im Rah­men einer Reli­gi­on ist, die mehr und mehr ins Nebu­lö­se, Belie­bi­ge und Unver­bind­li­che verdampft.

Auf die Deutung kommt es an

Lichterlabyrinth in der Frankfurter Meditationskirche Heilig-Kreuz
Lich­t­er­la­by­rinth in der Frank­fur­ter Medi­ta­ti­ons­kir­che Heilig-Kreuz

Laby­rin­the sind archai­sche Sym­bo­le der Mensch­heit. Die spie­le­ri­schen Durch­gän­ge, Umkeh­ren, schein­ba­ren Irr­we­ge und glück­li­che Aus­gän­ge beflü­gel­ten die Phan­ta­sie der Men­schen. Laby­rin­the und die ent­spre­chen­den Bege­hungs­ri­tua­le wur­den zum Deu­tungs­mu­ster für die ver­schie­de­nen Kul­tu­ren – etwa als bedroh­li­cher Irr­gar­ten oder heid­ni­sches Frucht­bar­keits­ri­tu­al mit Begat­tung von Him­mels- und Erdengöttern.

Die Kir­che hat seit der Früh­zeit Laby­rin­then eine christ­li­che Deu­tung gege­ben: als Gleich­nis der Pil­ger­rei­se nach Jeru­sa­lem oder als Lebens­pil­ger­schaft ins himm­li­sche Jeru­sa­lem. Auf dem gro­ßen Laby­rinth in Char­tres wur­den öster­li­che Myste­ri­en­spie­le zu Ehren des Auf­er­stan­de­nen began­gen. An die­se Tra­di­ti­on knüpft neu­er­dings die Jugend­kir­che Trier an, wenn sie einen Laby­rin­th­weg unter das The­ma zu Chri­stus fin­den vorstellt.

Aber die kirch­li­che Jugend­ar­beit ist seit zwan­zig Jah­ren auf einem ande­ren Pfad: Laby­rinth­be­ge­hung als modi­scher Weg der Selbst­fin­dung mit Hil­fe eines eso­te­ri­schen Sym­bols. Weg­be­rei­ter die­ser vor­wie­gend anthro­po­lo­gi­schen Her­an­ge­hens­wei­se scheint Ger­not Can­de­lo­ni aus Inns­bruck zu sein. Mit dem Wer­be­spruch der füh­ren­de Exper­te für Laby­rin­the preist der Her­der­ver­lag des­sen Bücher an: Im Laby­rinth sich selbst ent­decken, publi­ziert im Jah­re 2001, 2011 schon in der 7. Auf­la­ge. 2012 erschien sein Buch: …dem eige­nen Weg ver­trau­en. Can­de­lo­nis Resü­mee lau­tet: Trotz aller Wen­de­punk­te bleibt der Mensch bewahrt, denn letzt­lich führt der Lebens­weg in die Mit­te. Und die­se Mit­te soll­te das eige­ne Selbst, das man zu suchen und zu fin­den hätte.

Esoterische Labyrinth-Deutung in der Heilig-Kreuz-Kirche Frankfurt

In Frank­furt gibt es seit Bischof Kamph­aus’ Zei­ten soge­nann­te Milieu-Kir­chen. 2007 wur­de die dama­li­ge Hei­lig-Kreuz-Kir­che in ein Zen­trum für christ­li­che Medi­ta­ti­on und Spi­ri­tua­li­tät verwandelt.

Vor einem Jahr hat­te das Zen­trum einen Kurs ange­setzt zu Medi­ta­ti­on und Gestal­tung eines Advents­la­by­rinths. Die Laby­rinth-Bege­hung wur­de der­ge­stalt inter­pre­tiert, dass Men­schen auf gewun­de­nen Wegen nach ihrer ‚Mit­te’ suchen. Man woll­te also das Laby­rinth-Sym­bol weder für ‚Chri­sten’ aus­deu­ten und erst recht kei­ne Inter­pre­ta­ti­on im Sin­ne der katho­li­schen Tra­di­ti­on ein­brin­gen – etwa die klas­si­schen Advents­me­ta­pher von der Erwar­tung und ‚Ankunft’ des Erlö­sers. Das Ziel der Medi­ta­ti­on des Laby­rinths in der ehe­ma­li­gen Kir­che ‚Hei­lig Kreuz’ waren nicht Kreuz und Chri­stus als Mit­te von Welt und Leben, son­dern aus­drück­lich die eige­ne Mit­te der teil­neh­men­den Akteu­re. Offen­sicht­lich wur­de dem Suchen und Fin­den der eige­nen Mit­te eine beson­de­re Heils­be­deu­tung zuge­spro­chen. Die Suche nach der heil­brin­gen­den Selbst­fin­dung ist eine typisch gno­sti­sche Erwartung.

Die Labyrinth-Geher suchen das Heil in sich selbst

Bei einer sol­chen eso­te­ri­schen Laby­rinth-Inter­pre­ta­ti­on ent­behr­ten auch die wei­te­ren Sym­bol-Ele­men­te des Medi­ta­ti­ons­kur­ses einer christ­li­chen Deu­tung: Die 2.500 Lich­ter, mit denen man die Laby­rinth-Gän­ge gestal­te­te, wur­den nicht als advent­li­che Licht-Wege gedeu­tet, die zu Chri­stus, dem abso­lu­ten Licht der Welt füh­ren. Der Zeit­punkt der Ver­an­stal­tung – 3. Advent – und die Bezeich­nung als Advents­la­by­rinth hat­ten wohl nur stim­mungs­vol­le Bedeu­tung, erschie­nen sogar irre­füh­rend. Denn man such­te und erwar­te­te das Heil nicht im ankom­men­den Chri­stus, son­dern in und aus der eige­nen Mit­te. Die Laby­rinth-Lich­ter führ­ten nicht – wie bei den zuneh­men­den Lich­tern des Advents­kran­zes – zur Epi­pha­nie des Erlö­sers, der das Licht in die Fin­ster­nis der Welt bringt.

Die Frank­fur­ter Hei­lig-Kreuz-Kir­che gibt nur noch eine christ­li­che Fas­sa­de ab, hin­ter der eso­te­ri­sche Ritua­le prak­ti­ziert wer­den. Wenn man statt von Chri­stus aus der eige­nen Mit­te das Heil erwar­tet, dann bewegt man sich auf ver­schlun­ge­nen Pfa­den zum gno­sti­schen New Age. Die Gno­sis lehrt, dass man aus dem gött­li­chen Fun­ken im eige­nen Selbst das all-leuch­ten­de Erkennt­nis-Licht her­aus­schla­gen könn­te. Aus christ­li­cher Per­spek­ti­ve gleicht die eso­te­ri­sche Suche nach der eige­nen Selbst-Mit­te in den Wan­del­gän­gen der Laby­rin­the eher dem Bege­hen eines Irrgartens.

Text: Hubert Hecker
Bild: Vom Autor aus­ge­wählt (Screen­shots)

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