Allorthodoxes Konzil gefährdet? Konflikt in Moskau und mit Konstantinopel


Vom Synaxis 2014 beschlossene Einberufung eines Heiligen und Großen Konzils der Orthodoxie für 2016 scheint gefährdet
Vom Synaxis 2014 beschlossene Einberufung eines Heiligen und Großen Konzils der Orthodoxie für 2016 ist gefährdet

(Mos­kau) Die Römi­sche Kurie gilt seit März 2013 offi­zi­ell als Dau­er­bau­stel­le. Der­zeit wird vor allem der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reich neu geord­net. Wäh­rend in Rom umstruk­tu­riert wird, gab es im Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reich des Mos­kau­er Patri­ar­chats ein regel­rech­tes Erdbeben.

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In Rom steht der Päpst­li­che Rat für die sozia­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel unter der Lei­tung von Kuri­en­erz­bi­schof Clau­dio Maria Cel­li vor der Auf­lö­sung. Msgr. Cel­li wird in weni­gen Mona­ten 75. Sein bis­he­ri­ger Stell­ver­tre­ter, der iri­sche Kuri­en­bi­schof Paul Tig­he, wur­de von Papst Fran­zis­kus bereits Mit­te Dezem­ber zum bei­geord­ne­ten Sekre­tär des Päpst­li­chen Kul­tur­ra­tes unter der Lei­tung von Kar­di­nal Gian­fran­co Rava­si ernannt. Der ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list Greg Bur­ke ist neu­er Vize-Vati­kan­spre­cher und Stell­ver­tre­ter von P. Feder­i­co Lom­bar­di SJ.

In Mos­kau wur­den gleich­zei­tig die bei­den bekann­te­sten Köp­fe des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­rei­ches vor die Tür gesetzt. Am 24. Dezem­ber, rund zwei Wochen vor dem ortho­do­xen Weih­nachts­fest, erließ das Mos­kau­er Patri­ar­chat die Pres­se­er­klä­rung Nr. 98. Am Ende einer Sit­zung des Hei­li­gen Syn­od wur­de die Zusam­men­le­gung von zwei bis­her getrenn­ten Abtei­lun­gen des Syn­od bekannt­ge­ge­ben. Zusam­men­ge­schlos­sen wur­den die Abtei­lung für die Bezie­hun­gen zwi­schen Kir­che und Gesell­schaft und die Infor­ma­ti­ons­ab­tei­lung.

Die neu­ge­schaf­fe­ne Ein­rich­tung nennt sich Abtei­lung für die Kir­che, die Gesell­schaft und die Medi­en. Gelei­tet wird sie vom Lai­en Wla­di­mir Lego­yda, der schon bis­her die Infor­ma­ti­ons­ab­tei­lung lei­te­te und Chef­re­dak­teur der ortho­do­xen Zeit­schrift „Tho­mas“ ist.

Vor die Tür gesetzt wur­de hin­ge­gen der Erz­prie­ster Wsewo­lod Tschap­lin. Seit 2009 war er Lei­ter der Abtei­lung für die Bezie­hun­gen zwi­schen Kir­che und Gesell­schaft. In die­ser Funk­ti­on galt der Archi­man­drit als wich­tig­ster Spre­cher der rus­sisch-ortho­do­xen Kirche.

Kritiker einer zu engen Anlehnung der Kirche an die Staatsmacht entlassen

Weni­ge Tage vor ihm war bereits Ser­gej Tschapnin, der Chef­re­dak­teur des offi­zi­el­len Pres­se­or­gans des Mos­kau­er Patri­ar­chen ent­las­sen wor­den. Grund für die Ent­las­sung war der im Novem­ber von ihm auf der ame­ri­ka­ni­schen Inter­net­sei­te First Things ver­öf­fent­lich­te Arti­kel „A Church of Empire“. Der Titel könn­te auch mit „Staats­kir­che“ ins Deut­sche über­setzt wer­den. Tschapnin äußer­te sich dar­in sehr kri­tisch über die enge Anleh­nung der rus­si­schen Kir­che an die Staatsmacht.

In einem Inter­view mit dem katho­li­schen Nach­rich­ten­dienst Asia­news wie­der­hol­te Tschapnin, daß der wich­tig­ste Streit­punkt die Recht­fer­ti­gung der rus­si­schen Mili­tär­in­ter­ven­tio­nen in Syri­en und der Ukrai­ne als von Gott gewoll­tem „Hei­li­gen Krieg“ ist.

Die ortho­do­xen Kir­chen sind bekannt dafür, daß inter­ne Kon­flik­te mit Här­te aus­ge­tra­gen wer­den. Im aktu­el­len Macht­kampf ste­hen Tschap­lin und Tschapnin gegen Patri­arch Kyrill I. und dem „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats, Metro­po­lit Hila­ri­on von Wolo­ko­lamsk. Tschap­lin sprach in sei­ner Kri­tik auch von einer auto­ri­tä­ren Zurück­drän­gung der Syn­oda­li­tät, die für die ortho­do­xe Kir­che so cha­rak­te­ri­stisch sei, durch den Patri­ar­chen und den „Außen­mi­ni­ster“.

Entlassender Archimandrit Tschaplin, eine der bekanntesten Stimmen der russischen Orthodoxie
Ent­las­sen­der Archi­man­drit Tschap­lin, eine der bekann­te­sten Stim­men der rus­si­schen Orthodoxie

Gegenkritik: Zusammenarbeit mit westlichen Interessengruppen

Tschapnin wie­der­hol­te sei­ne Kri­tik im Mos­kau­er Car­ne­gie-Zen­trum. Dar­in sehen sei­ne Kri­ti­ker den Beleg dafür, daß die bei­den Ent­las­se­nen im neu­en Ost-West-Kon­flikt zwi­schen Mos­kau und Washing­ton mit west­li­chen Inter­es­sen­grup­pen zusam­men­ar­bei­ten. Das Patri­ar­chat begrün­de­te die Ent­las­sung nicht damit, doch in der Les­art unter­ge­be­ner Stel­len, wird die Ent­las­sung als „Selbst­schutz“ der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che gegen eine Art von Fünf­ter Kolon­ne dar­ge­stellt. Das 1994 errich­te­te Car­ne­gie-Zen­trum in Mos­kau ist ein Able­ger des US-ame­ri­ka­ni­schen außen­po­li­ti­schen Think Tank Car­ne­gie Endow­ment for Inter­na­tio­nal Peace. Die rus­si­sche Regie­rung wirft ver­gleich­ba­ren west­li­chen Ein­rich­tun­gen Ein­mi­schung in inner­rus­si­sche Ange­le­gen­hei­ten vor.

Streitpunkte zwischen Moskau und Konstantinopel gefährden Einberufung eines gesamtorthodoxen Konzils

Bei der­sel­ben Ver­samm­lung des Hei­li­gen Syn­od am 24. Dezem­ber berich­te­tet Metro­po­lit Hila­ri­on, daß es beim pan­or­tho­do­xen Tref­fen Mit­te Dezem­ber in Athen zum Bruch gekom­men sei. In der grie­chi­schen Haupt­stadt hat­ten sich Ver­tre­ter aller aner­kann­ten ortho­do­xen Kir­chen für die Vor­be­rei­tung eines pan­or­tho­do­xen Kon­zils ver­sam­melt. Streit herrscht über die Regeln, nach denen das all­o­r­tho­do­xe Kon­zil statt­fin­den soll. Am wei­te­sten von­ein­an­der ent­fernt sind die Posi­tio­nen des Öku­me­ni­schen Patri­ar­chats von Kon­stan­ti­no­pel und des Mos­kau­er Patri­ar­chats. Kon­stan­ti­no­pel bean­sprucht einen Vor­rang, den Mos­kau in die­ser Form nicht anerkennt.

Die Patri­ar­chen und Ober­häup­ter der ortho­do­xen Kir­chen hat­ten sich im März 2014 nach vie­len Jah­ren dar­auf ver­stän­digt, im Jahr 2016 ein Hei­li­ges und Gro­ßes Kon­zil der gesam­ten Ortho­do­xie nach Kon­stan­ti­no­pel ein­zu­be­ru­fen. Das gesamt­or­tho­do­xe Kon­zil soll in der Ire­nen-Kathe­dra­le von Istan­bul statt­fin­den. Offi­zi­el­ler Grund für die Ein­be­ru­fung ist die Lage der Chri­sten im Nahen Osten und die Ukrai­ne-Fra­ge. Dabei geht es auch um die Aner­ken­nung einer ukrai­nisch-ortho­do­xen Kirche.

Gleichberechtigung aller orthodoxen Kirchen blockiert seit 50 Jahren die Einberufung eines Konzils

Die Ein­be­ru­fung eines all­o­r­tho­do­xen Kon­zils wird bereits seit einem hal­ben Jahr­hun­dert ver­sucht, schei­ter­te jedoch immer wie­der an inner­or­tho­do­xen Kon­flik­ten. Man­gels einer all­ge­mein aner­kann­ten Auto­ri­tät mach­te der Aus­bruch immer neu­er Kon­flik­te alle bis­he­ri­gen Ver­su­che zunich­te. Im Zen­trum steht dabei der Dis­put über die Fra­ge, wel­che Befug­nis­se dem Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel als Pri­mus inter pares zuste­hen. Da alle ortho­do­xen Kir­chen gleich­be­rech­tigt sind und Beschlüs­se nur ein­stim­mig gefaßt wer­den kön­nen, blockie­ren sie gegen­sei­tig ein gemein­sa­mes Vorgehen.

Ohne eine Eini­gung in der aktu­el­len Ver­fah­rens­fra­ge wird es kein gesamt­or­tho­do­xes Kon­zil geben. Beob­ach­ter rech­nen bereits mit einer Ver­schie­bung des Ter­mins um eini­ge Jah­re, wie es bereits seit über einem hal­ben Jahr­hun­dert der Fall ist.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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