Eine Weihnachtspredigt von honigfließender Beredsamkeit


Ambrosius-Statue, Sankt Peter am Wimberg, Oberösterreich
Ambrosius-Statue, Sankt Peter am Wimberg, Oberösterreich

Schon in den Waben des Alten Testa­ments ist die gan­ze honig­flie­ßen­de Fül­le des mensch­ge­wor­de­nen Got­tes­soh­nes ver­bor­gen – erklärt der ‚doc­tor mel­li­flu­us’ Bern­hard von Clairvaux in sei­ner Weihnachtspredigt.

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Ein Gast­bei­trag von Hubert Hecker*

55 Mal erscheint der Begriff Honig in der Bibel, davon 16 Mal in der Ver­bin­dung Land von Milch und Honig.

Honig als antikes Symbol eines blühenden Landes

Bis­her gin­gen eini­ge Archäo­lo­gen und Histo­ri­ker davon aus, dass mit Honig der süße Saft von Fei­gen und Dat­teln gemeint war. Für Bie­nen­ho­nig gibt es nur zwei expli­zi­te Schrift­be­le­ge und archäo­lo­gi­sche Nach­wei­se für bibli­sche Imke­rei stan­den bis­her aus.

Nun­mehr haben For­scher der Hebräi­schen Uni­ver­si­tät Jeru­sa­lem in den Rui­nen der anti­ken Stadt Tel Rehov eine gro­ße gewerb­li­che Imke­rei aus dem 9. Jahr­hun­dert vor Chri­stus aus­ge­gra­ben. Die Archäo­lo­gen fan­den Reste von etwa 100 Bie­nen­stöcken aus Ton­röh­ren, wie sie bis­her nur aus ägyp­ti­schen Wand­zeich­nun­gen bekannt waren und bis heu­te in Län­dern mit trocke­nem Kli­ma gebraucht werden.

Rei­che Honig­ern­te war in der Anti­ke Aus­druck eines blü­hen­den Lan­des und so auch in der Bibel die Umschrei­bung des Gelob­ten Lan­des für die Nach­kom­men Abrahams.

Die honigsüßen Reden und Hymnen von Bischof Ambrosius

Bei den früh­christ­li­chen Kir­chen­vä­tern spiel­te die Bie­nen- und Honig­sym­bo­lik eine gro­ße Rol­le. Die mit­rei­ßen­den Pre­dig­ten und groß­ar­ti­gen Hym­nen des hei­li­gen Bischofs Ambro­si­us von Mai­land (+ 397) wur­den bereits zu Leb­zei­ten als honig­sü­ße Reden gelobt und spä­ter mit dem Hei­li­gen­at­tri­but Bie­nen­korb sym­bo­li­siert. Die Legen­de erzählt, schon dem Klein­kind habe ein Bie­nen­schwarm Honig in den Mund geträu­felt und so die honig­sü­ße Spra­che des spä­te­ren Bischofs eingeleitet.

Bereits im alt­te­sta­ment­li­chen Buch der Sprü­che wer­den gute Reden mit einer Honig­wa­be ver­gli­chen, süß für die See­le und gut für die Gesund­heit. Ambro­si­us selbst – sein Name erin­nert noch an die Göt­ter­spei­se der anti­ken Göt­zen – stellt in sei­nen Pre­dig­ten die Bie­ne als Lebens­vor­bild der Chri­sten hin:
Seht zu, dass eure Arbeit der eines Bie­nen­stocks ähnelt, denn eure Rein­heit und eure Keusch­heit sol­len mit den arbeit­sa­men, beschei­de­nen und ent­halt­sa­men Bie­nen ver­gli­chen werden.

Einen ande­ren meta­pho­ri­schen Bezug des Honigs stellt der hei­li­ge Augu­sti­nus auf. Papst Bene­dikt XVI. zitier­te in sei­ner Enzy­kli­ka Spe sal­vi zur christ­li­chen Hoff­nung jene Stel­le des Augu­sti­nus, in der die­ser die über­flie­ßen­de Güte und Lie­be Got­tes zu den Men­schen mit einer Honig­ga­be vergleicht.

Kirchenlehrer mit honigfließender Beredsamkeit

Bernhard von Clairvaux, der doctor melifluus, mit dem Bienenkorbsymbol (St. Anna-Stift in Lohne-Kroge
Bern­hard von Clairvaux, der doc­tor meli­f­lu­us, mit dem Bie­nen­korb­sym­bol (St. Anna-Stift in Lohne-Kroge

Neben Ambro­si­us ist der hl. Bern­hard von Clairvaux der bekann­te­ste Hei­li­ge im Sym­bol­kon­text von Bie­nen und Honig. Er wird doc­tor mel­li­flu­us genannt – der Kir­chen­leh­rer mit honig­flie­ßen­der Bered­sam­keit – und daher viel­fach mit einem Bie­nen­korb dargestellt.

Der Bie­nen­korb wird aber auch als inhalt­li­ches Sym­bol­bild gebraucht: So wird das Alte Testa­ment mit einem Bie­nen­haus ver­gli­chen, das den von den Pro­phe­ten gesam­mel­ten Honig des Logos birgt – so ein Gedan­ke des Ori­gi­nes. In den Waben des Alten Testa­ments ist die gan­ze honig­flie­ßen­de Fül­le des Got­tes­soh­nes schon ver­bor­gen ange­legt – so spricht es Bern­hard von Clairvaux aus.

In sei­nen berühm­ten Weih­nachts­pre­dig­ten betrach­tet Bern­hard immer aufs Neue das Geheim­nis, dass das ewi­ge Wort, das nach Jere­mia Him­mel und Erde erfüllt, sich zu einem ver­bum infans, zu einem hilf­lo­sen Kind in der engen Krip­pe kleinmacht.

Durch alle Wor­te der Hei­li­gen Schrift sagt Gott nur ein Wort aus: sein ein­ge­bo­re­nes Wort, in dem er sich selbst aus­sagt. Nach Bern­hard sind die vie­len Wor­te des Alten Testa­ments auf das neue abge­kürz­te Wort hin aus­zu­le­gen – Jesus Christus:

Jesus Chri­stus, der Sohn Got­tes, wird zu Beth­le­hem in Juda gebo­ren! O kur­zes Wort über das abge­kürz­te Wort (de ver­bo abbre­via­to), doch ein Wort voll himm­li­scher Süße! Mein Herz ist bedrückt, denn es ver­langt, die Fül­le der honig­flie­ßen­den Süße (mel­li­fluae dul­ce­di­nis) nach allen Sei­ten aus­flie­ßen zu las­sen, fin­det aber kei­ne Worte.´

Ein wei­te­res Bern­hard-Wort: Jesus ist Honig im Mund, Gesang im Ohr, Jubel im Herzen. 

Bienenwachskerzenlicht als Christussymbolik

Von den Bern­hard-Dar­stel­lun­gen mit Bie­nen­korb ist der honig­schlecken­de Put­to mit einem Bie­nen­korb am Bern­hard- Altar der Zister­zi­en­ser-Prop­stei Birn­au bei Über­lin­gen am Boden­see viel­leicht der bekannteste.

Eine wei­te­re Ver­bin­dung von Kir­che, Honig und Weih­nach­ten besteht in den honig­ge­süß­ten Leb­ku­chen, die schon um 800 nach Chri­stus von süd­deut­schen Klö­stern gebacken und an die Gläu­bi­gen ver­teilt wurden.

Schließ­lich wird mit der Flam­me der Bie­nen­wachs­ker­ze seit den Kir­chen­vä­tern eine rei­che Chri­stus­sym­bo­lik ent­fal­tet: Für Augu­sti­nus ist die aus der Wachs­ker­ze erstrah­len­de Flam­me ein Gleich­nis Chri­sti, der – sich selbst ver­zeh­rend – die Welt erleuch­tet und vom Dun­kel der Sün­de erlöst.

Maria spendet – wie eine jungfräuliche Biene – der Welt in ihrem Kind den Honig des Evangeliums

Der Honigschlecker, ein Putto am Bernhard-Altar des Zisterzienser-Priorat Wllfahrtskirche Birnau am Bodensee
Der Honig­schlecker, ein Put­to am Bern­hard-Altar des Zister­zi­en­ser-Prio­rat Wall­fahrts­kir­che Birn­au am Bodensee

Dem Wachs als von den jung­fräu­li­chen Bie­nen erzeug­ten Mate­ri­al wird seit alters­her eine beson­de­re Rein­heits-Sym­bo­lik zuge­spro­chen. In die­sem Kon­text konn­te die Wachs­ker­ze auch zum Sinn­bild der Mensch­wer­dung Chri­sti aus dem Scho­ße sei­ner jung­fräu­li­chen Mut­ter Maria werden.

Aus der Mari­en­min­ne des Hoch­mit­tel­al­ters erwach­sen wei­te­re Deu­tun­gen zum The­men­kreis Bie­nen. In der um 1275 von Kon­rad von Würz­burg ver­fass­ten Gol­de­nen Schmie­de wird Maria als die Bie­ne besun­gen, wel­che der Welt jung­fräu­lich in ihrem Kind den Honig des Evan­ge­li­ums spendete.

Ähn­li­che Bil­der kom­men in den Reve­la­tio­nes der hei­li­gen Bri­git­ta von Schwe­den zum Vor­schein, nach denen Maria die Honig­wa­be oder der Honigstock ist, das Gefäß also, aus dem die Süßig­keit der Mensch­wer­dung und Erlö­sung Christ hervorfließt.

Schließ­lich wird die­ses Bild – auch in einer Legen­de von der Hostie im Bie­nen­stock – auf die Kir­che über­tra­gen, die mit dem Altars­sa­kra­ment den Men­schen eine Lebens­spei­se spen­det, die köst­li­cher als Honig­s­eim ist.

Ausfliegen wie die Biene, um die Größe Gottes zu betrachten

In der Neu­zeit gebraucht die gro­ße Mysti­ke­rin The­re­sia von Avila den Ver­gleich mit der Bie­ne, um ihren Mit­schwe­stern die rech­te Ein­stel­lung zum Gebets­le­ben zu geben: Sehr wich­tig für jede See­le, die sich dem Gebet wid­met, ist es, dass man sie nicht in einen Raum (der inne­ren Burg, wie sie die See­le nennt) ein­zwängt. … Die Demut wirkt näm­lich wie die Bie­ne, die im Stock den Honig berei­tet. Ohne sie geht alles ver­lo­ren. Bedenkt aber, dass die Bie­ne es nicht ver­säumt, hin­aus­zu­flie­gen, um den Nek­tar der Blü­ten zu sam­meln. Genau­so muss es die See­le mit der Selbst­er­kennt­nis hal­ten. Glaubt es mir und fliegt zuwei­len aus, um die Grö­ße und Maje­stät eures Got­tes zu betrachten…

*Der Autor ist Hob­by-Imker mit fünf Bie­nen­völ­kern am Fuße des Westerwaldes

Text: Hubert Hecker
Bil­der: Wikicommons/​vom Autor

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2 Kommentare

  1. Der gan­ze katho­li­sche Glau­be ist süß wie Honig, man muss ihn nur recht verkosten.
    Natür­lich gehört zum Honig die Bie­ne die ihn durch Fleiß erzeugt. Genau so fleißig
    soll­ten die Hir­ten sein und so Glau­ben “ erzeu­gen „. Zu die­sem Fleiß kann jeder
    Christ bei­tra­gen, für die Hir­ten beten und sie an ihre Auf­ga­ben erinnern.

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