„Der Islam ist eine Kriegsreligion“ – Gedanken vor den Attentaten von Paris nach den Attentaten gelesen


Al-Baghdadis Botschaft: "Der Islam ist eine Kriegsreligion"
Al-Bagh­da­dis Bot­schaft: „Der Islam ist eine Kriegsreligion“

(Rom) „Der Islam ist eine Kriegs­re­li­gi­on“, schrieb der bekann­te ägyp­ti­sche Jesu­it und aner­kann­te Islam-Exper­te Samir Kha­lil Samir am 15. Mai 2015 und griff damit eine Aus­sa­ge des neu­en „Kali­fen“ Abu Bakr al-Bagh­da­di auf. Eine Aus­sa­ge, die sich mit der jüng­sten Schrift des Rechts­phi­lo­so­phen Pao­lo Pas­qu­aluc­ci „Wir glau­ben nicht an den­sel­ben Gott der Moham­me­da­ner“ trifft. Nach den Atten­ta­ten von Paris ver­dient der Text von Pater Samir erneu­te Beach­tung. Kraft sei­ner Auto­ri­tät als Ken­ner des Islams und des Nahen Ostens gibt er in knap­pen Wor­ten wie­der, was längst bekannt ist, aber den­noch nicht Ein­gang in den west­li­chen Main­stream gefun­den hat. Ob die blu­ti­gen Atten­ta­te von Paris zu einem Umden­ken in den west­li­chen Staats­kanz­lei­en in der Nah­ost- und der Ein­wan­de­rungs­po­li­tik füh­ren, wird sich zei­gen. Bis­her sieht es nicht danach aus.

Al-Baghdadis Botschaft weckt etwas Schlummerndes in der islamischen Welt

Anzei­ge

Der „Kalif“ for­dert alle Mos­lems auf, ihre „hij­rah“ zu voll­zie­hen, ihre Aus­wan­de­rung, um von einem Islam des Frie­dens zu einem Islam des Krie­ges zu wech­seln, und dar­in Moham­med und sei­ner Hid­schra (im Jahr 622) nach­zu­fol­gen. Die Bot­schaft weckt etwas Schlum­mern­des in der tra­di­tio­nel­len und sala­fi­sti­schen isla­mi­schen Welt.

Die Bot­schaft von Abu Bakr al-Bagh­da­di ist sehr schlau, weil sie den Erwar­tun­gen eines Teils der isla­mi­schen Welt ent­spricht. Die sala­fi­sti­schen Grup­pen, die die Gesell­schaft zu Stil und Pra­xis der Zeit Moham­meds zurück­füh­ren wol­len, wer­den zufrie­den sein und sagen: End­lich fin­den wir den wah­ren Islam!

Wenn al-Bagh­da­di von Aus­wan­de­rung (hij­rah) spricht, meint er den Aus­zug Moham­meds von Mek­ka nach Medi­na, mit dem die Zeit­rech­nung der isla­mi­schen Welt beginnt. Die­se Aus­wan­de­rung ist der Über­gang vom fried­li­chen Islam zum krie­ge­ri­schen Islam. In Mek­ka hat­te Moham­med kei­ne Krie­ge geführt. Als er jedoch sah, daß sei­ne Bot­schaft kaum Gehör fand und nur weni­ge Leu­te ihm folg­ten, ja, er sogar um sein Leben zu fürch­ten begann, ver­an­laß­te er eine Grup­pe sei­ner Getreu­en zur Aus­wan­de­rung nach Äthio­pi­en, einem christ­li­chen Land, in dem sie gast­freund­lich auf­ge­nom­men wur­den und nichts zu befürch­ten hatten.

Die Hidschra als Wandel zum „wahren Islam“

Doch dann folg­te er ihnen nicht, son­dern ging nach Medi­na. Dort nahm er die Pre­di­ger­tä­tig­keit wie­der auf und ein Jahr spä­ter begann er den mili­tä­ri­schen Kampf, zunächst gegen Mek­ka und dann gegen die umlie­gen­den Stäm­me, um sie zur Kon­ver­si­on zum Islam zu zwin­gen. Dabei ist zu prä­zi­sie­ren, daß Moham­med die­se Krie­ge nicht so sehr als Reli­gi­ons­füh­rer, son­dern viel­mehr als Mili­tär­be­fehls­ha­ber führte.

Als Moham­med 632 starb, zogen sich vie­le Stäm­me zurück, unter­stütz­ten den Krieg nicht mehr und bezahl­ten auch kei­ne Steu­ern mehr. Der neue Kalif Abu Bakr erklär­te ihnen dar­auf den Krieg, um sie unter den Islam zurück­zu­zwin­gen. Sie aber wei­ger­ten sich: Wir haben den Pakt mit Moham­med geschlos­sen und nicht mit dem Islam, lau­te­te ihre Ant­wort. Abu Bakr aber besieg­te sie und zwang sie zum Islam zurück­zu­keh­ren. Es fällt auf, daß der neue „Kalif“ den Namen Abu Bakr gewählt hat und in der gan­zen Welt zum „Hei­li­gen Krieg“ auf­ruft, um alle dem Islam zu unterwerfen.

Sein Auf­ruf bedeu­tet, etwas zu wecken, das im tie­fen Den­ken des Islam schläft, und will sagen: Voll­zie­hen wir alle unse­re Hid­schra. Las­sen wir alle hin­ter uns, die einen Islam des Frie­dens wol­len und tre­ten wir zum wah­ren Islam über, der zuerst die ara­bi­sche Halb­in­sel, dann den Nahen Osten, dann das Mit­tel­meer, Per­si­en, Indi­en und Süd­ost­asi­en erobert hat. Die Bot­schaft will sagen: Begin­nen wir die letz­te Pha­se des Kamp­fes, den der Pro­phet begon­nen hat, ange­führt durch sei­nen neu­en Vertreter.

Symbolisch hoch aufgeladen

Das alles ist sym­bo­lisch hoch aufgeladen.

Die Bot­schaft al-Bagh­da­dis will noch mehr Mos­lems auf­wecken, um immer neue und immer mehr ent­schlos­se­ne Män­ner zu rekru­tie­ren. Sein Auf­ruf wird sicher bei den sala­fi­sti­schen Mos­lems auf Echo sto­ßen, die den Ur-Islam zum Vor­bild haben. Sie sehen in der ersten isla­mi­schen Gene­ra­ti­on das zu ver­wirk­li­chen­de Ide­al. Das wird vie­le tra­di­tio­nel­le Mos­lems dazu brin­gen, zu Sala­fi­sten zu wer­den und in den Krieg zu ziehen.

Was ist ange­sichts die­ses Auf­rufs, zu den Waf­fen zu grei­fen, zu tun?

Der mili­tä­ri­sche Kampf kann not­wen­dig sein. Er wird aber nicht die Lösung brin­gen. Mili­tä­ri­sche Aktio­nen kön­nen die Gewalt ein­däm­men, ein noch grö­ße­res Blut­ver­gie­ßen ver­hin­dern, den Isla­mi­schen Staat zum Rück­zug zwin­gen. Besie­gen wird man ihn damit aber nicht. Die­se Bewe­gung wird wei­ter­exi­stie­ren, viel­leicht unter ande­rem Namen, aber sie wird wei­ter­be­stehen, weil sie ein Teil des Islams ist. Die ein­zi­ge, radi­ka­le Lösung ist eine inne­re Reform des Islams durch eine ande­re Les­art der isla­mi­schen Geschich­te durch die Moslems.

Westliche Denkhilfen helfen nicht

 

Wenn al-Bagh­da­di sagt, daß „der Islam nie eine Reli­gi­on des Frie­dens“ war, über­treibt er. Der Islam kann­te auch Pha­sen der Ruhe und des Frie­dens. Zu behaup­ten, der Islam sei nur Krieg, ist daher irrig. Es ist aller­dings eine Fra­ge der Per­spek­ti­ve. Wer­den die Frie­dens­pha­se nur als Ruhe­pha­sen betrach­tet, die auf eine poli­tisch schwa­che Füh­rung des Islams oder äuße­re Zwän­ge zurück­ge­führt wer­den, aber nicht dem eigent­li­chen Wesen des Islams ent­spre­chen, oder wer­den sie als eigen­stän­di­ges Ele­ment des Islams anerkannt?

Im Westen ver­such­te man sich lan­ge in ande­ren Aus­le­gun­gen des Wor­tes Dschi­had. Eine Vor­gangs- und Denk­wei­se, die für den Westen gilt, aber nicht für den Islam. Alle Ver­su­che waren zum Schei­tern ver­ur­teilt. So wird es auch mit dem Per­spek­ti­ven­wech­sel auf die isla­mi­sche Geschich­te sein, solan­ge der Vor­schlag dazu von außen kommt und nicht selbst von der isla­mi­schen Welt ver­tre­ten wird. Gut­ge­mein­te Denk­hil­fen des Westens, wie die häu­fig zu hören­de Aus­sa­ge „Was der Islam wirk­lich unter Dschi­had ver­steht“, mögen zwar der eige­nen Beru­hi­gung die­nen, hel­fen aber nicht wirk­lich. Die Fra­gen des Westens, sind nicht unbe­dingt die Fra­gen des Islams. Erst recht gilt das für mög­li­che Antworten.

Kreuzzüge sind nicht mit dem Dschihad gleichzusetzen

Wider­spro­chen wer­den muß in jedem Fall der häu­fig in einem Atem­zug genann­ten Gleich­set­zung der Kreuz­zü­ge mit dem „Hei­li­gen Krieg“ des Islam. Die Kreuz­zü­ge waren ein lokal begrenz­ter Krieg zur Befrei­ung und Ver­tei­di­gung Jeru­sa­lems und der hei­li­gen Stät­ten. Sie waren weder ein Erobe­rungs­krieg noch ein hei­li­ger, tota­ler und vom Evan­ge­li­um abge­lei­te­ter Krieg. Ganz anders stellt sich die Situa­ti­on im Islam dar. Der „Dschi­had“ ist immer ein „hei­li­ger Krieg“, wenn er der Erobe­rung neu­er Gebie­te gilt, die für den Islam gewon­nen wer­den sol­len. Er ist immer ein „tota­ler Krieg“, weil er mit größ­ter Anstren­gung zu füh­ren ist, und er ist ein vom Koran abge­lei­te­ter Krieg.

 

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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