(Rom) Die Synode ist zu keinem klaren Ergebnis gekommen. Diesen Eindruck muß man gewinnen, wenn man die unterschiedlichen Interpretationen liest, die dem Schlußbericht gegeben werden.
„Die Synode hat die Orientierung verloren, doch der Jesuit gibt ihr eine (neue) Richtung“, schreibt der Vatikanist Sandro Magister. Gemeint ist damit die Synoden-Interpretation von Pater Antonio Spadaro in der Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica (siehe Synode: Franziskus schweigt, doch Pater Spadaro sagt, wie Papst entscheiden wird). Der Papst-Vertraute, so Magister, gebe dabei nicht nur die eigene Meinung wieder, sondern in erster Linie die Stimme des Papstes. Die Auslegung der Relatio finalis der Synode sei, so Magister, „völlig einseitig“ zugunsten der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen und noch viel mehr.
Umgibt sich Papst mit Vertrauten, die sich auf dünnem Eis bewegen?
Der US-amerikanische Priester und Theologe Robert P. Imbelli verfaßte eine Kritik zum Artikel des Papst-Vertrauten und erhebt den Vorwurf, daß Spadaros-Ausführungen der Lehre der Kirche widersprechen. Was bedeutet das aber, wenn die Annahme stimmt, daß Spadaro die Meinung des Papstes wiedergegeben hat?
Umgibt sich der Papst mit Personen, die sich auf dünnem Eis bewegen? Oder hat sie der Papst zu seinen Vertrauten gemacht, weil sie sich auf dünnem Eis bewegen, auf dem auch er sich geistig bewegt?
Robert P. Imbelli ist Priester der Erzdiözese New York, er ist emeritierter Professor der Theologie des Boston College und Autor der englischen Ausgabe des Osservatore Romano sowie der Zeitschriften America und Commonweal. Imbelli ist Autor mehrerer Bücher über die Christologie, die Trinitätslehre und die über die Liturgie. Sein jüngstes Buch trägt den Titel „Rekindling the Christic Imagination: Theological Meditations for the New Evangelisation“.
Imbelli zeigt auf, daß Pater Spadaro und die Kasperianer sich hinter wenigen Sätzen von Familiaris Consortio von Papst Johannes Paul II. verschanzen, um daraus das genaue Gegenteil dessen abzuleiten, was der polnische Papst damit gesagt hat.
Papst Franziskus nennt Imbelli in seinen Schlußbemerkungen nicht namentlich, zitiert ihn jedoch und kritisiert ihn. Es geht um die Katholikenbeschimpfung durch Papst Franziskus in seiner Schlußansprache vor der Bischofssynode, in der er jene, die an der Glaubenslehre der Kirche festhalten und diese verteidigen, als lieb- und herzlose Steinewerfer bezichtigte und die Lehre der Kirche als lastende, faktisch unmenschliche Steine bezeichnete. Imbelli führt dagegen eine stechende Kritik ins Feld, da der Theologe den Jesuiten auf dem Papstthron mit dem heiligen Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens, kritisiert.
Hier die Kritik von Robert P. Imbelli am Spadaro-Artikel, die Sandro Magister auf seinem Blog veröffentlichte. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion:
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Das GPS wieder auf Kurs bringen
von Robert P. Imbelli
In seinem Artikel in der Civiltà Cattolica über die soeben zu Ende gegangene Synode, erwähnt der Chefredakteur der Zeitschrift, Pater Antonio Spadaro SJ, im Zusammenhang mit den Synoden-Beschlüssen vier Bilder. Eines beschreibt er wie folgt:
„Das Satellitennavigationssystem (GPS) zeigt den Weg an, den man einschlagen muß, um ans Ziel zu kommen. Wenn man den Weg verfehlt oder es eine unerwartete Straßenunterbrechung gibt, fordert das GPS nicht auf, zum Ausgangspunkt zurückzukehren und den ganzen Weg von vorne zu beginnen, sondern schlägt eine Alternativroute vor. Genauso fordert uns Gott, wenn wir durch unsere Sünde abweichen, nicht auf, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, sondern richtet uns neu auf sich aus und zeigt uns einen neuen Weg auf.“
Gewiß, wenn einer vom Weg abkommt, stellt das GPS die Richtung neu ein. Es ändert aber nicht das Ziel. Sonst brächte es jene, die von ihm abhängen, vom Weg ab.
„Spadaro will Lehre Johannes Pauls II. ins Gegenteil verkehren“
Zufälligerweise sind GPS im Italienischen auch die Initialen von Giovanni Paolo Secondo (Johannes Paul II.) und ich befürchte, daß der Artikel von Pater Spadaro in Wirklichkeit die Lehre von Johannes Paul II. in Familiaris consortio neu einstellt. Denn, obwohl er den Paragraphen 84 des Apostolischen Schreibens des verstorbenen Papstes zitiert, was die Notwendigkeit einer aufmerksamen Unterscheidung der Situation der geschiedenen und standesamtlich wiederverheirateten Katholiken anbelangt, vermeidet er gezielt, die theologisch-pastorale Schlußfolgerung von Johannes Paul II. in eben diesem Paragraphen.
Johannes Paul II. schreibt:
„Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung.“
Pater Spadaro hingegen legt nahe, daß die Aussage von Johannes Paul II. in dieser Frage zwar vor 35 Jahren eine pastorale Öffnung bedeutet habe, daß wir aber heute im Licht einer neuen Lesart der Zeichen der Zeit gerufen seien, einen Schritt darüber hinaus zu gehen.
Spadaro schreibt:
„Die Spannung über die sakramentale Situation der standesamtlich wiederverheirateteten Geschiedenen entsteht gerade aus der Tatsache, daß Familiaris consortio über sie sagte: ‚damit sie sich nicht als von der kirchlichen Gemeinschaft getrennt betrachten, da sie als Getaufte an ihrem Leben teilnehmen können, ja dazu verpflichtet sind‘ (FC, 84). Ein Konzept, das auch Papst Franziskus mehrmals wiederholte. Aber diese ‚Öffnung‘ stellt vor das ernste Problem, worin denn dieses Nicht-Getrenntsein von der kirchlichen Gemeinschaft konkret bestehe. Wie ist es möglich, wirklich in der kirchlichen Gemeinschaft zu sein, ohne – früher oder später – wirklich zu einer vollständigen sakramentalen Gemeinschaft zu gelangen? Zu behaupten, daß eine vollständige kirchliche Gemeinschaft ohne die volle sakramentale Gemeinschaft möglich sei, scheint kein Weg, der zufriedenstellend sein kann.“
Und damit ist das GPS tatsächlich neu ausgerichtet. Allerdings wird man sich fragen müssen, ob auf diese Weise nur der Weg oder nicht auch das Ziel geändert wurde.
Spadaro will Synode in die „deutsche“ Richtung drängen
Das Schlußdokument der Synode vermeidet es mit Bedacht, die „Kommunion“ für die wiederverheirateten Geschiedenen zu erwähnen. Es sagt, daß jede Unterscheidung „gemäß der Lehre der Kirche und den Richtlinien des Bischofs“ (Nr. 85) erfolgen muß. Falls also Pater Spadaro nicht ohnehin versuchen sollte, die ganze Synode völlig neu auszurichten, so versucht er auf alle Fälle, sie in eine bestimmte Richtung zu drängen.
Die bestimmte Richtung ist jene des Circulus Germanicus, dessen Berichte er mehrfach im Artikel zustimmend zitiert. Es handelt sich um eine Richtung, die in eindeutigem Widerspruch zur geltenden Lehre der Kirche steht. Ob das die Richtung sein wird, die Papst Franziskus in seinem erwarteten apostolischen Schreiben einschlagen wird, ist abzuwarten. Ob diese Richtungsänderung wirklich als eine „Weiterentwicklung“ der Lehre der Kirche gesehen werden kann, ist eine ebenso wirklich dringende wie umstrittene „quaestio disputata“.
Imbellis Kritik mit dem heiligen Ignatius an Papst Franziskus
Eine Schlußbemerkung: Beim Lesen von Familiaris consortio fallen die tiefe pastorale Sorge und der pastorale Eifer von Johannes Paul II. auf.
Er schreibt:
„Die Kirche, die dazu gesandt ist, um alle Menschen und insbesondere die Getauften zum Heil zu führen, kann diejenigen nicht sich selbst überlassen, die eine neue Verbindung gesucht haben, obwohl sie durch das sakramentale Eheband schon mit einem Partner verbunden sind. Darum wird sie unablässig bemüht sein, solchen Menschen ihre Heilsmittel anzubieten.“
Und weiter:
„Die Kirche soll für sie beten, ihnen Mut machen, sich ihnen als barmherzige Mutter erweisen und sie so im Glauben und in der Hoffnung stärken.“
Zu behaupten, daß es jenen, die nicht nur selektiv, sondern ganz der Lehre von Johannes Paul II. in dieser Frage und dem vollständigen Text von Familiaris consortio folgen, an pastoralem Eifer fehle und daß sie versuchen würden, die Lehre in Steine zu verwandeln, um sie auf die unwürdigen zu schleudern, bedeutet nicht nur, es an liebender Unterscheidung mangeln zu lassen, die der heilige Ignatius zur „Voraussetzung“ für die geistlichen Exerzitien macht, es bedeutet auch, ausdrücklich das Erbe eines großen Papstes anzugreifen, den die Kirche heiliggesprochen hat.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Apostasis/Youtube (Screenshot)