„Bei wiederverheirateten Geschiedenen kann das Leben die Regeln überwinden“ – Interview von Erzbischof Heiner Koch


Interview mit Erzbischof Heiner Koch
Inter­view mit Erz­bi­schof Hei­ner Koch

(Ber­lin) Ber­lins Erz­bi­schof Hei­ner Koch, einer der deut­schen Syn­oda­len bei der bevor­ste­hen­den Bischofs­syn­ode über die Fami­lie, „rühm­te zwei Tage vor Syn­oden­be­ginn den ‚hohen Wert‘ homo­se­xu­el­ler Paa­re, die sich ‚beglei­ten und unter­stüt­zen‘ “, so Secre­tum Meum Mihi. Der Erz­bi­schof gab dem Cor­rie­re del­la Sera unmit­tel­bar vor Syn­oden­be­ginn ein Inter­view. Die wich­tig­ste Tages­zei­tung Ita­li­ens stell­te dazu eine gan­ze Sei­te ihrer heu­ti­gen Aus­ga­be zur Ver­fü­gung. Was Erz­bi­schof Koch zu Ehe, Fami­lie, wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen, Homo­se­xu­el­len und der Bischofs­syn­ode zu sagen hat, kön­nen Sie in deut­scher Über­set­zung nachlesen.

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Erz­bi­schof Koch war im Juni von Papst Fran­zis­kus auf den Bischofs­stuhl der deut­schen Bun­des­haupt­stadt beru­fen und erst am ver­gan­ge­nen 19. Sep­tem­ber in sein Amt ein­ge­führt wor­den. Er ist einer der drei von der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz gewähl­ten Syn­oden­vä­tern, die Deutsch­land in Rom ver­tre­ten wer­den. Hin­zu kommt noch Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, den Papst Fran­zis­kus per­sön­lich zum Syn­oda­len ernannte.

Anfang 2014 lehn­te der dama­li­ge Bischof von Dres­den-Mei­ßen eine „Homo-Ehe“ ab, bezeich­ne­te es aber als „ver­let­zend“, Homo­se­xua­li­tät als Sün­de zu bezeich­nen. Eine Posi­ti­on, die er im Febru­ar 2015 wie­der­hol­te. Das Inter­view wur­de mit dem Titel: „Bei wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen kann das Leben die Regeln über­win­den“ und dem Unter­ti­tel: „Für die Kir­che bleibt die Ehe aber unauf­lös­lich“ ver­öf­fent­licht. Das Inter­view führ­te der Ber­lin-Kor­re­spon­denz des Cor­rie­re del­la Sera, Dani­lo Taino.

Cor­rie­re del­la Sera: Die Syn­ode wird über die Ent­schei­dung dis­ku­tie­ren, die Annul­lie­rung der kirch­li­chen Ehe zu erleich­tern. Ist das ein Nach­ge­ben gegen­über der Säku­la­ri­sie­rung der west­li­chen Gesellschaften?

Erz­bi­schof Koch: Vor allem wird die Syn­ode über die Ehe und die Fami­lie spre­chen und dem Papst einen Rat geben. Sie wird nichts ent­schei­den. Zur Sache: Die Annul­lie­rung einer Ehe bedeu­tet, daß die Hoch­zeit nicht gül­tig war. Das wird kein gro­ßes The­ma der Syn­ode sein. Dann gibt es Din­ge, die der Papst motu pro­prio ändern kann. In die­sem Fall betref­fen sie nur den Annul­lie­rungs­pro­zeß und des­sen Geschwin­dig­keit. Eine ande­re Fra­ge ist die Unauf­lös­lich­keit der Ehe, doch dazu gibt es kei­nen Wider­spruch. Die Ehe, als Sakra­ment, ist unauf­lös­lich: das gibt unse­rem Glau­ben einen tie­fen Sinn. Die Fra­ge ist viel­mehr, ob wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne, die nach den gel­ten­den Regeln nicht die Kom­mu­ni­on emp­fan­gen kön­nen, es wie­der tun wer­den kön­nen. Das ist ein The­ma, das mehr die Gemein­schaft als die Ehe betrifft.

Cor­rie­re del­la Sera: Kön­nen Sie das erklären?

Erz­bi­schof Koch: Nicht an der Kom­mu­ni­on teil­ha­ben, ist in erster Linie nicht eine Fra­ge von Schuld und Stra­fe: Das Eheskra­ment ist mehr als ein sozia­ler Ver­trag, er ist ein Teil des Glau­bens­ge­heim­nis­ses, in dem zwei Per­so­nen einen Bund unter­ein­an­der und mit Gott ein­ge­hen. Und Gott mit ihnen. Gott wird die­ses Ver­spre­chen nie zurück­neh­men. Wer an der Kom­mu­ni­on teil­nimmt, lebt die­se Gemein­schaft mit Gott. Das steht im Wider­spruch mit dem Bruch des Ehe­sa­kra­ments. Des­halb hat die Kir­che gesagt, daß man nicht an der Kom­mu­ni­on teil­neh­men kann: um nicht in die­sem Wider­spruch zu leben. Nun ist die theo­lo­gi­sche Fra­ge die, ob die Kir­che die­se Per­so­nen, trotz des Bru­ches [des Ehe­sa­kra­ments] zur Kom­mu­ni­on akzep­tie­ren kann. Gene­rell nicht. Es kann aber Ein­zel­fäl­le geben, wo der Bischof oder ein von ihm Beauf­trag­ter die Teil­nah­me erlau­ben kön­nen. Weil das Leben die Regeln über­win­det. Es gibt eini­ge The­sen des Pap­stes dazu und wir wer­den bei der Syn­ode dar­über diskutieren.

Erzbischof Heiner Koch von Berlin, Synodale der Bischofssynode 2015
Erz­bi­schof Hei­ner Koch von Ber­lin, Syn­oda­le der Bischofs­syn­ode 2015

Cor­rie­re del­la Sera: Was mei­nen Sie mit Leben, das die Regeln überwindet?

Erz­bi­schof Koch: Zum Bei­spiel den Fall einer Ehe, in der der Mann die Frau ver­las­sen und sie zum Wohl der Kin­der wie­der gehei­ra­tet hat, aber die Kom­mu­ni­on um jeden Preis will. Sie trifft kei­ne mora­li­sche Schuld. Wenn eine tie­fe Reli­gio­si­tät vor­han­den ist, über­win­det mei­nes Erach­tens das Leben die Regeln.

Cor­rie­re del­la Sera: Wird man je von einer katho­li­schen Schei­dung spre­chen können?

Erz­bi­schof Koch: Nein. Für uns ist die Ehe unauflöslich.

Cor­rie­re del­la Sera: Gibt es die Gefahr von Spal­tun­gen in der Kir­che? Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler sag­te, daß „die pro­te­stan­ti­sche Refor­ma­ti­on auf die­sel­be Art begon­nen hat“.

Erz­bi­schof Koch: Die Ein­heit der Kir­che steht für mich und mei­ne Mit­brü­der im Bischofs­amt außer Dis­kus­si­on. Im Gegen­teil ist es unse­re Absicht, die­se Ein­heit zu stär­ken. Kar­di­nal Mül­ler hat Recht, wenn er sagt, daß hier grund­le­gen­de Fra­gen dis­ku­tiert wer­den. Ich bin aber über­zeugt, daß ein gro­ßer Kon­sens vor­han­den ist: Hier in Deutsch­land wer­den wir Bischö­fe nichts tun, was die Ein­heit der Bischö­fe und der Kir­che bedro­hen könnte.

Cor­rie­re del­la Sera: Gibt es ein anti-ita­lie­ni­sches Gefühl in Tei­len der Welt­kir­che? Ein Gefühl gegen die vati­ka­ni­sche Kurie?

Erz­bi­schof Koch: Gegen die ita­lie­ni­sche Kir­che sehe ich es nicht. Gegen­über der Kurie gibt es immer eine gewis­se Distanz: Vor Ort denkt man häu­fig, die Din­ge bes­ser zu ken­nen. Die Kurie hat aber ande­re Auf­ga­ben, sie muß auf das Gan­ze schau­en. Das kann sich nicht mit unse­ren Auf­ga­ben fern von Rom ver­tra­gen. Das war immer so und wird so blei­ben: Das ist kein Problem.

Cor­rie­re del­la Sera: Zum Beispiel?

Erz­bi­schof Koch: Zum Bei­spiel haben wir die Auf­ga­be, uns um die Fäl­le von sexu­el­lem Miß­brauch zu küm­mern. Es ist sehr wich­tig, es zeigt, wie sehr die Kir­che ver­wun­det ist. Das ver­langt, daß die Vor­ge­hens­wei­se schnell ist. Doch manch­mal sind die Zei­ten lang, weil das Per­so­nal fehlt. Hier kann es eine Fra­ge mit der Kurie geben. Die Kurie aber ist ein Organ des Pap­stes, mit dem wir in Gemein­schaft leben wol­len und dem wir ver­trau­en. Gewiß, jede Ver­wal­tung muß sich erneu­ern: Hof­fen wir, daß es bei der bevor­ste­hen­den Reform Ergeb­nis­se gibt.

Cor­rie­re del­la Sera: Wie sehen Sie Ver­bin­dun­gen zwi­schen Mann und Frau, die nicht ver­hei­ra­tet sind?

Erz­bi­schof Koch: Wir müs­sen zuge­ben, daß die Leu­te in Frei­heit immer öfter die­sen Weg wäh­len. Wir haben nicht die Mög­lich­keit und das Recht, es zu ver­bie­ten. Für uns ist das eine Her­aus­for­de­rung: Wir müs­sen dar­über in der Gesell­schaft dis­ku­tie­ren, indem wir ein­la­den und über­zeu­gen. Wenn zwei Per­so­nen den höch­sten Punkt ihrer Lie­be errei­chen und sagen: „Du kannst mir ver­trau­en, ich ver­traue dir, gehen wir gemein­sam bis zum Tod“: das ist das größ­te Ver­spre­chen der Frei­heit, das man abge­ben kann. Das ist auch die Bedeu­tung des Ehe­sa­kra­ments, des Bun­des mit Gott.

Cor­rie­re del­la Sera: Was den­ken Sie über homo­se­xu­el­le Verbindungen?

Erz­bi­schof Koch: Für uns kann die Sexua­li­tät nicht von der mensch­li­chen Gemein­schaft getrennt wer­den. Wir kön­nen sie nicht von der Mög­lich­keit tren­nen, Leben zu schen­ken. Des­halb ist die Sexua­li­tät in der Logik der Kir­che an die Ehe geknüpft. Daher ist sie mit der Lie­be zwi­schen einem Mann und einer Frau, mög­li­chem Vater und mög­li­cher Mut­ter ver­knüpft. Eine homo­se­xu­el­le Bezie­hung kann nicht so sein. Unab­hän­gig davon ist klar, daß es homo­se­xu­el­le Per­so­nen gibt, die sich unter­stüt­zen und sich beglei­ten auch im Alter und in der Krank­heit, was ein hoher Wert ist.

Cor­rie­re del­la Sera: War­um eine Syn­ode über die Fami­lie durch­füh­ren ange­sichts der Pro­ble­me von Flücht­lin­gen, Krieg und Armut?

Erz­bi­schof Koch: Ich hof­fe sehr, daß die Flücht­lings­fa­mi­li­en ein The­ma der Syn­ode sein wer­den, ich möch­te dar­über spre­chen. Dies ange­merkt: das The­ma der Ehe und der Fami­lie ist ein stän­di­ges. Die zer­bro­che­nen Fami­li­en sind eine Her­aus­for­de­rung, die in der Kir­che wegen der Wei­ter­ga­be des Glau­bens eine gro­ße Bedeu­tung hat. Und sie hat eine aktu­el­le und dra­ma­ti­sche Bedeu­tung für das Alter, für die Per­son, die stirbt. Die Eutha­na­sie zum Bei­spiel ist eine Dis­kus­si­on der Fami­li­en: aktu­ell und explo­siv. Jeder ist vom The­ma Fami­lie betrof­fen: Ich glau­be, daß der Papst sich des­halb dazu ent­schie­den hat.

Einleitung/​Übrsetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­rie­re del­la Sera (Screenshot)/Wikicommons

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5 Kommentare

  1. Der Ber­li­ner Erz­bi­schof ist dafür bekannt, dass er salopp kirch­li­che The­men aus­legt, nicht unbe-
    dingt nach der Leh­re, son­dern nach sei­ner indi­vi­du­el­len Ansicht und liegt damit auf der Linie von
    Erz­bi­schof Marx, Kar­di­nal Kas­par und Kom­pli­zen. Man kann davon aus­ge­hen, dass Erzbischof
    Koch äußert dank­bar dafür ist, dass ihn Fran­zis­kus auf den Bischofs­stuhl von Ber­lin geho­ben hat.
    Nun singt er freu­dig das Lied des Pap­stes das ihm vor­ge­ge­ben ist und lässt für sei­ne Kar­rie­re Leh-
    re, Leh­re sein und ver­tritt wei­ter die Leh­re der “ Leere “ !

  2. Der hl. Josef­ma­ria Escri­va über die Gefahr des „Erlö­schens der Lam­pen“ durch falsch ver­stan­de­ne Nächstenliebe. „:
    -

    Nach­gie­big­keit in Fra­gen der Glau­bens­wahr­hei­ten wäre falsch ver­stan­de­ne Näch­sten­lie­be, eine Schlin­ge des Teu­fels und im Grun­de Lüge. Der Apo­stel Petrus mahnt, „for­tes in fide“ zu sein, stark und fest im Glau­ben. Das hat nichts mit Fana­tis­mus zu tun,  son­dern heißt ganz schlicht, den Glau­ben zu leben. 
    Dar­in liegt kei­ne Lieb­lo­sig­keit gegen­über ande­ren Menschen. 
    In allem Unwe­sent­li­chen geben wir nach,aber ein ach­sel­zucken­der Kom­pro­miß hin­sicht­lich des Glau­bens selbst ist unmög­lich. Wir dür­fen das Öl unse­rer Lam­pen nicht weg­ge­ben, denn sonst fin­det der Bräu­ti­gam, wenn er kommt, die Lam­pen erloschen.“

    -

  3. Jesus Chri­stus sagt: „Wer sei­ne Frau aus der Ehe ent­lässt und eine ande­re hei­ra­tet, begeht ihr gegen­über Ehe­bruch. Auch eine Frau begeht Ehe­bruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe ent­lässt und einen ande­ren hei­ra­tet.“ Mk 10,2–16
    Evan­ge­li­um 4.10.15, Beginn der Familiensynode

    Wel­che Stel­le hier­von hat Herr Koch nicht verstanden?

  4. So ein büro­kra­ti­scher Jam­mer­lap­pen ver­sucht sich jetzt im Weltenspiel …

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