Das Ergebnis der Familiensynode V – Hat die Kirche die Weisheit über die Natur des Menschen verloren?


Kardinal Kasper und Papst Franziskus
Kar­di­nal Kas­per und Papst Franziskus

Syn­oden-Anmer­kun­gen von Giu­sep­pe Nar­di (4)

Anzei­ge

(Rom) Nach zwei Jah­ren Bischofs­syn­ode über die Fami­lie scheint alles wie gehabt. Es gibt einen Schluß­be­richt der Syn­oden­vä­ter mit 94 Para­gra­phen, der mit Zwei­drit­tel­mehr­heit beschlos­sen wur­de und die Syn­oden­emp­feh­lung an den Papst dar­stellt. Der Text des Doku­men­tes scheint letzt­lich kei­ne wirk­li­che Rol­le zu spie­len. Er ist durch Undeut­lich­keit geprägt. Jeder kann hin­ein­in­ter­pre­tie­ren oder her­aus­le­sen, was er will. Genau das geschieht bereits seit Bekannt­wer­den des Tex­tes (wenn auch vor­erst nur im ita­lie­ni­schen Wort­laut). Die welt­li­chen Medi­en ver­kün­den die „Öff­nung“. Die katho­li­schen Medi­en bie­ten ein inzwi­schen schon struk­tu­rell gewor­de­nes Bild des viel­stim­mi­gen Durcheinanders.

Papier ist geduldig oder Der Geist hinter dem Buchstaben

Die „Kon­ser­va­ti­ven“ kön­nen mit über­zeug­tem Brust­ton behaup­ten, daß die Leh­re „geret­tet“ wur­de und die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne im Schluß­be­richt nicht ein­mal erwähnt wird. Doch dem steht dia­me­tral die Genug­tu­ung von Kar­di­nal Kas­per gegen­über, der „sehr zufrie­den“ über den Syn­oden­aus­gang ist. Wie das? Sei­ne Linie habe „über­wo­gen“, obwohl sein zen­tra­les Anlie­gen nicht ein­mal direk­te Erwäh­nung gefun­den hat?

Der Schluß­be­richt zeich­net sich vom ersten Augen­blick als Lehr­bei­spiel für das Aus­ein­an­der­klaf­fen von Inhalt und Wirk­lich­keit ab. Man könn­te auch sagen: Die Rela­tio fina­lis ist ein Beleg­stück dafür, daß Papier gedul­dig ist.

Hat­te nicht bereits der „Geist des Kon­zils“ über die Kon­zils­do­ku­men­te obsiegt? Und hat­te nicht Papst Fran­zis­kus am Syn­oden­be­ginn selbst die Syn­ode in die „Kon­ti­nui­tät“ des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils gestellt? Der Sprung vom „Kon­zils­geist“ zum „Syn­oden­geist“ ist dann nicht mehr weit.

Es gibt eine wirk­li­che Syn­ode, die nach den Gesetz­mä­ßig­kei­ten der Diplo­ma­tik im Wort­laut ihrer Doku­men­te authen­tisch zum Aus­druck kommt.

Es gibt dane­ben aber auch eine Syn­ode der Medi­en und mehr noch einen „Geist der Syn­ode“, der sich in der Absicht derer wider­spie­gelt, die die­se Syn­ode gewollt, durch­ge­führt und gelenkt haben.

Wel­che Syn­ode gilt? Wel­che setzt sich durch?

„Strukturelle“ Defensive der Verteidiger der katholischen Glaubenslehre

Die glau­bens­treu­en Katho­li­ken, die Ver­tei­di­ger der kirch­li­chen Ehe- und Moral­leh­re haben sich, das steht schon fest, ein­mal mehr in die Defen­si­ve drän­gen las­sen – eine struk­tu­rel­le Defen­si­ve, um auf der sozio­lo­gi­schen Ebe­ne zu blei­ben, die den Syn­oden­ma­chern und auch Papst Fran­zis­kus so wich­tig ist.

Vor der Syn­ode hat­ten Kar­di­nä­le, Bischö­fe und katho­li­sche Lai­en um einen Text gebe­ten, der sich durch Klar­heit aus­zeich­net. Die Grün­de lie­gen seit den Erfah­run­gen mit dem Kon­zil, der Nach­kon­zils­zeit und dem Schluß­be­richt der Syn­ode 2014 auf der Hand. Gewor­den ist es aber ein Text der gewohn­ten Unschär­fe und der Mehr­deu­tig­kei­ten, ein Text des irgend­wie alles und irgend­wie nichts.

Eine sol­che Unschär­fe zwingt die Ver­tei­di­ger des Ehe­sa­kra­ments in die Defen­si­ve, weil sie einer­seits das Sakra­ment und des­sen Unauf­lös­lich­keit gegen inner­kirch­li­che Gegen­spie­ler ver­tei­di­gen müs­sen, gleich­zei­tig aber nicht Roß und Rei­ter wirk­lich beim Namen nen­nen kön­nen oder tun wer­den. Sie wer­den statt des­sen eisern ver­su­chen, den Schluß­be­richt für sich zu rekla­mie­ren. Das mag im Sin­ne der Kon­ti­nui­tät und auf die gesam­te Kir­chen­ge­schich­te irgend­wann ein­mal auch als rich­tig erschei­nen. Der­zeit tut es das aber kaum. Denn der­zeit ist die Mehr­deu­tig­keit die­ses und ande­rer Doku­men­te der Lebens­atem der pro­gres­si­ven Agen­da. Die Kas­pe­ria­ner leben von der Ambi­va­lenz der Tex­te. Das erklärt auch die Genug­tu­ung und Freu­de Kas­pers über den Schluß­be­richt. Er ist zufrie­den, daß die Syn­ode nicht durch kla­re For­mu­lie­run­gen die Tür für bestimm­te The­men zuge­macht und damit den Hand­lungs­spiel­raum des Pap­stes ein­ge­engt hat.

Eini­ge Kar­di­nä­le, die sich mit Ein­satz für die Ver­tei­di­gung des Ehe­sa­kra­ments geschla­gen haben, auch um den Preis, dadurch viel­leicht beim amtie­ren­den Papst in Ungna­de zu fal­len, beto­nen bereits, daß im Schluß­be­richt nichts ent­hal­ten ist, was der katho­li­schen Leh­re wider­spricht. Dem mag auch so sein. Ange­sichts der Gegen­spie­ler mag das sogar ein erstaun­li­ches Ergeb­nis sein. Genügt es aber, von einem Doku­ment einer Bischofs­syn­ode sagen zu kön­nen, viel­leicht noch mit dem unter­schwel­li­gen Ton der Erleich­te­rung, es ent­hal­te nichts, was der katho­li­schen Leh­re wider­spricht? Kaum etwas könn­te mehr über den aktu­el­len Zustand der Kir­che aus­sa­gen, als die­ser beschei­de­ne Anspruch, mit dem sich höch­ste, glau­bens­treue Kir­chen­ver­tre­ter schon zufrie­den geben. Die Aus­sa­ge läßt zwei­fel­los Rea­li­täts­be­wußt­sein erken­nen. Gera­de dar­in liegt das Niederschmetternde.

Unklarheit ist das Wohlfühlbiotop der Progressiven

Die Unklar­heit spielt den Pro­gres­si­ven in die Hän­de, auf wel­cher Ebe­ne auch immer. Allein dies zu erken­nen und zu durch­schau­en, wäre ein ent­schei­den­der Schritt zur Gene­sung der Kir­che. Ihres­glei­chen wer­den bis hin­un­ter zu den Dorf­pfar­rern die Bot­schaft ver­ste­hen, auch oder gera­de weil es kei­ne direk­ten oder deut­li­chen Wor­te gab. Dar­an kann kein Zwei­fel bestehen.

Und die „Kon­ser­va­ti­ven“ spie­len den Pro­gres­si­ven in die Hän­de, unbe­ab­sich­tigt, solan­ge sie mehr­deu­ti­ge Doku­men­te ver­tei­di­gen und den ver­zwei­fel­ten, letzt­lich zum Schei­tern ver­ur­teil­ten Ver­such unter­neh­men, sie für sich zu rekla­mie­ren. Das hät­te nur Erfolg, wenn es in der Kir­che eine wirk­lich gemein­sa­me all­ge­mein aner­kann­te Grund­la­ge und Sicht­wei­se gäbe. Die gibt es heu­te aber nicht mehr wirklich.

Eine nicht zu über­se­hen­de Min­der­heit der Syn­oden­vä­ter hat den umstrit­ten­sten Para­gra­phen wegen ihrer Unklar­heit die Zustim­mung ver­wei­gert. Ihnen käme nun eine zen­tra­le Rol­le zu. Man­che wer­de sie über­neh­men. Im soge­nann­ten west­li­chen Euro­pa wird die Kon­kor­danz über­wie­gen. Man wird die Ein­heit beto­nen und mit unter­schied­li­chen Posi­tio­nen neben­ein­an­der her­le­ben, ohne sie laut beim Namen zu nen­nen. Die Pro­gres­si­ven kön­nen also unge­stört ihre Wühl­ar­beit fort­set­zen. Unter dem offi­zi­el­len Dach der Kir­che ver­su­chen sie die Fun­da­men­te der Kir­che aus­zu­gra­ben und von katho­li­schen in pro­te­stan­ti­schen Humus umzu­pflan­zen. Dabei geht es letzt­lich gar nicht um den Pro­te­stan­tis­mus, son­dern um den in der Welt der­zeit vor­herr­schen­den Rela­ti­vis­mus. Der Pro­te­stan­tis­mus, daher der in katho­li­schen Krei­sen belieb­te Hin­weis auf eine Pro­te­stan­ti­sie­rung, hat den Weg in den Rela­ti­vis­mus nur frü­her ange­tre­ten. Gemeint ist letzt­lich eine End­sta­ti­on bei einem Chri­sten­tum ohne Gott, jeden­falls ohne einen leben­di­gen Gott.

Hat Kirche ihre Weisheit über die Natur des Menschen verloren?

Kurz­um also, alles wie gehabt. Jedem das Sei­ne, Haupt­sa­che die eini­gen­de Klam­mer kann doch noch ein­mal her­um­ge­legt wer­den und alle Gegen­sät­ze nomi­nell unter dem gemein­sa­men Dach ver­ei­nen. Eine ver­paß­te Chan­ce, die eine gei­sti­ge Schwä­che auf höch­ster kirch­li­cher Ebe­ne erken­nen läßt. Das wie­der­um ver­wun­dert gar nicht so sehr, nach 50 Jah­ren Nach­kon­zils­zeit, die genau von die­sem Geist geprägt waren. Ein hal­bes Jahr­hun­dert sind fast zwei Gene­ra­tio­nen von Katho­li­ken, die in die­sem Kli­ma einer schwa­chen, defen­si­ven, stän­dig beschul­dig­ten und sich ent­schul­di­gen­den Kir­che her­an­ge­wach­sen sind und geformt wur­den. Der Mensch als Sün­der ist zum unaus­sprech­li­chen Tabu gewor­den. Das Syn­oden­pa­pier lie­fert den jüng­sten Beweis. Die Din­ge müs­sen „posi­tiv“ gese­hen wer­den. So hat es Kar­di­nal Schön­born bereits 2014 mit sei­nem Gra­dua­li­täts-Prin­zip for­mu­liert. So wie­der­hol­te er es weni­ge Tage vor Syn­oden­be­ginn hoch­of­fi­zi­ell mit vati­ka­ni­scher Druck­erlaub­nis in einem Inter­view mit der römi­schen Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca. So hat es Papst Fran­zis­kus zum Syn­oden­ab­schluß ver­kün­det: „Es ist die Zeit der Barm­her­zig­keit, nicht der Ver­ur­tei­lun­gen“. Die Kir­che hat nur eine ein­zi­ge Hal­tung ein­zu­neh­men, die der Bring­schuld gegen­über dem nur mehr lei­den­den, nicht mehr aber sün­di­gen­den Men­schen, gegen­über dem Men­schen, der nur mehr Opfer, aber nicht mehr Täter ist.

Kein zukunfts­wei­sen­des Modell, da es der gesam­ten Weis­heit der Kir­che über das mensch­li­che Sein und sei­ner gefal­le­nen Natur wider­spricht. Die Welt mag sich ein­bil­den, mit­tels Gedan­ken­kon­strukt, Wil­lens­be­kun­dung oder gar staat­li­chem Gesetz die Natur des Men­schen bestim­men und sogar ändern zu kön­nen. Die Kir­che weiß es bes­ser, und die Kir­chen­ver­tre­ter soll­ten es zumin­dest bes­ser wissen …

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: lettera43 (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!