Widersprüchliche Signale – Führt Papst Franziskus Weltkirche in die Falle des „deutschen Modells“?


Papst Franziskus mit den Kleinen Schwestern der Armen
Papst Fran­zis­kus bei den Klei­nen Schwe­stern der Armen

(Washing­ton) Die wider­sprüch­li­chen Signa­le von Papst Fran­zis­kus sind schwer ent­zif­fer­bar, hin­ter­las­sen jedoch einen bit­te­ren Bei­geschmack. Mag sein, daß die Mas­sen­me­di­en man­chen Signa­len mehr, ande­ren weni­ger, man­chen gar kei­ne Sicht­bar­keit ver­schaf­fen und damit deren öffent­li­che Wahr­neh­mung ver­zer­ren. Damit läßt sich aber längst nicht alles erklä­ren, wie die jüngst zu Ende gegan­ge­ne US-Rei­se des Pap­stes zeig­te: sein Besuch bei den Klei­nen Schwe­stern der Armen und sei­ne gehei­me Begeg­nung mit Kim Davis einer­seits und sei­ne Rede vor dem US-Kon­greß und den Ver­ein­ten Natio­nen ande­rer­seits. Der Ver­such einer Fähr­ten­le­se zwi­schen wider­sprüch­li­chen Signa­len, die den­noch eine zwei­fel­haf­te Gewich­tung und Prä­fe­renz erken­nen lassen.

Der Besuch bei den Kleinen Schwestern der Armen – Gegen Obamas Abtreibungspolitik

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Wäh­rend sei­ner Pasto­ral­rei­se in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka ermu­tig­te Papst Fran­zis­kus am 23. Sep­tem­ber die Klei­nen Schwe­stern der Armen, ein katho­li­scher Frau­en­or­den, der sich der Abtrei­bungs­po­li­tik von US-Prä­si­dent Barack Oba­ma widersetzt.

Oba­ma will auch die katho­li­schen Ein­rich­tun­gen zwin­gen, den Vor­schrif­ten der Zwangs-Kran­ken­ver­si­che­rung Oba­mac­a­re zu ent­spre­chen, wonach die Schwe­stern Ver­hü­tungs­mit­tel, auch poten­ti­ell abtrei­bend wir­ken­de Ver­hü­tungs­mit­tel oder gar die Abtrei­bung für ihre Ange­stell­ten bezah­len müs­sen. Seit Jah­ren zieht sich der Rechts­streit der US-Regie­rung gegen die Klei­nen Schwe­stern der Armen hin.

Papst Fran­zis­kus nahm sich eigens die Zeit, das Klo­ster der Klei­nen Schwe­stern auf­zu­su­chen, um die Ordens­frau­en zu ermu­ti­gen, den ein­ge­schla­ge­nen Weg fort­zu­set­zen. Eine bedeu­tungs­vol­le Geste, da die Ordens­frau­en zu Sym­bo­len des Wider­stan­des gegen die Abtrei­bungs­po­li­tik Oba­mas gewor­den sind, die in den gan­zen USA bekannt sind. Eine kla­re Absa­ge an die Abtrei­bungs­po­li­tik des US-Präsidenten?

Geheime Begegnung mit Kim Davis – Gegen Obamas Homo-Politik

Geheime Begegnung von Papst Franziskus mit Kim Davis
Gehei­me Begeg­nung von Papst Fran­zis­kus mit Kim Davis

Wie erst gestern bekannt wur­de, emp­fing Papst Fran­zis­kus am 24. Sep­tem­ber Kim Davis und ihren Mann Joe in der Vati­ka­ni­schen Bot­schaft in Washing­ton. Ein pri­va­ter Emp­fang, der offen­sicht­lich vor Abschluß des Papst­be­su­ches nicht öffent­lich bekannt wer­den soll­te. Die Coun­ty-Sekre­tä­rin und Stan­des­be­am­tin aus Ken­tucky muß­te wegen ihrer Wei­ge­rung, Homo-Paa­ren eine Ehe­be­schei­ni­gung aus­zu­stel­len, im „freie­sten Land der Welt“ ins Gefäng­nis. Erst nach fünf Tagen wur­de sie frei­ge­las­sen, nach­dem ihre Stell­ver­tre­ter damit begon­nen hat­ten, an ihrer Stel­le den Homo­se­xu­el­len die Beschei­ni­gun­gen auszustellen.

Papst Fran­zis­kus habe Kim Davis gesagt, „Blei­ben Sie stark“. Eine Vier­tel­stun­de habe sich der Papst, wie die New York Times unter Beru­fung auf Davis Rechts­an­walt berich­te­te, mit die­ser ande­ren Sym­bol­ge­stalt des Wider­stan­des gegen Oba­ma, dies­mal gegen des­sen Homo-Poli­tik, unter­hal­ten. Der Papst habe ihre Hän­de gedrückt und gesagt: „Dan­ke für Ihren Mut“. Er schenk­te ihr einen Rosen­kranz und bat sie, für ihn zu beten.

„Gewissensverweigerung ist ein Menschenrecht“

Auf dem Rück­flug nach Rom sag­te Fran­zis­kus zum The­ma Gewis­sens­ver­wei­ge­rung zu den mit­rei­sen­den Jour­na­li­sten: „Ich kann nicht alle Situa­tio­nen im Kopf haben, die es geben könn­te. Ich kann aber sagen, daß die Gewis­sens­ver­wei­ge­rung ein Men­schen­recht ist. Sie ist ein Recht. Und wenn eine Per­son die Ver­wei­ge­rung aus Gewis­sens­grün­den nicht zuläßt, ver­wei­gert sie ein Recht. Die Gewis­sens­ver­wei­ge­rung muß in jede Rechts­ord­nung hinein.“

Rechts­an­walt Mathew Sta­ver bestä­tig­te, daß Kim Davis mit dem Vati­kan ver­ein­bart hat­te, die Nach­richt von der Begeg­nung bis zum Ende der Pasto­ral­rei­se ver­trau­lich zu behan­deln. Als Grund nann­te er den Wunsch des Vati­kans, damit sich der Besuch des Pap­stes in den USA „nicht ganz auf Kim Davis konzentriert“.

Obwohl der Besuch bei den Klei­nen Schwe­stern der Armen und die Begeg­nung mit Kim Davis eine deut­li­che Absa­ge an die Abtrei­bungs- und Homo-Poli­tik der Regie­rung Oba­ma sind, ver­mied der Papst in sei­nen die größ­te Beach­tung fin­den­den Anspra­chen vor dem ame­ri­ka­ni­schen Par­la­ment in Washing­ton und den Ver­ein­ten Natio­nen in New York jede direk­te Kri­tik. Fran­zis­kus kri­ti­sier­te weder die US-Regie­rung noch die UNO, obwohl bei­de im Gleich­schritt die Kul­tur des Todes und die Homo­se­xua­li­sie­rung aktiv vor­an­trei­ben und dies weltweit.

„Nicht verhandelbare Werte“ gemieden – Weltweites Recht auf Abtreibung „wichtiges Zeichen der Hoffnung“?

UNO Papst Franziskus
Papst Fran­zis­kus vor den Ver­ein­ten Nationen

Papst Fran­zis­kus ver­mied grund­sätz­lich jede kon­kre­te Aus­sa­ge zu den „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­ten“, für die sei­ne Vor­gän­ger wie Löwen gekämpft hat­ten. Nicht ein­mal in sei­ner Pre­digt beim Welt­fa­mi­li­en­tref­fen nahm er dazu Stel­lung. Ganz im Gegen­teil. In sei­ner Rede vor den Ver­ein­ten Natio­nen sag­te der Papst wört­lich: „Die Annah­me der 2030-Agen­da für Nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung auf dem Gip­fel­tref­fen, das noch heu­te begin­nen wird, ist ein wich­ti­ges Zei­chen der Hoff­nung. Ich ver­traue auch dar­auf, daß die UN-Kli­ma­kon­fe­renz von Paris zu grund­le­gen­den und wirk­sa­men Ver­ein­ba­run­gen gelangt.“

Inte­gra­ler Bestand­teil der Post-2015-Agen­da ist auch die welt­wei­te Lega­li­sie­rung der Abtrei­bung und deren mög­lichst schran­ken­lo­ser Zugang. Dem Vati­kan hat­te die UNO kurz vor dem Papst­be­such mit­ge­teilt, daß die Post-2015-Agen­da als Gan­zes zu akzep­tie­ren sei. Ein Ja unter Aus­klam­me­rung bestimm­ter Zie­le sei nicht denkbar.

Der Papst hät­te vor der UNO Gele­gen­heit gehabt, Vor­be­hal­te zu äußern. Nichts der­glei­chen tat Fran­zis­kus, son­dern sprach sogar von einem „wich­ti­gen Zei­chen der Hoff­nung“. Auch die welt­wei­te, straf­freie, ja lega­le und viel­leicht kosten­lo­se Tötung unge­bo­re­ner Kin­der, auch die­ser seit 40 Jah­ren andau­ern­de größ­te Mas­sen­mord der Mensch­heits­ge­schich­te ist „ein wich­ti­ges Zei­chen der Hoff­nung“? Wider­spruch sieht anders aus.

Der Besuch bei den Klei­nen Schwe­stern blieb eine wort­lo­se Geste, die Begeg­nung mit Kim Davis wur­de sogar geheim­ge­hal­ten. Die Rede vor den Ver­ein­ten Natio­nen, unmit­tel­bar vor Ver­ab­schie­dung der Post-2015-Agen­da, die in den kom­men­den 15 Jah­ren offi­zi­el­le UNO-Poli­tik sein wird, war eben eine Rede, ein zitier­ba­re, siche­re Aus­sa­ge und sie erfolg­te in aller Öffent­lich­keit. Mehr noch, da jeder Ein­spruch unter­blieb, erteil­te sie fak­tisch der Abtrei­bungs­agen­da der UNO (und damit auch Oba­mas) den päpst­li­chen „Segen“.

Damit doku­men­tier­te Papst Fran­zis­kus die wider­spruchs­lo­se Unter­wer­fung der katho­li­schen Kir­che unter die UNO. Ein ein­ma­li­ger, wenn auch höchst bedenk­li­cher Aus­rut­scher oder eine grund­sätz­li­che Wei­chen­stel­lung? Letz­te­res hie­ße, das „deut­sche Modell“ der Welt­kir­che über­zu­stül­pen, jenes Arran­ge­ment, mit dem sich die Kir­che dem Staat unter­wirft und in die öffent­li­che Dis­kus­si­on nur im Sin­ne der Regie­ren­den ein­greift. Im Gegen­zug dazu wird sie vom Staat gedul­det und darf am Tisch der Mäch­ti­gen Platz neh­men wie Regie­rungs­mit­glie­der ohne Geschäfts­be­reich. Im Bereich der Abtrei­bung müs­se die Kir­che nicht für Abtrei­bung sein, dür­fe die gel­ten­de Abtrei­bungs­ge­setz­ge­bung aber nicht in Fra­ge stel­len. Es bedeu­tet die Umset­zung der „libe­ra­len“ Hal­tung, die man in zahl­rei­chen Gesprä­chen zu hören bekommt: „Ich per­sön­lich bin gegen Abtrei­bung, aber es soll jeder sel­ber ent­schei­den“. Was impli­zit bedeu­tet, daß die lega­li­sier­te Tötung unge­bo­re­ner Kin­der nicht ange­ta­stet wer­den darf.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va/​T​e​mpi (Screen­shots)

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