Papst-Besuch auf Kuba: Witwe von Oswaldo Payá kritisiert Castro-Regime und Kardinal Ortega


Oswaldo Paya
Oswal­do Paya (1952–2012)

(Rom/​Havanna) Im Vor­feld des Papst-Besuchs auf Kuba führ­te der Tes­si­ner Jour­na­list Giu­sep­pe Rus­co­ni (Ros­so­por­po­ra) ein Inter­view mit Ofe­lia Ace­ve­do, der Wit­we von Oswal­do Payá, einer Füh­rungs­ge­stalt der kuba­ni­schen Katho­li­ken und Vor­sit­zen­der der christ­li­chen Bür­ger­rechts­be­we­gung Movi­mi­en­to Cri­stia­no de Libe­r­aci­on (Christ­li­che Befrei­ungs­be­we­gung), der am 22. Juli 2012 bei einem „sehr ver­däch­ti­gen Auto­un­fall“ (Rus­co­ni) ums Leben gekom­men ist. Bei dem Unfall wur­de mit Oswal­do Payá (Grün­der und Vor­sit­zen­der) und Harold Cepe­ro (Vor­sit­zen­der der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on) die gesam­te Füh­rungs­spit­ze der Christ­li­chen Befrei­ungs­be­we­gung aus­ge­löscht. Papst Fran­zis­kus, der die Fami­lie Payá am 14. Mai 2014 in Pri­vat­au­di­enz emp­fing, kennt die Situa­ti­on gut. Die Wit­we übt Kri­tik an Kar­di­nal Jai­me Orte­ga, dem Erz­bi­schof von Havan­na, dem sie eine feind­li­che Hal­tung gegen­über den Dis­si­den­ten und Regime­kri­ti­kern vorwirft.

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Oswal­do Payá grün­de­te 1987 die Christ­li­che Befrei­ungs­be­we­gung, die zum maß­geb­li­chen Sprach­rohr der anti­kom­mu­ni­sti­schen und anti­ca­stri­sti­schen Regime­kri­ti­ker wur­de. Der Katho­lik Payá wur­de zur zen­tra­len Figur der Dis­si­den­ten­sze­ne. Vor drei Jah­ren wur­de er 700 Kilo­me­ter von Havan­na ent­fernt in einem höchst zwei­fel­haf­ten Auto­un­fall getö­tet. Mit sei­nem Namen ist das Proyec­to Vare­la zur Erlan­gung der Grund- und Frei­heits­rech­te für das kuba­ni­sche Volk durch ein Refe­ren­dum ver­bun­den. Payá sam­mel­te die dafür not­wen­di­gen 10.000 Unter­schrif­ten und über­gab sie 2002 dem kuba­ni­schen Par­la­ment. 2003 leg­te er noch ein­mal 14.000 Unter­schrif­ten drauf, obwohl das kom­mu­ni­sti­sche Insel­re­gime mit repres­si­ven Maß­nah­men reagier­te. Ofe­lia Ace­ve­do muß­te ein Jahr nach dem Tod ihres Man­nes mit ihrer Fami­lie nach Miami (USA) aus­wan­dern, nach­dem die stän­di­gen Poli­zei­schi­ka­nen und Dro­hun­gen kein Ende nahmen.

„In Kuba gibt es keine Religionsfreiheit“

Zum Papst­be­such auf Kuba sag­te Ofe­lia Acevedo:

„Als ich davon erfuhr, war ich über­rascht, dann emp­fand ich gro­ße Freu­de. Über­rascht, weil drei Papst-Besu­che inner­halb von 17 Jah­ren ein Pri­vi­leg sind. Freu­de, weil Papst Fran­zis­kus sich beson­ders mit den Armen, Aus­ge­grenz­ten und Ver­folg­ten iden­ti­fi­ziert. Die­sen Grup­pen gehört die Mehr­heit mei­nes Vol­kes an. Sie erwar­ten eine Bot­schaft der Ermu­ti­gung und der Hoff­nung von Papst Fran­zis­kus, die sie anspornt, sich zu erhe­ben und einen lan­gen Weg zu begin­nen, Akteu­re ihrer eige­nen Geschich­te zu wer­den, die Kraft zu fin­den, dies in Jesus Chri­stus zu tun, den gro­ßen Restau­ra­tor der Menschenwürde.“

Die Ankün­di­gung des Papst­be­suchs habe, so Ace­ve­do, für das kuba­ni­sche Volk bis­her kei­ne Ver­bes­se­run­gen gebracht. „Der Man­gel an Frei­heit hält die Kuba­ner in Armut und Unge­rech­tig­keit gefan­gen“. Die Situa­ti­on sei unver­än­dert gleich: „In Kuba gibt es kei­ne Reli­gi­ons­frei­heit. Es gibt ein Amt für Reli­gi­ons­an­ge­le­gen­hei­ten des Zen­tral­ko­mi­tees der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Kubas (der ein­zi­gen zuge­las­se­nen Par­tei auf der Insel), das mit der Staats­si­cher­heit (der Segu­ri­dad) ver­bun­den ist. Es hat die Auf­ga­be, jeden Ange­hö­ri­gen der Kir­che zu über­wa­chen, zu durch­su­chen, zu über­zeu­gen, zu bedro­hen, des­sen Mei­nun­gen oder des­sen Ver­hal­ten der Regie­rung der Brü­der Castro miß­fal­len. Sie haben die Befug­nis, jeder­zeit in jed­we­den Bereich des kirch­li­chen Lebens ein­zu­grei­fen, der die Regie­rung nicht zufrie­den­stellt. Die Kir­che hat kei­nen Zugang zu den Mas­sen­me­di­en. Die Fami­li­en kön­nen ihren Kin­dern kei­nen christ­li­chen Reli­gi­ons­un­ter­richt zuteil wer­den las­sen, weil es einen sol­chen nicht gibt. Der der­zei­ti­ge Lei­ter des Amtes für Reli­gi­ons­an­ge­le­gen­hei­ten der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei erklärt im Zusam­men­hang mit dem Papst-Besuch, daß der Reli­gi­ons­un­ter­richt durch die Revo­lu­ti­on besei­tigt wurde.“

Papst Franziskus kennt die „erbärmliche“ Lage der Kubaner

Die Papst-Besu­che von 1998 und 2012 sei­en ein wich­ti­ges Zei­chen der brü­der­li­chen Ver­bun­den­heit mit der pil­gern­den Kir­che von Kuba gewe­sen. Die Bot­schaf­ten von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. sei­en von jenen Kuba­nern dank­bar auf­ge­nom­men wor­den, die sie hören konn­ten. „Die kirch­li­che Hier­ar­chie ver­weist auf posi­ti­ve Kon­se­quen­zen, weil die Regie­rung nach den Besu­chen es eini­gen Prie­stern erlaub­te, das Land zu betre­ten und bestimm­te tech­ni­sche Gerä­te und für die Seel­sor­ge not­wen­di­ge Fahr­zeu­ge gekauft wer­den konn­ten, eben­so die Rück­ga­be eini­ger in den ersten Jah­ren der Revo­lu­ti­on ent­eig­ne­ter Immo­bi­li­en, dar­un­ter Kir­chen und Schu­len, die damals in bestem Zustand waren. Als sie zurück­ge­ge­ben wur­den, waren sie leer, bau­fäl­lig oder total zer­stört. Ande­re sicht­ba­re posi­ti­ve Fol­gen sind mir nicht bekannt.“

Die Regie­rung Castro kün­dig­te anläß­lich des Papst­be­su­ches die Amne­stie­rung von 3522 Gefan­ge­nen an. „Bis­her fin­det sich unter die­sen jedoch kein poli­ti­scher Gefan­ge­ner. Um genau zu sein, wur­de bis­her die Amne­stie noch für kei­nen Gefan­ge­nen kon­kret umgesetzt.“

Die Wit­we von Oswal­do Payá wur­de mit ihrer Fami­lie von Papst Fran­zis­kus in Pri­vat­au­di­enz emp­fan­gen. „Wir haben mit ihm über die erbärm­li­chen Bedin­gun­gen gespro­chen, unter denen der weit­aus größ­te Teil der Kuba­ner lebt. Wir haben für die pil­gern­de Kir­che auf Kuba gespro­chen, der wir ange­hö­ren und die wir innig lie­ben. Wir haben auch über das Atten­tat vom 22. Juli 2012 auf das Auto mei­nes Man­nes gespro­chen, das von Agen­ten der Segu­ri­dad ver­übt wur­de. Beim Atten­tat kamen mein Mann, Oswal­do Payá, und der jun­ge Harold Cepe­ro [Vor­sit­zen­der der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der Christ­li­chen Befrei­ungs­be­we­gung] ums Leben. Wir haben dem Papst gesagt, daß wir eine unab­hän­gi­ge Unter­su­chung for­dern, um den genau­en Her­gang zu klä­ren. Ich den­ke, daß Papst Fran­zis­kus die wirk­li­che Lage kennt, in der die Kuba­ner leben. Er ist gut infor­miert und bezog sich in ver­schie­de­nen Momen­ten auf die Lei­den des kuba­ni­schen Volkes.“

„Wenn der Papst es will, kann er kubanische Dissidenten treffen“

Soll­te der Papst es wol­len, „wird er kuba­ni­sche Dis­si­den­ten tref­fen können“.

Seit eini­ger Zeit wird das Ver­hal­ten von Erz­bi­schof Jai­me Kar­di­nal Orte­ga y Ala­mi­no von Havan­na gegen­über den Dis­si­den­ten kri­ti­siert, nicht nur durch die katho­li­sche Oppo­si­ti­on. Am ver­gan­ge­nen 5. Juni gab Kar­di­nal Orte­ga, der ein­mal ein zen­tra­ler Ansprech­part­ner für Oswal­do Payá war, der spa­ni­schen Cade­na Ser ein Inter­view, in dem er sogar die Exi­stenz von poli­ti­schen Gefan­ge­nen auf Kuba in Abre­de stellte.

„Lei­der hat Kar­di­nal Orte­ga bei ver­schie­de­nen Anläs­sen gegen­über den Dis­si­den­ten, nicht nur den katho­li­schen, ein Ver­hal­ten an den Tag gelegt, das jenem der Staats­si­cher­heit ent­spricht: aus­gren­zen und beleidigen.“

Rus­co­ni frag­te die Wit­we, was ihr Mann, Oswal­do Payá, wäre er noch am Leben, dem Papst sagen wür­de. „Mein Mann hät­te kaum die Gele­gen­heit gehabt, wäh­rend des Besuchs in die Nähe des Pap­stes zu gelan­gen. Bei den bei­den vor­he­ri­gen Papst-Besu­chen hat­te er die kirch­li­che Obrig­keit ersucht, Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. tref­fen zu dür­fen, doch es war nicht mög­lich. Wir neh­men an, daß die kuba­ni­sche Regie­rung eine sol­che Begeg­nung nie akzep­tiert hät­te. Ich bin mir aber sicher, wenn Oswal­do mit dem Papst spre­chen hät­te kön­nen, hät­te er ihn um nichts gebe­ten, son­dern gesagt: ‚Ich möch­te Ihr Wort mit einem offe­nen Her­zen und vol­ler Hoff­nung hören‘.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana

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1 Kommentar

  1. Man muss nicht alles glau­ben, was Medi­en so berich­ten. Aber wenn die Wit­we Ofe­lia Acevedo
    berich­tet, dass ihr Mann bei einem myste­riö­sen Auto­un­fall um das Leben gekom­men ist, dann
    ist das ein Zeit­zeug­nis dem unbe­dingt zu glau­ben ist. Es ist bekannt, dass es in Kuba kei­ne Re-
    ligi­ons­frei­heit gibt. Es ist genau so bekannt, das katho­li­sche Wür­den­trä­ger in der Vergangenheit
    bis heu­te, gera­de in Kuba, sich mit den herr­schen­den Regie­run­gen arran­gie­ren. Zum Wohl der
    Kir­che heißt es, um wenig­sten einen klei­nen Spiel­raum zu bekom­men. Aber wenn Bischö­fe sich
    gegen Dis­si­den­ten stel­len und poli­ti­sche Gefan­ge­ne als sol­che unter­schla­gen, so ist das sehr
    bedenk­lich und schäd­lich für die Kir­che. Dem Papst sei das alles bekannt und wir wis­sen nicht,
    was er mit dem Erz­bi­schof und dem Epi­sko­pat bespro­chen hat und mit Castro aus­ge­tauscht hat.
    Aber wir wis­sen, dass sich bezüg­lich Reli­gi­ons­frei­heit und der poli­ti­scher Gefan­ge­nen, nichts
    erkenn­ba­res getan hat.

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