(Stuttgart) Ein katholischer Pfarrer ist seines Priestertums überdrüssig. Ihm dafür Applaus zu zollen, ist ein nicht geringeres Ärgernis.
Sein Name tut nichts zur Sache. Wer ihn wissen will, findet ihn schnell. Während der Heiligen Messe gab er am vergangenen Sonntag „emotional“ bekannt, „verliebt zu sein“, so die Tageszeitung Die Welt. Er wollte damit wohl sagen, seine ohnehin nie getragene Soutane in die Nesseln werfen und heiraten zu wollen. Die Massenmedien erhielten gleich passend das Photo zur „neuen Liebe“ des Pfarrers mitgeliefert. Das konnte ganz Deutschland schon am Montag in den Zeitungen bestaunen. Es geht eben nichts über Selbstinszenierung. Anstand und Redlichkeit haben nicht gerade Hochkonjunktur.
Dafür muß sich der nunmehr ehemalige Pfarrer verantworten, vor sich selbst, vor der Kirche und vor Gott. Hier stehen Weihe- und Ehesakrament im ganz konkreten Widerstreit, was nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte.
Noch weniger sollte dafür selbstverständlich angenommen werden, daß die Liebe zweier Menschen zueinander Vorrang hätte. Immerhin erklärte der Pfarrer öffentlich: „Ich fühle mich erleichtert und froh, dass ich nun offen und ehrlich zu meinen Gefühlen und zu der Frau, die ich liebe, stehen kann“. Worte, die sich mit Blick auf das eben abgestreifte Weihesakrament auch anders lesen lassen. Ein Priester, der „erleichtert und froh“ ist, einen Akt der Untreue zu setzen?
Diese Kehrseite seines „Verliebtseins“ wird in den großen Medien nicht thematisiert, denn „Love is Love“ und Gott spielt ohnehin keine Rolle. Die offiziellen katholischen Medien schweigen sich zur Sache aus und überlassen damit die Gläubigen der weltlichen Deutungshoheit – und natürlich jener eigennützigen des gewesenen Pfarrers. Erschreckend ist, daß die verbreitete Annahme herrscht, ein für eine Frau abspringender Priester, habe geradezu einen Anspruch auf Applaus. Eine latent kirchenfeindliche Position, die öffentliche Reaktionen durch die Diözesanleitungen erwarten ließe. Doch nichts dergleichen.
Ein Priester, der seiner Berufung untreu wird, ist objektiv ein Ärgernis, ganz unabhängig davon, wie die Welt darüber denkt, weshalb die Kirche aus gutem Grund und im Interesse aller, solche Fälle schon immer diskret behandelte. Ein öffentliches Ärgernis wird der Untreue, wenn er sich seiner Tat auch noch rühmt. Daß er die Mißachtung des Weihesakraments im Zusammenhang mit einer Heiligen Messe bekanntgab, hat etwas Sakrilegisches an sich und läßt in mehrerlei Hinsicht am Sakramentenverständnis dieses Priesters zweifeln. Die kolloquiale Grundausrichtung des „Neuen Ritus“ begünstigt einen solchen Mißbrauch.
Pfarrer mit zweifelhaftem Sakramentenverständnis – Gläubige als Glaubensanalphabeten
Und noch etwas: „Laut Medienberichten herrschte erst Stille, auf die ein langanhaltender Applaus folgte“, berichtete die Tageszeitung Die Welt. Die Gläubigen quittieren die Bekanntgabe ihres Pfarrers, seine Herde im Stich zu lassen und seine Berufung hinzuwerfen mit „langanhaltendem Applaus“? Der gewesene Pfarrer muß sich offensichtlich auch dafür verantworten, die Unterweisung seiner ihm anvertrauten Herde sträflich vernachlässigt zu haben. Die defizitäre Katechese und Erziehung der Gläubigen wird man freilich nicht ihm allein anlasten können. Er übernahm die Pfarrei erst 2012. Das Phänomen ist älter. Der Applaus zeigt auf tragische Weise, daß der untreue Priester zumindest den lautstärkeren Teil seiner Pfarrgemeinde als Glaubensanalphabeten hinterläßt, die sich vom Laissez faire der Welt draußen nicht unterscheiden.
In diesem Punkt liegt die Verantwortung allerdings in erster Linie bei den Bischöfen und der Ausbildung in den Priesterseminaren und an den katholischen Theologischen Fakultäten. Konkret geht es um die Diözese Augsburg. Zum Priester geweiht wurde der Pfarrer 1996 von Bischof Josef Dammertz. Unter anderem wirkte er dann auch an der Gebetsstätte Marienfried.
Die Abkehr vom Priestertum muß, wie gesagt, der gewesene Pfarrer verantworten. Ihm dafür zu applaudieren, ist allerdings kein geringeres Ärgernis. Die mediale Inszenierung und der Applaus werden zum größeren Schaden für die ganze Kirche. Sie werden durch eine einseitige Sichtweise und Darstellung zur Kritik und Anklage gegen den Priesterzölibat und damit gegen die katholische Kirche.
Das Beispiel stellt damit nur eine Facette in einem fortschreitenden Niedergang des Priesterstandes dar, der nicht nur von der Welt bekämpft wird, sondern weit maßgeblicher von kirchlichen Entscheidungsträgern gefördert wird, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Mit anderen Worten: Viele arbeiten am Niedergang des Priesterstandes mit.
Wann werden die Bischöfe damit beginnen, den Kahlschlag des Priestertums zu beenden, das Priestertum wieder zu stärken, dessen sakralen Charakter zu betonen, dessen Würde hervorzuheben und damit auch die Priester zu schützen?
Das Beispiel zeigt: Gott ist nicht der große Abwesende, sondern der große Vergessene.
Text: Andreas Becker
Bild: Die Welt (Screenshot)