Kaspers Synode, die Entweltlichung und die römischen Legionen im freien Germanien


Kardinal Kasper
Wal­ter Kar­di­nal Kasper

(Ber­lin) Eine immer­glei­che Melo­die ist von der deut­schen Kir­che zu hören, ein Lied, das ziem­lich wenig mit jener Musik zu tun hat, von der Bene­dikt XVI. jüngst bei der Ent­ge­gen­nah­me der Ehren­dok­tor­wür­de der Musik­aka­de­mie Kra­kau gespro­chen hat. Sie wird als barm­her­zi­ger Weg aus­ge­ge­ben, den die deut­sche Kir­che angeb­lich gehen wol­le. In Wirk­lich­keit ist es nur ein Zurück­wei­chen vom Weg, ein Ver­zicht dar­auf, der Sau­er­teig zu sein, der die Welt ver­än­dert. Die Refor­men, die von deut­schen Hir­ten gefor­dert wer­den, sol­len die Hür­den ver­rin­gern, es leich­ter, ange­neh­mer und beque­mer machen. Die Hir­ten for­dern im Namen ihrer Scha­fe, doch allent­hal­ben blitzt eine Por­ti­on Eigen­nüt­zig­keit hervor.

Anzei­ge

Kar­di­nal Wal­ter Kas­per lie­fer­te in sei­nem jüng­sten Auf­satz für die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on, ver­öf­fent­licht in der Jesui­ten­zeit­schrift Stim­men der Zeit, ein bered­tes Bei­spiel für die­se Melo­die, die sich mit der Regel­mä­ßig­keit eines Sprun­ges in der Plat­te wiederholt.

Der­sel­be Kar­di­nal war am ver­gan­ge­nen Sonn­tag Gast bei Radio Horeb, dem größ­ten katho­li­schen Radio­sen­der im deut­schen Sprach­raum. Kas­per so knapp vor der Bischofs­syn­ode ein­zu­la­den, war zumin­dest gewagt. Der Kar­di­nal redu­zier­te die Sen­dung, die nor­ma­ler live und mit Hörer­an­ru­fen gesen­det wird, auf einen vor­ab auf­ge­zeich­ne­ten Vor­trag. Auf sei­nen umstrit­te­nen Vor­schlag zu den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen ging er nicht spe­zi­fisch ein. Den Fra­gen der Hörer ent­zog sich der Kar­di­nal zur Gän­ze. Er hät­te viel­leicht eini­ges zu hören bekommen.

Semo tutti amici?

Der Sen­der ver­sucht einen Spa­gat zwi­schen katho­li­scher Recht­gläu­big­keit und freund­li­chen Gesten in Rich­tung Deut­sche Bischofs­kon­fe­renz, wo bekannt­lich die gro­ße Mehr­heit kas­pe­ria­nisch gesinnt und deren Vor­sit­zen­der sogar kas­pe­ria­ni­scher als Kas­per selbst auf­tritt, geht es dem Radio doch wie den römi­schen Legio­nen mit­ten im frei­en Ger­ma­ni­en. Freund­li­che Gesten erhö­hen die Über­le­bens­chan­cen. Ob der Kas­per-Vor­trag in der aktu­el­len Dis­kus­si­on zur Unter­schei­dung der Gei­ster bei­getra­gen hat, darf zumin­dest bezwei­felt wer­den. Das geflü­gel­te Wort der Römer „Semo tut­ti amici“ (Wir sind alle Freun­de) klingt zwar sym­pa­thisch, hat sich aber sel­ten bewährt.

Ein von Kar­di­nal Kas­per – wenn auch nicht bei Radio Horeb – genann­ter Beweg­grund für sei­nen Syn­oden­vor­schlag ist, daß der Ver­gleich der Ehe zwi­schen Mann und Frau mit dem Geheim­nis der Bezie­hung zwi­schen Chri­stus und der Kir­che zu schwie­rig sei. Die­ses Geheim­nis kön­ne, so der Kar­di­nal, in die­sem Leben gar nicht voll­kom­men umge­setzt wer­den, son­dern nur frag­men­ta­risch. Der Refrain lau­tet: Das Ide­al der Ehe sei groß­ar­tig, aber nicht für alle erreich­bar, wes­halb man „gang­ba­re“ Wege suchen müs­se. Ein Echo die­ses Refrains ist der Zusatz, daß letzt­lich in jeder Bezie­hung zwi­schen zwei Men­schen (all inclu­si­ve, auch homo­se­xu­el­le Bezie

hun­gen) „frag­men­ta­risch“ das Ide­al gege­ben sei und die­ses Frag­ment aner­kannt wer­den müs­se: im Namen der Barm­her­zig­keit. Denn schließ­lich kön­ne ja kein Mensch etwas dafür, wenn er das gera­de­zu „unmensch­lich“ hoch­ge­steck­te Ide­al nicht errei­che. Es liegt ja letzt­lich nicht an ihm, son­dern an den zu hohen Ansprü­chen. Doch wer stellt die­se uner­reich­ba­ren Ansprü­che? Gott wird nicht genannt, womit es sich also ein­mal mehr um „struk­tu­rel­le“ Pro­ble­me han­delt, an denen man aus­gie­big her­um­dok­tern kann.

Schräge Melodien

Ein Bei­spiel für die­se immer­glei­che Melo­die, die nicht erhebt, son­dern abbaut, lie­fer­te vor weni­gen Tagen kein gerin­ge­rer als Papst Fran­zis­kus selbst. Nach sei­ner Pre­digt in Ecua­dor schrie­ben fast alle gro­ßen und auch vie­le katho­li­sche Medi­en der Papst habe die Gläu­bi­gen auf­ge­for­dert für die bevor­ste­hen­de Bischofs­syn­ode zu beten, auf daß bestimm­te Situa­tio­nen (Homo-Paa­re, wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne) von der Kir­che aner­kannt wer­den kön­nen. Noch am sel­ben Abend demen­tier­te Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ und lie­fer­te die offi­zi­el­le Inter­pre­ta­ti­on der Papst­wor­te: Fran­zis­kus habe sei­ne Hoff­nung zum Aus­druck brin­gen wol­len, daß die­se Syn­ode den Men­schen dabei hilft, von einem Zustand der Sün­de zum Stand der Gna­de zu gelan­gen. Das aller­dings ist eine gan­ze ande­re Musik, die selbst die Wohl­mei­nend­sten nicht aus den Wor­ten des Pap­stes her­aus­ge­hört hat­ten. Der begrün­de­te Ver­dacht, daß hin­ter Kar­di­nal Kas­pers schrä­ger Melo­die von der „neu­en Barm­her­zig­keit“ Papst Fran­zis­kus selbst steht, steht nach wie vor im Raum.

„Mißverhältnis zwischen institutionellem Panzer und geistiger Kraft“

Kardinal Brandmüller und Radio Horeb
Kar­di­nal Brand­mül­ler  und das Logo von Radio Horeb

Schrä­ge Töne in der deut­schen Kir­che hat nicht erst Kar­di­nal Kas­per ange­stimmt, sie haben auch nicht erst mit der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie ein­ge­setzt. Kas­per hat ledig­lich die Laut­stär­ke erhöht. Das alle­mal mit päpst­li­cher Zustim­mung. Ein ande­rer deut­scher Kar­di­nal, Wal­ter Brand­mül­ler, hat es jüngst in der Rhei­ni­schen Post deut­lich gesagt. Bereits 1994 hat­te der dama­li­ge Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger in der­sel­ben Zei­tung von einem „Miß­ver­hält­nis zwi­schen insti­tu­tio­nel­lem Pan­zer und gei­sti­ger Kraft“ in der Kir­che in Deutsch­land gespro­chen. „Die Kir­chen­steu­er­quel­le spru­delt, aber die Wucht der eigent­li­chen Sen­dung erlahmt, oder sie zer­schellt an einer Mau­er aus Gleich­gül­tig­keit von Halb‑, Vier­tel- oder gar nicht mehr Gläu­bi­gen“, schrieb dazu Rein­hard Michels, Redak­teur der Rhei­ni­schen Post in die­sem Frühjahr.

Kar­di­nal Brand­mül­ler bekräf­tig­te, daß die Ana­ly­se Ratz­in­gers von 1994 heu­te noch mehr als 1994 gilt: „Was Kar­di­nal Ratz­in­ger gesagt hat, ist heu­te noch wah­rer, als es 1994 war. Was hilft mir ein „katho­li­scher“ Kin­der­gar­ten, wenn dort vom Weih­nachts­mann, vom Oster­ha­sen etc. die Rede ist statt von Jesus Chri­stus? Was hilft ein ‚katho­li­sches‘ Kran­ken­haus, wenn dort kein Prie­ster hin­kommt, kei­ne Schwe­ster mit den Kran­ken betet und Ope­ra­tio­nen durch­ge­führt wer­den, die im Wider­spruch zum christ­li­chen Sit­ten­ge­setz ste­hen? Es wäre in der Tat bes­ser, ja eigent­lich not­wen­dig, dass sich die Kir­che von sol­chem Bal­last trenn­te, wenn es nicht mög­lich ist, die lee­ren Gefä­ße mit christ­li­chem Geist zu füllen.“

Kardinal Brandmüllers Finger in der Wunde

Ein Vor­spiel Brand­mül­lers, um den Fin­ger in die eigent­li­che Wun­de zu legen, eine Wun­de, von der offi­zi­ell nie­mand spricht, obwohl das Schlag­wort von der „armen Kir­che für die Armen“ von Papst Fran­zis­kus begei­stert zitiert wird. „Es ist absurd:“, so Kar­di­nal Brand­mül­ler, „Die Kir­chen lee­ren sich, und die Kas­sen fül­len sich. Erhal­ten wird ein sich selbst genü­gen­der teu­rer Appa­rat, der mit sei­nem Klap­pern die Stim­me des Evan­ge­li­ums übertönt.“

Der deut­sche Kar­di­nal mach­te kei­ne Anlei­he bei Papst Fran­zis­kus, son­dern bei des­sen Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. Die­ser war es, der mit sei­ner Rede im Frei­bur­ger Kon­zert­haus den Sta­chel in das Fleisch der deut­schen Kir­che ramm­te. Um so begei­ster­ter applau­dier­te die­se deut­sche Kir­che, als der deut­sche Papst sei­nen Amts­ver­zicht bekannt­gab. Kar­di­nal Brand­mül­ler wört­lich: „Hier ist in der Tat ‚Ent­welt­li­chung‘ ange­sagt, das heißt: ein Den­ken, das nicht irdisch-öko­no­mi­schen Prin­zi­pi­en folgt, son­dern der Wahr­heit des Glau­bens. Wir soll­ten end­lich, statt ein ‚Chri­sten­tum light‘ zu pre­di­gen, den Mut auf­brin­gen, ein Kon­trast­pro­gramm zum gesell­schaft­li­chen Main­stream von heu­te zu for­dern und vor­zu­le­ben, was die Zehn Gebo­te und die Ethik des Neu­en Testa­ments zum Inhalt haben. Die­ses Kon­trast­pro­gramm zur mor­bi­den Welt der Anti­ke war damals ein Erfolgs­pro­gramm. Es wür­de auch heu­te wie­der sei­ne Anzie­hungs­kraft erweisen.“

Bekenntnis und echte Brüderlichkeit statt Distanzitis

Wir spre­chen immer­hin von rund fünf Mil­li­ar­den Euro Kir­chen­steu­er jähr­lich. Sie ver­füh­ren und ermög­li­chen fal­sche Refor­men. Dem stell­te Bene­dikt XVI. und stellt Kar­di­nal Brand­mül­ler die Auf­for­de­rung zu einer ech­ten Reform, einer Erneue­rung im Glau­ben ent­ge­gen, die imstan­de ist, sich gegen den sozio­kul­tu­rel­len Main­stream zu stel­len und auf die Ver­wand­lung der Her­zen, nicht der Struk­tu­ren abzielt. „Der gute Hir­te darf sich nicht vor den Wöl­fen fürch­ten“, so Kar­di­nal Brand­mül­ler an die deut­schen Bischö­fe gerich­tet. Und noch eine Mah­nung schrieb der Kar­di­nal den deut­schen Hir­ten ins Stamm­buch: „Das ande­re ist, dass die Übri­gen den, auf den sich die Meu­te stürzt, nicht im Stich las­sen dür­fen in der illu­so­ri­schen Hoff­nung, selbst ver­schont zu blei­ben.“ Statt Distan­zi­tis ech­te Brüderlichkeit.

In die­sem Sin­ne darf man die Erwar­tung hegen, daß dem­nächst so intel­lek­tu­ell red­li­che, wie ange­sichts des Kli­mas in Deutsch­land cou­ra­gier­te Ver­fech­ter des Ehe­sa­kra­ments wie Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler oder Bischof Atha­na­si­us Schnei­der von Radio Horeb ein­ge­la­den wer­de. Nicht nur der aus­glei­chen­den Gerech­tig­keit wegen.

Auch die römi­schen Legio­nen in Deutsch­land müs­sen gewis­se Rück­sich­ten auf die deut­schen Bischö­fe neh­men. Im Gegen­satz zu den Bischö­fen und ihrem „insti­tu­tio­nel­len Pan­zer“ müs­sen Radio Horeb und die ande­ren römi­schen Legio­nen im frei­en Ger­ma­ni­en aber die Ent­welt­li­chung nicht fürch­ten. Ein gro­ßer Vor­teil, wie sich schon bald zei­gen wird und des­sen man sich bewußt sein sollte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Ipco/​Wikicommons

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