(Warschau) Seit bald 250 Jahren wird versucht, den Glauben aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Er wird als private Ausdrucksform geduldet, nicht aber als öffentliches Bekenntnis. Umso mehr erst stört das öffentliche Bekenntnis eines Staatsmannes. Polens neuer, am Pfingstsonntag gewählter Staatspräsident Andrzej Duda wird von der internationalen Presse bereits mit Negativschlagzeilen überschüttet, noch bevor er sein Amt angetreten hat.
La Repubblica, das „Leibblatt“ von Papst Franziskus, die einzige Tageszeitung, die das katholische Kirchenoberhaupt jeden Morgen liest, bezeichnete die Wahl des Katholiken Duda als „einen schrecklichen Schock“, das „polnische Dossier fügt sich zu den anderen Alpträumen Europas“.
Andrzej Duda ist wirklich praktizierender Katholik. Kaum gewählt, begab er sich nach Tschenstochau„ dem polnischen Nationalheiligtum, um vor aller Augen kniend die Schwarze Madonna, die Königin Polens um Fürbitte und Beistand in seinem verantwortungsvollen Amt zu bitten.
Obama und die Ambivalenz kalkulierter Politiker-Frömmigkeit
Wenn Politiker fromme Gesten setzten, liegt dem manchmal politisches Kalkül oder Provokation zugrunde. Christen wissen um diese Ambivalenz, die jenen Kräften in die Arme spielt, die das Christentum in das private Kämmerlein verbannen wollen.
Ziemlich peinlich berühren Bilder von US-Präsident Barack Obama, von dem man nicht einmal weiß, welcher christlichen Denomination er angehört oder ob er überhaupt einer angehört. Am 28. Mai besuchte er vor dem Hintergrund der Annäherung zwischen Kuba und den USA die in den Vereinigten Staaten starke Gemeinde der Exilkubaner. Nicht alle von ihnen sehen die Wiederaufnahme normaler Beziehungen mit wohlwollendem Auge, solange die Castro-Brüder und die Kommunistische Partei auf Kuba das Sagen haben.
Obama besuchte bei dieser Gelegenheit demonstrativ die katholische Kirche Our Lady of Charity in Miami (Florida), die „Nationalkirche“ der Exilkubaner, und entzündete unter den Augen einer Mariendarstellung eine Kerze. Das kann ja nie schaden, mag sich der mächtige Herr im Weißen Haus gedacht haben. Glaubwürdig wirkt die fromme Geste kaum.
Österreichs Katholiken bekamen vom christdemokratischen Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter von der ÖVP ein Wechselbad der Gefühle verabreicht. Bei seiner Angelobung sprach er, im Gegensatz zu den sozialdemokratischen Ministerkollegen, nicht nur die Formel „so wahr mir Gott helfe“, sondern fügte eigenständig „und vor dem heiligen Herzen Jesu Christi“ hinzu. Ungläubige wie gläubige Österreicher staunten nicht wenig. Sollte es doch noch Politiker geben, die ihren Glauben nicht an der Garderobe zum Sitzungssaal von Parlament und Regierung ablegen und sich auch in den politischen Entscheidungen ihrem Glauben verpflichtet fühlen?
Keine vier Monate später ließ derselbe Christdemokrat erneut aufhorchen, diesmal allerdings mit ziemlich unchristlichen Forderungen nach Legalisierung der Homo-Ehe und der Möglichkeit, daß Homosexuelle Kinder adoptieren können. Schließlich stellte sich heraus, daß der Minister mit schwarzem Parteibuch in jüngeren Jahren überzeugter Trotzkist war. Ob die Frömmelei bei der Vereidigung ein einmaliger Ausrutscher oder eine verspätete antichristliche trotzkistische Provokation war, bleibt ein Geheimnis des Ministers.
Die ersten drei Handlungen des neuen polnischen Staatspräsidenten
Andrzej Duda ist nicht Obama. Der Vertreter des christlichen Polens setzte gleich nach seiner Wahl „aus Überzeugung“ (Tempi) drei Handlungen.
Er stieg auf den Jasna Gora, den Klarenberg, um der Gottesmutter von Tschenstochau für den Sieg zu danken und ihr sein Mandat anzuvertrauen.
Er besuchte das Grab von Witold Pilecki, der freiwillig ins KZ Auschwitz ging, um unter den Gefangenen den Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu organisieren. Nach dem Krieg wurde er von einem kommunistischen Volksgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Er besuchte das Grab von Lech Kaczynski, dem 2010 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen polnischen Staatspräsidenten, mit dem er seine politische Karriere begonnen hatte und der heute in Polen als Symbolfigur für ein eigenständiges Polen steht, das sich von der russischen Bevormundung befreit hat, aber ebenso wenig von der EU mit einer antichristlichen Agenda bevormundet werden oder ein Spielball schrankenloser Finanzspekulanten sein will.
Staatspräsident Duda betonte im Wahlkampf „die Besonderheit Polens, seiner Traditionen und seiner christliche Wurzeln“, die für ihn „unerlässlich“ sind für eine Erholung und einen Wiederaufstieg Polens.
Was bestimmte, außerhalb Polens tonangebende Kreise vom neuen polnischen Staatsoberhaupt halten, ist inzwischen hinlänglich durch die Medien bekannt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/CNS