(Berlin) Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) prüft, ob ein Artikel von Katholisches.info auf den Index jugendgefährdender Medien gesetzt werden soll. Grund ist die Veröffentlichung eines Videos am 11. April 2014 am Ende des Artikels „Brutaler Dschihad – Hinrichtung von Christen durch Islamisten (Video)“.
Der Artikel beklagt die Verfolgung und Ermordung von Christen und anderer Menschen durch islamistische Kampfverbände in Syrien. Eine Verfolgung, „die Züge eines Genozids“ hat, wie die Delegation des Vatikans am 18. Mai 2015 bei der OSZE-Tagung „Conference on Enhancing Efforts to Prevent and Combat Intolerance and Discrimination against Christians, Focusing on Hate Crimes, Exclusion, Marginalization and Denial of Rights“in Wien feststellte.
Eine mörderische Verfolgung, die Europas Mainstream auf beklemmende Weise kalt läßt. Mit bitterer Ironie gesagt: Statt etwas gegen das Morden zu unternehmen, befassen sich bundesdeutsche Behörden damit, wie das Zeigen von Bildern vom Morden unterbunden werden kann.
Indizierungsantrag und Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz
Der Antrag auf Einleitung eines Indizierungsverfahrens gemäß Paragraph 18, Absatz 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) von 2003 wurde am 14. April 2015 vom Jugendamt des Kreises Paderborn nach einem „Hinweis aus der Öffentlichkeit“ gestellt.
Die standardisierte Begründung des Jugendsamtes lautet:
„In dem Angebot ist ein Video abrufbar, das die Hinrichtung von Menschen mittels Kopfschuss in Nahaufnahme zeigt. Der Inhalt ist damit geeignet, in erheblichem Maße verrohrend auf Kinder und Jugendliche zu wirken. Das Video unverpixelt und in voller Länge zu zeigen, überschreitet die Grenzen der Meinungs- und Informationsfreiheit.“
Die Bundesprüfstelle holte die Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten ein. Die Kommission teilte mit 26. Mai 2015 der Bundesprüfstelle mit, der Artikel „Brutaler Dschihad – Hinrichtung von Christen durch Islamisten (Video)“ „ist nach Auffassung der KJM gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen, da er geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Das Angebot ist mindestens als jugendgefährdend einzustufen“ (die vollständige Stellungnahme der KJM).
Paragraph 18, Absatz 1 meint, laut Wikipedia, Medien, die „unsittlich sind, verrohend wirken, oder zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen“.
Weder kann Katholisches.info als solches Medium definiert werden, noch beabsichtigt der beanstandete Artikel etwas dergleichen, weder zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch heute. Ganz im Gegenteil. Er beklagt ausdrücklich ein Gewaltverbrechen und nennt dabei Roß und Reiter. Der Beitrag benennt Opfer (Christen) und Täter (islamistische Al-Nusra-Brigade). Eine brutale Realität, die in ihrer Dramatik in unseren Breiten zu wenig wahrgenommen wird, obwohl auch die Bundesrepublik Deutschland durch täglich zu Hunderten eintreffende Flüchtlinge, von denen es heißt, sie kommen unter anderem aus Syrien, direkt von den Auswirkungen betroffen ist.
Wir wollen weder der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, trotz ihres beispiellosen und umstrittenen Charakters in einer westlichen Demokratie, ihre Existenzberechtigung absprechen noch die Berechtigung der Frage in Abrede stellen, wie grausame Bilder auf sensiblere Menschen wirken können. Dem wurde bereits im 2014 veröffentlichten Artikel gleich mehrfach Rechnung getragen. Wir wollen auch nicht unterstellen, daß durch die Verbotsdrohung eine Meinungsmanipulation beabsichtigt ist, die – aufgrund der Macht von Bildern – zumindest denkbar wäre. Ebensowenig, daß eine manchen unliebsame Stimme durch Maßregelung zum Schweigen gebracht werden soll.
Indizierungsverfahren haftet Irreales an
Dem Indizierungsverfahren haftet aber zumindest etwas Irreales an. Auf dem Behördenweg wird ein abstrakter Begründungsstrang gewoben, als handle es sich bei der Verfolgung und brutalen Ermordung von Christen und anderer Menschen in Syrien um etwas Fiktives, als würde man über einen mehr oder weniger gelungenen Spielfilm oder einen Fotoroman „zu Gericht“ sitzen. Darum handelt es sich nämlich, da die Bundesprüfstelle strafbewehrte Verbote aussprechen kann.
Der im April 2014 von Katholisches.info veröffentlichte Artikel beginnt mit den Worten:
(Damaskus) Wenn Bilder die ganze Brutalität von Krieg und Bürgerkrieg zeigen, vor allem aber die Brutalität des Dschihad der Islamisten. Syrien ist einer der verschiedenen Schauplätze, an denen sich die häßliche und brandgefährliche Seite des Islam zeigt. Nach einigem Zögern veröffentlicht Katholisches.info zwei Videos, die diese Schrecken des syrischen Bürgerkrieges, besonders aber des Islamismus zeigen. Die Redaktion warnt sensiblere Leser ausdrücklich davor, sich das zweite Video anzuschauen.
Zum beanstandeten zweiten Video mit der Dauer von einer Minute und 13 Sekunden heißt es im Artikel:
Das zweite Video zeigt, laut Asagraphic die Hinrichtung christlicher Soldaten der Syrischen Armee, die im Al-Kindi-Hospital von den Rebellen gefangengenommen wurden. Die Hinrichtung wurde von Angehörigen der Al-Nusra-Front exekutiert und gefilmt. Die Videoaufnahme, die von Al-Nusra verbreitet wird, zeigt eine Hinrichtungsorgie.
Gelenkt wird die Al-Nusra-Front über Al-Qaida. Die Financiers und Waffenlieferanten sind jedoch sunnitische Golfmonarchien. Von ihnen wird die Militärhilfe der USA und anderer westlicher Staaten islamistischen, sunnitischen Milizen zugeleitet. Die Dschihadisten wurden für den Bürgerkrieg daher auch mit westlichen Waffen und westlichem Geld aufgerüstet, um nach Möglichkeit ohne direkte westliche Militärintervention den Sturz der als nicht pro-westlich eingestuften syrischen Regierung von Baschar al-Assad herbeizuführen. Die sunnitischen Golfmonarchien, vor allem Katar und Saudi-Arabien erhoffen sich eine Schwächung ihrer innerislamischen Gegenspieler, der Schiiten, die Druck auf die Golfsstaaten ausüben, wo es zum Teil beträchtliche schiitische Bevölkerungsgruppen gibt.
Die Auswirkungen für Syrien und vor allem für die fast zehn Prozent Christen des Landes sind katastrophal. Allein in Jordanien leben derzeit eine Million syrische Flüchtlinge in armseligen Zeltstädten des UN-Flüchtlingshilfswerks. Die Redaktion macht noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam, daß sensiblen Personen abgeraten wird, sich das zweite Video anzuschauen.
Sind Jugendamt und KJM besorgt, daß Moslems in Deutschland „angeheizt“ werden könnten?
Dazu heißt es in der Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in einer Sprache, die unwirklich und distanziert anmutet, so als ginge es um die Beurteilung, ob bei irgendeinem kommerziellen Spiel- oder Fernsehfilm in der Darstellung der Handlung überzogen wurde:
„Es handelt sich offenbar um ein Propaganda-Video – dementsprechend wird die Darbietung des Gezeigten als realistisches und grausames Spektakel inszeniert, welches das Leiden von Menschen respektlos abbildet. Existierende Gewalttabus werden in dem Video auf reißerische Art und Weise gebrochen.“
Die KJM geht mit keinem Wort darauf ein, daß es die Täter sind, die ihre Taten filmen und veröffentlichen. Es gibt keinen Regisseur und keinen Drehbuchautor, die Schauspielern und Komparsen Anweisungen erteilen. Es handelt sich um bitteren, brutalen und vor allem blutigen Ernst.
Oder sieht das Jugendamt Paderborn und die KJM vielleicht eine Gefahr, daß junge Moslems in Deutschland vom Video „angeheizt“ werden könnten, sich dem Dschihad des Islamischen Staates (IS) oder der Al-Nusra-Front anzuschließen? Daß sich jemand an der Verfolgung, Unterdrückung und Ermordung von Christen freut, dieser Verdacht ist uns nämlich bereits gekommen, weil manche Artikel wie der beanstandete, oder solche über die Unterdrückung christlicher und anderer nicht-moslemischer Frauen durch Moslems als Sexsklavinnen, auffallend viele „gefällt mir“ über Facebook erhielten. Wenn ja, dann sollten die Behörden die Dinge, und damit die realen Gefahren beim Namen nennen und sich nicht hinter dem „Schutz“ von Kindern und Jugendlichen verschanzen.
Grüße aus Germany: Mordet bitte mit Empathie?
Im Weiteren bekommt die KJM-Stellungnahme geradezu eine skurrile Schlagseite:
Zudem ist zu befürchten, dass diese Art der realen Gewaltpräsentation auf Kinder und Jugendliche sittlich verrohend wirken kann, da diese detailliert gezeigt wird und den Opfern von Täterseite keinerlei Empathie entgegengebracht wird.
Was will die KJM damit sagen? Würden die Dschihadisten der Al-Nusra-Front ihren Opfern zumindest ein bißchen „Empathie“ entgegenbringen, dann ginge die Ermordung für die KJM, rein bildtechnisch betrachtet, in Ordnung? Vielleicht sollte man die Stellungnahme der Kommission für Jugendmedienschutz der deutschen Landesmedienanstalten dem Islamischen Staat (IS) und der Al-Nusra-Front zukommen lassen: „Mit besten Grüße aus Germany: Mordet bitte mit Empathie“.
Auch der Hinweis: „Allgemein gültige gesellschaftliche Wertvorstellungen sowie wesentliche Erziehungsziele werden [durch das „realistisch und grausam inszenierte Spektakel“ der Ermordung von Christen] konterkariert“, wird die im Nahen Osten und anderen Teilen der Welt wütenden Dschihadisten wahrscheinlich sehr interessieren.
Abstrakter Diskurs wider reales Morden?
Die KJM rechtfertigt ihre Befürwortung der Indizierung mit den Worten:
„Denn um über die ‚Schrecken des syrischen Bürgerkrieges‘ und dessen Brutalität zu berichten, ist es nicht notwendig, diese derart explizit und ausgespielt zu zeigen.“
Mit Sicherheit gilt das in einem abstrakten Diskurs. Der Nachweis, daß Kinder die Nachrichtenseite Katholisches.info lesen und trotz zweifacher Mahnung zu eigenverantwortlichem Handeln durch dieses Video in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefährdet werden, wäre erst zu erbringen. Damit stellt sich aber die Frage: Kann und soll der nackten Realität überhaupt eine so abstrakte Frage entgegengestellt werden, geschweigedenn daß sie die Realität regelrecht verdrängen kann?
Bilder von Gewalt können nie zum Selbstzweck gezeigt werden. Sie müssen aber zur Information gezeigt werden können und vor allem zur Abschreckung. Der Konflikt mag fern scheinen, die täglich eintreffenden Flüchtlinge rücken ihn aber in „erreichbare“ Nähe. Vor allem geht es um einen Konflikt, der – laut Erklärungen der islamistischen Kampfmilizen – potentiell auch uns treffen kann, und zwar direkt. Eine Bedrohung, die weit realistischer scheint, als die Gefahr, daß Kinder oder Jugendliche potentiell durch ein von Katholisches.info veröffentlichtes Video in ihrer „Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ gehindert werden.
Brutaler Dschihad mit „Zügen eines Genozids“ – doch bitte erst nach 22.00 Uhr
Was im Nahen Osten geschieht, trägt „Züge eines Genozids“, der vor unseren Augen stattfindet. Auf grausamste Weise werden dabei unsere christlichen Brüder und Schwestern ermordet. Und wir beschäftigen uns angesichts dieser Fakten mit der Frage, wie dieses reale Leid nach pseudo-biedermeierlichen Maßstäben auf eine „Sendezeit nach 22.00 Uhr“ beschränkt werden kann? Haftet nicht schon dem bloßen Bestreben etwas Weltfremdes an, das Leid der Christen und der anderen, islamistisch Verfolgten im Nahen Osten, in Nordafrika oder auch in Nigeria in den abstrakten Diskurs der KJM oder des Jugendamtes im Kreis Paderborn zwängen zu wollen?
Die KJM-Stellungnahme endet mit der Feststellung: „Hinsichtlich der gewalthaltigen Darstellungen, die sterbende bzw. leidende Menschen präsentieren, ist diesem Fall festzustellen, dass die Belange des Jugendschutzes das Recht auf freie Meinungsäußerung überwiegen.“
Beanstandet wird nicht die Meinung von Katholisches.info. Dazu schreibt die KJM ausdrücklich: „Dem vorliegenden Artikel ist sein Informationscharakter nicht abzusprechen.“ Zur Frage des Grundrechts der freien Meinungsäußerung wird die Angelegenheit allerdings durch den Versuch, mittels Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Zensur auszuüben.
Deutschland von Islamisten-Krieg betroffen – Entscheidungsfindung ohne realistische Information?
Die Einschränkung der Informationsfreiheit in einem so zentralen Thema unserer Zeit stellt dagegen einen schwerwiegenden Eingriff dar. Schließlich ist die Bundesrepublik Deutschland auf mehrerlei Weise direkt vom grausamen Konflikt in Syrien und im Irak betroffen. Dabei geht es auch um die Frage der direkten oder indirekten Beteiligung Deutschlands an der Combined Joint Task Force – Operation Inherent Resolve (CJTF–OIR). Eine politische Entscheidung von weitreichenden Folgen, die von der Politik nur auf der Grundlage einer ausreichenden Information der Öffentlichkeit getroffen werden kann.
Oder ist die KJM der Meinung, eine unliebsame Realität könne auf dem Verwaltungsweg einfach „aus der Welt“ geschafft werden?
Indizierung mit praktischen Folgen und Stigmatisierung – Wie denken Sie darüber?
Die Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bedeutet eine generelle Einschränkung der Zugänglichkeit des Artikels. Die BPjM liefert den Index an Google und andere Suchmaschinen. Die Seite wird damit bei Suchvorgängen nicht mehr angezeigt. Das soll Kinder und Jugendliche schützen, macht den Artikel jedoch für alle „unsichtbar“, zumindest für jene, die die verbreitetsten Suchmaschinen benützen, also mehr als 95 Prozent aller Internetnutzer.
Zudem haftet einem Medium, das auf den Index der BPjM gesetzt wird, generell der Ruch der Stigmatisierung an.
Redaktion und Herausgeber haben noch nicht entschieden, wie sie sich für den Fall einer Indizierung verhalten werden. Wir können das Video jederzeit löschen. Die Frage ist aber: Soll es gelöscht werden? Wem nützt das? Ist das die angemessene Reaktion?
Wir möchten unsere Leser daher um ihre Meinung bitten: Wie denken Sie darüber?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: BPjM (Screenshot)