(London) Eine Mutter entdeckte, daß eine Firma ihr einfach ein Foto gestohlen hatte, um einen Pränataltest mit dem Slogan zu bewerben: „Laß nicht zu, daß das auch dir passiert“.
In Dänemark werden kaum mehr Kinder mit Down-Syndrom geboren. Sie werden durch standardisierte Tests vorgeburtlich aufgespürt und getötet. In Großbritannien ist die Zahl der abgetriebenen Kinder, die vom Down-Syndrom betroffen sein könnten, stark steigend. Grund dafür sind neue Bluttests, die seit wenigen Jahren auf dem Markt als „unerläßlich“ angepriesen werden, „um das ungeborene Kind nicht zu gefährden“. Welche Mutter möchte ihr Kind gefährden? Die perfide Werbung meint allerdings, ohne es offen zu sagen, daß nur gesunde Kinder würdig seien, geboren zu werden.
Wie die britische Gesundheitsbehörde bestätigte, steigt die Zahl der abgetriebenen Kinder, die vom Down-Syndrom oder anderen genetischen Mutationen betroffen sein könnten, schnell an. Der Konjunktiv ist zwingend, denn die angebotenen Tests können nur einen Verdacht feststellen. Die Folge ist, daß aus „Versehen“ auch völlig gesunde Kinder durch Abtreibung getötet werden, weil ein Test einen Verdacht anzeigte.
Abtreibung nach Pränataltest zunehmend
2011 entschieden sich 2.300 Frauen für die Tötung ihres ungeborenen Kindes wegen des Verdachts auf eine genetische Besonderheit, besonders das Down-Syndrom. 2014 wurden bereits 3.100 solche Tötungsfälle registriert. Das entspricht einer Zunahme von 34 Prozent.
Laut Experten ist der 500 Pfund teure Bluttest inzwischen viel beliebter als eine Fruchtwasseruntersuchung, weil ihn Frauen zu Hause selbst durchführen können. Der Test lockt, weil er weniger umständlich ist und der Eingriff geringer erscheint. Der Bluttest ist jedoch deutlicher weniger präzise und weist eine hohe diagnostische Fehlerquote auf.
Waren bereits Fruchtwasseruntersuchungen nicht hundertprozentig treffsicher, hat sich durch die Do-it-your-self-Bluttests die Wahrscheinlichkeit vervielfacht, daß gesunde Kinder wegen einer Fehldiagnose getötet werden.
Diese Test bieten drei Ergebnismöglichkeiten: gesund, krank, sehr wahrscheinlich krank. Das ganze hat einen Haken, an den Jane Fisher, die Leiterin der Vereinigung Antenatal Results and Choice erinnert: „Die Statistiken sagen, daß Fruchtwasseruntersuchungen drastisch zurückgegangen sind. Es ist wichtig daran zu erinnern, daß die neuen Bluttests keine diagnostischen Tests sind, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit angeben, und daher die Frauen veranlassen sollten, eine Fruchtwasserkontrolle durchführen zu lassen, um den Verdacht zu bekräftigen.“
Das hat aber einen weiteren Haken. Fruchtwasserkontrollen gelten als gefährlich für das Kind. Es besteht die konkrete Gefahr, daß das Kind dabei verletzt oder sogar getötet werden kann. Damit stellt sich grundsätzlich die Frage, wie sinnvoll eine Pränataldiagnostik überhaupt ist. Der Wunsch einer jeden Mutter, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, ist mehr als verständlich. Die vorgeburtlichen Tests setzen sie in einer sehr heiklen und verwundbaren Phase Beunruhigungen und Ängsten aus.
Das gestohlene Foto
In diesen Tagen empörte sich die kanadische Mutter eines krebskranken Mädchens mit Down Syndrom über die Firma Genoma. Genoma vertreibt einen dieser neuen Bluttests für den Hausgebrauch. „Tranquility“ nennt sich das Produkt, das aber nicht wirklich für Beruhigung sorgt. Das Unternehmen nahm sich einfach ein Foto des Mädchens vom Blog der Mutter und verwendete es für die Bewerbung von Tranquility: „Laß nicht zu, daß das auch dir passiert“.
Mit anderen Worten werden Schwangere aufgefordert, das Genoma-Produkt zu kaufen, Kinder mit Down-Syndrom ausfindig zu machen und töten zu lassen. Auch das Mädchen der kanadischen Mutter hätte, folgt man der Werbelinie von Genoma, getötet werden sollen. Lebensunwertes Leben nannten das die Nationalsozialisten und andere Sozialdarwinisten, darunter die Gründer der Abtreibungslobby. Sie alle träumten aus rassischen oder utilitaristischen Gründen von einer genetischen „Veredelung“ des Menschen.
„Meine Tochter wurde in Spanien für Werbeplakate mißbraucht, um für den Pränataltest Tranquility zu werben. Sie wurde als abschreckendes Beispiel eingesetzt“, so die Mutter. Sie verlangte von Genoma die Entfernung der Plakate und den Mißbrauch des Bildes ihrer Tochter einzustellen. Genoma reagierte hingegen ungerührt mit dem lapidaren Hinweis, daß die Vorgehensweise des Unternehmens völlig legal sei.
Die Mutter macht sich seither Vorwürfe, das Foto ihrer Tochter im Internet veröffentlicht zu haben: „Ich habe versagt und meine Tochter nicht geschützt. Als ich mit meinen eigenen Augen ihr zartes Gesicht auf dem häßlichen Werbebanner sah, hat es mir das Herz gebrochen. Während meine Tochter sich mutig für das Leben schlägt, behauptet diese Firma, daß ihr Leben gar nicht lebenswert ist. Wie können sie es nur wagen?!“
„Verleumderische Kampagne“
„Um es deutlich zu sagen“, so die Mutter, „bei einer Abtreibungsrate von 90–95 Prozent in solchen Fällen, ist das Hauptziel dieser Test nicht der, die Eltern auf die Geburt des Kindes vorzubereiten, sondern eindeutig der, das Kind töten zu lassen. Das ist moralisch doch völlig verwerflich.“ Daß das Unternehmen einfach ihr Foto aus dem Internet gestohlen hat, kann sich die Mutter nur damit erklären, „daß sie keine Eltern finden konnten, die bereit waren“ das Gesicht ihres Kindes für eine solche Werbekampagne zur Verfügung zu stellen. „Wie könnten Eltern auch so etwas tun!?“
„Die Werbekampagne ist sowas von verleumderisch gegen Menschen mit Down Syndrom, daß es in Spanien eine ganze Welle von Protesten von betroffenen Eltern und Behindertenorganisationen gab“, so die Mutter, die selbst erst dadurch aufmerksam wurde und sehen mußte, daß das Bild ihrer Tochter dafür mißbraucht worden war.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Flickr/William Murphy