Einflußreichster Kritiker von Papst Franziskus unter den Vatikanisten vom Heiligen Stuhl vor die Tür gesetzt


Sandro Magister vom Heiligen Stuhl vor die Tür gesetzt
San­dro Magi­ster vom Hei­li­gen Stuhl vor die Tür gesetzt

(Rom) San­dro Magi­ster ist seit 1974 Vati­ka­nist des Wochen­ma­ga­zins L’Espresso. Seit 41 Jah­ren berich­tet er über den Hei­li­gen Stuhl und die katho­li­sche Kir­che aus erster Hand. Eine Tätig­keit, die er unter fünf Päp­sten seit Paul VI. aus­üb­te. Er berich­te­te mit bemer­kens­wer­ter Umsicht auch Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen, dar­un­ter auch Ent­hül­lun­gen. Unter kei­nem Papst wur­de er gemaß­re­gelt. Unter Papst Fran­zis­kus haben sich die Din­ge jedoch geändert. 

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Ein Ent­wurf der Öko-Enzy­kli­ka Lau­da­to Si, die vor weni­gen Tagen von der Vatik­an­drucke­rei gedruckt, doch wegen Nach­bes­se­run­gen ein­ge­stampft wer­den muß­te, wur­de von L’Es­pres­so ver­öf­fent­licht. Ita­lie­ni­sche Tages­zei­tun­gen ver­mu­te­ten sofort „kon­ser­va­ti­ve Papst­kri­ti­ker“ hin­ter der undich­ten Stel­le. Eine Behaup­tung, die auch von dem Papst nahe­ste­hen­den Stim­men im Vati­kan zu hören war. Vom Pres­se­amt des Hei­li­gen Stuhls wur­de die Ver­öf­fent­li­chung Magi­ster zur Last gelegt und brach­te ihm die schwer­wie­gend­ste der denk­ba­ren Sank­tio­nen ein. Sei­ne Akkre­di­tie­rung beim Hei­li­gen Stuhl wur­de „auf unbe­stimm­te Zeit“ aus­ge­setzt. Seit 41 Jah­ren ging Magi­ster, ein Vete­ran unter den Vati­ka­ni­sten, im Pres­se­amt des Hei­li­gen Stuhls ein und aus. Er gehört zu den längst­die­nen­den und mehr noch zu den erfah­ren­sten Vatikanisten.

Wört­lich heißt es in der schrift­li­chen Mit­tei­lung des vati­ka­ni­schen Presseamtes:

„Ich bedauere es sehr, Ihr Federico Lombardi“

Das Schreiben des vatikanischen Presseamtes, mit dem der Vatikanist Sandro Magister ausgeschlossen wurde
Das Schrei­ben des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, mit dem der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster aus­ge­schlos­sen wurde

„Sehr geehr­ter Dr. Magister,
die von Ihnen voll­zo­ge­ne Ver­öf­fent­li­chung eines Ent­wurfs der Enzy­kli­ka des Pap­stes, für die eine Publi­ka­ti­ons­sper­re erklärt wur­de, stellt eine offen­kun­dig unkor­rek­te Initia­ti­ve dar, die Quel­le eines star­ken Unbe­ha­gens für sehr vie­le Jour­na­li­sten­kol­le­gen und einer schwer­wie­gen­den Stö­rung eines guten Funk­tio­nie­rens die­ses Pres­se­am­tes ist.

Ich tei­le Ihnen daher mit, daß Ihre Akkre­di­tie­rung bei unse­rem Pres­se­amt von mor­gen an auf unbe­stimm­te Zeit sus­pen­diert ist.

Ich bedaue­re es sehr, Ihr

Feder­i­co Lom­ba­di SJ

NB: Natür­lich muß die­se Sank­ti­on den Kol­le­gen des Pres­se­am­tes bekannt­ge­macht werden.

Zur Kennt­nis an
Dr. Lui­gi Vicinanza
Chef­re­dak­teur L’Espresso“

Magi­ster, der an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Mai­land Phi­lo­so­phie, Theo­lo­gie und Geschich­te stu­dier­te, war Bera­ter der Chef­re­dak­ti­on des Fern­seh­sen­ders der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz TV2000.

Bei Papst in Ungnade seit Enthüllung der Homo-Vergangenheit des Franziskus-Vertrauten Battista Ricca

Es ist bekannt, daß Magi­ster unter den nam­haf­ten Vati­ka­ni­sten eine beson­ders kri­ti­sche Posi­ti­on gegen­über dem Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus ver­tritt. Beim argen­ti­ni­schen Papst fiel Magi­ster bereits im Juni 2013 in Ungna­de, als er die Ernen­nung von Msgr. Bat­ti­sta Ric­ca, dem Direk­tor des Gäste­hau­ses San­ta Mar­ta zum Haus­prä­la­ten der Vatik­an­bank IOR kri­ti­sier­te. Magi­ster ent­hüll­te dabei die homo­se­xu­el­le Ver­gan­gen­heit des ehe­ma­li­gen Vati­kan-Diplo­ma­ten. Doch Papst Fran­zis­kus nahm sei­ne Ent­schei­dung nicht zurück. Ganz im Gegenteil.

Die Magi­ster-Ent­hül­lun­gen ver­an­laß­ten Jour­na­li­sten auf dem Rück­flug vom Welt­ju­gend­tag in Rio de Janei­ro dem Papst Fra­gen zum Fall Ric­ca zu stel­len. Papst Fran­zis­kus ant­wor­te­te mit der berühmt-berüch­tig­ten Gegen­fra­ge: „Wer bin ich, um zu urtei­len?“ Ein Satz, der seit­her völ­lig los­ge­löst vom Fall Ric­ca ver­all­ge­mei­nernd als Aner­ken­nung homo­se­xu­el­ler und ande­rer gegen die kirch­li­che Moral­leh­re ver­sto­ßen­der Hand­lungs­wei­sen ver­brei­tet wird. Obwohl Poli­ti­ker mit dem Satz die Lega­li­sie­rung der „Homo-Ehe“ recht­fer­tig­ten, sah Papst Fran­zis­kus in bald zwei Jah­ren kei­ne Not­wen­dig­keit, die Aus­sa­ge zu korrigieren.

„Denen da drinnen“ ein rotes Tuch

Für Magi­ster bedeu­te­te es, daß er seit dem Juni 2013 von bestimm­ten Prä­la­ten des Vati­kans, beson­ders dem eng­sten Ver­trau­ten­kreis von Papst Fran­zis­kus geschnit­ten wur­de. San­dro Magi­ster galt „denen da drin­nen“, gemeint ist das Gäste­haus San­ta Mar­ta mit der päpst­li­chen Entou­ra­ge, als rotes Tuch. Vie­le Wider­sprü­che des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats wur­den durch sei­ne exzel­len­ten Infor­ma­tio­nen und sei­ne schar­fen Ana­ly­sen auf brei­ter Ebe­ne sicht­bar. Er ent­hüll­te die Rol­le eines Regis­seurs, die der Papst selbst bei den umstrit­te­nen Machen­schaf­ten rund um die Bischofs­syn­ode 2014 innehatte.

Er kri­ti­sier­te die umstrit­te­nen Papst-Inter­views mit dem Athe­isten Euge­nio Scal­fa­ri, wäh­rend ande­re Vati­ka­ni­sten ihnen blin­den Bei­fall zoll­ten oder mit Ver­ren­kun­gen zu „erklä­ren“ ver­such­ten. Eine Kri­tik, die Magi­ster übte, obwohl Scal­fa­ri selbst von 1963–1968 Chef­re­dak­teur des Espres­so war. Das war zwar bevor Magi­ster für das Blatt zu arbei­ten begann, doch ist Scal­fa­ri bis zum heu­ti­gen Tag die graue Emi­nenz in der Ver­lags­grup­pe. Das Wochen­ma­ga­zin L’Es­pres­so und die Tages­zei­tung La Repubbli­ca gehö­ren zur sel­ben Medi­en­grup­pe. Auch haus­in­tern mach­te sich der Pro­fi­jour­na­list mit sei­ner Kri­tik nicht nur Freunde.

Umge­kehrt wur­de Magi­ster wegen sei­ner nüch­ter­nen Hal­tung, die ihn vor einer fal­schen Apo­loge­tik fei­te, zum Adres­sa­ten für unzäh­li­ge Infor­ma­tio­nen, die ihm von papst­kri­ti­schen Prä­la­ten zuge­spielt wurden.

Wie sich die Sank­ti­on auf Magi­ster Arbeit aus­wir­ken wird, muß sich erst zei­gen. Zunächst ist abzu­war­ten, wie sein Arbeit­ge­ber reagiert. In der Chef­re­dak­ti­on oder auf der Her­aus­ge­ber- und Eigen­tü­mer­ebe­ne könn­te sich die Mei­nung durch­set­zen, daß ein Vati­ka­nist ohne Akkre­di­tie­rung ein Wider­spruch ist. Bei L’Es­pres­so, dem ita­lie­ni­schen Gegen­stück zum deut­schen Spie­gel ist eine sol­che Sicht­wei­se nicht zwingend.

Ein Schönheitsfehler als willkommener Anlaß?

Der Zorn der ande­ren Vati­ka­ni­sten über Magi­sters Allein­gang ist beacht­lich. Den­noch sind eini­ge der Über­zeu­gung, daß Magi­sters Invol­vie­rung jeman­dem im Vati­kan nicht so unge­le­gen kam. Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di begrün­de­te die Sank­ti­on mit der objek­ti­ven Gewiß­heit, daß Magi­ster die Ver­öf­fent­li­chungs­sper­re durch­bro­chen habe. Genau dies bestritt Magi­ster gegen­über Asso­cia­ted Press. Der Her­aus­ge­ber des Espres­so habe die Ver­öf­fent­li­chung ent­schie­den. Er, Magi­ster, habe ledig­lich einen kur­zen Vor­spann ver­faßt, der ihm not­wen­dig schien. Auf die Ent­schei­dung zur Ver­öf­fent­li­chung habe er kei­nen Ein­fluß gehabt.

Magi­ster ist nicht der erste Jour­na­list, dem die Akkre­di­tie­rung ent­zo­gen wur­de. Den­noch han­delt es sich um eine äußerst sel­ten gebrauch­te Sank­ti­on. Um so mehr ver­stärkt sich der Ein­druck, der Vor­fall habe jeman­dem die will­kom­me­ne Gele­gen­heit gebo­ten, den ein­fluß­reich­sten Kri­ti­ker von Papst Fran­zis­kus unter den Vati­ka­ni­sten vor aller Augen abzu­stra­fen. Daß Papst Fran­zis­kus nach­tra­gend ist, ist hin­läng­lich bekannt. Der Ent­zug der Akkre­di­tie­rung beim Pres­se­amt des Hei­li­gen Stuhls ent­zieht einem Vati­ka­ni­sten gera­de­zu den Boden unter sei­ner Arbeit. Ein Schritt, soviel steht fest, der auch für Magi­ster über­ra­schend kam.

„Der neue Des­po­tis­mus im Vati­kan for­dert ein wei­te­res Opfer“ kom­men­tier­te Chie­sa e post­con­ci­lio den Raus­wurf Magi­sters, der als „unbe­stech­lich und wirk­lich ein Katho­lik“ beschrie­ben wird. „Die neue Barm­her­zig­keit in Akti­on grenzt auch in die­sem Fall, wäre es nicht so besorg­nis­er­re­gend, an Lächer­lich­keit“, so die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne römi­sche Internetseite.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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