Der Jesuit auf dem Papstthron – Von zwei Katastrophen in einer Person (3. Teil/​1)


Unsere Liebe Frau von Fatima und die drei Seherkinder.
Unsere Liebe Frau von Fatima und die drei Seherkinder.

von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Im Anschluß an die bei­den ersten Tei­le und die Exkur­se folgt nun eine Aus­wer­tung der der­zei­ti­gen pre­kä­ren Situa­ti­on von Papst­amt und Gesell­schaft Jesu. Aus Grün­den der Über­sicht­lich­keit des umfang­rei­chen und kom­ple­xen Stof­fes muß die­ser Abschnitt wie­der­um unter­teilt wer­den. Die Gedan­ken­füh­rung der drei Unter­ab­schnit­te ist fol­gen­de: eine Ana­ly­se des Glau­bens­ab­falls der Gott­ge­weih­ten im Licht von Fati­ma, eine Ana­ly­se des Ver­fal­les der Moral­theo­lo­gie als poli­tisch und gesell­schaft­lich beson­ders bri­san­te Mate­rie und schließ­lich eine Aus­wer­tung in Bezug auf das Wir­ken von Papst Franziskus.

Drei Korrekturen

Eine Durch­sicht der bis­her ver­öf­fent­lich­ten Tei­le die­ser Serie läßt die Kor­rek­tur zwei­er klei­ner Feh­ler und eine Ergän­zung not­wen­dig erscheinen:

Im 1. Teil war der Name der römi­schen Titel­pfar­rei von Kar­di­nal Kas­per falsch geschrie­ben. Es muß hei­ßen „Ognis­san­ti“, nicht „Ognis­an­ti“. Im 2. Exkurs war zum Namen der deut­schen Phi­lo­so­phin Alma von Stock­hausen irr­tüm­lich ein Kreuz­chen gesetzt wor­den. Das wur­de zwar schon ent­fernt, ich ersu­che Frau von Stock­hausen aber noch nach­träg­lich um Nach­sicht. Im 2. Teil wur­den Wer­ke der öster­rei­chi­schen Jesui­ten­pro­vinz genannt, die in den letz­ten zehn bis fünf­zehn Jah­ren auf­ge­ge­ben wur­den. Nicht genannt wur­de dabei die Zeit­schrift „Der Ent­schluß“ (vor­mals: „Der gro­ße Ent­schluß“). Was ein­mal ein inter­es­san­tes Peri­odi­kum gewe­sen war (sogar mit einem Bei­trag von Rein­hold Schnei­der zur Zeit sei­nes Wien­auf­ent­hal­tes 1957/​58, „Win­ter in Wien“), „ver­lor das Salz“ und wur­de belang­los. Auch das hat man also in den Gra­ben gefahren.

Kom­men wir zum Thema:

Die – zunächst – verdeckte Apostasie im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Sr. Lucia von Fati­ma hat­te offen­bar allen Grund, daß sie in dem Inter­view mit P. Augu­stin Fuen­tes am 26. Dezem­ber 1957 vor der Apo­sta­sie der Gott­ge­weih­ten warnte.

La Salette (1846)
La Salet­te (1846)

Im Nach­hin­ein bekom­men somit auch die düste­ren War­nun­gen von La Salet­te 1846 einen tie­fe­ren Sinn. Und die von Qui­to, Ecua­dor, am Anfang des 17. Jahr­hun­derts (Unse­re Lie­be Frau vom Guten Erfolg). Und der dra­ma­ti­sche Auf­ruf zur Buße in Lour­des 1858.

Das zeigt daher, daß eine pau­scha­le und unkri­ti­sche Glo­ri­fi­zie­rung der „vor­kon­zi­lia­ren Kir­che“ (wor­un­ter man nor­ma­ler­wei­se in etwa die Epo­che von Pius IX. bis Pius XII. ver­steht) tat­säch­lich nicht gerecht­fer­tigt ist.

Ich wur­de etwa von Zeit­zeu­gen dar­auf hin­ge­wie­sen, daß die vol­len Kir­chen und Semi­na­re in den 50er Jah­ren einen schon beäng­sti­gen­den Schwund an per­sön­li­chem Glau­bens­le­ben im Volk ver­deckt hät­ten. Zeit­ge­nös­si­sche geist­li­che Schrif­ten für Lai­en (bspw. „Christ­li­che Haus­po­stil­le“) schla­gen schon zur Zeit der Wen­de zum 20. Jahr­hun­dert einen ern­sten und mah­nen­den Ton an. Offen­bar gab es eini­gen Grund dazu.

Bei allem gutem Wil­len, den es damals zwei­fel­los in den Jah­ren nach dem Welt­krieg gab, muß daher doch ein rea­li­sti­scher Blick bei­be­hal­ten werden.

Somit muß man kon­sta­tie­ren, daß eine Nach­läs­sig­keit der je per­sön­li­chen Glau­bens­pra­xis einer­seits, bewuß­te Sub­ver­si­on durch „Wöl­fe im Schafs­pelz“ ande­rer­seits, bereits statt­ge­habt hatte.

Die Rolle der Ordensleute in der Apostasie

Auf letz­te­res weist das Phä­no­men der­je­ni­gen Prie­ster und Ordens­leu­te hin, die zwar in ihrem Stand blie­ben, aber inner­lich vom Glau­ben abge­fal­len oder doch zumin­dest in Irr­tum gefal­len waren, was eine Ver­bin­dung des Glau­bens mit wesens­frem­den Prak­ti­ken betraf.

Kardinal-König-Haus in Wien
Kar­di­nal-König-Haus in Wien

Damit tru­gen sie Wider­sprüch­li­ches in ihr Leben und ihren Orden hin­ein. In den 70er Jah­ren brei­te­te sich das dann explo­si­ons­ar­tig aus: Zen, Mar­xis­mus, Enne­agramm, Grup­pen­dy­na­mik, Psy­cho­tech­ni­ken aller Art, „moder­ne Kunst“, Befrei­ungs­theo­lo­gie, u. s. w., u. s. f.

Kaum ein Bil­dungs- und Exer­zi­ti­en­haus, das die­se Abar­tig­kei­ten nicht in ihrem Pro­gramm hat. (Man schaue exem­pla­risch nur in das Pro­gramm des Kar­di­nal-König-Hau­ses der Jesui­ten in Wien-Lainz.)

Alles das war schon kryp­tisch in den Orden angelegt.

Unter den Toten­grä­bern der katho­li­schen Theo­lo­gie, damit des kirch­li­chen Glau­bens­le­bens, waren bedeu­ten­de Ordens­leu­te. Um nur eini­ge zu nen­nen: der Laza­rist Anni­ba­le Bug­nini [1] Streng genom­men sind die Laza­ri­sten (Con­gre­ga­tio Mis­sio­nis) kein Orden son­dern eine Welt­prie­ster­kon­gre­ga­ti­on. In der Pra­xis ist der Unter­schied ver­nach­läs­sig­bar. , „Archi­tekt“ der fälsch­lich so genann­ten „Lit­ur­gie­re­form“ und nach glaub­wür­di­gen Zeug­nis­sen Frei­mau­rer, die Domi­ni­ka­ner Yves Con­gar und Edward Schil­le­be­eckx und die Jesui­ten Édouard Dha­nis, John Court­ney Mur­ray, Hen­ri de Lubac, Karl Rah­ner und der sinist­re Kar­di­nal Augu­stin Bea. Inhalt­lich ging es dabei meist um eine Ein­eb­nung des Unter­schie­des von Natur und Übernatur.

Die Zeit­bom­ben waren also gelegt.

Folgen der Apostasie im weltlichen Bereich

Die Zeit­bom­ben sind dann auch nach dem Kon­zil hochgegangen.

Wir sehen es ohne­hin um uns: Die Aus­wir­kun­gen blie­ben nicht auf den kirch­li­chen Bin­nen­raum beschränkt. Die Kon­fu­si­on ver­wirr­te die Welt. Sie unter­mi­nier­te den Wil­len zum Guten und riß die Mau­ern ein, die das Böse ein­däm­men sollten.

Die Aus­wir­kun­gen in der Welt sind dra­ma­tisch. So vie­le Krie­ge und Völ­ker­mor­de hat es noch nie in einem so kur­zen Zeit­raum gege­ben. Die Isla­mi­sie­rung geht seit den 60er Jah­ren, aus sini­stren geo­po­li­ti­schen Grün­den von den USA und ihren „Ver­bün­de­ten“ mas­siv geför­dert, explo­si­ons­ar­tig vonstatten.

Abtrei­bung wird immer drei­ster als Recht gefordert.

Man hat sei­tens der Hier­ar­chie einen fal­schen Weg ein­ge­schla­gen und der Bot­schaft von Fati­ma direkt und wis­sent­lich und bewußt getrotzt. Damit fühl­te sich auch die Welt nicht mehr zur Bekeh­rung aufgerufen.

Da die Jesui­ten durch ihre hohe Ein­satz­be­reit­schaft, inter­na­tio­na­le Ver­net­zung und pro­fun­de Bil­dung einen star­ken Ein­fluß auf die ande­ren Orden, auf die Gesamt­kir­che und damit auch auf den welt­li­chen Bereich hat­ten und noch haben, wir­ken sich deren Fehl­ent­schei­dun­gen umso dra­ma­ti­scher aus.

Daher ein Wort zu Fati­ma im gegen­ständ­li­chen Zusammenhang:

Die Jesuiten und Fatima

Mir liegt das Buch des gläu­bi­gen por­tu­gie­si­schen Jesui­ten Luà­s Gon­z­a­ga da Fon­se­ca, Maria spricht zur Welt – Geheim­nis und welt­ge­schicht­li­che Sen­dung Fati­mas (1) , vor.

P. Gonzaga da Fonseca "Maria spricht zur Welt"
P. Gon­z­a­ga da Fon­se­ca „Maria spricht zur Welt“

Die­ses Buch ist ein Zeug­nis für den Glau­bens­sinn, der in Bezug auf Fati­ma bei vie­len Lai­en und Prie­stern in den 30er und 40er Jah­ren her­an­reif­te. Bemer­kens­wert ist das im Buch abge­druck­te Glück­wunsch­schrei­ben des Bischofs von Leiri­a, Msgr. José Cor­reia da Sil­via, vom 4. August 1942. Dar­in bestä­tigt der für Fati­ma zustän­di­ge Ober­hir­te die Rea­li­tät der Erschei­nun­gen und deren Gehalt. Er ruft dort auf zur Abscheu vor der „unrei­nen Sün­de, die so vie­le See­len in die Höl­le stürzt“. Für heu­ti­ge Ohren klingt das eher ungewohnt.

Nicht P. da Fon­se­ca wur­de aber dann von der Hier­ar­chie zu die­sem The­ma rezi­piert son­dern der bel­gi­sche Jesu­it und Moder­nist Édouard Dha­nis (1902 – 1978)!

Die­ser war ein mas­si­ver Geg­ner der Fati­ma-Bot­schaft. Er muß­te die Rea­li­tät der Erschei­nun­gen von 1917 zwar ein­ge­ste­hen (jeg­li­che Bestrei­tung des über­na­tür­li­chen Cha­rak­ters die­ser Ereig­nis­se hät­te ihm nur Spott ein­ge­tra­gen), leg­te aber in zwei Arti­keln 1944 nahe, daß die spä­te­ren Offen­ba­run­gen (näm­lich von Pon­te­ve­dra 1925/​26, Tuy 1929, Rian­jo 1931) „unbe­wuß­te Erfin­dun­gen“ durch Sr. Lucia darstellten.

So führ­te er eine Tren­nung von „Fati­ma 1“ und „Fati­ma 2“ ein. Er riß also die Offen­ba­run­gen von 1917, die er (offen­bar äußerst unwil­lig) aner­ken­nen muß­te, und die Bot­schaf­ten, die Sr. Lucia danach emp­fing, gegen alle inne­re Logik und Evi­denz aus­ein­an­der – und dis­kre­di­tier­te damit natür­lich auch „Fati­ma 1“.

Er lehn­te vor allem die gefor­der­te Wei­he Ruß­lands an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens ab.

Für sei­ne Arbeits­wei­se ist cha­rak­te­ri­stisch, daß er sich wei­ger­te, in den Kar­mel nach Coim­bra zu fah­ren und mit Sr. Lucia selbst zu spre­chen. Die Ein­la­dun­gen des Orts­bi­schofs, die Archiv­ak­ten zu stu­die­ren, lehn­te er eben­falls ab. Fach­leu­te wider­leg­ten sei­ne per­fi­den Ela­bo­ra­te mehr­fach, unter ihnen auch Jesui­ten (etwa Agost­in­ho Velo­so in der Jesui­ten­zeit­schrift Bro­té­ria).

Barreto Edouard Dhanis Fatima und der Zweite Weltkrieg
„Bar­re­to“: Edouard Dha­nis Fati­ma und der Zwei­te Weltkrieg

Genützt hat es nichts. Dha­nis blieb verstockt.

Unver­ständ­li­cher­wei­se wird aber genau die­ser P. Dha­nis von dem dama­li­gen Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger, in der unglück­li­chen Erklä­rung Die Bot­schaft von Fati­ma (26.06.2000) als „her­aus­ra­gen­der Gelehr­ter“ bezeichnet.

Hat hier jemand im Hin­ter­grund Druck auf den Glau­bens­prä­fek­ten aus­ge­übt? Oder gar auf den Papst?

Hät­te der gro­ße Mari­en­ver­eh­rer Igna­ti­us von Loyo­la eine Bot­schaft „Unse­rer Her­rin“, wie er sich aus­drück­te, igno­riert, oder, wie Dha­nis, bekämpft?

Allei­ne schon die­se Fra­ge zeigt, wie sehr sich die Gesell­schaft Jesu von ihren eige­nen Wur­zeln ent­fernt hat. Die Fati­ma-Fra­ge wirft ein grel­les Schlag­licht auf die Apo­sta­sie eines Ordens, der sich mit beson­de­rem Nach­druck der Ver­brei­tung des katho­li­schen Glau­bens gewid­met und in spe­zi­el­ler Wei­se der Ver­eh­rung Unse­rer Lie­ben Frau geweiht hat, somit zu Recht als „maria­nisch“ zu bezeich­nen ist.

Das ist aber so gut wie voll­stän­dig verdunstet.

„Maria­nisch“ ist auch nicht im Sin­ne von päpst­li­chen Gesten zu ver­ste­hen, die Grund zur Ver­wir­rung bie­ten, wie der Ball auf dem Altar von San­ta Maria Mag­gio­re und die „Wei­he, die kei­ne war“.

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge, Phi­lo­soph, Katechist

Bild: Fatima/​Canisius/​Barreto (Screen­shots)

(1) 9. Auf­la­ge, Maria­ni­scher Ver­lag, Inns­bruck, 1950; Ori­gi­nal: Le Mera­vi­glie di Fà tima, Ita­li­en 1931. Mit herz­li­chem Dank an Frau B. für das Ausborgen

Die voll­stän­di­ge Reihe:

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1 Streng genom­men sind die Laza­ri­sten (Con­gre­ga­tio Mis­sio­nis) kein Orden son­dern eine Welt­prie­ster­kon­gre­ga­ti­on. In der Pra­xis ist der Unter­schied vernachlässigbar.
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